Kredit „Die eingehende
Analyse des Kreditwesens und der Instrumente, die es sich schafft
(Kreditgeld usw.), liegt außerhalb unseres Planes. Es sind hier nur einige
wenige Punkte hervorzuheben, notwendig zur Charakteristik der
kapitalistischen Produktionsweise überhaupt. Wir haben es dabei nur
mit dem kommerziellen und Bankierkredit zu tun. Der Zusammenhang zwischen
dessen Entwicklung und der des öffentlichen Kredits bleibt außer
Betracht.“ K. Marx, Kapital III,
MEW 25, 413. 1. Entstehung von
Schuldverhältnissen und des Kredits „Ich habe früher (Buch I, Kapitel III, 3, b Zahlungsmittel) gezeigt, wie sich aus der einfachen Warenzirkulation die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel und damit ein Verhältnis von Gläubiger und Schuldner unter den Warenproduzenten und Warenhändlern bildet.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 413. „Mit der Entwicklung
der Warenzirkulation entwickeln sich ... Verhält-nisse, wodurch die
Veräußerung der Ware von der Realisierung ihres Preises zeitlich getrennt
wird. Es genügt, die einfachsten dieser Verhält-nisse hier
anzudeuten. Die eine Warenart
macht längere, die andere kürzere Zeitdauer zu ihrer Produktion
nötig. Die Produktion verschiedener Waren ist an verschie-dene
Jahreszeiten geknüpft. Die eine Ware wird auf ihrem Marktplatz geboren,
die andere muss zu entferntem Markt reisen. Der eine Warenbesitzer kann
daher als Verkäufer auftreten, bevor der andere als Käufer.
... Andererseits wird die
Benutzung gewisser Warenarten, z. B. eines Hauses, für einen bestimmten
Zeitraum verkauft. Erst nach Ablauf des Termins hat der Käufer den
Gebrauchswert der Ware wirklich erhalten. Er kauft sie daher, bevor er sie
zahlt. ... Der Verkäufer wird Gläubiger, der Käufer Schuldner. Da ... erhält auch das Geld eine andere Funktion. Es wird Zahlungsmittel.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 149. „Das Geld funktioniert
jetzt erstens als Wertmaß in der Preis-bestimmung der verkauften Ware. ...
Es funktioniert zweitens als ideelles Kaufmittel. Obgleich es nur im
Geldversprechen des Käufers existiert, bewirkt es den Händewechsel der
Ware. Erst am fälligen Zahlungstermin tritt das Zahlungsmittel wirklich in
die Zirkulation, d. h. geht aus der Hand des Käufers in die des Verkäufers
über. ... Das Zahlungsmittel tritt in die Zirkulation hinein, aber nachdem die Ware bereits aus ihr ausgetreten ist. Das Geld vermittelt nicht mehr den Prozess. Es schließt ihn selbständig ab, als absolutes Dasein des Tauschwerts oder allgemeine Ware.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 150. „Zahlungsmittel“ nennt Marx nur diese Geldfunktion in Schuldverhältnissen. Sofern Geld den Warentausch vermittelt, also bei bar bezahltem Kauf und Verkauf, ist Geld „Zirkulationsmittel“. „Die Entwicklung des Geldes als Zahlungsmittel ernötigt Geld-akkumulation für die Verfalltermine der geschuldeten Summen. Während die Schatzbildung als selbständige Bereicherungsform verschwindet mit dem Fortschritt der bürgerlichen Gesellschaft, wächst sie umgekehrt mit demselben in der Form von Reservefonds der Zahlungsmittel.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 156. „Mit der Entwicklung des Handels und der kapitalistischen Produk-tionsweise, die nur mit Rücksicht auf die Zirkulation produziert, wird diese naturwüchsige Grundlage des Kreditsystems erweitert, verall-gemeinert, ausgearbeitet.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 413. „Im Großen und Ganzen
fungiert hier das Geld nur als Zahlungsmittel, d. h. die Ware wird
verkauft nicht gegen Geld, sondern gegen ein schriftliches Versprechen der
Zahlung an einem bestimmten Termin. Diese Zahlungsversprechen können wir
der Kürze halber sämtlich unter der allgemeinen Kategorie von Wechseln
zusammenfassen. Bis zu ihrem Verfall- und Zahlungstage zirkulieren solche
Wechsel selbst wieder als Zahlungsmittel; und sie bilden das eigentliche
Handelsgeld. Soweit sie schließlich
durch Ausgleichung von Forderung und Schuld sich aufheben, fungieren sie
absolut als Geld, indem dann keine schließliche Verwandlung in Geld
stattfindet. Wie diese
wechselseitigen Vorschüsse der Produzenten und Kaufleute untereinander die
eigentliche Grundlage des Kredits bilden, so bildet deren
Zirkulationsinstrument, der Wechsel, die Basis des eigentlichen
Kreditgelds, der Banknoten usw. Diese beruhen nicht auf der Geldzirkulation, sei es von metallischem Geld oder von Staatspapiergeld, sondern auf der Wechselzirkulation.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 413. „Die andere Seite des
Kreditwesens schließt sich an die Entwicklung des Geldhandels, die
natürlich in der kapitalistischen Produktion Schritt hält mit der
Entwicklung des Warenhandels. Wir haben im vorigen
Abschnitt (Kapitel XIX Das Geldhandlungs-kapital) gesehen, wie sich
die Aufbewahrung der Reservefonds der Geschäftsleute, die technischen
Operationen des Geldeinnehmens und Auszahlens, der internationalen
Zahlungen, und damit der Barrenhandel, in den Händen der Geldhändler
konzentriert. Im Anschluss an diesen Geldhandel entwickelt sich die andere
Seite des Kreditwesens, die Verwaltung des zinstragenden Kapitals oder des
Geldkapitals, als besondere Funktion der Geldhändler. Das Borgen und
Verleihen des Geldes wird ihr besonderes Geschäft. Sie treten als
Vermittler zwischen den wirklichen Verleiher und den Borger von
Geldkapital. Allgemein ausgedrückt
besteht das Bankiergeschäft nach dieser Seite darin, das verleihbare
Geldkapital in seiner Hand zu großen Massen zu konzentrieren, so dass
statt des einzelnen Geldverleihers die Bankiers als Repräsentanten aller
Geldverleiher den industriellen und kommer-ziellen Kapitalisten
gegenübertreten. Sie werden die allgemeinen Verwalter des
Geldkapitals. Andererseits
konzentrieren sie, allen Verleihern gegenüber, die Borger, indem sie für
die ganze Handelswelt borgen. Eine Bank stellt auf der einen Seite die Zentralisation des Geldkapitals, der Verleiher, auf der anderen die Zentralisation der Borger dar. Ihr Profit besteht im Allgemeinen darin, dass sie zu niedrigeren Zinsen borgt, als sie ausleiht.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 415f. „Das verleihbare
Kapital, worüber die Banken verfügen, fließt ihnen in mehrfacher Weise
zu. Zunächst konzentriert
sich in ihrer Hand, da sie Kassierer der industriellen Kapitalisten sind,
das Geldkapital, das jeder Produzent und Kaufmann als Reservefonds hält
oder das ihm als Zahlung zufließt. Diese Fonds verwandeln sich so in
verleihbares Geldkapital. Dadurch wird der Reservefonds der Handelswelt,
weil als gemeinschaftlicher konzentriert, auf das nötige Minimum
beschränkt, und ein Teil des Geldkapitals, der sonst als Reservefonds
schlummern würde, wird ausgeliehen, ... Zweitens bildet sich
ihr verleihbares Kapital aus den Depositen der Geldkapitalisten, die ihnen
das Ausleihen derselben überlassen. Mit der Entwicklung
des Banksystems und namentlich, sobald sie Zins für Depositen zahlen,
werden ferner die Geldersparnisse und das augenblicklich unbeschäftigte
Geld aller Klassen bei ihnen deponiert. Kleine Summen, jede für sich
unfähig, als Geldkapital zu wirken, werden zu großen Massen vereinigt und
bilden so eine Geldmacht. ... Endlich werden auch die Geldmittel für den Lebensunterhalt, die nur allmählich verzehrt werden sollen, bei den Banken deponiert.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 416. „Der Kredit nun, den
der Bankier gibt, kann in verschiedenen Formen gegeben werden, z. B. in
Wechseln auf andere Banken, Schecks auf solche, Krediteröffnungen
derselben Art, endlich, bei Banken mit Notenausgabe, in den eigenen
Banknoten der Bank. Die Banknote ist
nichts als ein Wechsel (Zahlungsversprechen) auf den Bankier,
zahlbar jederzeit an den Inhaber... Die letztere Form des
Kredits erscheint dem Laien besonders frappant und wichtig, erstens weil
diese Art Kreditgeld aus der bloßen Handelszirkulation heraus in die
allgemeine Zirkulation tritt und hier als Geld
fungiert; auch weil in den
meisten Ländern die Hauptbanken, welche Noten ausgeben, als sonderbarer
Mischmasch zwischen Nationalbank und Privatbank in der Tat den
Nationalkredit hinter sich haben und ihre Noten mehr oder minder
gesetzliches Zahlungsmittel sind; weil es hier sichtbar wird, dass das, worin der Bankier handelt, der Kredit selbst ist, indem die Banknote nur ein zirkulierendes Kreditzeichen vorstellt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 417. 2.
Funktionen des Kredits im Kapitalismus 2.1. Beschleunigung
der Zirkulationszeit, „Alle Formen des
Kredits entwickeln sich aus der Notwendigkeit, die Zirkulationszeit
des Kapitals (Verwandlung der produzierten Waren in Geld und
Wiederverwandlung des Geldes in produktives Kapital) zu verkürzen,
soweit es sich nicht um Entwicklung der Kommuni-kations-
und Transportmittel handelt: teils Schöpfung
eines kontinuierlichen Marktes und daher eines stets ausgedehnteren
Marktes; teils Entwicklung von
ökonomischen Verhältnissen ..., wodurch es die Zirkulationszeit
künstlich abkürzt. ... (Der industrielle Kapitalist erhält z. B. vom
Großhändler Geld für die produzierte Ware, der Großhändler vom
Einzelhändler. Für das industrielle Kapital ist der Verkauf, die
Verwandlung der Ware in Geld beendet, es kann also schon
weiterproduzieren, auch wenn die vorher produzierte Ware noch nicht für
das gesellschaftliche Kapital als Ganzes in Geld verwandelt
ist.) Insofern verschiedene Kapitalien verschiedene Zirkulationszeiten haben (z. B. das eine einen ferneren Markt, das andere einen nahen; das eine gesicherte Verwandlung in Geld, das andere spekulativ; das eine mit mehr fixem Kapital, das andere mehr mit zirkulierendem Kapital), bildet das für sie Unterschiede in der Verwertung.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 440. Unterschiede, die der Kredit ausgleichen kann und ausgleichen muss. „Das ganze Kreditwesen, und damit zusammenhängender Überhandel und Überspekulation etc. beruht auf der Notwendigkeit, die Schranke der Zirkulation und der Austauschsphäre zu erweitern und zu überspringen. Kolossaler, klassischer erscheint dies im Verhältnis von Völkern, als im Verhältnis von Individuen. So sind z. B. die Engländer gezwungen, fremden Nationen zu leihen, um sie zu ihren Kunden zu haben.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 319. „Die allgemeinen
Bemerkungen, wozu das Kreditwesen uns bis jetzt Veranlassung gab, waren
folgende: I. Notwendige Bildung
desselben, um die Ausgleichung der Profitrate zu vermitteln oder die
Bewegung dieser Ausgleichung, worauf die ganze kapitalistische Produktion
beruht. II.Verringerung der
Zirkulationskosten. 1. Eine
Hauptzirkulationskost ist das Geld selbst, ... Es wird in dreifacher Art
durch den Kredit ökonomisiert. A. Indem es für einen
großen Teil der Transaktionen ganz wegfällt. B. Indem die
Zirkulation des umlaufenden Mediums beschleunigt wird.
