Politik

1. Scheinbar schafft Politik sich Verhältnisse, wie sie will (d. h. "Primat der Politik")

Die Geschichte der Sowjetunion hat viele Theorien und Ansichten von Karl Marx auf den Kopf gestellt. Unter anderem meinten die Bolschewiki die Allmacht der Politik über die Ökonomie bewiesen zu haben, wo es doch eine Grundthese von Marx war, dass die Politik und ihre Geschichte aus den ökonomischen Verhältnissen und ihrer Entwicklung zu erklären ist, nicht umgekehrt. F. Engels, Bund der Kommunisten, MEW 8, 582.

 

Die Illusion vom Primat der Politik betrachtet nicht das Gesetz als Produkt der materiellen Produktionsverhältnisse, sondern umgekehrt die Produktionsverhältnisse als Produkt des Gesetzes. K. Marx, Kapital I,, MEW 23, 643 Anm. 73.

Es ist die alte Illusion, dass es nur vom guten Willen der Leute abhängt, die bestehenden Verhältnisse zu ändern. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 363.

 

Die Vorstellung, als wären die politischen Haupt- und Staatsaktionen das Entscheidende in der Geschichte, ist so alt wie die Geschichts-schreibung selbst. F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 148.

 

Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, das heißt also je vollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Probleme zu entdecken. K. Marx, Randglossen, MEW 1, 402.

 

Das materielle Leben der Individuen, welches keineswegs von ihrem bloßen Willen abhängt, ihre Produktionsweise und die Verkehrsform, die sich wechselseitig bedingen, ist die reelle Basis des Staats und bleibt es auf allen Stufen, auf denen die Teilung der Arbeit und das Privat-eigentum noch nötig sind, ganz unabhängig vom Willen der Individuen.

Diese wirklichen Verhältnisse sind keineswegs von der Staatsmacht geschaffen, sie sind vielmehr die sie schaffende Macht.

Dasselbe gilt von den beherrschten Klassen, von deren Willen es ebenso wenig abhängt, ob Gesetz und Staat bestehen. ...

Die oberflächlichste Betrachtung der Gesetzgebung, z. B. der Armen-gesetzgebung in allen Ländern, wird zeigen, wie weit es die Herr-schenden brachten, wenn sie durch ihren bloßen Herrscherwillen, d. h. als nur Wollende, irgendetwas durchsetzen zu können sich einbildeten. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 311ff.

 

Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, dass Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der so genannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln ...

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Pro-duktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.

 

Es zeigte sich, dass ... die jedesmalige ökonomische Struktur der Gesellschaft die reale Grundlage bildet, aus der der gesamte Überbau der rechtlichen und politischen Einrichtungen sowie der religiösen, philosophischen und sonstigen Vorstellungsweisen eines jeden geschichtlichen Zeitabschnitts in letzter Instanz zu erklären sind. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 208.

 

 

1.1. Das Primat der Politik ist von der Geschichte widerlegt

Herr Professor Eugen Dühring schreibt: ... Die Gestaltung der politischen Beziehungen ist das geschichtlich Fundamentale, und die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind nur eine Wirkung oder ein Spezialfall und daher stets Tatsachen zweiter Ordnung. ... Ebenso an einer anderen Stelle, wo Herr Dühring von dem Satz ausgeht, dass die politischen Zustände die entscheidende Ursache der Wirtschaftslage ... sei.

Das ist die Theorie des Herrn Dühring. ...

Die historischen Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Das Privateigentum tritt überhaupt in der Geschichte keineswegs auf als Ergebnis des Raubs und der Gewalt. Im Gegenteil. Es besteht schon, wenn auch unter Beschränkung auf gewisse Gegenstände, in der uralten naturwüchsigen Gemeinde aller Kulturvölker. ... Wenn die politischen Zustände die entscheidende Ursache der Wirtschaftslage sind, so müsste die moderne Bourgeoisie nicht im Kampf mit dem Feudalismus sich entwickelt haben, sondern sein freiwillig erzeugtes Schoßkind sein. Jedermann weiß, dass das Gegenteil stattgefunden hat. Ursprünglich dem herrschenden Feudaladel zinspflichtiger, aus Hörigen und Leibeigenen aller Art sich rekrutierender, unterdrückter Stand, hat das Bürgertum in fortwährendem Kampf mit dem Adel einen Machtposten nach dem anderen erobert und schließlich in den entwickeltsten Ländern an seiner Stelle die Herrschaft in Besitz genommen; in Frankreich, indem es den Adel direkt stürzte, in England, indem es ihn mehr und mehr verbürgerlichte und ihn sich als seine eigene ornamentale Spitze einverleibte. Und wie brachte es dies fertig? Lediglich durch Veränderung der Wirtschaftslage der eine Veränderung der politischen Zustände früher oder später, freiwillig oder erkämpft, nachfolgte.

Der Kampf der Bourgeoisie gegen den Feudaladel ist der Kampf der Stadt gegen das Land, der Industrie gegen den Grundbesitz, der Geldwirtschaft gegen die Naturalwirtschaft, und die entscheidenden Waffen der Bürger in diesem Kampfe waren ihre, durch die Entwicklung der erst handwerksmäßigen, später zur Manufaktur vorschreitenden Industrie und durch die Ausbreitung des Handels sich fortwährend steigernden ökonomischen Machtmittel. Während dieses ganzen Kampfs stand die politische Gewalt auf Seite des Adels, mit Ausnahme einer Periode, wo die königliche Macht das Bürgertum gegen den Adel benutzte, um den einen Stand durch den anderen im Schach zu halten; aber von dem Augenblick, wo das noch immer politisch ohnmächtige Bürgertum, vermöge seiner wachsenden ökonomischen Macht, gefährlich zu werden anfing, verbündete sich das Königtum wieder mit dem Adel und rief dadurch zuerst in England, dann in Frankreich die Revolution des Bürgertums hervor. Die politischen Zustände in Frankreich waren unverändert geblieben, während die Wirtschaftslage ihnen entwachsen war. Dem politischen Stand nach war der Adel alles, der Bürger nichts; der sozialen Lage nach war der Bürger jetzt die wichtigste Klasse im Staat, während dem Adel alle seine sozialen Funktionen abhanden gekommen waren und er nur noch in seinen Einkünften die Bezahlung dieser verschwundenen Funktionen einstrich. Damit nicht genug: das Bürgertum war in seiner ganzen Produktion eingezwängt geblieben in die feudalen politischen Formen des Mittelalters, denen diese Produktion nicht nur die Manufaktur, sondern selbst das Handwerk längst entwachsen war: in alle die, zu bloßen Schikanen und Fesseln der Produktion gewordenen, tausend-fachen Zunftprivilegien und lokalen und provinzialen Zollschranken. Die Revolution des Bürgertums machte dem ein Ende. Nicht aber indem sie, nach Herrn Dührings Grundsatz, die Wirtschaftslage den politischen Zuständen anpasste das hatte ja gerade Adel und Königtum jahrelang umsonst versucht , sondern indem sie umgekehrt den alten modrigen politischen Plunder beiseite warf und politische Zustände schuf, in denen die neue Wirtschaftslage bestehen und sich entwickeln konnte. Und sie hat sich in dieser ihr angemessenen politischen und rechtlichen Atmosphäre glänzend entwickelt, so glänzend, dass die Bourgeoisie schon nicht mehr weit von der Stellung ist, die der Adel 1789 einnahm: sie wird mehr und mehr, nicht nur sozial überflüssig, sondern soziales Hindernis; sie scheidet mehr und mehr aus der Produktionstätigkeit aus und wird mehr und mehr, wie seinerzeit der Adel, eine bloß Einkommen einstreichende Klasse; und sie hat diese Umwälzung ihrer eigenen Stellung und die Erzeugung einer neuen Klasse, des Proletariats, fertig gebracht, ohne irgendwelchen Gewaltshokuspokus, auf rein ökonomi-schem Wege.

Noch mehr. Sie hat dies Resultat ihres eigenen Tun und Treibens keineswegs gewollt im Gegenteil, es hat sich mit unwiderstehlicher Gewalt gegen ihren Willen und gegen ihre Absicht durchgesetzt; ihre eigenen Produktivkräfte sind ihrer Leitung entwachsen und treiben, wie mit Naturnotwendigkeit, die ganze bürgerliche Gesellschaft dem Untergang oder der Umwälzung entgegen. Und wenn die Bourgeois jetzt an die Gewalt appellieren, um die zusammenbrechende Wirtschafts-lage vor dem Einsturz zu bewahren, so beweisen sie damit nur, dass sie in derselben Täuschung befangen sind wie Herr Dühring, als seien die politischen Zustände die entscheidende Ursache der Wirtschaftslage; dass sie sich einbilden, ganz wie Herr Dühring, sie könnten mit dem Primitiven, mit der unmittelbar politischen Gewalt jene Tatsachen zweiter Ordnung, die Wirtschaftslage und ihre unabwendbare Ent-wicklung umschaffen und also die ökonomischen Wirkungen der Dampfmaschine und der von ihr getriebnen modernen Maschinerie, des Welthandels und der heutigen Bank- und Kreditentwicklung mit Krupp-Kanonen und Mauser-Gewehren wieder aus der Welt schießen. ...

Hiernach ist es klar, welche Rolle die Gewalt in der Geschichte gegen-über der ökonomischen Entwicklung spielt. Erstens beruht alle politische Gewalt ursprünglich auf einer ökonomischen, gesellschaft-lichen Funktion und steigert sich in dem Maß, wie durch Auflösung der ursprünglichen Gemeinwesen die Gesellschaftsglieder in Privatprodu-zenten verwandelt, also den Verwaltern der gemeinsam-gesellschaft-lichen Funktionen noch mehr entfremdet werden.

Zweitens, nachdem sich die politische Gewalt gegenüber der Gesellschaft verselbständigt, aus der Dienerin in die Herrin verwandelt hat, kann sie in zweierlei Richtung wirken. Entweder wirkt sie im Sinn und in der Richtung der gesetzmäßigen ökonomischen Entwicklung. In diesem Fall besteht kein Streit zwischen beiden, die ökonomische Entwicklung wird beschleunigt. Oder aber sie wirkt ihr entgegen, und dann erliegt sie, mit wenigen Ausnahmen, der ökonomischen Entwicklung regelmäßig. Diese wenigen Ausnahmen sind einzelne Fälle von Eroberung, wo die roheren Eroberer die Bevölkerung eines Landes ausrotteten oder vertrieben und die Produktivkräfte, mit denen sie nichts anzufangen wussten, verwüsteten oder verkommen ließen. ...

Wo aber abgesehen von Eroberungsfällen die innere Staatsgewalt eines Landes in Gegensatz tritt zu seiner ökonomischen Entwicklung, wie das bisher auf gewisser Stufe fast für jede politische Gewalt eingetreten ist, da hat der Kampf jedes Mal geendigt mit dem Sturz der politischen Gewalt. Ausnahmslos und unerbittlich hat die ökonomische Entwicklung sich Bahn gebrochen das letzte schlagendste Beispiel davon haben wir schon erwähnt: die große französische Revolution. Hinge, nach Herrn Dührings Lehre, die Wirtschaftslage und mit ihr die ökonomische Verfassung eines bestimmten Landes einfach von der politischen Gewalt ab, so ist gar nicht abzusehen, warum denn es Friedrich Wilhelm IV. nach 1848 nicht gelingen wollte, trotz seines herrlichen Kriegsheeres, die mittelalterlichen Zünfte und andere romantische Marotten auf die Eisenbahnen, Dampfmaschinen und die sich eben entwickelnde große Industrie seines Landes zu pfropfen; oder warum der Kaiser von Russland, der doch noch viel gewaltiger ist, nicht nur seine Schulden nicht bezahlen, sondern nicht einmal ohne fortwährendes Anpumpen der Wirtschaftslage von Westeuropa seine Gewalt zusammenhalten kann. F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 147ff.

 

2. Was kann Politik bewirken?

Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist und es ist der letzte Endzweck dieses Werks (des Kapitals), das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen , kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch per Regierungserlass wegbefehlen. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 15f.

 

 

2.1. Politik der Herrschenden

Alle Regierungen, seien sie noch so unabhängig, sind in letzter Instanz nur die Vollstrecker der ökonomischen Notwendigkeiten der nationalen Lage. Sie mögen diese Aufgabe in verschiedener Weise gut, schlecht oder leidlich besorgen; sie mögen die ökonomische Entwicklung beschleunigen oder hemmen, aber schließlich müssen sie ihr doch folgen. F. Engels, Brief an Danielson (1892), MEW 38, 365.

Änderungen, die von einer gesellschaftlichen Notwendigkeit diktiert werden, bahnen sich früher oder später ihren Weg; wenn sie zu einem dringenden Bedürfnis geworden sind, müssen sie befriedigt werden, und die Gesetzgebung wird immer gezwungen sein, sich ihnen anzupassen. Karl Marx, Nationalisierung des Bodens, MEW 18, 60.

Siehe auch den Artikel: Gesetze

 

2.2. Emanzipatorische Politik der Beherrschten

Es gibt keine politische Bewegung, die nicht gleichzeitig eine gesellschaftliche wäre. K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 182.

 

Um Selbstbestimmung zu erreichen, müssen die Lohnarbeiter alle Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist .... K. Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, 385.

 

 

2.2.1. Emanzipatorische Politik führte zu nichts,

wenn nicht die Verhältnisse entwickelt wären

... Innerhalb der bürgerlichen, auf dem Tauschwert beruhenden Gesellschaft, erzeugen sich sowohl Verkehrs- als Produktions-verhältnisse, die ebenso viel Minen sind, um sie zu sprengen. (... ander-erseits, wenn wir nicht in der Gesellschaft, wie sie ist, die materiellen Produktionsbedingungen und ihnen entsprechenden Verkehrsverhält-nisse für eine klassenlose Gesellschaft verhüllt vorfänden, wären alle Sprengversuche lächerliche Unterfangen.) K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 77.

 

Und wie fiele es den Sozialisten ein, höhere Forderungen zu machen, wenn sie nicht diese höhere Entwicklung der durch die Lohnarbeit hervorgebrachten gesellschaftlichen Produktivkräfte voraussetzten? Das letztere ist vielmehr die Voraussetzung ihrer Forderungen. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 853.

 

Es hindert uns ... nichts, unsere Kritik an die ... Parteinahme in der Politik, also an wirkliche Kämpfe anzuknüpfen und mit ihnen zu identifizieren. Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen ihr nicht: Lass ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; ... Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft ... K. Marx, Dt.-Franz. Jahrbücher, MEW 1, 345.

 

Die erwachende Einsicht, dass die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvernünftig und ungerecht sind, dass Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden ist, ist nur ein Anzeichen davon, dass in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Verände-rungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere ökonomische Bedingungen zugeschnittene gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt.

Damit ist zugleich gesagt, dass die Mittel zur Beseitigung der entdeck-ten Missstände ebenfalls in den veränderten Produktionsverhältnissen selbst mehr oder minder entwickelt vorhanden sein müssen. Diese Mittel sind nicht etwa aus dem Kopfe zu erfinden, sondern vermittelst des Kopfes in den vorliegenden materiellen Tatsachen der Produktion zu entdecken. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 210.

 

Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt wer-den soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben wird. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 35.

 

Wie die Ökonomen die wissenschaftlichen Vertreter der Bourgeois-klasse sind, so sind die Sozialisten und Kommunisten die Theoretiker der Klasse des Proletariats. ...

In dem Maße, wie die Geschichte vorschreitet und mit ihr der Kampf des Proletariats sich deutlicher abzeichnet, haben sie nicht mehr nötig, die Wissenschaft in ihrem Kopfe zu suchen; sie haben sich nur Rechenschaft abzulegen von dem, was sich vor ihren Augen abspielt, und sich zum Organ desselben zu machen. ... Von diesem Augenblick an wird die Wissenschaft bewusstes Erzeugnis der historischen Bewegung, und sie hat aufgehört, doktrinär zu sein, sie ist revolutionär geworden. K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 143.

 

Die historische Theorie von Marx ist nach meiner Meinung die Grundbedingung jeder zusammenhängenden und konsequenten revolu-tionären Taktik; um diese Taktik zu finden, braucht man nur die Theorie auf die ökonomischen und praktischen Verhältnisse des betreffenden Landes anzuwenden. Aber dazu muss man diese Verhältnisse kennen. F. Engels, Brief an V. Sassulitsch (1885), MEW 36, 304.

 

Die Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausge-beutete, eine herrschende und eine unterdrückte Klasse war die not-wendige Folge der früheren geringen Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen Ertrag liefert, der das zur notdürftigen Existenz Aller Erforderliche nur um wenig übersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der großen Mehrzahl der Gesellschaftsmitglieder in Anspruch nimmt, solange teilt sich diese Gesellschaft notwendig in Klassen.

Neben der ausschließlich der Arbeit frönenden großen Mehrheit bildet sich eine von direkt-produktiver Arbeit befreite Klasse, die die gemeinsamen Angelegenheiten der Gesellschaft besorgt: Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte, Justiz, Wissenschaften, Künste usw.

Es ist also das Gesetz der Arbeitsteilung, das der Klassenteilung zugrunde liegt. ...

Aber wenn hiernach die Einteilung in Klassen eine gewisse geschichtliche Berechtigung hat, so hat sie eine solche doch nur für einen gegebenen Zeitraum, für gegebene gesellschaftliche Bedingungen. Sie gründet sich auf die Unzulänglichkeit der Produktion; sie wird weggefegt werden durch die volle Entfaltung der modernen Produktivkräfte.

Und in der Tat hat die Abschaffung der gesellschaftlichen Klassen zur Voraussetzung einen geschichtlichen Entwicklungsgrad, auf dem das Bestehen nicht bloß dieser oder jener bestimmten herrschenden Klasse, sondern einer herrschenden Klasse überhaupt, also des Klassenunter-schiedes selbst ... veraltet ist.

Sie hat also zur Voraussetzung einen Höhegrad der Entwicklung der Produktion, auf dem die Aneignung der Produktionsmittel und Produkte und damit der politischen Herrschaft, des Monopols der Bildung und der geistigen Leitung durch eine besondere Gesellschaftsklasse nicht nur überflüssig, sondern auch ökonomisch, politisch und intellektuell ein Hindernis der Entwicklung geworden ist.

Dieser Punkt ist jetzt erreicht. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 224f.

Siehe auch die Artikel:

Entwicklung

Fortschritt

Geschichte

Gesetze

Kommunisten

Partei des Proletariats

Revolution

Staat

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.