Politische Ökonomie

 

„Politische Ökonomie“ ist ein von Montchretien zuerst benutzter Begriff, der bei ihm die Wirtschaftslehre des frühkapitalistisch-absolutistischen Staates bezeichnete. Karl Marx griff die Ergebnisse der klassischen politischen Ökonomie kritisch auf. Er nannte seine Untersuchungsergebnisse im „Kapital“: „Kritik der politischen Ökonomie“.

Schon Engels bezeichnet diese Kritik von Marx ebenfalls als „politische Ökonomie“.

„Die Ökonomie, die früher entweder von Finanzmännern, Bankiers und Kaufleuten, also überhaupt von Leuten, die unmittelbar mit ökono-mischen Verhältnissen zu tun hatten, oder von allgemein gebildeten Männern wie Hobbes, Locke, Hume behandelt wurde, für die sie als ein Zweig des enzyklopädischen Wissens Bedeutung hatte, – die Ökonomie wurde erst durch die Physiokraten zu einer besonderen Wissenschaft erhoben und seit ihnen als eine solche behandelt. Als besondere Fachwissenschaft nahm sie die übrigen, politischen, juristischen etc. Verhältnisse so weit in sich auf, dass sie diese Verhältnisse auf ökonomische reduzierte. Sie hielt aber diese Unterordnung aller Verhältnisse unter sich nur für eine Seite dieser Verhältnisse und ließ ihnen damit im Übrigen auch eine selbständige Bedeutung außer der Ökonomie.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 397.

 

„Die politische Ökonomie ist die theoretische Analyse der modernen bürgerlichen Gesellschaft ...“ F. Engels, Rezension zu „K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie“, MEW 13, 468.

 

„Die politische Ökonomie, im weitesten Sinne, ist die Wissenschaft von den Gesetzen, welche die Produktion und den Austausch des materiellen Lebensunterhalts in der menschlichen Gesellschaft beherrschen.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 136.

 

„... Die Wissenschaft, die sich mit den materiellen Tatsachen von Pro-duktion und Austausch befasst, (ist) die Wissenschaft von der politi-schen Ökonomie.“ F. Engels, Gerechter Taglohn, MEW 19, 247.

 

„Nur dadurch, dass man an die Stelle der sich widersprechenden Dogmen die sich widersprechenden Tatsachen und die realen Gegensätze stellt, die ihren verborgenen Hintergrund bilden, kann man die politische Ökonomie in eine positive Wissenschaft verwandeln.“ K. Marx, Brief an Engels (1868), MEW 32, 181.

 

1. Merkantilisten

„Die Ökonomen des 17. Jahrhunderts z. B. fangen immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bevölkerung, der Nation, Staat, mehreren Staaten etc. an; sie enden aber immer damit, dass sie durch Analyse einige bestimmende abstrakte, allgemeine Beziehungen, wie Teilung der Arbeit, Geld, Wert etc., herausfinden. Sobald diese einzelnen Elemente mehr oder weniger fixiert und abstrahiert waren, begannen die ökonomischen Systeme, die von dem Einfachen, wie Arbeit, Teilung der Arbeit, Bedürfnis, Tauschwert, aufstiegen bis zum Staat, Austausch der Nationen, und Weltmarkt. Das letztere ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 21.

„Die erste theoretische Behandlung der modernen Produktionsweise – das Merkantilsystem – ging notwendig aus von den oberflächlichen Phänomenen des Zirkulationsprozesses, wie sie in der Bewegung des Handelskapitals verselbständigt sind, und griff daher nur den Schein auf. ...

Die wirkliche Wissenschaft der modernen Ökonomie beginnt erst, wo die theoretische Betrachtung vom Zirkulationsprozess zum Produktionsprozess übergeht.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 349.

 

2. Physiokraten

„Die Analyse des Kapitals, innerhalb des bürgerlichen Horizonts, gehört wesentlich den Physiokraten. Dies Verdienst ist es, das sie zu den eigentlichen Vätern der modernen Ökonomie macht. Erstens die Analyse der verschiedenen gegenständlichen Bestandteile, in denen das Kapital während des Arbeitsprozesses existiert und sich auseinander legt. ...

Es war ihr großes Verdienst, dass sie diese Formen als physiologische Formen der Gesellschaft auffassten: als aus der Naturnotwendigkeit der Produktion selbst hervorgehende Formen, die von Willen, Politik usw. unabhängig sind. Es sind materielle Gesetze; der Fehler ist nur, dass das materielle Gesetz einer bestimmten historischen Gesellschaftsstufe als abstraktes, alle Gesellschaftsformen gleichmäßig beherrschendes Gesetz aufgefasst wird.

Außer dieser Analyse der gegenständlichen Elemente, in denen das Kapital innerhalb des Arbeitsprozesses besteht, bestimmen die Physiokraten die Formen, die das Kapital in der Zirkulation annimmt (fixes und zirkulierendes Kapital), wenn ... auch noch mit anderen Namen), und überhaupt den Zusammenhang zwischen dem Zirkulations-prozess und Reproduktionsprozess des Kapitals. ...

In diesen beiden Hauptpunkten hat A. Smith die Hinterlassenschaft der Physiokraten angetreten. Sein Verdienst – in dieser Beziehung – beschränkt sich auf Fixierung der abstrakten Kategorien, festere Taufnamen, die er den von den Physiokraten analysierten Unterschieden gibt.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 12f.

 

„Die Physiokraten haben die Untersuchung über den Ursprung des Mehrwerts aus der Sphäre der Zirkulation in die Sphäre der unmittelbaren Produktion selbst verlegt und damit die Grundlage zur Analyse der kapitalistischen Produktion gelegt.

Ganz richtig stellen sie den Fundamentalsatz auf, dass nur die Arbeit produktiv ist, die einen Mehrwert schafft, in deren Produkt also ein höherer Wert enthalten ist, als die Summe der Werte beträgt, die während der Produktion dieses Produkts aufgezehrt wurden. Da nun der Wert von Rohstoff und Material gegeben ist, der Wert des Arbeitsvermögens aber gleich dem Minimum des Lohns, so kann dieser Mehrwert offenbar nur bestehen in dem Überschuss der Arbeit, die der Arbeiter dem Kapitalisten zurückgibt über die Menge Arbeit hinaus, die er in seinem Lohn empfängt. ...

Ihre Darstellungsweise ist natürlich notwendig bestimmt durch ihre allgemeine Auffassung von der Natur des Werts, der bei ihnen nicht eine bestimmte gesellschaftliche Daseinsweise der menschlichen Tätigkeit (Arbeit) ist, sondern aus Stoff besteht, aus Erde, Natur und den verschiedenen Modifikationen dieses Stoffs.

Die Differenz zwischen dem Wert des Arbeitsvermögens und seiner Verwertung – also der Mehrwert, den der Kauf des Arbeitsvermögens seinem Anwender verschafft – erscheint am handgreiflichsten, unwidersprechbarsten von allen Produktionszweigen in der Land-wirtschaft...

Die Summe der Lebensmittel, die der Arbeiter jahraus, jahrein verzehrt, oder die Masse Stoff, die er konsumiert, ist geringer als die Summe der Lebensmittel, die er produziert.

In der Fabrik sieht man überhaupt den Arbeiter nicht direkt weder seine Lebensmittel noch den Überschuss über seine Lebensmittel produzieren. Der Prozess ist vermittelt durch Kauf und Verkauf ... und macht zu seinem Verständnis Analyse des Werts überhaupt nötig.

In der Landwirtschaft zeigt er sich unmittelbar im Überschuss der produzierten Gebrauchswerte über die vom Arbeiter konsumierten Gebrauchswerte, kann also ohne Analyse des Werts überhaupt, ohne klares Verständnis von der Natur des Werts begriffen werden. Also auch, wenn der Wert auf Gebrauchswert und dieser auf Stoff überhaupt reduziert wird.

Die Agrikulturarbeit ist den Physiokraten daher die einzige produktive Arbeit, weil die einzige Arbeit, die einen Mehrwert schafft, und die Grundrente ist die einzige Form des Mehrwerts, die sie kennen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 14–17.

 

„Als in der Tat die ersten systematischen Dolmetscher des Kapitals suchen die Physiokraten die Natur des Mehrwerts überhaupt zu analysieren. Die Analyse fällt für sie zusammen mit der Analyse der Boden-Rente, der einzigen Form, worin der Mehrwert für sie existiert. Das Boden-Rente tragende oder landwirtschaftliche Kapital ist für sie daher das einzige Mehrwert erzeugende Kapital und die von ihm in Bewegung gesetzte landwirtschaftliche Arbeit die allein Mehrwert setzende, also vom kapitalistischen Standpunkt aus ganz richtig die einzige produktive Arbeit.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 792.

 

„Die politische Ökonomie, die als eigene Wissenschaft erst in der Manufakturperiode aufkommt, betrachtet die gesellschaftliche Teilung der Arbeit überhaupt nur vom Standpunkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit, als Mittel, mit derselben Menge Arbeit mehr Ware zu produzieren, daher die Ware zu verbilligen und die Akkumulation des Kapitals zu beschleunigen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 386.