... C. Ersetzung von
Goldgeld durch Papier. 2. Beschleunigung
(des Reproduktionsprozesses des Kapitals) durch den Kredit, der
einzelne Phasen der Zirkulation oder der Waren-metamorphose, weiter der
Metamorphose des Kapitals und damit Beschleunigung des
Reproduktionsprozesses überhaupt. (Andererseits erlaubt der Kredit, die
Akte des Kaufens und Verkaufens länger auseinander zu halten, und dient
daher der Spekulation als Basis.) Kontraktion der
Reservefonds, was doppelt betrachtet werden kann: einerseits als
Verminderung des zirkulierenden Mediums, andererseits als Beschränkung des
Teils des Kapitals, der stets in Geldform existieren
muss. III. Bildung von Aktiengesellschaften.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 451f. 2.2. Folgen der
Kreditverhältnisse „IV. Abgesehen von dem
Aktienwesen ..., bietet der Kredit dem einzelnen Kapitalisten oder dem,
der für einen Kapitalisten gilt, eine ... Verfügung über fremdes Kapital
und fremdes Eigentum und dadurch über fremde Arbeit. Verfügung über
gesellschaftliches, nicht eigenes Kapital gibt ihm Verfügung über
gesellschaftliche Arbeit. Das Kapital selbst, das man wirklich oder in der
Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis zum Kreditüberbau.
... Alle Maßstäbe, alle
mehr oder minder innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise noch
berechtigten Erklärungsgründe verschwinden hier. Was der
spekulierende Großhändler riskiert, ist gesellschaftliches, nicht
sein Eigentum. Ebenso abgeschmackt
wird die Phrase vom Ursprung des Kapitals aus der Ersparung, da jener
gerade verlangt, dass andere für ihn sparen sollen.
... Der anderen Phrase von
der Entsagung (bei den Privatausgaben) schlägt sein Luxus, der nun
auch selbst Kreditmittel wird, direkt ins Gesicht. Vorstellungen, die auf einer minder entwickelten Stufe der kapitalistischen Produktion noch einen Sinn haben, werden hier völlig sinnlos.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 454f. „Das Gelingen wie das
Misslingen führen hier gleichzeitig zur Zentralisation der Kapitale und
daher zur Enteignung auf der enormsten Stufenleiter. Die
Enteignung erstreckt sich hier von den unmittelbaren Produzenten
auf die kleineren und mittleren Kapitalisten selbst. Diese Enteignung ist der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktionsweise; ihre Durchführung ist ihr Ziel, und zwar in letzter Instanz die Enteignung aller einzelnen von den Produktionsmitteln, die mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion aufhören, Mittel der Privatproduktion und Produkte der Privatproduktion zu sein, und die nur noch Produktionsmittel in der Hand der assoziierten Produzenten, daher ihr gesellschaftliches Eigentum, sein können, wie sie ihr gesellschaftliches Produkt sind.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 455f. „Wenn das Kreditwesen
als Haupthebel der Überproduktion und Überspekulation im Handel erscheint,
so nur, weil der Reproduktions-prozess, der seiner Natur nach elastisch
ist, hier bis zur äußersten Grenze angetrieben wird, und zwar
deshalb angetrieben wird, weil ein großer Teil des
gesellschaftlichen Kapitals von den Nichteigentümern desselben angewandt
wird, die daher ganz anders ins Zeug gehen als der ängstlich die Schranken
seines Privatkapitals erwägende Eigentümer, soweit er selbst
fungiert. Es tritt damit nur hervor, dass die auf den gegensätzlichen Charakter der kapitalistischen Produktion gegründete Verwertung des Kapitals die wirkliche, freie Entwicklung nur bis zu einem gewissen Punkt erlaubt, also in der Tat, eine immanente Fessel und Schranke der Produktion bildet, die beständig durch das Kreditwesen durchbrochen wird.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 457. „Die dem Kreditsystem
innewohnenden doppelseitigen Charaktere: einerseits Triebfeder der
kapitalistischen Produktion, Bereicherung durch Ausbeutung fremder Arbeit,
zum reinsten und kolossalsten Spiel- und Schwindelsystem zu entwickeln und
die Zahl der den gesellschaftlichen Reichtum ausbeutenden Wenigen immer
mehr zu beschränken; andererseits aber die Übergangsformen zu einer neuen Produktions-weise zu bilden, – diese Doppelseitigkeit ist es, die den Hauptverkün-dern des Kredits von Law bis Isaak Péreire ihren angenehmen Mischcharakter von Schwindler und Prophet gibt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 457. 3. Kredit
und Krisen 3.1. Schon das
Auseinanderfallen von Warenübergabe und Geldübergabe durch den Kredit
birgt Nichtgelingen und Krise in sich „Analysieren wir ...
zunächst den kommerziellen Kredit, d. h. den Kredit, den die in der
Reproduktion beschäftigen Kapitalisten untereinander geben. Er bildet die
Basis des Kreditsystems. Sein Repräsentant ist der Wechsel, Schuldschein
mit bestimmtem Zahlungstermin, ... Jeder gibt Kredit mit der einen Hand
und empfängt Kredit mit der anderen. Sehen wir zunächst ganz ab vom
Bankierkredit, der ein ganz anderes, wesentlich verschiedenes Moment
bildet. Soweit diese Wechsel
unter den Kaufleuten selbst wieder als Zahlungsmittel zirkulieren ..., ist
es nichts als eine Übertragung der Schuldforderung von A auf B und ändert
absolut nichts am Zusammenhang. Er setzt nur eine Person an die Stelle
einer anderen. ... Es ist nun bei dem
Kreislauf dieses rein kommerziellen Kredits zweierlei zu
bemerken: Erstens:
Die
Saldierung dieser wechselseitigen Schuldforderungen hängt ab vom Rückfluss
des Kapitals; d. h. von der Verwandlung von Ware in Geld, dem
Verkauf, der nur vertagt ist. Wenn der Spinner einen Wechsel
vom Tuchfabrikanten erhalten hat, so kann der Tuchfabrikant
zahlen, wenn das Tuch, das er auf dem Markt hat, in der
Zwischenzeit verkauft ist. ... Es hängen also diese
Zahlungen ab von der Flüssigkeit der Reproduktion, d. h. des Produktions-
und Konsumtionsprozesses. Da die Kredite aber wechselseitig sind, hängt
die Zahlungsfähigkeit eines jeden zugleich ab von der Zahlungsfähigkeit
eines anderen; ... Zweitens: Dies Kreditsystem
beseitigt nicht die Notwendigkeit barer Geldzahlungen. Einmal ist ein
großer Teil der Auslagen stets bar zu zahlen, Arbeitslohn, Steuern etc.
Dann aber z. B. hat B, der von C einen Wechsel an Zahlungsstatt
erhalten, ehe dieser Wechsel fällig ist, selbst einen fälligen
Wechsel an D zu zahlen, und dafür muss er bares Geld haben.
... Die Grenzen für diesen
kommerziellen Kredit, für sich betrachtet, sind 1. der Reichtum der
Industriellen und Kaufleute, d. h. ihre Verfügung über Reservekapital
im Fall verzögerter Rückflüsse; 2. diese Rückflüsse selbst. Diese können
der Zeit nach verzögert werden, oder die Warenpreise können in der
Zwischenzeit fallen, oder die Ware kann momentan unverkäuflich werden bei
Stockung der Märkte. Je langsichtiger die
Wechsel, desto größer muss erstens das Reservekapital sein und desto
größer ist die Möglichkeit einer Schmälerung oder Verspätung des
Rückflusses durch Preisfall oder Überfüllung der Märkte. Und ferner
sind die Rückflüsse umso unsicherer, je mehr die ursprüngliche
Transaktion durch Spekulation auf Steigen oder Fallen der Warenpreise
bedingt war. Es ist aber klar, dass
mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit und daher der Produktion
auf großer Stufenleiter, 1. die Märkte sich ausdehnen und vom
Produktionsort sich entfernen, 2. daher die Kredite sich verlängern müssen
und also 3. das spekulative Element mehr und mehr die Transaktion
beherrschen muss. Die Produktion auf großer Stufenleiter und für entfernte Märkte wirft das Gesamtprodukt in die Hand des Handels; es ist aber unmöglich, dass sich das Kapital der Nation verdoppele, so dass der Handel für sich fähig wäre, mit eigenem Kapital das gesamte nationale Produkt aufzukaufen und wieder zu verkaufen. Kredit ist hier unerlässlich; Kredit, dem Umfang nach wachsend mit dem wachsendem Wertumfang der Produktion und der Zeitdauer nach mit der zunehmenden Entfernung der Märkte. Es findet hier Wechselwirkung statt. Die Entwicklung des Produktionsprozesses erweitert den Kredit, und der Kredit führt zur Ausdehnung der industriellen und kaufmännischen Operationen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 496ff. „Tritt also Störung in
dieser Expansion oder auch nur in der normalen Anspannung des
Reproduktionsprozesses ein, so damit auch Kreditmangel; Waren sind
schwerer auf Kredit zu erhalten. Besonders aber ist das Verlangen nach
barer Zahlung und die Vorsicht beim Kreditverkauf charakteristisch für die
Phase des industriellen Zyklus, die auf den Krach
folgt. In der Krise selbst, da jeder zu verkaufen hat und nicht verkaufen kann und doch verkaufen muss, um zu zahlen, ist die Masse ... des in seinem Reproduktionsprozess gehemmten Kapitals gerade dann am größten, wenn der Kreditmangel am größten ist ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 500. „Es kommt aber nun zu
diesem kommerziellen Kredit der eigentliche Geldkredit hinzu. Das
Vorschießen der Industriellen und Kaufleute untereinander verquickt sich
mit dem Vorschießen des Geldes an sie seitens der Bankiers und
Geldverleiher. ... Andererseits aber kompliziert sich teils durch einfache Wechselreiterei (für einen fälligen Wechsel wird ein neuer Wechsel ausgestellt, der fällige Zahlungstermin wird verschoben), teils durch Warengeschäfte zum Zweck der bloßen Wechselfabrikation der ganze Prozess so sehr, dass der Schein eines sehr soliden Geschäfts und flotter Rückflüsse noch ruhig fortexistieren kann, nachdem die Rückflüsse in der Tat schon längst nur noch auf Kosten teils geprellter Geldverleiher, teils geprellter Produzenten gemacht worden sind. Daher scheint immer das Geschäft fast übertrieben gesund gerade unmittelbar vor dem Krach.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 501. „Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des Weltmarkts, die als materielle Grundlagen der neuen Produktionsform bis auf einen gewissen Höhegrad herzustellen, die historische Aufgabe der kapitalistischen Produktionsweise ist. Gleichzeitig beschleunigt der Kredit die gewaltsamen Ausbrüche dieses Widerspruchs, die Krisen, und damit die Elemente der Auflösung der alten Produktionsweise.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 457. 3.2. Geld- und
Kreditknappheit in der Krise „Die Bedeutung, die in Krisen das bare Geld bekommt, rührt nur daher, dass ... Verpflichtungen zu zahlen sind; dass neben der unterbrochenen Zirkulation (Verkauf und Kauf der Waren) eine Zwangszirkulation von Zwangsverkäufen stattfindet.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 494. „Die Funktion des
Geldes als Zahlungsmittel (= zur Begleichung einer Schuld) schließt
einen unvermittelten Widerspruch ein. Soweit sich die Zahlungen
ausgleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte.
Soweit wirkliche Zahlung zu verrichten ist, tritt es nicht als
Zirkulationsmittel (= Tauschmittel für alle Waren) auf, als nur
verschwindende und vermittelte Form des Stoffwechsels, sondern als die
individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit (= Verkörperung
von Wert), selbständiges Dasein des Tauschwerts, absolute
Ware. Dieser Widerspruch
eskaliert in dem Moment der Produktions- und Handelskrise, der
Geldkrise heißt. Sie ereignet sich nur, wo die aufeinander folgende
Kette der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung völlig
entwickelt sind. Mit allgemeineren Störungen dieses Mechanismus, woher sie
immer entspringen mögen, schlägt das Geld plötzlich und unvermittelt um
aus der nur ideellen Gestalt des Rechengeldes in hartes Geld. Es wird
unersetzlich durch normale Waren. ... Eben noch erklärte der
Bürger in prosperitätstrunkenem Aufklärungs-dünkel das Geld für leeren
Wahn. Nur die Ware ist Geld. Nur das Geld ist Ware!
gellt es jetzt über den Weltmarkt. Wie der Hirsch schreit nach frischem
Wasser, so schreit seine Seele nach Geld, dem einzigen
Reichtum. In der Krise wird der Gegensatz zwischen der Ware und ihrer Wert-gestalt, dem Geld, bis zum absoluten Widerspruch gesteigert. Die Erscheinungsform des Geldes ist hier daher auch gleichgültig. Die Geldhungersnot bleibt dieselbe, ob in Gold oder Kreditgeld, Banknoten etwa, zu zahlen ist.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 151f. „...Den
Höhepunkt erreicht die Menge des umlaufenden Geldes in der Periode
der Überspannung und Überspekulation – da bricht die Krise herein und über
Nacht sind die gestern noch so reichlichen Banknoten vom Markt
verschwunden und mit ihnen die Diskontierer von Wechseln, die
Vorschussleister auf Wertpapiere, die Käufer von Waren.
... Sowie die Krise hereinbricht, handelt es sich nur noch um Zahlungs-mittel (= Bargeld zur Schuldtilgung). Da aber jeder vom anderen abhängig ist für den Eingang dieser Zahlungsmittel und keiner weiß, ob der andere imstand sein wird, am Verfalltag zu zahlen, tritt ein vollständiges Kirchturmrennen ein um die im Markt befindlichen Zahlungsmittel, d. h. für Banknoten. Jeder schatzt davon auf, so viele er erhalten kann, und so verschwinden die Noten aus der Zirkulation am selben Tag, wo man sie am nötigsten braucht.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 543. „Dass es in der
Periode der Krise an Zahlungsmitteln (= Bargeld zur Schuldtilgung)
fehlt, ist selbsteinleuchtend. ... Unwissende und verkehrte
Bankgesetzgebung, wie die von 1844/45 kann diese Geldkrise erschweren.
Aber keine Art Bankgesetzgebung kann die Krise
beseiti-gen. In einem
Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang des Reproduktionsprozesses
auf dem Kredit beruht, wenn da der Kredit plötzlich aufhört und nur noch
bare Zahlung gilt, muss augenscheinlich eine Krise eintreten, ein
gewaltsamer Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick
stellt sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise dar.
Und in der Tat handelt es sich nur um die Konvertibilität der Wechsel in
Geld. Aber diese Wechsel repräsentieren der Mehrzahl nach wirkliche Käufe
und Verkäufe, deren das gesellschaftliche Bedürfnis weit überschreitende
Ausdehnung schließ-lich der ganzen Krise zugrunde
liegt. Daneben aber stellt
auch die ungeheure Masse dieser Wechsel bloße Schwindelgeschäfte vor, die
jetzt ans Tageslicht kommen und platzen; ferner mit fremdem
Kapital getriebene, aber verunglückte Spekula-tionen;
endlich Warenkapitale,
die entwertet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie mehr
einkommen können. Das ganze künstliche System gewaltsamer Ausdehnung des Repro-duktionsprozesses kann natürlich nicht dadurch kuriert werden, dass nun etwa eine Bank, z. B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 507. „Es ist Grundlage der
kapitalistischen Produktion, dass das Geld als selbständige Form des Werts
der Ware gegenübertritt oder dass der Tauschwert selbständige Form im Geld
erhalten muss, und dies ist nur möglich, indem eine bestimmte Ware das
Material wird, in deren Wert sich alle anderen Waren messen, dass sie eben
dadurch die allgemeine Ware, die Ware im eigentlichen Sinn im
Gegensatz zu allen anderen Waren wird. Dies muss sich in
doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch entwickelten
Nationen, die das Geld in großem Maß ersetzen, einerseits durch
Kreditoperationen, andererseits durch Kreditgeld. In Zeiten der Klemme,
wo der Kredit einschrumpft oder ganz aufhört, tritt plötzlich Geld als
einziges Zahlungsmittel und wahres Dasein des Werts absolut den Waren
gegenüber. Daher die allgemeine Entwertung der Waren, die Schwierigkeit,
ja die Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, ... Zweitens aber: das
Kreditgeld selbst ist nur Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerts
absolut das wirkliche Geld vertritt. ... Eine Entwertung des Kreditgeldes ... würde alle bestehenden Verhältnisse erschüttern.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 532. 3.3. Kredit und
Außenhandel in der Krise „Mit Bezug auf Einfuhr
und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der Reihe nach alle Länder in die Krisis
verwickelt werden und dass es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen
Ausnahmen, zu viel (Geld oder Waren) exportiert und zu viel
(Geld oder Waren) importiert haben, also die Zahlungsbilanz
gegen alle ist, die Sache also in der Tat nicht an der Zahlungsbilanz
liegt. ... (Allerdings tritt ein
Unterschied ein zwischen dem Land, das auf Kredit exportiert, und denen,
die nicht oder nur wenig gegen Kredit exportieren. Die letzteren
importieren dann aber auf Kredit;...). Die Krise mag zuerst
in ... dem Land ausbrechen, das den meisten Kredit gibt und am wenigsten
nimmt (das waren 1929 die USA), weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz
der fälligen Zahlungen, die sofort liquidiert werden muss, gegen
es, obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es
ist. Dies letztere erklärt
sich teils aus dem von ihm gegebenen Kredit, teils aus der Masse ans
Ausland verliehener Kapitale, so dass eine Masse Rückflüsse in Waren,
außer den eigentlichen Handelsrückflüssen, ihm
zuströmen. (Die Krise brach aber
zuweilen auch zuerst in ... dem Land (aus), das den meisten Handels- und
Kapitalkredit ... nimmt. (=„Emerging-Market-Crisis“))
... Nun kommt die Reihe an
ein anderes Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist
der in normalen Zeiten geltende Termin zwischen Zahlungsbilanz und
Handelsbilanz weggefallen oder doch verkürzt durch die Krise; alle
Zahlungen sollen auf einmal erledigt werden. Dieselbe Sache wiederholt
sich nun hier. ... Was in dem einen Land
als Übereinfuhr, erscheint in dem anderen als Überausfuhr und umgekehrt.
Es hat aber Übereinfuhr und Überausfuhr in allen Ländern stattgefunden
(im einen Land Übereinfuhr von Geld und Überausfuhr
von Waren, im anderen Land Übereinfuhr von Waren und Überausfuhr von Geld
- wie zwischen USA und Japan/China) (wir sprechen hier nicht
von Missernten etc., sondern von allgemeiner Krise); d. h.
Überproduktion befördert durch den Kredit und die ihn begleitende
allgemeine Aufblähung der Preise. ... Die Zahlungsbilanz ist
in Zeiten der allgemeinen Krise gegen jede Nation, wenigstens gegen jede
wirtschaftlich entwickelte Nation, aber stets bei einer nach der
anderen, wie in einem Rottenfeuer, sobald die Reihe der Zahlungen an sie
kommt; und die einmal ... ausgebrochene Krise drängt die Reihe dieser
Termine in eine ganz kurze Periode zusammen. Es zeigt sich dann,
dass alle diese Nationen gleichzeitig überexportiert (also überproduziert)
und überimportiert (also überhandelt) haben, dass in allen die Preise
aufgetrieben waren und der Kredit überspannt ist. Und bei allen
folgt derselbe Zusammenbruch. Die Erscheinung des Goldabflusses (soweit der Goldstandard gilt. Bei Kreditgeld tritt eine Kreditverknappung und ein Fall des Wechsel-kurses ein, bis hin zur Zahlungsunfähigkeit.) kommt dann an alle der Reihe nach und zeigt eben durch ihre Allgemeinheit 1., dass der Goldabfluss bloßes Phänomen der Krise, nicht ihr Grund ist; 2., dass die Reihenfolge, worin er bei den verschiedenen Nationen eintritt, nur anzeigt, ... wann der Termin der Krise bei ihnen eingetreten und die latenten Elemente derselben bei ihnen zum Ausbruch kommen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 508f. Siehe auch die Artikel: |
|
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |