Feudalismus

 

Braucht der Arbeiter (= Produzent) alle seine Zeit, um die zur Erhaltung seiner selbst und seiner Rasse nötigen Lebensmittel zu produzieren, so bleibt ihm keine Zeit, um unentgeltlich für dritte Personen zu arbeiten. Ohne einen gewissen Produktivitätsgrad der Arbeit keine solche verfügbare Zeit für den Arbeiter, ohne solche überschüssige Zeit keine Mehrarbeit und daher keine Kapitalisten, aber auch keine Sklavenhalter, keine Feudalbarone, in einem Wort keine Großbesitzerklasse. ...

Nur sobald die Menschen sich aus ihren ersten Tierzuständen herausgearbeitet haben, ihre Arbeit selbst also schon in gewissem Grad vergesellschaftet ist, treten Verhältnisse ein, worin die Mehrarbeit des einen zur Existenzbedingung des anderen wird. In den Kulturanfängen sind die erworbenen Produktivkräfte der Arbeit gering, aber so sind die Bedürfnisse, die sich mit und an den Mitteln ihrer Befriedigung entwickeln. Ferner ist in jenen Anfängen die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben, verschwindend klein gegen die Masse der unmittelbaren Produzenten. Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst diese Proportion absolut und relativ. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 534f.

Die spezifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit aus dem unmittelbaren Produzenten ausgepumpt wird, bestimmt das Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis, wie es unmittelbar aus der Produktion selbst hervorwächst und seinerseits bestimmend auf sie zurückwirkt. Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervorwachsenden Gemeinwesens und damit zugleich seine spezifische politische Gestalt. Es ist jedes Mal das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Produzenten ein Verhältnis, dessen jedesmalige Form stets naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise der Arbeit und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkraft entspricht , worin wir das innere Geheimnis, die verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion und daher auch der politischen Form des Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisses, kurz, der jedesmaligen spezifischen Staatsform finden.

Dies hindert nicht, dass dieselbe ökonomische Basis dieselbe den Hauptbedingungen nach durch zahllos verschiedene empirische Umstände, Naturbedingungen, Rassenverhältnisse, von außen wirkende geschichtliche Einflüsse usw., unendliche Variationen und Abstufungen in der Erscheinung zeigen kann, die nur durch Analyse dieser empirisch gegebenen Umstände zu begreifen sind. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 799f.

 

1. Feudale Produktionsweise

Die dritte Eigentumsform (nach der asiatischen und antiken Eigentumsform) ist das feudale oder ständische Eigentum. Wenn das Altertum von der Stadt und ihrem kleinen Gebiet ausging, so ging das Mittelalter vom Lande aus. ... Im Gegensatz zu Griechenland und Rom beginnt die feudale Entwicklung daher auf einem viel ausgedehnteren, durch die römischen Eroberungen und die anfangs damit verknüpfte Ausbreitung der Landwirtschaft vorbereiteten Terrain. ...

Das feudale Eigentum beruht, wie das Stamm- und Gemeindeeigentum wieder auf einem Gemeinwesen, dem aber nicht wie dem antiken die Sklaven, sondern die leibeigenen kleinen Bauern als unmittelbar produzierende Klasse gegenüberstehen. ... Die hierarchische Gliederung des Grundbesitzes und die damit zusammenhängenden bewaffneten Gefolgschaften gaben dem Adel die Macht über die Leibeigenen. Diese feudale Gliederung war ebenso gut wie das antike Gemeindeeigentum eine Assoziation gegenüber der beherrschten produzierenden Klasse. ...

Dieser feudalen Gliederung des Grundbesitzes entsprach in den Städten das korporative Eigentum, die feudale Organisation des Handwerks. ...

Das Haupteigentum bestand während der Feudalepoche also in Grundeigentum mit daran geketteter Leibeigenenarbeit und eigener Arbeit mit kleinem, die Arbeit von Gesellen beherrschendem Kapital andererseits. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 24f.

Die Macht des Feudalherrn, wie jedes Souverän, beruhte nicht auf der Länge seiner Rentrolle (= Einkünfte), sondern auf der Zahl seiner Untertanen, und letztere hing von der Zahl selbstwirtschaftender Bauern ab. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 745.

Japan, mit seiner rein feudalen Organisation des Grundeigentums und seiner entwickelten Kleinbauernwirtschaft, liefert ein viel treueres Bild des europäischen Mittelalters als unsere sämtlichen, meist von bürgerlichen Vorurteilen diktierten Geschichtsbücher. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 745 Anm. 192.

Die ursprüngliche Produktionsweise von Feudalherren und Fronbauern in Rumänien war auf Gemeineigentum gegründet, ... Ein Teil der Ländereien wurde als freies Privateigentum von den Mitgliedern der Gemeinde selbständig bewirtschaftet, ein anderer Teil der ager publicus gemeinsam von ihnen bestellt.

Die Produkte dieser gemeinsamen Arbeit dienten teils als Reservefonds für Missernten und andere Zufälle, teils als Staatsschatz zur Deckung für die Kosten von Krieg, Religion und anderen Gemeindeausgaben.

Im Laufe der Zeit eigneten sich kriegerische und kirchliche Würdenträger mit dem Gemeineigentum die Leistungen für dasselbe an. Die Arbeit der freien Bauern auf ihrem Gemeindeland verwandelte sich in Fronarbeit für die Diebe des Gemeindelandes. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 252.

Der Fronbauer arbeitete z. B. 3 Tage für sich auf seinem eigenen oder dem ihm zugewiesenen Feld, und die drei folgenden Tage verrichtete er zwangsweise Gratisarbeit auf dem herrschaftlichen Gut. Hier waren also der bezahlte und der unbezahlte Teil der Arbeit sichtbar getrennt, zeitlich und räumlich getrennt. K. Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 135.

Bei Völkern von festsitzendem Ackerbau ... wo dieser vorherrscht wie bei den Antiken und Feudalen, hat selbst die Industrie und ihre Organisation und die Formen des Eigentums, die ihr entsprechen, mehr oder minder grundeigentümlichen Charakter; sie ist entweder ganz von ihm abhängig wie bei den älteren Römern oder, wie im Mittelalter, ahmt sie die Organisation des Landes in der Stadt und ihren Verhältnissen nach. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 27.

In Zeiten der Auflösung vorbürgerlicher Verhältnisse kommen sporadisch freie Arbeiter vor, deren Dienstleistung gekauft wird, nicht zum Zweck der Konsumtion, sondern der Produktion; aber erstens auf großer Stufenleiter selbst nur zur Produktion von unmittelbaren Gebrauchswerten; nicht von Werten; und zweitens, wenn der Adelige z. B. den freien Arbeiter zuzieht zu seinen Leibeigenen, auch Teil seines Produkts wieder verkauft, und der freie Arbeiter ihm so Wert schaffte, so findet dieser Austausch nur für den Überfluss statt und geschieht nur im Interesse des Überflusses, der Luxuskonsumtion; ist also im Grunde genommen nur ein verkleideter Ankauf fremder Arbeit für unmittelbaren Konsum oder als Gebrauchswert. Übrigens, wo diese freien Arbeiter sich vermehren, und dies Verhältnis zunimmt, ist die alte Produktionsweise Gemeinde patriarchalische feudale etc. in der Auflösung begriffen und bereiten sich die Elemente für die wirkliche Lohnarbeit vor. Diese freien Knechte können aber auch auftauchen, wie z. B. in Polen etc. und wieder verschwinden; ohne dass sich die Produktionsweise änderte. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 373.

 

1.1. Feudale Rente

1.1.1. Arbeitsrente

Betrachtet man die Grundrente in ihrer einfachsten Form, der Arbeitsrente, wo der unmittelbare Produzent einen Teil der Woche mit faktisch oder juristisch ihm gehörigen Arbeitswerkzeugen (Pflug, Vieh etc.) den ihm faktisch gehörigen Bo­den bestellt und die anderen Tage der Woche auf dem Gute des Grundherren ar­beitet, für den Grundherrn, unentgeltlich, so ist hier die Sache noch ganz klar, Rente und Mehrwert sind hier identisch. Die Rente ... ist die Form, worin sich hier die unbezahlte Mehrarbeit ausdrückt. ... Es unterscheidet sie dies von der Sklaven- oder Plantagenwirtschaft, dass der Sklave hier mit fremden Produktionsbedingungen arbeitet und nicht selbständig. Es sind also persönliche Abhängigkeitsverhältnisse nötig, persönliche Unfreiheit, in welchem Grad auch immer, und Gefesseltsein an den Boden als Zubehör des­selben, Hörigkeit im eigentlichen Sinn. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 798f.

Mit Bezug auf die Arbeitsrente, die einfachste und ursprünglichste Form der Rente, ist so viel einleuchtend: Die Rente ist hier die ursprüngliche Form des Mehrwerts und fällt mit ihm zu­sammen. Ferner aber bedarf das Zusammenfallen des Mehrwerts mit unbezahlter fremder Arbeit hier keiner Analyse, da es noch in seiner sichtbaren, handgreifli­chen Form existiert, denn die Arbeit des unmittelbaren Produzenten für sich selbst ist hier noch räumlich und zeitlich geschieden von seiner Arbeit für den Grundherrn, und die letztere erscheint unmittelbar in der brutalen Form der Zwangsarbeit für einen Dritten. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 800.

 

1.1.2. Produktenrente

Die Verwandlung der Arbeitsrente in Produktenrente ändert, ökonomisch gespro­chen nichts am Wesen der Grundrente.

Dies besteht ... darin, dass ... sie die einzige Mehrarbeit oder das einzige Mehr­produkt ist, welches der unmittelbare Produzent, der sich im Besitz der zu seiner eigenen Reproduktion nötigen Arbeitsbedingungen befindet, dem Eigentümer ... des Bodens, zu leisten hat; und dass es andererseits nur der Boden ist, der ihm als in fremdem Eigentum befindliche, ihm gegenüber verselbständigte und im Grundeigentümer personifizierte Arbeitsbedingung gegenübertritt.

Soweit die Produktenrente herrschende und weitest entwickelte Form der Grundrente ist, wird sie übrigens stets noch mehr oder minder begleitet von Überbleibseln der früheren Form, d. h. von Rente, die direkt in Arbeit abzutragen ist, also mit Fronarbeit, und dies gleichmäßig, ob der Grundherr eine Privatperson oder der Staat sei. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 802f.

Die Produktenrente unterstellt einen höheren Kulturzustand des unmittelbaren Produzenten, also eine höhere Entwicklungsstufe seiner Arbeit und der Gesell­schaft überhaupt; und sie unterscheidet sich dadurch von der vorhergehenden Form, dass die Mehrarbeit nicht mehr in ihrer Naturalgestalt, also auch nicht mehr unter direkter Aufsicht und Zwang des Grundherrn oder seiner Vertreter zu verrichten ist; vielmehr der unmittelbare Produzent, durch die Macht der Verhält­nis­se statt durch direkten Zwang und durch die gesetzliche Bestimmung statt durch die Peitsche angetrieben, unter seiner eigenen Verantwortlichkeit sie zu leis­ten hat. ... In diesem Verhältnis verfügt der unmittelbare Pro-duzent mehr oder minder über die Verwendung seiner ganzen Arbeits-zeit, obgleich nach wie vor ein Teil dieser Arbeitszeit, ursprünglich so ziemlich der ganze überschüssige Teil derselben, dem Grundeigentümer unentgeltlich gehört; ... K. Marx, Kapital III, MEW 25, 803.

 

1.1.3. Geldrente

Unter der Geldrente verstehen wir hier im Unterschied von der auf der kapita­listischen Produktionsweise beruhenden industriellen oder kommerziellen Grund­rente, die nur ein Überschuss über den Durchschnittsprofit ist die Grundrente, die aus einer bloßen Formverwandlung der Produktenrente entspringt, wie diese selbst nur die verwandelte Arbeitsrente war.

Statt des Produkts hat der unmittelbare Produzent hier seinem Grundeigentümer (...) den Preis desselben zu zahlen. Ein Überschuss an Produkt in seiner Natural­form genügt also nicht mehr; er muss aus dieser Naturalform in die Geldform verwandelt werden. Obgleich der unmittelbare Produzent nach wie vor fortfährt, mindestens den größten Teil seiner Subsistenzmittel selbst zu produzieren, muss jetzt ein Teil seines Produkts in Ware verwandelt, als Ware produziert werden. Der Charakter der ganzen Produktionsweise wird also mehr oder weniger verän­dert. Sie verliert ihre Unabhängigkeit, ihr Losgelöstsein vom gesellschaftlichen Zusammenhang. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 805.

Indes, die Basis dieser Art Rente, obgleich sie ihrer Auflösung entgegengeht, bleibt dieselbe wie in der Produktenrente, die den Ausgangspunkt bildet.

Der unmittelbare Produzent ist nach wie vor erblicher oder sonst traditioneller Besitzer des Bodens, der dem Grundherrn als dem Eigentümer dieser seiner we­sentlichsten Produktionsbedingung, über-schüssige Zwangsarbeit, d. h. unbe­zahlte, ohne Äquivalent (=Gegenwert) geleistete Arbeit in der Form des in Geld verwandelten Mehrprodukts zu entrichten hat.

Das Eigentum an den vom Boden verschiedenen Arbeitsbedingungen, Ackerge­rät­schaft und sonstigem Mobiliar, verwandelt sich schon in den frühen Formen erst faktisch, dann auch rechtlich in das Eigentum der unmittelbaren Produzenten, und noch mehr ist dies für die Form der Geldrente vorausgesetzt. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 805.

Die erst sporadisch, sodann auf mehr oder minder nationalem Maßstab vor sich gehende Verwandlung der Produktenrente in Geldrente setzt eine schon bedeu­tendere Entwicklung des Handels, der städtischen Industrie, der Warenproduktion überhaupt und damit der Geldzirkulation voraus. Sie setzt ferner voraus einen Marktpreis der Produkte, und dass selbe mehr oder minder ihrem Wert annähernd verkauft werden, was unter den früheren Formen keineswegs der Fall zu sein braucht. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 805.

Die Geldrente als verwandelte Form der Produktenrente, und im Gegensatz zu ihr, ist aber die letzte Form und zugleich die Form der Auflösung der Art von Grundrente, die wir bisher betrachtet haben, nämlich der Grundrente als der nor­malen Form des Mehrwerts und der dem Eigentümer der Produktionsbedingun­gen zu entrichtenden unbezahlten Mehrarbeit. In ihrer reinen Form stellt diese Rente, wie die Arbeits- und Produktenrente, keinen Überschuss über den Profit dar. Sie absorbiert ihn dem Begriff nach. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 806.

Mit Geldrente verwandelt sich notwendig das traditionelle gewohnheitsrechtli­che Verhältnis zwischen den, einen Teil des Bodens besitzenden und bearbeiten­den, Untersassen (hörige Bauern) und dem Grundeigentümer in ein vertragliches, nach festen Regeln des positiven Gesetzes bestimmtes, reines Geldverhältnis.Der bebauende Besitzer wird daher der Sache nach zum bloßen Pächter. ... Diese Verwandlung führt zum Loskauf des bisherigen Besitzers von seiner Rent­pflichtig­keit und zu seiner Verwandlung in einen unabhängigen Bauer, mit vol­lem Eigentum an dem von ihm bestellten Boden. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 806f.

Diese Verwandlung wird ... unter sonst geeigneten allgemeinen Produktionsver­hält­nis­sen, dazu benutzt, die alten bäuerlichen Besitzer nach und nach zu enteig­nen und an ihre Stelle einen kapitalistischen Pächter zu setzen; ...

Die Verwandlung der Naturalrente in Geldrente wird ferner nicht nur notwendig begleitet, sondern selbst vorweggenommen durch Bildung einer Klasse besitzloser und für Geld sich verdingender Taglöhner. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 806f.

Mit dem Dazwischentreten des kapitalistischen Pächters zwischen den Grundei­gen­tümer und den wirklich arbeitenden Ackerbauer sind alle Verhältnisse zerris­sen, die aus der alten ländlichen Produktionsweise entsprangen.

Der Pächter wird der wirkliche Kommandant dieser Ackerarbeiter und der wirkli­che Ausbeuter ihrer Mehrarbeit, während der Grundeigentümer in einem direkten Verhältnis, und zwar einem bloßen Geld- und Kontraktsverhältnis, nur noch zu diesem kapitalistischen Pächter steht. Damit verwandelt sich auch die Natur der Rente ...

Von der normalen Form des Mehrwerts und der Mehrarbeit sinkt sie herab zum Überschuss dieser Mehrarbeit über den Teil derselben, der vom ausbeutenden Kapitalisten unter der Form des Profits angeeignet wird; ...

Es ist nur noch ein überschüssiger Teil dieses von ihm ... durch direkte Ausbeu­tung sei­ner Landarbeiter extrahierten Mehrwerts, den er als Rente an den Grund­eigentümer weggibt.

Wie viel oder wie wenig er an ihn weggibt, ist bestimmt ... durch den Durch­schnitts­profit, den das Kapital in den nicht landwirtschaftlichen Produktionssphä­ren abwirft, ... K. Marx, Kapital III, MEW 25, 807f.

Es ist nicht mehr das Land, sondern es ist das Kapital, welches sich und seiner Produktivität jetzt selbst die Landarbeit unmittelbar unterworfen hat. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 808.

Große Industrie und industriell betriebene große Agrikultur wirken zusammen.

Wenn sie sich ursprünglich dadurch scheiden, dass die erste mehr die Arbeitskraft und daher die Naturkraft des Menschen, die letztere mehr direkt die Naturkraft des Bodens verwüstet und ruiniert, so reichen sich später im Fortgang beide die Hand, indem das industrielle System auf dem Land auch die Arbeiter entkräftet und Industrie und Handel ihrerseits der Agrikultur die Mittel zur Erschöpfung des Bodens verschaffen. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 821.

 

2. Herausbildung des Kapitalismus

Die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft ist hervorgegangen aus der ökonomischen Struktur der feudalen Gesellschaft. Die Auflösung dieser hat die Elemente jener freigesetzt.

Der unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst dann über seine Person verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle gefesselt und einer anderen Person leibeigen oder hörig zu sein.

Um freier Verkäufer von Arbeitskraft zu werden, der seine Ware überall hinträgt, wo sie einen Markt findet, musste er ferner der Herrschaft der Zünfte, ihren Lehrlings- und Gesellenordnungen und hemmenden Arbeitsvorschriften entronnen sein.

Somit erscheint die geschichtliche Bewegung, die die Produzenten in Lohnarbeiter verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von Dienstbarkeit und Zunftzwang; und diese Seite allein existiert für unsere bürgerlichen Geschichtsschreiber.

Andererseits werden diese Neubefreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle ihre Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen gebotenen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die Geschichte dieser ihrer Enteignung ist in die Annalen der Menschheit eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 743.

Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, mussten ihrerseits nicht nur die zünftigen Handwerksmeister verdrängen, sondern auch die im Besitz der Reichtumsquellen befindlichen Feudalherren. Von dieser Seite stellt sich ihr Emporkommen dar als Frucht eines siegreichen Kampfes gegen die Feudalmacht und ihre empörenden Vorrechte sowie gegen die Zünfte und die Fesseln, die diese der freien Entwicklung der Produktion und der freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen angelegt hatten. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 743.

Der Ausgangspunkt der Entwicklung, die sowohl den Lohnarbeiter wie den Kapitalisten erzeugt, war die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortgang bestand in einem Formwechsel dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in kapitalistische Ausbeutung.

Um ihren Gang zu verstehen, brauchen wir gar nicht so weit zurückzugreifen. Obgleich die ersten Anfänge kapitalistischer Produktion uns schon im 14. und 15. Jahrhundert in einigen Städten am Mittelmeer sporadisch entgegentreten, datiert die kapitalistische Ära erst vom 16. Jahrhundert.

Dort, wo sie auftritt, ist die Aufhebung der Leibeigenschaft längst vollbracht und der Glanzpunkt des Mittelalters, der Bestand souveräner Städte, seit geraumer Zeit im Erbleichen. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 743.

Historisch Epoche machend in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation sind alle Umwälzungen, die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber die Momente, worin große Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren Subsistenzmitteln losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den Arbeitsmarkt geschleudert werden. Die Enteignung des ländlichen Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die Grundlage des ganzen Prozesses. Ihre Geschichte nimmt in verschiedenen Ländern verschiedene Färbung an und durchläuft die verschiedenen Phasen in verschiedener Reihenfolge und in verschiedenen Geschichtsepochen. Nur in England, das wir daher als Beispiel nehmen, besitzt sie klassische Form. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 744.

 

2.1. Enteignung des Landvolks von Grund und Boden

In England war die Leibeigenschaft im letzten Teil des 14. Jahrhunderts faktisch verschwunden. Die ungeheure Mehrzahl der Bevölkerung bestand damals und noch mehr im 15. Jahrhundert aus freien, selbstwirtschaftenden Bauern, durch welch feudales Aushängeschild ihr Eigentum immer versteckt sein mochte. Auf den größeren herrschaft-lichen Gütern war der früher selbst leibeigene Vogt durch den freien Pächter verdrängt. ...

Solche Verhältnisse, bei gleichzeitiger Blüte des Städtewesens, wie sie das 15. Jahrhundert auszeichnet, erlaubten ... Volksreichtum, ... aber sie schlossen den Kapitalreichtum aus.  K. Marx, Kapital I, MEW 23, 744f.

Das Vorspiel der Umwälzung, welche die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise schuf, ereignete sich im letzten Drittel des 15. und den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Eine Masse vogelfreier Proletarier ward auf den Arbeitsmarkt geschleudert durch die Auflösung der feudalen Gefolgschaften, ...

Obgleich die königliche Macht, selbst ein Produkt der bürgerlichen Entwicklung, in ihrem Streben nach absoluter Souveränität die Auflösung dieser Gefolgschaften gewaltsam beschleunigte, war sie keineswegs deren einzige Ursache.

Vielmehr im trotzigsten Gegensatz zu Königtum und Parlament schuf der große Feudalherr ein ungleich größeres Proletariat durch gewaltsame Verjagung der Bauernschaft von dem Grund und Boden, worauf sie denselben feudalen Rechtstitel besaß wie er selbst, und durch Raub ihres Gemeindelandes.

Den unmittelbaren Anstoß dazu gab in England namentlich das Aufblühen der flandrischen Wollmanufaktur und das entsprechende Steigen der Wollpreise. Den alten Feudaladel hatten die großen Feudalkriege verschlungen, der neue war ein Kind seiner Zeit, für welche Geld die Macht aller Mächte war. Verwandlung von Ackerland in Schafweide ward also sein Losungswort. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 745f.

Einen neuen furchtbaren Anstoß erhielt der gewaltsame Enteignungsprozess der Volksmasse im 16. Jahrhundert durch die Reformation und, in ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der Kirchengüter.

Die katholische Kirche war zur Zeit der Reformation Feudaleigentümerin eines großen Teils des englischen Grund und Bodens. Die Unterdrückung der Klöster usw. schleuderte deren Einwohner ins Proletariat. Die Kirchengüter selbst wurden großenteils an raubsüchtige königliche Günstlinge verschenkt oder zu einem Spottpreis an spekulierende Pächter und Stadtbürger verkauft, ... K. Marx, Kapital I, MEW 23, 748f.

Der letzte große Enteignungsprozess der Ackerbauer von Grund und Boden endlich ist das sog. Clearing of Estates (Lichten der Güter, in der Tat Wegfegung der Menschen von denselben).

Alle bisher betrachteten englischen Methoden gipfelten im Lichten. Wie man ... sah, geht es jetzt, wo keine unabhängigen Bauern mehr wegzufegen sind, bis zum Lichten der Bauernhäuser fort, so dass die Ackerbauarbeiter auf dem von ihnen bestellten Boden selbst nicht mehr den nötigen Raum zur eigenen Behausung finden. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 756.

Der Raub der Kirchengüter, die betrügerische Veräußerung der Staatsdomänen, der Diebstahl des Gemeindeeigentums, die räuberische und mit rücksichtslosem Terrorismus vollzogene Verwandlung von feudalem und Claneigentum in modernes Privateigentum, es waren ebenso viele idyllische Methoden der ursprünglichen Akkumulation. Sie eroberten das Feld für die kapitalistische Agrikultur, einverleibten den Grund und Boden dem Kapital und schufen der städtischen Industrie die nötige Zufuhr von vogelfreiem Proletariat. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 760f.

 

2.2. Blutgesetzgebung gegen die Enteigneten seit Ende des 15. Jahrhunderts. Gesetze zur Herabdrückung des Arbeitslohns

Die durch Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stoßweise, gewaltsame Enteignung von Grund und Boden Verjagten, dies vogelfreie Proletariat konnte unmöglich ebenso rasch von der aufkommenden Manufaktur absorbiert werden, als es auf die Welt gesetzt ward.

Andererseits konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten sich nicht ebenso plötzlich in die Disziplin des neuen Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Vagabunden, zum Teil aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des 15. und während des ganzen 16. Jahrhunderts gab es daher in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider das Vagabundenwesen. Die Väter der jetzigen Arbeiterklasse wurden zunächst gezüchtigt für die ihnen angetane Verwandlung in Vagabunden und Arme. Die Gesetzgebung behandelte sie als freiwillige Verbrecher und unterstellte, dass es von ihrem guten Willen abhinge, in den nicht mehr existierenden alten Verhältnissen fortzuarbeiten. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 761f.

So wurde das von Grund und Boden gewaltsam enteignete, verjagte und zum Vagabunden gemachte Landvolk durch grotesk-terroristische Gesetze in eine dem System der Lohnarbeit notwendige Disziplin hineingepeitscht, hineingebrandmarkt, hineingefoltert. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 765.

Arbeiterkoalition wird als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhundert bis 1825, dem Jahr der Abschaffung der Antikoalitionsgesetze. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 767.

Die grausamen Gesetze gegen die Koalitionen fielen 1825 vor der drohenden Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum Teil. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 768.

... Nur widerwillig und unter dem Druck der Massen verzichtete das englische Parlament auf die Gesetze gegen Streiks und Gewerkschaften, nachdem es selbst, fünf Jahrhunderte hindurch, mit schamlosem Egoismus die Stellung einer permanenten Gewerkschaft der Kapitalisten gegen die Arbeiter behauptet hatte. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 769.

Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelte sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Natur-gesetze anerkennt. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 765.

 

2.3. Geburt der kapitalistischen Pächter

Nachdem wir die gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrachtet haben, die blutige Disziplin, welche sie in Lohnarbeiter verwandelt hat, ... fragt sich, wo kommen die Kapitalisten ursprünglich her? Denn die Enteignung des Landvolks schafft unmittelbar nur große Grundeigentümer. Was die Entstehung des Pächters betrifft, so können wir sie sozusagen mit der Hand greifen, weil sie ein langsamer, über viele Jahrhunderte sich fortwälzender Prozess ist.

Die Leibeigenen selbst, daneben auch freie kleine Landeigner, befanden sich in sehr verschiedenen Besitzverhältnissen und wurden daher auch unter sehr verschiedenen ökonomischen Bedingungen emanzipiert.

In England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigene Bailiff (ein Verwaltungsbediensteter). Seine Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer Wirkungssphäre.

Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er ersetzt durch einen Pächter, den der Landbesitzer mit Samen, Vieh und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr verschieden von der des Bauern. Nur beutet er mehr Lohnarbeit aus.

Er wird bald ... Halbpächter. Er stellt einen Teil des Ackerbaukapitals, der Landbesitzer den anderen. ...

Diese Form verschwindet in England rasch, um der des eigentlichen Pächters Platz zu machen, welcher sein eigenes Kapital durch Anwendung von Lohnarbeitern verwertet und einen Teil des Mehr-produkts, in Geld oder in natura, dem Landbesitzer als Grundrente zahlt. ...

Die Aneignung von Gemeindeweiden usw. erlaubt ihm große Vermehrung seines Viehbestands fast ohne Kosten, ...

Im 16. Jahrhundert kommt ein entscheidend wichtiges Moment hinzu. ... Der fortdauernde Fall im Wert der edlen Metalle und daher des Geldes trug den Pächtern goldene Früchte. Er senkte ... den Arbeitslohn. ...

Das fortwährende Steigen der Preise von Korn, Wolle, Fleisch, kurz sämtlicher Agrikulturprodukte, schwellte das Geldkapital des Pächters ohne sein Zutun, während die Grundrente, die er zu zahlen hatte, im veralteten Geldwert geschrumpft war. So bereicherte er sich gleichzeitig auf Kosten seiner Landarbeiter und seines Landbesitzers.

Kein Wunder also, wenn England Ende des 16. Jahrhunderts eine Klasse für die damaligen Verhältnisse reicher Kapitalpächter besaß. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 771f.

 

2.4. Rückwirkung der landwirtschaftlichen Revolution auf die Indus-trie. Herstellung des inneren Markts für das industrielle Kapital

Die stoßweise und stets erneuerte Enteignung und Verjagung des Landvolks lieferte, wie man sah, der städtischen Industrie wieder und wieder Massen ganz außerhalb der Zunftverhältnisse stehender Proletarier ... Der Verdünnung des unabhängigen, selbstwirtschaftenden Landvolks entsprach ... die Verdichtung des industriellen Proletariats ...

Trotz der verminderten Zahl seiner Bebauer trug der Boden nach wie vor gleich viel oder mehr Produkt, weil die Revolution in den Grundeigentumsverhältnissen von verbesserten Methoden der Kultur, größerer Kooperation, Konzentration der Produktionsmittel usw. begleitet war ... Mit dem freigesetzten Teil des Landvolks werden also auch seine früheren Nahrungsmittel freigesetzt. Sie verwandeln sich jetzt in stoffliche Elemente des variablen Kapitals. Der an die Luft gesetzte Bauer muss ihren Wert von seinem neuen Herrn, dem industriellen Kapitalisten, in der Form des Arbeitslohns erkaufen. Wie mit den Lebensmitteln verhielt es sich mit dem heimischen landwirtschaftlichen Rohmaterial der Industrie. Es verwandelte sich in ein Element des konstanten Kapitals. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 773f.

Die Enteignung und Verjagung eines Teils des Landvolks setzt mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsmaterial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den inneren Markt. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 775.

Früher erzeugte und bearbeitete die Bauernfamilie die Lebensmittel und Rohstoffe, die sie nachher größtenteils selbst verzehrte. Diese Rohstoffe und Lebensmittel sind jetzt Waren geworden; der Großpächter verkauft sie, in den Manufakturen findet er seinen Markt. Garn, Leinwand, grobe Wollenzeuge ... verwandeln sich jetzt in Manufakturartikel, deren Absatzmarkt gerade die Landdis-trikte bilden. Die zahlreiche zerstreute Kundschaft, bisher bedingt durch eine Menge kleiner, für eigene Rechnung arbeitender Produzenten, konzentriert sich jetzt zu einem großen, vom industriellen Kapital versorgten Markt. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 775.

So geht Hand in Hand mit der Enteignung früher selbstwirtschaftender Bauern ... die Vernichtung der ländlichen Nebenindustrie, der Scheidungsprozess von Manufaktur und Agrikultur. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 776.

 

2.5. Geburt der industriellen Kapitalisten

Die Entstehung des industriellen Kapitalisten ging nicht in derselben allmählichen Weise vor wie die des Pächters. Zweifelsohne verwandelten sich manche kleine Zunftmeister und noch mehr selb-ständige kleine Handwerker oder auch Lohnarbeiter in kleine Kapita-listen und durch allmählich ausgedehntere Ausbeutung von Lohnarbeit und entsprechende Akkumulation in Kapitalisten schlechthin. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 777.

Aber das Mittelalter hatte zwei verschiedene Formen des Kapitals überliefert, die in den verschiedensten ökonomischen Gesellschafts-formationen reifen ... das Wucherkapital und das Kaufmannskapital. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 778.

Das durch Wucher und Handel gebildete Geldkapital wurde durch die Feudalverfassung auf dem Land und durch die Zunftverfassung in den Städten an seiner Verwandlung in industrielles Kapital behindert. Diese Schranken fielen mit der Auflösung der feudalen Gefolgschaften, mit der Enteignung und teilweisen Verjagung des Landvolks. Die neue Manufaktur wurde in See-Exporthäfen errichtet oder auf Punkten des flachen Landes, außerhalb der Kontrolle des alten Städtewesens und seiner Zunftverfassung. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 778.

Heutzutage führt industrielle Vorherrschaft die Vorherrschaft über den Handel mit sich. In der eigentlichen Manufakturperiode dagegen ist es die Handelsvormacht, die die industrielle Vorherrschaft gibt. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782.

Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuß folgt der Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er wird eröffnet durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt Riesenumfang an in Englands Antijakobinerkrieg, spielt noch fort in den Opiumkriegen gegen China usw. Die verschiedenen Momente der ursprünglichen Akkumulation verteilen sich nun, mehr oder minder in zeitlicher Reihenfolge, namentlich auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und England. ...

Alle aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozess der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise treibhausmäßig zu fördern und die Übergänge abzukürzen. Die Staats-Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine ökonomische Potenz. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 779.

Die öffentliche Schuld wird einer der energischsten Hebel der ursprünglichen Akkumulation. Wie mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischen Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen. ...

Aber auch abgesehen von der so geschaffenen Klasse müßiger Rentner und von dem improvisierten Reichtum der zwischen Regierung und Nation die Mittler spielenden Finanziers ... hat die Staatsschuld die Aktiengesellschaften, den Handel mit käuflichen Effekten aller Art, die Agiotage (Gründergewinn von Aktiengesellschaften) emporgebracht, in einem Wort: das Börsenspiel und die moderne Bankokratie. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782f.

Solcher Mühe bedurfte es ... den Scheidungsprozess zwischen Arbeitern und Arbeitsbedingungen zu vollziehen, auf dem einen Pol die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in Kapital zu verwandeln, auf dem Gegenpol die Volksmasse in Lohnarbeiter, in freie arbeitende Arme, ... Wenn das Geld, nach Augier (franz. Schriftsteller), mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt, so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 787f.

 

Siehe auch die Artikel:

Handelskapital

Kapitalismus

Klassen und Klassenkampf

Wucher

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.