 

3. Klassische politische Ökonomie

„Um es ein für allemal zu bemerken, verstehe ich unter klassischer politischer Ökonomie alle Ökonomie seit W. Petty, die den inneren Zusammenhang der bürgerlichen Produktionsverhältnisse erforscht ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 95 Anm. 32.

„Die klassische Ökonomie versucht die verschiedenen fixen und einander fremden Formen des Reichtums durch Analyse auf ihre innere Einheit zurückzuführen, und ihnen die Gestalt, worin sie gleichgültig nebeneinander stehen, abzuschälen; sie will den inneren Zusammenhang im Unterschied von der Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen begreifen.

Sie reduziert daher Rente auf Extraprofit ... Sie streift dem Zins ebenso seine selbständige Form ab und weist ihn als Teil des Profits nach.

So hat sie alle Formen der Revenue und alle selbständigen Gestalten, Titel, unter denen am Wert der Ware vom Nichtarbeiter partizipiert wird, auf die eine Form des Profits reduziert. Dieser aber löst sich in Mehrwert auf, da der Wert der ganzen Ware in Arbeit sich auflöst; die bezahlte Menge der in ihr enthaltenen Arbeit in Arbeitslohn, also der Überschuss darüber in unbezahlte Arbeit, gratis unter verschiedenen Titeln angeeignete, aber vom Kapital hervorgerufene Mehrarbeit.

Die klassische Ökonomie widerspricht sich gelegentlich in dieser Analyse; sie versucht oft unmittelbar, ohne die Mittelglieder, die Reduk-tion zu unternehmen und die Identität der Quelle der verschiedenen Formen nachzuweisen. Dies geht aber aus ihrer analytischen Methode ... notwendig hervor. Sie hat nicht das Interesse, die verschiedenen Formen genetisch zu entwickeln, sondern sie durch Analyse auf ihre Einheit zurückzuführen, weil sie von ihnen als gegebenen Voraussetzungen ausgeht. ... Genetische Darstellung ... ist aber das Begreifen des wirklichen Gestaltungsprozesses in seinen verschiedenen Phasen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 490.

 

„Die klassische Ökonomie fand nun, dass der Wert einer Ware bestimmt werde durch die in ihr steckende, zu ihrer Produktion benötigte Arbeit.“ F. Engels, Einleitung von 1891 zu „Lohnarbeit und Kapital“, MEW 22, 204.

 

„Es war ein ungeheurer Fortschritt von Adam Smith jede Bestimmtheit der Reichtum erzeugenden Tätigkeit zu verwerfen – Arbeit schlechthin, weder Manufaktur- noch kommerzielle, noch landwirtschaftliche Arbeit, aber sowohl die eine wie die andere. ... Wie schwer und groß dieser Übergang war, geht daraus hervor, dass Adam Smith selbst noch von Zeit zu Zeit wieder in das physiokratische System zurückfällt. ...

Die Gleichgültigkeit gegen eine bestimmte Art der Arbeit setzt eine sehr entwickelte Totalität wirklicher Arbeitsarten voraus, von denen keine mehr die alles beherrschende ist. ... Die Gleichgültigkeit gegen die bestimmte Arbeit entspricht einer Gesellschaftsform, worin die Individuen mit Leichtigkeit aus einer Arbeit in die andere übergehen und die bestimmte Art der Arbeit ihnen zufällig, daher gleichgültig ist. ... Die Arbeit ... hat aufgehört als Bestimmung mit dem Individuum in einer Besonderheit verwachsen zu sein.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 24f.

 

„Es ist das große Verdienst der klassischen Ökonomie, diesen falschen Schein und Trug, diese Verselbständigung und Verknöcherung der verschiedenen gesellschaftlichen Elemente des Reichtums gegeneinan-der, diese Personifizierung der Sachen und Versachlichung der Produktionsverhältnisse ... aufgelöst zu haben, indem sie den Zins auf einen Teil des Profits und die Rente auf den Überschuss über den Durchschnittsprofit reduziert, so dass beide im Mehrwert zusam-menfallen;

indem sie den Zirkulationsprozess als bloße Verwandlung der Formen darstellt und endlich im unmittelbaren Produktionsprozess Wert und Mehrwert der Waren auf die Arbeit reduziert.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 838.

 

„Die politische Ökonomie hatte in A. Smith sich zu einer gewissen Totalität entwickelt, gewissermaßen das Terrain, das sie umfasst, abgeschlossen ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 162.

 

4. Kritik der politischen Ökonomie

„In den vierziger Jahren hatte Marx seine Kritik der politischen Ökonomie noch nicht zum Abschluss gebracht. Dies geschah erst gegen Ende der fünfziger Jahre. Seine vor dem ersten Heft ‚Zur Kritik der politischen Ökonomie‘ (1859) erschienen Schriften weichen daher in einzelnen Punkten von den seit 1859 verfassten ab, enthalten Ausdrücke und ganze Sätze, die vom Standpunkt der späteren Schriften aus, schief und selbst unrichtig erscheinen.“ F. Engels, Einleitung zu „Lohnarbeit und Kapital“, MEW 6, 593.

 

4.1. Kritik der politischen Ökonomie im Allgemeinen

„Die bürgerliche Ökonomie kann weder die Krisen im Ganzen verhindern noch den einzelnen Kapitalisten vor Verlusten, schlechten Schulden und Bankrott oder den einzel­nen Arbeiter vor Arbeitslosigkeit und Elend schützen.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 295.

„Die Ökonomie handelt nicht von Dingen, sondern von Verhältnissen zwischen Personen und in letzter Instanz zwischen Klassen; diese Verhältnisse sind aber stets an Dinge gebunden und erscheinen als Dinge.“ F. Engels, Rezension zur „Kritik der politischen Ökonomie“, MEW 13, 476.

„Die Bedingungen, unter denen die Menschen produzieren und austauschen, wechseln von Land zu Land, und in jedem Land wieder von Generation zu Generation. Die politische Ökonomie kann also nicht dieselbe sein für alle Länder und für alle geschichtlichen Epochen. ...

Die politische Ökonomie ist somit wesentlich eine historische Wissenschaft. Sie behandelt einen geschichtlichen, das heißt stets wechselnden Stoff; ...“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 136f.

 

„Wenn also von Produktion die Rede ist, ist immer die Rede von Produktion auf einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungs-stufe ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 6.

 

„Keine Periode der modernen Gesellschaft ist so günstig für das Studium der kapitalistischen Akkumulation als die Periode der zuletzt verflossenen 20 Jahre (1850–1870) ... Von allen Ländern aber bietet England wieder das klassische Beispiel, weil es den ersten Rang auf dem Weltmarkt behauptet ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 677.

 

„Der klare Überblick über die ökonomische Geschichte einer gegebenen Epoche ist nie gleichzeitig, ist nur nachträglich, nach erfolgter Sammlung und Sichtung des Stoffes zu gewinnen. Die Statistik ist hier notwendiges Hilfsmittel ...“ F. Engels, Einleitung zu „Klassenkämpfe in Frankreich“, MEW 22, 509.

 

„Die politische Ökonomie als die Wissenschaft von den Bedingungen und Formen, unter denen die verschiedenen menschlichen Gesell-schaften produziert und ausgetauscht und unter denen sich demgemäss jedes Mal die Produkte verteilt haben – die politische Ökonomie in dieser Ausdehnung soll jedoch erst geschaffen werden. Was wir von ökonomischer Wissenschaft bis jetzt besitzen, beschränkt sich fast ausschließlich auf die Genesis und Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise ...“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 139.

 

4.2. Kritik der klassischen politischen Ökonomie

„Weil Adam Smith zwar der Sache nach, aber nicht ausdrücklich in der Form einer bestimmten, von ihren besonderen Formen unterschiedenen Kategorie den Mehrwert entwickelt (nämlich als industrieller Profit), wirft er ihn hernach direkt mit der weiterentwickelten Form des Profits unmittelbar zusammen. Dieser Fehler bleibt bei Ricardo und allen seinen Nachfolgern.

Es entstehen daraus (...) eine Reihe Inkonsequenzen, ungelöster Wider-sprüche und Gedankenlosigkeiten, die die Ricardoschüler ... scholas-tisch durch Redensarten zu lösen suchen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 60f.

 

„Die klassische Ökonomie ... ist mangelhaft, indem sie die Grundform des Kapitals, die auf Aneignung fremder Arbeit gerichtete Produktion nicht als geschichtliche Form, sondern als Naturform der gesell-schaftlichen Produktion auffasst, eine Auffassung, zu deren Beseitigung sie jedoch durch ihre Analyse selbst den Weg bahnt.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 491.

 

„Die ganze Freihandelsschule von Smith an, ja die ganze vormarxsche Ökonomie sieht in den ökonomischen Gesetzen ... ‚Naturgesetze‘ ... und behauptet, dass deren Wirkung von Staat ... verfälscht werden!“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 591.

 

„Soweit sie bürgerlich ist, d. h. die kapitalistische Ordnung statt als geschichtlich vorübergehende Entwicklungsstufe, umgekehrt als absolute und letzte Gestalt der gesellschaftlichen Produktion auffasst, kann die politische Ökonomie nur Wissenschaft bleiben, solange der Klassenkampf latent bleibt oder sich nur in vereinzelten Erscheinungen offenbart.

Nehmen wir England. Seine klassische politische Ökonomie fällt in die Periode des unentwickelten Klassenkampfs. Ihr letzter großer Repräsentant, Ricardo, macht endlich bewusst den Gegensatz der Klasseninteressen, des Arbeitslohns und des Profits, des Profits und der Grundrente, zum Springpunkt seiner Forschungen, indem er diesen Gegensatz naiv als gesellschaftliches Naturgesetz auffasst.

Damit war aber auch die bürgerliche Wissenschaft der Ökonomie bei ihrer un-überschreitbaren Schranke angelangt. Noch bei Lebzeiten Ricardos und im Gegensatz zu ihm trat ihr in der Person Sismondis die Kritik gegenüber.

Die nachfolgende Zeit von 1820–1830 zeichnet sich in England aus durch wissenschaftliche Lebendigkeit auf dem Gebiet der politischen Ökonomie. Es war die Periode der Vulgarisierung und Ausbreitung der Ricardo’schen Theorie und ihres Kampfes mit der alten Schule. Es wurden glänzende Turniere gefeiert. Was damals geleistet worden, ist dem europäischen Kontinent wenig bekannt, ... Der unbefangene Charakter dieser Polemik – obgleich die Ricardo’sche Theorie ausnahmsweise auch schon als Angriffswaffe wider die bürgerliche Wirtschaft dient – erklärt sich aus den Zeitumständen. ... Mit dem Jahr 1830 trat die ein für allemal entscheidende Krise ein.

Die Bourgeoisie hatte in Frankreich und England politische Macht erobert. Von da an gewann der Klassenkampf, praktisch und theoretisch, mehr und mehr ausgesprochene und drohende Formen. Er läutete die Totenglocke der wissenschaftlichen bürgerlichen Ökonomie. Es handelte sich jetzt nicht mehr darum, ob dieses oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht. An die Stelle uneigennütziger Forschung trat bezahlte Parteinahme, an die Stelle unbefangener wissenschaftlicher Untersuchung das böse Gewissen und die schlechte Absicht der Apologetik.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 19ff.

 

„Wenn, wie der Leser zu seinem Leidwesen erkannt hat, die Analyse der wirklichen, inneren Zusammenhänge der kapitalistischen Produktions-weise ein sehr verwickeltes Ding und eine sehr ausführliche Arbeit ist; wenn es ein Werk der Wissenschaft ist, die sichtbare, bloß erscheinende Bewegung auf die innere wirkliche Bewegung zu reduzieren, so versteht es sich ganz von selbst, dass in den Köpfen der kapitalistischen Produktions- und Zirkulationsagenten sich Vorstellungen über die Produktionsgesetze bilden müssen, die von diesen Gesetzen ganz abweichen, und nur der bewusste Ausdruck der scheinbaren Bewegung sind. Die Vorstellungen eines Kaufmanns, Börsenspekulanten, Bankiers sind notwendig ganz verkehrt. Die der Fabrikanten sind verfälscht durch die Zirkulationsakte, denen ihr Kapital unterworfen ist, und durch die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate. Die Konkurrenz spielt in diesen Köpfen notwendig auch eine ganz verkehrte Rolle.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 324f.

 

 

4.3. Allgemeines Resultat der Kritik der politischen Ökonomie

„Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, dass Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der so genannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln ...

Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden:

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesell-schaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseins-formen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder ... mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.

Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. ...

Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produk-tionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet, wird sich stets finden, dass die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihres Werdens begriffen sind.

In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als aufeinander folgende Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformationen bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische (= in sich gegensätzliche und feindliche) Form des gesellschaftlichen Produktionsverhältnisses, in sich gegensätzlich nicht im Sinn von individueller Gegnerschaft, sondern einer aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Gegnerschaft; aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieser Gegnerschaft.

Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.“ K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 8f.

 

„Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist – und es ist der letzte Endzweck dieses Werks (des ‚Kapitals‘), das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen –, kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch per Regierungserlass wegbefehlen. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 15f.

Siehe auch die Artikel:

Eigentum

Geschichte

Kapital

Kapitalismus

Klassen und Klassenkampf

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.