Gesamtarbeiter

 

Gesamtarbeiter ist das „kombinierte Arbeitspersonal“ der modernen Lohnarbeit, das Hand- und Kopfarbeit ebenso vereinigt wie die verschiedenen Tätigkeitsfelder der nützlichen, Gebrauchswerte schaffenden Arbeit.

„Gesamtarbeiter“ ist der wissenschaftliche Begriff der produktiven Lohnarbeiterklasse („Proletariat“).

 

„Der Arbeitsprozess wurde (im Kapital I, MEW 23, 192–213) zunächst abstrakt betrach­tet, unabhängig von seinen geschichtlichen Formen, als Prozess zwischen Mensch und Natur. Es hieß dort: ‚Betrachtet man den ganzen Arbeitsprozess vom Stand­punkt seines Resultats, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel und die Arbeit selbst als produktive Arbeit.‘ (Kapital I, MEW 23, 196)

Und in Note 7 wurde ergänzt: ‚Diese Bestimmung produktiver Arbeit, wie sie sich vom Standpunkt des einfachen Arbeitsprozesses ergibt, reicht keineswegs hin für den kapitalistischen Produktionsprozess.‘ Dies ist hier weiter zu entwi­ckeln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.

 

„Soweit der Arbeitsprozess ein rein individueller, vereinigt derselbe Arbeiter alle Funktionen, die sich später trennen. In der individuellen Aneignung von Naturge­genständen zu seinen Lebenszwecken kontrolliert er sich selbst. Später wird er kontrolliert. Der einzelne Mensch kann nicht auf die Natur wirken ohne Betäti­gung seiner eigenen Muskeln unter Kontrolle seines eigenen Hirns. Wie im Na­tur­system Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfar­beit und Handarbeit. Später scheiden sie sich bis zum feindlichen Gegensatz.

Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Produkt des indi­viduellen Produzenten in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Gesamtarbeiters, d. h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeits-gegenstandes näher oder ferner stehen.

Mit dem kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand an­zulegen; es genügt Organ des Gesamtarbeiters zu sein, irgendeine seiner Unter­funktionen zu vollziehen.

Die obige ursprüngliche Bestimmung der produktiven Arbeit ... bleibt immer wahr für den Gesamtarbeiter, als Gesamtheit betrachtet. Aber sie gilt nicht mehr für jedes seiner Glieder, einzeln genommen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531f.

„Andererseits aber verengt sich der Begriff der produktiven Arbeit. Die kapitalistische Produktion ist nicht nur Produktion von Ware, sie ist wesentlich Produktion von Mehrwert. Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, dass er überhaupt produziert. Er muss Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapitalisten produziert oder zur Selbst-verwertung des Kapitals dient.

Steht es frei, ein Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein Schullehrer produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinder­köpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unterneh­mers. Dass letzterer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis.

Der Begriff des produktiven Arbeiters schließt daher keineswegs bloß ein Ver­hältnis zwischen Tätigkeit und Nutzeffekt, zwischen Arbeiter und Arbeitsprodukt ein, sondern auch ein spezifisch gesellschaftliches, geschichtlich entstandenes Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungs­mittel des Kapitals stempelt. Produktiver Arbeiter zu sein ist daher kein Glück, sondern ein Pech.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.

 

Für das Kapital ist nicht nur Produktion von Mehrwert produktiv, wie oft von Marxisten behauptet wird.  Zur „Selbstverwertung des Kapitals“, das heißt zur Vermehrung des Kapitals, tragen alle Zirkulationsarbeiter im Handel, bei Banken und Versicherungen bei. Sie sind Teil des produktiven Gesamtarbeiters, des Proletariats.

„Mit der Entwicklung der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise wo viele Arbeiter an der Produktion derselben Ware zusammenarbeiten, muss natürlich das Verhältnis, worin ihre Arbeit unmittelbar zum Gegenstand der Produktion steht, sehr verschieden sein. Z. B. die ... Handlanger in einer Fabrik haben nichts direkt mit der Bearbeitung des Rohstoffs zu tun. Die Arbeiter, die die Aufseher der direkt mit dieser Bearbeitung zu tun Habenden bilden, stehen einen Schritt weiter ab; der Ingenieur hat wieder ein andres Verhältnis und arbeitet hauptsächlich mit seinem Kopfe etc.

Aber das Ganze dieser Arbeiter, die Arbeitsvermögen von verschie-denem Werte besitzen, ... produzieren das Resultat, das sich das – Resultat des bloßen Arbeitsprozesses betrachtet, in Ware oder einem materiellen Produkt ausspricht; und alle zusammen, als Werkstatt, sind die lebendige Produktionsmaschine dieser Produkte, wie sie, den gesamten Produktionsprozess betrachtet, ihre Arbeit gegen Kapital austauschen und das Geld der Kapitalisten als Kapital reproduzieren, d. h. als sich verwertenden Wert, sich vergrößernden Wert.

Es ist ja eben das Eigentümliche der kapitalistischen Produktionsweise, die verschiedenen Arbeiten, also auch die Kopf- und Handarbeiten – oder die Arbeiten, in denen die eine oder die andre Seite vorwiegt, – zu trennen und an verschiedene Personen zu verteilen, was jedoch nicht hindert, dass das materielle Produkt das gemeinsame Produkt dieser Personen ist oder ihr gemeinsames Produkt in materiellem Reichtum vergegenständlicht; was andererseits ebenso wenig hindert oder gar nichts daran ändert, dass das Verhältnis jeder einzelnen dieser Personen das des Lohnarbeiters zum Kapital und in diesem eminenten Sinn das des produktiven Arbeiters ist.

Alle diese Personen sind nicht nur unmittelbar in der Produktion von materiellem Reichtum beschäftigt, sondern sie tauschen ihre Arbeit unmittelbar gegen das Geld als Kapital aus und reproduzieren daher unmittelbar außer ihrem Lohn einen Mehrwert für den Kapitalisten. Ihre Arbeit besteht aus bezahlter Arbeit plus unbezahlter Mehrarbeit.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 386f.

 

„A. Smith (schließt) natürlich ein in die Arbeit, die sich fixiert und realisiert in einer käuflichen und tauschbaren Ware, alle intellektuellen Arbeiten, die direkt in der materiellen Produktion konsumiert werden.

Nicht nur der direkte Handarbeiter oder Maschinenarbeiter, sondern Aufseher, Ingenieur, Manager, Commis (= Geschäftsführer) etc., kurz die Arbeit des ganzen Personals, das in einer bestimmten Sphäre der materiellen Produktion nötig ist, um eine bestimmte Ware zu produzieren, dessen Zusammenwirken von Arbeiten (Kooperation) notwendig zur Herstellung der Waren ist.

In der Tat fügen sie dem konstanten Kapital ihre Gesamtarbeit hinzu und erhöhen den Wert des Produkts um diesen Betrag.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 134.

 

Siehe auch die Artikel:

Angestellte

Produktive und unproduktive Arbeit

Arbeiterklasse

Zirkulationsarbeiter

 


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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.