Imperialismus und Weltmarkt

 

Was spätere Imperialismustheorien als Monopolisierung einzelner Weltregionen durch Staaten und Kapitalgruppen beschrieben, war von Karl Marx längst als Zusammenhang zwischen Weltmarkt und Kapitalismus dargestellt und analysiert worden. Anders als bei Lenin münden die Analysen von Marx jedoch in keine Endzeitphilosophie (Lenin: „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, 1917).

Bei Marx finden sich eher Hinweise, dass die Monopolisierung einzelner Weltregionen mittels Staatsgewalt typisch ist für die Kinderzeit und für Schwächephasen des globalen Kapitalismus. Die entwickelte Form des Kapitalismus wird von der freien Konkurrenz bestimmt, nicht vom Staatsmonopol.

 

1. Nicht ein einzelnes Imperium, der Weltmarkt an sich ist

schon eine unterdrückerische Macht

„In der bisherigen Geschichte ist es allerdings ... eine empirische Tatsache, dass die einzelnen Individuen mit der Ausdehnung ihrer Tätigkeit zur weltgeschichtlichen Tätigkeit immer mehr unter einer ihnen fremden Macht geknechtet worden sind ..., einer Macht, die immer massenhafter geworden ist und sich in letzter Instanz als Weltmarkt ausweist.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 37.

 

„Oder wie kommt es, dass der Handel, der doch weiter nichts ist als der Austausch der Produkte verschiedener Individuen und Länder, durch das Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr die ganze Welt beherrscht – ein Verhältnis, das, wie ein englischer Ökonom sagt, gleich dem antiken Schicksal über der Erde schwebt und mit unsichtbarer Hand Glück und Unglück an die Menschen verteilt, Reiche stiftet und Reiche zertrümmert, Völker entstehen und verschwinden macht ... ?“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 35.

 

„... Je mehr die ursprüngliche Abgeschlossenheit der einzelnen Nationalitäten durch die ausgebildete Produktionsweise, Verkehr und dadurch naturwüchsig hervorgebrachte Teilung der Arbeit zwischen verschiedenen Nationen vernichtet wird, desto mehr wird die Geschichte zur Weltgeschichte, so dass z. B. wenn in England eine Maschine erfunden wird, die in Indien und China zahllose Arbeiter außer Brot setzt und die ganze Existenzform dieser Reiche umwälzt, diese Erfindung zu einem weltgeschichtlichen Faktum wird; ...“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 45f.

 

 

1.1. Der Weltmarkt ist sowohl Resultat als auch
Basis und Lebensatmosphäre des Kapitalismus

„Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals. Waren-produktion und entwickelte Warenzirkulation, Handel, bilden die historischen Voraussetzungen, unter denen es entsteht. Welthandel und Weltmarkt eröffnen im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 161.

 

„Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptelemente der ursprünglichen Akkumulation.

Auf dem Fuß folgt der Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdenrund als Schauplatz.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 779.

 

„Es unterliegt keinem Zweifel ..., dass im 16. und 17. Jahrhundert die großen Revolutionen, die mit den geographischen Entdeckungen im Handel vorgingen und die Entwicklung des Kaufmannskapitals rasch steigerten, ein Hauptelement bilden in der Förderung des Übergangs der feudalen Produktionsweise in die kapitalistische.

Die plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die Vervielfältigung der umlaufenden Waren, der Wetteifer unter den europäischen Nationen, sich der asiatischen Produkte und der amerikanischen Schätze zu bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen wesentlich bei zur Sprengung der feudalen Schranken der Produktion. ...

Und wenn im 16. und zum Teil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten und den Aufschwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffenen kapitalistischen Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Produk-tionsweise.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 345.

 

„Den aufschießenden Manufakturen sicherte die Kolonie Absatzmarkt und eine durch das Marktmonopol potenzierte Akkumulation. Der außerhalb Europa direkt durch Plünderung, Versklavung und Raubmord erbeutete Schatz floss ins Mutterland zurück und verwandelte sich hier in Kapital.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 781.

 

„... Noch mehr (schafft) die große Industrie ... sich ihrerseits den Markt, erobert ihn durch ihre Waren. Jetzt wird der Handel Diener der industriellen Produktion, für die beständige Erweiterung des Markts Lebensbedingung ist. Eine stets ausgedehntere Massenproduktion über-schwemmt den vorhandenen Markt und arbeitet daher stets an der Ausdehnung dieses Markts, an Durchbrechung seiner Schranken.

Was diese Massenproduktion beschränkt, ist nicht der Handel (soweit dieser nur existierende Nachfrage ausdrückt), sondern die Größe des funktionierenden Kapitals und die entwickelte Produktivkraft der Arbeit.

Der industrielle Kapitalist hat beständig den Weltmarkt vor sich, vergleicht, und muss beständig vergleichen, seine eigenen Kostpreise mit den Marktpreisen nicht nur der Heimat, sondern der ganzen Welt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 349.

 

... Der Weltmarkt ... (bildet) überhaupt die Basis und die Lebens-atmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 120.

 

„Die Bourgeoisie hat durch die Ausbeutung des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder globalisiert. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimazonen zu ihrer Befriedigung nötig machen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. ...

Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-instrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die billigen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d. h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 466.

 

„Hand in Hand mit der Zentralisation oder der Enteignung vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewusste technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwend-bare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarkts und damit der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 790.

 

1.2. Errichtung und Verteidigung regionaler Monopole (Kolonien) waren nur typisch für
die „Kinderperiode der großen Industrie“

Lenin behauptete später, staatlich geschützte Territorialmonopole charakterisierten das „höchste Stadium“ des Kapitalismus. Marx hatte die gegenteilige Ansicht vertreten.

„Durch das Kolonialsystem (gleichzeitig mit der Schutzzollpolitik) sucht das industrielle Kapital in seinen ersten Entwicklungsperioden, sich gewaltsam einen Markt und Märkte zu sichern.“ Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 462.

 

„Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Schutzzoll, Handels-kriege usw., diese Sprösslinge der eigentlichen Manufakturperiode, schwellen riesenhaft während der Kinderperiode der großen Industrie.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 785.

 

„Die Konkurrenz (erscheint) ... historisch als Auflösung von Zunftzwang, Regierungsmaßregelung, inneren Zöllen und dergleichen innerhalb eines Landes ..., auf dem Weltmarkt als Aufhebung von Absperrung, Schutzzoll, oder Protektion ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 542.

 

„Solange das Kapital schwach ist, sucht es selbst noch nach den Krücken vergangener oder mit seinem Erscheinen vergehender Produktions-weisen. Sobald es sich stark fühlt, wirft es die Krücken weg und bewegt sich seinen eigenen Gesetzen gemäß. ...

Die freie Konkurrenz ist aber die adäquate Form des produktiven Prozesses des Kapitals.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökono-mie, 544.

 

1.3. Kommunikations- und Transportsysteme

sind die Lebensadern des Weltmarkts

„... Für die große Industrie mit ihrer fieberhaften Geschwindigkeit der Produktion, ihrer massenhaften Stufenleiter, ihrem beständigen Werfen von Kapital- und Arbeitermassen aus einer Produktionssphäre in die andere und ihren neu geschaffenen weltmarktlichen Zusammenhängen ... wurde das Kommunikations- und Transportwesen ... allmählich durch ein System von Flussdampfschiffen, Eisenbahnen, ozeanischen Dampf-schiffen und Telegrafen der Produktionsweise der großen Industrie angepasst.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 405.

 

„Die Geschwindigkeit, womit das Produkt eines Produktionsprozesses als Produktionsmittel in einen anderen Prozess übergehen kann, hängt ab von der Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel. Die Billigkeit des Transports spielt eine große Rolle dabei.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 144.

 

„Für ein einzelnes Land nimmt der Umfang, worin z. B. die für das Jahr nötige Masse an Warenvorräten bereit sein muss, ab mit der Entwick-lung der Transportmittel. ...

Ebenso wirkt die Entwicklung des Weltmarkts und daher die Vervielfachung der Bezugsquellen desselben Artikels.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 144f.

 

„Wenn einerseits mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion die Entwicklung der Transport- und Kommunikationsmittel die Umlaufs-zeit für eine gegebene Menge Waren abkürzt, so führt derselbe Fortschritt ... umgekehrt die Notwendigkeit herbei, für immer entferntere Märkte, mit einem Wort, für den Weltmarkt zu arbeiten.

Die Masse der auf Reise befindlichen und nach entfernten Punkten reisenden Waren wächst enorm, und daher absolut und relativ auch der Teil des gesellschaftlichen Kapitals, der sich beständig für längere Fristen im Stadium des Warenkapitals, innerhalb der Umlaufszeit befindet.

Damit wächst gleichzeitig auch der Teil des gesellschaftlichen Reichtums, der, statt als direktes Produktionsmittel zu dienen, in Transport- und Kommunikationsmitteln und in dem für ihren Betrieb nötigen fixen und zirkulierenden Kapital ausgelegt wird.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 254.

 

 

2. Auf dem Weltmarkt herrschen keine anderen Gesetze

als auf einem nationalen Markt

„Was sind die ganze innere Organisation der Völker, alle ihre internationalen Beziehungen anderes als der Ausdruck einer bestimmten Arbeitsteilung?“ K. Marx, Brief an Annenkow (1846), MEW 27, 454.

 

„Grundlage dieser Produktion ist die absolute Herrschaft des Kapitals. Wesentlich für die Existenz des Kapitals als einer unabhängigen Macht ist die Zentralisation des Kapitals. Der zerstörende Einfluss dieser Zentralisation auf die Märkte der Welt enthüllt nur in gigantischem Ausmaß die immanenten Gesetze der politischen Ökonomie, die heute in jedem zivilisierten Gemeinwesen wirksam sind.“ K. Marx, Britische Herrschaft in Indien, MEW 9, 226.

 

„Übrigens ist die Unterscheidung von Inland und Ausland durchaus illusorisch. Wie sich die Nation, die eine Missernte erleidet, zur fremden Nation verhält, von der sie kauft, verhält sich jedes Individuum der Nation zum Bauern oder Getreidehändler. Die Zusatzsumme, die es auf Ankauf des Getreides verwenden muss, ist eine direkte Vermin-derung seiner ... verfügbaren Mittel.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 47f.

 

„Was Carey nicht begriffen hat, dass diese weltmarktlichen Dis-harmonien nur die letzten passenden Ausdrücke der Disharmonien sind, die ... in dem kleinsten Umfang eine lokale Existenz (in jedem lokalen Markt) besitzen. ... Er ist ebenso wohl Amerikaner in seiner Behauptung der Harmonie innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, als in der Behauptung der Disharmonie derselben Verhältnisse in ihrer welt-marktlichen Gestalt.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 847.

 

„Es versteht sich, dass die große Industrie nicht an jedem Ort eines Landes zu derselben Höhe der Ausbildung kommt. ... Und ... die von der großen Industrie ausgeschlossenen Arbeiter (werden) durch diese große Industrie in eine noch schlechtere Lebenslage versetzt ... als die Arbeiter der großen Industrie selbst.

Ebenso wirken die Länder, in denen eine große Industrie entwickelt ist, auf die mehr oder minder nichtindustriellen Länder, sofern diese durch den Weltverkehr in den universellen Konkurrenzkampf hereingerissen sind.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 61.

 

 

2.1. Auf dem Weltmarkt wie innerhalb einer Volkswirtschaft

herrscht Konkurrenz auf dem Boden ungleicher Entwicklung

Die bestimmenden Elemente der Wirtschaftsbeziehungen zwischen kapitalistischen Metropolen und rückständigeren Ländern und Regionen sind:

- Warenexport mit Extraprofiten wegen höherer Produktivität in den Metropolen;

- Warenexport zur Steigerung der Stufenleiter der Produktion;

- Warenimport zur Senkung der Kosten des konstanten Kapitals (Rohstoffe und Halbzeuge);

- Warenimport zur Senkung der Lohnkosten (durch Preissenkung der Lebensmittel, Kleidung etc., die in den Konsum der Lohnarbeiter eingehen);

- Export von Kapital, das profitablere Anlagemöglichkeiten sucht;

- Export von überzählig gemachten Kleinbesitzern;

- Import von preiswerteren Lohnarbeitern;

- Kredite und Staatsverschuldung als zusätzliches Mittel der Ausplünderung.

 

 

2.1.1. Warenexport und Warenimport

„Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muss sie sich einnisten, ... überall Verbindungen herstellen.“ K. Marx, Kommunis-tisches Manifest, MEW 4, 465.

 

„Heutzutage führt industrielle Vorherrschaft die Handelsvorherrschaft mit sich. In der eigentlichen Manufakturperiode dagegen ist es die Handelsvorherrschaft, die die industrielle Vorherrschaft gibt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782.

 

Heute „ist der Handel nur mehr Diener der industriellen Produktion, für die stets erweiterter Markt Lebensbedingung geworden ist, indem stets sich erweiternde Massenproduktion, beschränkt nicht durch die vorhandenen Grenzen des Handels (soweit dieser nur existierende Nachfrage ausdrückt), sondern einzig und allein durch die Größe des vorhandenen Kapitals und die entwickelte Produktivkraft der Arbeiter, stets den vorhandenen Markt überschwemmt und daher beständig an der Erweiterung und Entfernung seiner Schranken arbeitet. ...

Der industrielle Kapitalist hat den Weltmarkt vor sich; vergleicht und muss daher beständig vergleichen seine eigenen Kostenpreise nicht nur mit dem Marktpreis zu Hause, sondern auf dem gesamten Weltmarkt. Er produziert beständig in Rücksicht darauf.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 462.

 

„Soweit der auswärtige Handel teils die Elemente des konstanten Kapitals, teils die notwendigen Lebensmittel, worin das variable Kapital sich umsetzt, verbilligt, wirkt er steigernd auf die Profitrate, indem er die Rate des Mehrwerts hebt und den Wert des konstanten Kapitals senkt.

Er wirkt überhaupt in diesem Sinn, indem er erlaubt, die Stufenleiter der Produktion zu erweitern.

Damit beschleunigt er einerseits die Akkumulation, andererseits aber auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante und damit den Fall der Profitrate ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 247f.

 

„Die Verfeinerung und Vervielfältigung der Produkte entspringt ebenso aus den neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die große Industrie schafft. Es werden nicht nur mehr ausländische Genussmittel gegen das heimische Produkt ausgetauscht, sondern es geht auch eine größere Masse fremder Rohstoffe, Ingredienzien, Halbfabrikate usw. als Produktionsmittel in die heimische Industrie ein.

Mit diesen weltmarktlichen Beziehungen steigt die Arbeitsnachfrage in der Transportindustrie und spaltet sich letztere in zahlreiche neue Unterarten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 468f.

 

„Andererseits, die innere Notwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise, auf stets größerer Stufenleiter zu produzieren, treibt zur beständigen Ausdehnung des Weltmarkts, so dass der Handel hier nicht die Industrie, sondern die Industrie beständig den Handel revolutioniert. Auch die Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das größere oder geringere Vorwiegen der Bedingungen der großen Industrie. Man vergleiche z. B. England und Holland.

Die Geschichte des Untergangs Hollands als herrschender Handelsnation ist die Geschichte der Unterordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 345f.

 

„Im Maß wie in einem Lande die kapitalistische Produktion entwickelt ist, im selben Maß erheben sich dort auch die nationale Intensität und Produktivität der Arbeit über das internationale Niveau.

Die verschiedenen Warenmengen derselben Art, die in verschiedenen Ländern in gleicher Arbeitszeit produziert werden, haben also ungleiche internationale Werte, die sich in verschiedenen Preisen ausdrücken, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 584.

 

„Noch mehr aber wird das Wertgesetz in seiner internationalen Anwendung dadurch modifiziert, dass auf dem Weltmarkt die produktivere nationale Arbeit ebenfalls als intensivere zählt, sooft die produktivere Nation nicht durch die Konkurrenz gezwungen wird, den Verkaufspreis ihrer Ware auf ihren Wert zu senken.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 584.

 

„Die ungeheure, stoßweise Ausdehnbarkeit des Fabrikwesens und seine Abhängigkeit vom Weltmarkt erzeugen notwendig fieberhafte Pro-duktion und darauf folgende Überfüllung der Märkte, mit deren Kontraktion Lähmung eintritt. Das Leben der Industrie verwandelt sich in eine Reihenfolge von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 476.

 

 

2.1.2. Kapitalexport

„Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, können eine höhere Profitrate abwerfen, weil hier erstens mit Waren konkurriert wird, die von anderen Ländern mit minderer Produktivität produziert werden, so dass das fortgeschrittenere Land seine Waren über ihrem Wert verkauft, obgleich billiger als die Konkurrenzländer.

Sofern die Arbeit des fortgeschritteneren Landes hier als Arbeit von höherem spezifischen Gewicht verwertet wird, steigt die Profitrate, indem die Arbeit, die nicht als qualitativ höhere bezahlt, als solche verkauft wird. (Oder es werden in den Metropolen deutlich höhere Löhne gezahlt als in den Ländern der Dritten Welt, wegen der deutlich höheren Produktivität.)

Dasselbe Verhältnis kann stattfinden gegen das Land, wohin Waren gesandt und woraus Waren bezogen werden; dass dies nämlich mehr vergegenständlichte Arbeit in natura gibt, als es erhält, und dass es doch hierbei die Ware billiger erhält, als es sie selbst produzieren könnte. (Anders als es die Theorie vom komparativen Vorteil im Außenhandel behauptet!) Ganz wie der Fabrikant, der eine neue Erfindung vor ihrer Verallgemeinerung benutzt, billiger verkauft als seine Konkurrenten und dennoch über dem individuellen Wert seiner Ware verkauft, d. h. die spezifisch höhere Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit als Mehrarbeit verwendet. Er realisiert so einen Extraprofit.

Was andererseits die in Kolonien etc. angelegten Kapitale betrifft, so können sie höhere Profitraten abwerfen, weil dort überhaupt wegen der niedrigeren Entwicklung die Profitrate höher steht, und ebenfalls, bei Anwendung von Sklaven und Kulis etc. die Ausbeutung der Arbeit.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 247f.

 

„Sind die Kapitalien des Mutterlandes beliebig übertragbar in das Kolonialgebiet (und zurück ins Mutterland), so werden sie zwar den spezifischen Extraprofit in diesem Wirtschaftsgebiet senken, aber den Durchschnitt der Profite (im Mutterland, bzw. auf dem Weltmarkt) heben (wie A. Smith ganz richtig bemerkt).“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 438.

 

 

2.1.3. Export oder Import von Lohnarbeitern

„Man könnte sagen, dass nicht nur Kapital, sondern auch Arbeiter, in Form der Emi-gration, jährlich aus England exportiert werden.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 639 Anm. 69.

„Die Kunst ist, ... Habenichtse ... zu importieren und so dem Herrn Kapitalisten seinen Lohnarbeitsmarkt voll zu halten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 800.

 

 

2.1.4. Auslandskredite als Mittel der Ausplünderung

„Die öffentliche Schuld wird einer der energischsten Hebel der ursprünglichen Akkumulation. Wie mit einem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischer Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen. ...

Mit den Staatsschulden entstand ein internationales Kreditsystem, das häufig eine der Quellen der ursprünglichen Akkumulation bei diesem oder jenem Volk versteckt. ... Manch Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein auftritt, ist erst gestern in England kapitalisiertes Kinderblut.

Da die Staatsschuld ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat, die die jährlichen Zins- usw. Zahlungen decken müssen, so wurde das moderne Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die Regierung, außerordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern doch für die Folge erhöhte Steuern.

Andererseits zwingt die durch Anhäufung nacheinander eingegangener Schulden verursachte Steuererhöhung die Regierung, bei neuen außerordentlichen Ausgaben stets neue Anleihen aufzunehmen. Die modernen Staatsfinanzen, deren Drehachse die Steuern auf die notwendigsten Lebensmittel (also deren Verteuerung) bilden, trägt daher in sich den Keim automatischer Progression. Die Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip. ...

Der zerstörende Einfluss, den es auf die Lage der Lohnarbeiter ausübt, geht uns hier jedoch weniger an als die durch es bedingte gewaltsame Enteignung des Bauern, des Handwerkers, kurz aller Bestandteile der kleinen Mittelklasse. ...

Verstärkt wird seine enteignende Wirksamkeit noch durch das Schutzzollsystem, das einer seiner integrierenden Teile ist.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782-784.

 

„Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des Weltmarkts, die als materielle Grundlagen der neuen Produktionsform bis auf einen gewissen Höhegrad herzustellen die historische Aufgabe der kapitalistischen Produktionsweise ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 457.

 

„Mit dem Austritt aus der inneren Zirkulationssphäre (dem nationalen Mark) streift das Geld die dortigen ... Lokalformen des Geldes ... wieder ab und fällt in die ursprüngliche Barrenform der edlen Metalle zurück. ... Erst auf dem Weltmarkt funktioniert das Geld in vollem Umfang als die Ware, deren Naturalform zugleich unmittelbar gesellschaftliche Verwirklichungsform der menschlichen Arbeit überhaupt ist. Seine Daseinsweise wird seinem Begriff adäquat.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 156.

 

„Symbolisches Geld oder Kreditgeld ... können die edlen Metalle als Kaufmittel oder Zahlungsmittel ersetzen, aber nicht auf dem Welt-markt.“ K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 142.

 

2.2. Resümee

„Die tiefe Heuchelei der bürgerlichen Zivilisation und die von ihr nicht zu trennende Barbarei liegen unverschleiert vor unseren Augen, sobald wir den Blick von ihrer Heimat, in der sie unter respektablen Formen auftreten, nach den Kolonien wenden, wo sie sich in ihrer ganzen Nacktheit zeigen.“ K. Marx, Britische Herrschaft in Indien, MEW 9, 225.

 

„Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bourgeoi-sie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse.

Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung.

In dem Maße, wie die Ausbeutung des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Ausbeutung einer Nation durch die andere aufgehoben.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 479.

 

Siehe auch die Artikel:

Konkurrenz

Monopol

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.