Staatliche Gesetze
1. Gesetze
sind juristischer Ausdruck der Machtver-hältnisse, diese wiederum ruhen
auf bestimmten Produk-tionsverhältnissen „Die gesetzgebende Gewalt macht das Gesetz nicht, sie entdeckt und formuliert es nur.“ K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, 260. „Sowohl die politische wie die zivile Gesetzgebung proklamieren, protokollieren nur das Wollen der ökonomischen Verhältnisse.“ K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 109.
„Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Kapitalistenklasse verwaltet.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 464.
Wer an das „Primat der Politik“ glaubt, der betrachtet „nicht das Gesetz als Produkt der materiellen Produktionsverhältnisse, sondern umgekehrt die Produktionsverhältnisse als Produkt des Gesetzes“. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 643f. Anm. 73.
„Diese wirklichen
Verhältnisse sind keineswegs von der Staatsmacht geschaffen, sie sind
vielmehr die sie schaffende Macht. ... So wenig es von ihrem
idealistischen Willen oder Willkür abhängt, ob ihre Körper schwer sind, so
wenig hängt es von ihm ab, ob sie ihren eigenen Willen in der Form des
Gesetzes durchsetzen und zugleich von der persönlichen Willkür jedes
Einzelnen unter ihnen unabhängig setzen. ... Ihre persönliche Macht
beruht auf Lebensbedingungen, die sich als vielen gemeinschaftliche
entwickeln, deren Fortbestand sie als Herrschende gegen andere und
zugleich als für alle geltende zu behaupten haben. Der Ausdruck dieses
durch ihre gemeinschaftlichen Interessen bedingten Willens ist das
Gesetz. Gerade das Durchsetzen
der voneinander unabhängigen Individuen (der herrschenden Klassen)
und ihrer eigenen Willen, das auf dieser Basis in ihrem Verhalten
gegeneinander notwendig egoistisch ist, macht die Selbstverleugnung im
Gesetz und Recht nötig, Selbstverleugnung im Ausnahmefall,
Selbstbehauptung ihrer Interessen im Durchschnittsfall
... Dasselbe gilt von den
beherrschten Klassen, von deren Willen es ebenso wenig abhängt, ob Gesetz
und Staat bestehen. ... Nicht der Staat
besteht also durch den herrschenden Willen, sondern der aus der
materiellen Lebensweise der Individuen hervorgehende Staat hat auch die
Gestalt eines herrschenden Willens. Verliert dieser die Herrschaft, so hat
sich nicht nur der Wille, sondern auch das materielle Dasein und Leben der
Individuen, und bloß deswegen ihr Wille, verändert. Es ist möglich, dass
Rechte und Gesetze sich ‚forterben‘, aber sie sind dann auch nicht mehr
herrschend, sondern nominell, wovon die altrömische und englische
Rechtsgeschichte eklatante Beispiele liefern. ... Die oberflächlichste Betrachtung der Gesetzgebung, z. B. der Armengesetzgebung in allen Ländern, wird zeigen, wie weit es die Herrschenden brachten, wenn sie durch ihren bloßen ‚Herrscherwillen‘, d. h. als nur Wollende, irgendetwas durchsetzen zu können sich einbildeten.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 311ff.
2. Jede
politische Opposition schafft ein Machtgegengewicht und beeinflusst die
staatliche Macht und ihre Gesetze „Die politische
Bewegung hat natürlich zum Endzweck die Eroberung der politischen
Macht für sie, und dazu ist natürlich eine bis zu einem gewissen Punkt
entwickelte vorherige Organisation der Arbeiter-klasse
nötig, die aus ihren ökonomischen Kämpfen selbst
erwächst. Andererseits ist aber jede Bewegung, worin die Arbeiterklasse als Klasse den herrschenden Klassen gegenübertritt und sie durch Druck von der Straße und aus den Betrieben zu zwingen sucht, eine politische Bewegung.“ K. Marx, Brief an Bolte (1871), MEW 33, 332.
„In jedem Kampf von
Klasse gegen Klasse ist das unmittelbare Ziel, um das gekämpft wird, die
politische Macht; die herrschende Klasse verteidigt ihre politische
Vorherrschaft, das heißt ihre sichere Mehrheit in den gesetzgebenden
Körperschaften; die untere Klasse kämpft zuerst um einen Anteil an dieser
Macht, später um die ganze Macht, um in die Lage zu kommen, die
bestehenden Gesetze entsprechend ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen
zu ändern.“ F. Engels,
Gewerkschaften, MEW 19, 258. Im Spannungsverhältnis zwischen herrschenden und unterdrückten Klassen, dem Klassenkampf, entwickeln sich drei Arten von Gesetzen – vergleiche 2.1. bis 2.3.
2.1. Gesetze, die von
ökonomischen Interessen und dem Interesse am Machterhalt diktiert
werden Der Staat ist
„die Form der
Organisation, welche sich die Bourgeois sowohl nach Außen als nach Innen
hin zur gegenseitigen Garantie ihres Eigentums und ihrer Interessen
notwendig geben.“ K. Marx, Deutsche
Ideologie, MEW 3, 62. Herrschende
Klassen „müssen, abgesehen
davon, dass ihre Macht sich als Staat konstituieren muss, ihrem
durch diese bestimmten (Eigen-tums)Verhältnisse bedingten Willen
einen allgemeinen Ausdruck als Staatswillen geben, als Gesetz – einen
Ausdruck, dessen Inhalt immer durch die (Eigentums)Verhältnisse
dieser Klasse gegeben ist, wie das Privat- und Kriminalrecht aufs Klarste
beweisen.“ K. Marx, Deutsche
Ideologie, MEW 3, 311. „Die Steuern sind die
wirtschaftliche Grundlage der Regierungs-maschine und von sonst nichts.“
K. Marx,
Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 30. Bestimmungen des Eigentumsrechts, des Strafrechts, der Notstandsgesetze, der Anti-Terror-Gesetze etc. wird eine emanzipatorische Opposition möglichst zu verhindern suchen und dann – so gut es geht – ignorieren und ihre Geltung beschränken.
2.2. Gesetze, die von
der ökonomischen Entwicklung diktiert werden Sogar „in despotischen
Staaten umgreift die Arbeit der Oberaufsicht und allseitigen
Einmischung der Regierung beides ...: sowohl die Verrichtung der
gemeinsamen Geschäfte, die aus der Natur aller Gemeinwesen hervorgehen,
wie die spezifischen Funktionen, die aus dem Gegensatz der Regierung zu
der Volksmasse entspringen.“ K. Marx, Kapital III,
MEW 25, 397. „Änderungen, die von
einer gesellschaftlichen Notwendigkeit diktiert werden, bahnen sich früher
oder später ihren Weg; wenn sie zu einem dringenden Bedürfnis geworden
sind, müssen sie befriedigt werden, und die Gesetzgebung wird immer
gezwungen sein, sich ihnen anzupassen.“ K. Marx,
Nationalisierung des Bodens, MEW 18, 60. „Der Paragraf im
SPD-Parteiprogramm von Gotha über die Schulen hätte wenigstens
technische Schulen (theoretische und praktische) in Verbindung mit der
Volksschule verlangen sollen. Ganz verwerflich ist
eine ‚Volkserziehung durch den Staat‘. Durch ein allgemeines
Gesetz die Mittel der Volksschulen bestimmen, die Qualifizierung des
Lehrerpersonals, die Unterrichtszweige etc., und, wie es in den
Vereinigten Staaten geschieht, durch Staatsinspektoren die Erfüllung
dieser gesetzlichen Vorschriften überwachen, ist etwas ganz anderes, als
den Staat zum Volkserzieher zu ernennen! Vielmehr sind Regierung und
Kirche gleichermaßen von jedem Einfluss auf die Schule auszuschließen. Im
preußisch-deutschen Reich nun gar ... bedarf umgekehrt der Staat einer
sehr rauen Erziehung durch das Volk.“ K. Marx, Kritik des
Gothaer Programms, MEW 19, 30f. Bestimmungen zur Schul- und Berufsausbildung, zum Frauen-stimmrecht, zum Scheidungsrecht etc. versuchen eine emanzipatorische Opposition zu beschleunigen und darin die Interessen der Lohnarbeiter geltend zu machen.
2.3. Gesetze zur
Verkürzung der Arbeitszeit, zum Schutz besserer Arbeitsbedingungen und
konkrete Rechte zur Selbstbestimmung des Volkes „Diese Organisation
der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden
Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern
selbst. Aber sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger. Sie
erzwingt die Anerkennung einzelner Interessen der Arbeiter in
Gesetzesform, indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt.
So das Gesetz zum Zehnstundentag in England.“ K. Marx,
Kommunistisches Manifest, MEW 4, 471. „Die grausamen Gesetze
gegen die Gewerkschaften fielen in England 1825 vor der
drohenden Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum Teil.
Einige schöne Überbleibsel der alten Bestimmungen verschwanden erst
1859. Endlich beanspruchte
der Parlamentsakt vom 29. Juni 1871 die letzten Spuren dieser
Klassengesetzgebung zu beseitigen durch gesetzliche Anerkennung der
Gewerkschaften. Aber ein Parlamentsakt vom selben Datum ... stellte
tatsächlich den vorigen Stand in neuer Form wieder her. Durch diesen
parlamentarischen Trick wurden die Mittel, deren sich die Arbeiter
bedienen können bei einem Streik oder einer Aussperrung ...
für illegal erklärt und unter eine Ausnahms-Strafgesetzgebung
gestellt, ... Man sieht, nur
widerwillig und unter dem Druck der Massen verzichtete das englische
Parlament auf die Gesetze gegen Streiks und Gewerkschaften,
nachdem es selbst, fünf Jahrhunderte hindurch, mit schamlosem Egoismus die
Stellung einer permanenten Gewerkschaft der Kapitalisten gegen die
Arbeiter eingenommen hatte.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 768f. „Wir schlagen 8
Arbeitstunden als gesetzliche Schranke des Arbeits-tages vor.
... Zur Information der Mitglieder auf dem Kontinent, deren Erfahrungen
auf dem Gebiete der Fabrikgesetzgebung relativ gering sind, fügen wir
hinzu, dass alle gesetzlichen Beschränkungen misslingen und vom Kapital
durchbrochen werden, wenn nicht die Tageszeit bestimmt wird, in die
die 8 Arbeitsstunden zu fallen haben. ... Die Tendenz muss dahin gehen, jede Nachtarbeit abzuschaffen.“ K. Marx, Vorschläge für das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), MEW 16, 194.
„Die Verwandlung
gesellschaftlicher Einsicht in gesellschaftliche Gewalt ...
(kann) unter den gegebenen Umständen ... nur durch allgemeine
Gesetze geschehen, durchgesetzt durch die Staatsgewalt. Bei der
Durchsetzung solcher Gesetze (die in ihrem Interesse liegen) stärkt
die Arbeiterklasse keineswegs die Macht der Regierung. Im Gegenteil, sie
verwandelt jene Macht, die jetzt gegen sie gebraucht wird, in ihre eigenen
Diener. Sie erreicht durch einen allgemeinen Gesetzesakt, was sie durch
eine Vielzahl isolierter individueller Anstrengungen vergeblich erstreben
würde.“ K. Marx, Vorschläge
für das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), MEW 16,
194. Bestimmungen zum Schutz der Arbeitskraft und zu Rechten der politischen Bewegungen wie der Achtstundentag, die Organisationsfreiheit, die Mitbestimmungsgesetze etc., die Freiheit der Meinungsäußerung, die Amnestie der 68er-Bewegung, das Verbot der Nutzung von Kernenergie usw. zwingt das Volk der herrschenden Klasse auf. |
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |