Juristerei und Justiz

 

1. Mit den gesellschaftlichen Verhältnissen ist von selbst festgelegt, was die Regel und was Regelverstoß (Kriminalität) ist

„Der Diebstahl (setzt) als gewaltsame Verletzung des Eigentums das Eigentum voraus ...“ K. Marx, Über Proudhon, MEW 16, 27.

Es hängt „in gewissem Grade von der offiziellen Gesellschaft (= herrschende Klasse) ab, bestimmte Verletzungen ihrer Regeln als Verbrechen oder nur als Vergehen zu stempeln. Diese Differenz in der Beurteilung, ... entscheidet über das Schicksal von Tausenden von Menschen und über den moralischen Ton der Gesellschaft. Das Gesetz selbst kann nicht nur das Verbrechen bestrafen, sondern es auch hervorrufen ...“ K. Marx, Bevölkerung, Verbrechen und Pauperismus, MEW 13, 492f.

Es sind „nicht so sehr die besonderen politischen Einrichtungen eines Landes ... als vielmehr die grundlegenden Bedingungen der modernen bürgerlichen Gesellschaft im Ganzen, die eine durchschnittliche Anzahl Verbrechen in einem gegebenen nationalen Teil der Gesellschaft hervorbringen ...“. K. Marx, Die Todesstrafe, MEW 8, 508.

 

 

2. Strafjustiz als Herrschaftsinstrument

„Es ist ... schwer, wenn nicht gar unmöglich, ein Prinzip aufzustellen, womit man die Berechtigung und Zweckmäßigkeit der Todesstrafe in einer auf ihre Zivilisation stolzen Gesellschaft zu begründen vermöchte.

Man hat die Strafe gewöhnlich verteidigt als ein Mittel zur Besserung oder zur Einschüchterung. Aber welches Recht hat man, mich zu strafen, um andere zu bessern oder einzuschüchtern? Außerdem gibt es so etwas wie die Statistik, und es gibt die Geschichte, und beide beweisen voll und ganz, dass die Welt seit Kain durch Strafen weder gebessert noch eingeschüchtert worden ist. Ganz im Gegenteil. ...

Wenn wir die Dinge offen aussprechen und auf alle Umschreibungen verzichten, so ist die Strafe nichts anderes als ein Verteidigungsmittel der Gesellschaft gegen die Verletzung ihrer Lebensbedingungen, was auch immer deren Inhalt sein mag. –

Was für eine Gesellschaft ist das aber, die kein besseres Instrument ihrer Verteidigung kennt als den Henker ...?

Wenn ... Verbrechen, sobald man sie in großer Zahl beobachtet, in ihrer Häufigkeit und Art die Regelmäßigkeit von Naturerscheinungen zeigen, ... besteht da nicht die Notwendigkeit – statt den Henker zu verherrlichen, der eine Reihe Verbrecher beseitigt, nur um wieder Platz für neue zu schaffen -, ernstlich über die Änderung des Systems nachzudenken, das solche Verbrechen züchtet?“ K. Marx, Die Todesstrafe, MEW 8, 507ff.

 

 

3. Rechtswissenschaft ist die eigentliche Staatsreligion

„... Seit Machiavelli, Hobbes, Spinoza, Bodinus usw. (ist) die Macht als Grundlage des Rechtes dargestellt worden ...; womit die theoretische Anschauung der Politik von der Moral emanzipiert ... war. Später im achtzehnten Jahrhundert in Frankreich und im neunzehnten Jahrhundert in England, wurde das gesamte Recht auf das Privatrecht ... und dies auf eine ganz bestimmte Macht, die Macht der Privateigentümer, redu-ziert ...“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 304.

 

Der „Standpunkt der juristischen Illusion betrachtet ... nicht das Gesetz als Produkt der materiellen Produktionsverhältnisse, sondern umgekehrt die Produk-tionsverhältnisse als Produkt des Gesetzes“. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 643 Anm. 73.

 

„(Nicht zu vergessen, dass das Recht ebenso wenig eine eigene Ge-schichte hat wie die Religion.) Im Privatrecht werden die bestehenden Eigentumsverhältnisse als Resultat des allgemeinen Willens ausge-sprochen. Das jus utendi et abutendi (Recht der freien Verfügung zu Gebrauch oder Missbrauch einer Sache) selbst spricht einerseits die Tatsache aus, dass das Privateigentum vom Gemeinwesen durchaus unabhängig geworden ist, und andererseits die Illusion, als ob das Privateigentum selbst auf dem bloßen Privatwillen, der willkürlichen Verfügung über die Sache beruhe. In der Praxis hat das ‚abuti‘ (der willkürliche Missbrauch) sehr bestimmte ökonomische Grenzen für den Privateigentümer, wenn er nicht sein Eigentum und damit sein jus abutendi in andere Hände übergehen sehen will, da überhaupt die Sache, bloß in Beziehung auf seinen Willen betrachtet, gar keine Sache ist, sondern erst im Verkehr ... zu einer Sache, zu wirklichem Eigentum wird ...

Diese juristische Illusion, die das Recht auf den bloßen Willen reduziert, führt in der weiteren Entwicklung der Eigentumsverhältnisse notwendig dahin, dass jemand einen juristischen Titel auf eine Sache haben kann, ohne die Sache wirklich zu haben. ...

Aus derselben Illusion der Juristen erklärt es sich, dass es für sie und für jeden Gesetzestext überhaupt zufällig ist, dass die Individuen in Verhältnisse untereinander treten, z. B. in Verträge, und dass den Juristen diese Verhältnisse für solche gelten, die man nach Belieben eingehen kann oder nicht ... und deren Inhalt ganz auf der individuellen Willkür der Vertragspartner beruht.

Sobald sich durch die Entwicklung der Industrie und des Handels neue Verkehrsformen gebildet haben, z. B. Aktiengesellschaften, war das Recht jedes Mal genötigt, sie unter die Eigentumserwerbsarten aufzu-nehmen.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 63f.

 

„Bei den Politikern von Profession, bei den Theoretikern des Staatsrechts und den Juristen des Privatrechts ... geht der Zusammenhang mit den ökonomischen Tatsachen ... verloren. Weil in jedem einzelnen Falle die ökonomischen Tatsachen die Form juristischer Motive annehmen müssen, um in Gesetzesform sanktioniert zu werden, und weil dabei auch selbstverständlich Rücksicht zu nehmen ist auf das ganze schon geltende Rechtssystem, deswegen soll nun die juristische Form alles sein und der ökonomische Inhalt nichts.“ F. Engels, Ludwig Feuerbach, MEW 21, 302.

 

Der Jurist ist „der Ideologe des Privateigentums“. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 212.

 

„... Regierung, Richter, Offiziere, Pfaffen etc., die Gesamtheit der alten ideologischen Stände, ... ihre Gelehrten, Magister und Pfaffen ... sie leben von dem Produkt des Fleißes anderer Leute, müssen also auf das unvermeidliche Maß reduziert werden.“ K. Marx, Theorien über produktive und unproduktive Arbeit I, MEW 26.1, 273.

 

Siehe den Artikel:

Todesstrafe

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.