Interesse Im Deutschen
Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm heißt es: „Interesse: ...
nutzen, vortheil ...: im gemeinen gebrauch ist interesse
vortheil ...; es heißt: im interesse jemandes etwas tun, im
interesse jemandes stehn, handeln; ...“ Deutsches Wörterbuch
von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 10, Leipzig 1877, 2147. „... Im Interesse
schiebt der philosophierende Bürger immer ein Drittes zwischen sich
und seine Lebensäußerung, eine Manier, die wahrhaft klassisch bei Bentham
erscheint, dessen Nase erst ein Interesse haben muss, ehe sie sich zum
Riechen entschließt.“ K. Marx, Deutsche
Ideologie, MEW 3, 194. 1. Sind
Privatinteresse und Gesamtinteresse identisch? „Das praktische Bedürfnis, der Egoismus ist das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft.“ K. Marx, Judenfrage, MEW 1, 374. „Die Ökonomen drücken
das so aus: Jeder verfolgt sein Privatinteresse und nur sein
Privatinteresse; und dient dadurch, ohne es zu wollen und zu wissen, den
Privatinteressen aller, den allgemeinen Interessen. Der Witz besteht nicht darin, dass, indem jeder sein Privatinteresse verfolgt, die Gesamtheit der Privatinteressen, also das allgemeine Interesse erreicht wird. Vielmehr könnte aus dieser abstrakten Phrase genau so gut gefolgert werden, dass jeder wechselseitig die Geltendmachung des Interesses der anderen hemmt, und statt einer allgemeinen positiven Wirkung, vielmehr eine allgemeine Vernichtung aus diesem Krieg aller gegen alle resultiert. Die Pointe liegt vielmehr darin, dass das Privatinteresse selbst schon ein gesellschaftlich bestimmtes Interesse ist und nur innerhalb der von der Gesellschaft gesetzten Bedingungen und mit den von ihr gegebenen Mitteln erreicht werden kann; also an die Reproduktion dieser Bedingungen und Mittel gebunden ist.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 74. „Wenn es heißt, dass innerhalb der freien Konkurrenz die Individuen rein ihrem Privatinteresse folgend das gemeinschaftliche oder vielmehr allgemeine Interesse verwirklichen, so heißt das nichts, als dass sie unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktion aufeinander pressen und daher ihr Gegenstoß selbst nur die Wiedererzeugung der Bedingungen ist, unter denen diese Wechselwirkung stattfindet.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 545. „Die Phrase, welche
dieser eingebildeten Aufhebung der Klassen-verhältnisse entsprach, ...
war die Brüderlichkeit, die allgemeine Verbrüderung und
Brüderschaft. Dies ist eine gemütliche Abstraktion von den
Klassengegensätzen, dies ist eine sentimentale Ausgleichung der
sich widersprechenden Klasseninteressen, dies ist eine
schwärmerische Erhebung über den Klassenkampf ...“ K. Marx,
Klassen-kämpfe in Frankreich, MEW 7, 21. Verkehrt ist es, „sowohl die heuchlerischen Phrasen wie die Illusionen der Menschen für die wirklichen Motive ihrer Handlungen“ anzusehen. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 144. 2. Konkurrenz produziert und reproduziert Interessen und ihre Gegensätze 2.1. Die Interessen
der Grundbesitzer „In der
Nationalökonomie, unter der Herrschaft des Privateigentums, ist das
Interesse, was einer an der Gesellschaft hat, grad im umgekehrten
Verhältnis zu dem Interesse, was die Gesellschaft an ihm hat, wie das
Interesse des Wucherers an dem Verschwender durchaus nicht identisch mit
dem Interesse des Verschwenders ist. ... Wenn also das Interesse des Grundeigentümers, weit entfernt, mit dem Interesse der Gesellschaft identisch zu sein, im feindlichen Gegensatz mit dem Interesse der Pächter, der Ackerknechte, der Manufaktur-arbeiter und der Kapitalisten steht, so ist nicht einmal das Interesse des einen Grundeigentümers mit dem des anderen identisch ... wegen der Konkurrenz untereinander ...“ K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 502f. 2.2. Die Interessen
von Kapital und Lohnarbeit „Wenn das Produkt der
Arbeit nicht dem Arbeiter gehört, ... so ist dies nur dadurch möglich,
dass es einem anderen Menschen außer dem Arbeiter
gehört. Wenn seine Tätigkeit ihm Qual ist, so muss sie einem anderen Genuss ... Lebensfreu-de ... sein. ... Wenn der Lohnarbeiter sich zu seiner Arbeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich zu ihr als der Tätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch eines anderen Menschen.“ K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 519. „Die Klasseninteressen der Arbeiter (sind) denen der Kapitalisten direkt entgegengesetzt ...“ F. Engels, Preußische Militärfrage, MEW 16, 77. „Das Interesse des
Kapitalisten und des Arbeiters ist ... dasselbe, behaupten die
Kapitalisten und ihre Ökonomen. Und in der Tat! Der Arbeiter geht
zugrunde, wenn ihn das Kapital nicht beschäftigt. Das Kapital geht
zugrunde, wenn es die Arbeitskraft nicht ausbeutet, und um sie
auszubeuten, muss es sie kaufen. Je rascher sich ...
das produktive Kapital vermehrt, je blühender daher die Industrie ist, je
mehr sich die Bourgeoisie bereichert, je besser das Geschäft geht, umso
mehr Arbeiter braucht der Kapitalist, umso teurer verkauft sich der
Arbeiter. Die unerlässliche
Bedingung für eine passable Lage des Arbeiters ist also möglichst
rasches Wachstum des produktiven Kapitals. Aber was ist Wachstum
des produktiven Kapitals? Wachstum der aufgehäuften Arbeit über die
lebendige Arbeit. Wachstum der Herrschaft der Bourgeoisie über die
arbeitende Klasse. Wenn die Lohnarbeit den sie beherrschenden fremden
Reichtum, die ihr feindselige Macht, das Kapital, produziert, strömen ihr
Beschäftigungs-, d. h. Lebensmittel von derselben zurück, unter der
Bedingung, dass sie sich von neuem zu einem Teil des Kapitals macht
... Die Interessen des
Kapitals und die Interessen der Arbeit sind dieselben, heißt nur: Kapital
und Lohnarbeit sind zwei Seiten eines und desselben Verhältnisses. Die
eine bedingt die andere, wie der Wucherer und Verschwender sich
wechselseitig bedingen. Solange der Lohnarbeiter Lohnarbeiter ist, hängt sein Los vom Kapital ab. Das ist die vielgerühmte Gemeinsamkeit des Interesses von Arbeiter und Kapitalist.“ K. Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, 410f. „Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Bevöl-kerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situa-tion, gemeinsame Interessen geschaffen.“ K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 180. „Insofern Millionen von Familien unter ökonomischen Existenzbe-dingungen leben, die ihre Lebensweise, ihre Interessen und ihre Bildung von denen der anderen Klassen trennen und ihnen feindlich gegenüberstellen, bilden sie eine Klasse.“ K. Marx, 18. Brumaire, MEW 8, 198. „Das
Spezialinteresse, welches das Kapital einer Sphäre ... an der Ausbeutung
der von ihm speziell beschäftigten Arbeiter hat, hat der einzelne Kapitalist
... an der Ausbeutung der persönlich von ihm ausgebeuteten
Arbeiter. Andererseits
hat jede besondere Sphäre des Kapitals und jeder einzelne Kapitalist
dasselbe Interesse an der Produktivität der vom Gesamtkapital angewandten
gesellschaftlichen Arbeit. Denn davon hängt zweierlei
ab: Erstens
die Masse der Gebrauchswerte, worin sich der Durchschnitts-profit
ausdrückt; und dies ist doppelt wichtig, soweit dieser sowohl als
Akkumulationsfonds von neuem Kapital wie als Revenuefonds zum Genuss
dient. Zweitens die Werthöhe des vorgeschossenen Gesamtkapitals (konstanten und variablen), die, bei gegebener Größe des Mehrwerts oder Profits der ganzen Kapitalistenklasse, die Profitrate oder den Profit auf eine bestimmte Menge Kapital bestimmt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 207f. „Man hat
also hier den mathematisch exakten Nachweis, warum die Kapitalisten,
sosehr sie in ihrer Konkurrenz untereinander sich als falsche Brüder
bewähren, doch einen wahren Freimaurerbund bilden gegenüber der Gesamtheit
der Arbeiterklasse.“ K. Marx, Kapital
III, MEW 25, 208.
3. Revolutionäre Interessen 3.1. Revolutionäre
Bewegungen traten bisher als Interessenvertreter der Gesamtgesellschaft
auf „Jede neue Klasse
nämlich, die sich an die Stelle einer vor ihr herrschenden setzt, ist
genötigt, schon um ihren Zweck durchzuführen, ihr Interesse als das
gemeinschaftliche Interesse aller Mitglieder der Gesellschaft
darzustellen, d. h. ideell ausgedrückt: ihren Gedanken die Form der
Allgemeinheit zu geben, sie als die einzig vernünftigen, allgemein
gültigen darzustellen. Die revolutionäre Klasse tritt von vornherein, schon weil sie einer Klasse gegenübersteht, nicht als Klasse, sondern als Vertreterin der ganzen Gesellschaft auf, sie erscheint als die ganze Masse der Gesellschaft gegenüber der einzigen, herrschenden Klasse. Sie kann dies, weil im Anfange ihr Interesse wirklich noch mehr mit dem gemeinschaftlichen Interesse aller übrigen nichtherrschenden Klassen zusammenhängt ...“ K. Marx, Deutsche Ideologie, 3, 47. „Es ist leicht
zu begreifen, dass jedes massenhafte, geschichtlich sich durchsetzende
‚Interesse‘, wenn es zuerst die Weltbühne betritt, in der
‚Idee‘ oder ‚Vorstellung‘ weit über seine wirklichen
Schranken hinausgeht und sich mit dem menschlichen Interesse
schlechthin verwechselt.“ K. Marx, Hl. Familie,
MEW 2, 85. 3.2. Karl Marx vertrat die Interessen der Lohnarbeiter Karl Marx behauptete nicht, die Interessen der
Gesamtgesellschaft zu vertreten, sondern nur die Interessen der
Lohnarbeiter, der großen Mehrheit der
Gesellschaft. „Alle bisherigen
Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von
Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der
ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.“ K. Marx,
Kommunistisches Manifest, MEW 4, 473. „Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andererseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 474. Siehe auch die Artikel:
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |