Erkenntnis
1. Erkenntnisse stammen aus der Praxis, „Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, dass mit den Lebens-verhältnissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein, auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr Bewusstsein sich ändert? Was beweist die Geschichte der Ideen anderes, als dass die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet?“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 480. „Naturwissenschaft wie
Philosophie haben den Einfluss der Tätigkeit des Menschen auf sein Denken
bisher ganz vernachlässigt, sie kennen nur Natur einerseits, Gedanken
andererseits. Aber gerade die Veränderung der Natur durch den
Menschen, nicht die Natur als solche allein, ist die wesentlichste und
nächste Grundlage des menschlichen Denkens, und im Verhältnis, wie der
Mensch die Natur verändern lernte, in dem Verhältnis wuchs seine
Intelligenz.“ F. Engels,
Naturdialektik, MEW 20, 498. „Aber wo wäre ohne Industrie und Handel die Naturwissenschaft? Selbst diese ‚reine‘ Wissenschaft erhält ja ihren Zweck sowohl wie ihr Material erst durch Handel und Industrie, durch sinnliche Tätigkeit der Menschen.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 44. „Die Entwicklung dieser Wissenschaft, besonders der Naturwissen-schaft, und mit ihr aller anderen, steht selbst wieder im Verhältnis zur Entwicklung der materiellen Produktion.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 592. „... Das Denken (kann), ohne Böcke zu
schießen, nur diejenigen Bewusstseinselemente zu einer Einheit
zusammenfassen, in denen ... diese Einheit schon vorher bestanden
hat. Wenn ich eine Schuhbürste unter die Einheit ‚Säugetier‘
zusammenfasse, so bekommt sie damit noch lange keine Milchdrüsen.“
F.
Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 39. „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 9. „Die Tatsache, dass
unser subjektives Denken und die objektive Welt denselben Gesetzen
unterworfen sind und daher auch beide in ihren Resultaten sich schließlich
nicht widersprechen können, sondern über-einstimmen müssen, beherrscht
absolut unser gesamtes theoretisches Denken. Sie ist seine unbewusste und
unbedingte Voraussetzung. ... Andererseits hat die moderne
Naturwissenschaft den Satz vom erfahrungsmäßigen Ursprung alles
Denkinhalts in einer Weise erweitert, die seine alte metaphysische
Begrenzung und Formulierung über den Haufen wirft. Indem sie die Vererbung
erworbener Eigenschaften anerkennt, erweitert sie das Subjekt der
Erfahrung vom Individuum auf die Gattung; es ist nicht mehr notwendig das
einzelne Individuum, das erfahren haben muss. Seine Einzelerfahrung kann
bis auf einen gewissen Grad ersetzt werden durch die Resultate der
Erfahrungen einer Reihe seiner Vorfahren. Wenn bei uns z. B. die
mathematischen Axiome jedem Kind von acht Jahren als selbstverständlich,
keines Erfahrungsbeweises bedürftig erscheinen, so ist das lediglich
Resultat ‚gehäufter Verer-bung‘.“ F. Engels,
Naturdialektik, MEW 20, 529. 2. Gesellschaftliche Praxis und ihre Resultate liefern die
Kriterien „Um zu wissen, was unser Denken ergründen kann, nützt es nichts, 100 Jahre nach Kant die Tragweite des Denkens aus der Kritik der Vernunft, der Untersuchung des Erkenntnis-Instruments, entdecken zu wollen; ... Was unser Denken ergründen kann, sehen wir vielmehr aus dem, was es bereits ergründet hat und noch täglich ergründet.“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 506f. „Die Frage, ob dem
menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der
Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muss der
Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht, ...
beweisen. Der Streit über die
Wirklichkeit (= Wahrheit) oder Nichtwirklichkeit (=
Unwahrheit) des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine
rein scholastische Frage.“ K. Marx, Thesen über
Feuerbach, MEW 3, 5. „Die Empirie der Beobachtung allein kann nie die Notwendigkeit genügend beweisen. ... Dies ist so sehr richtig, dass aus dem steten Aufgehen der Sonne des Morgens nicht folgt, sie werde morgen wieder aufgehen, und in der Tat wissen wir jetzt, dass ein Moment kommen wird, wo die Sonne eines Morgens nicht aufgeht. Aber der Beweis der Notwendigkeit liegt in der menschlichen Tätigkeit, im Experiment, in der Arbeit ...“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 497. 3. Wirklichkeitsgerechtes Denken führt zu
verbesserter Praxis „Die Natur baut keine
Maschinen, keine Lokomotiven, Eisenbahnen, Telegraphen, Spinnautomaten.
Sie sind Produkte der menschlichen Industrie; natürliches Material,
verwandelt in Organe des menschlichen Willens über die Natur oder seiner
Betätigung in der Natur. Sie sind von der menschlichen Hand geschaffene
Organe des menschlichen Hirns; vergegenständliche
Wissenskraft. Die Entwicklung des fixen Kapitals zeigt an, bis zu welchem Grad das allgemeine gesellschaftliche Wissen, zur unmittelbaren Produktiv-kraft geworden ist und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des allgemeinen Intellekts gekommen, und ihm gemäß umgeschaffen sind. Die Entwicklung der Maschinerie und Technologie zeigt an, bis zu welchem Grad die gesellschaftlichen Produktivkräfte produziert sind, nicht nur in der Form des Wissens, sondern als unmittelbare Organe der gesellschaftlichen Praxis; des realen Lebensprozesses.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 594. „Die bloße Erkenntnis, und ginge sie weiter und tiefer als die der bürgerlichen Ökonomie, genügt nicht, um gesellschaftliche Mächte der Herrschaft der Gesellschaft zu unterwerfen. Dazu gehört vor allem eine gesellschaftliche Tat.“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 295. 4. Wirklichkeitsgerechtes Denken ist das Denkresultat
aller Menschen und immer nur als Annäherung zu
erreichen Individuelles Denken
ist notwendig mit Irrtum durchmischt. „Eine kritische Geschichte der Technologie würde überhaupt nachwei-sen, wie wenig irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum gehört.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 392 Anm. 89. „Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 114. „Wie die Unendlichkeit des erkennbaren Stoffs aus lauter Endlichkeiten sich zusammensetzt, so setzt sich auch die Unendlichkeit des absolut erkennenden Denkens zusammen aus einer unendlichen Anzahl endlicher Menschenköpfe, die neben- und nacheinander an dieser unendlichen Erkenntnis arbeiten, praktische und theoretische Böcke schießen, von schiefen, einseitigen, falschen Voraussetzungen ausgehen, falsche, krumme, unsichere Bahnen verfolgen und oft nicht einmal das Richtige treffen, wenn sie mit der Nase darauf stoßen.“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 501f. „Was aber die
souveräne Geltung der Erkenntnisse jedes Einzeldenkers angeht, so wissen
wir alle, dass davon gar keine Rede sein kann, und dass nach aller
bisherigen Erfahrung sie ohne Ausnahme stets viel mehr
Verbesserungsfähiges als ... Richtiges enthalten. Mit anderen Worten: die Souveränität des Denkens verwirklicht sich in einer Reihe höchst unsouverän denkender Menschen; die Erkenntnis, welche unbedingten Anspruch auf Wahrheit hat, in einer Reihe von relativen Irrtümern;“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 80. „Ein allumfassendes, ein für allemal abschließendes System der Erkenntnis von Natur und Geschichte steht im Widerspruch mit den Grundgesetzen des dialektischen Denkens.“ F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 206. Siehe die Artikel
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |