Distribution (Verteilung)
1. Die
gesellschaftliche Verteilung von Lasten und Nutzen „Die Distribution in
der flachsten Auffassung erscheint als Verteilung der Produkte, und
so weiter entfernt von und quasi selbständig gegen die Produktion. Aber
ehe die Distribution Verteilung der Produkte ist, ist
sie: 1) Verteilung
der Produktionsinstrumente, und 2), was eine weitere
Bestimmung desselben Verhältnisses ist, Verteilung der Mitglieder
der Gesellschaft unter die verschiedenen Arten der Produktion.
... Die Verteilung der Produkte ist offenbar nur Resultat dieser Verteilung ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 17. „Die Gliederung der
Distribution ist vollständig bestimmt durch die Gliederung der Produktion.
Die Distribution ist selbst ein Produkt der Produktion, nicht nur dem
Gegenstand nach, dass nur die Resultate der Produktion verteilt
werden können, sondern auch der Form nach, dass die bestimmte Art der
Teilnahme an der Produktion die besonderen Formen der Distribution, die
Form, worin an der Verteilung teilgenommen wird, bestimmt.“
K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 16. „...
Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ... beruht selbst wieder auf einer der
Verteilung der gesellschaftlichen Produkte voraus-gegangenen und
vorausgesetzten Verteilung der
Produktions-elemente, nämlich
der Scheidung der Arbeitskraft als Ware des Arbeiters von den
Produktionsmitteln als Eigentum von Nichtarbeitern.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24,
385. „Die
Konsumtionskraft der Gesellschaft ... ist aber bestimmt weder durch
die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Konsumtionskraft;
sondern durch die Konsumtionskraft auf Basis gegensätzlicher
Verteilungsverhältnisse, welche die Konsumtion der großen Masse der
Gesellschaft auf ein nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen
veränderliches Mini-mum reduziert.“ K.
Marx, Kapital III, MEW 25, 254. „Die jedesmalige
Verteilung der Konsumtionsmittel ist nur Folge der Verteilung der
Produktionsbedingungen selbst; letztere Verteilung aber ist ein Charakter
der Produktionsweise selbst. Die kapitalistische
Produktionsweise z. B. beruht darauf, dass die sachlichen
Produktionsbedingungen Nichtarbeitern zugeteilt sind unter der Form von
Kapitaleigentum und Grundeigentum, während die Masse nur Eigentümer der
persönlichen Produktions-bedingung, der Arbeitskraft,
ist. Sind die Elemente der
Produktion derart verteilt, so ergibt sich von selbst die heutige
Verteilung der Konsumtionsmittel. Sind die sachlichen
Produktionsbedingungen genossenschaft-liches Eigentum der Arbeiter selbst,
so ergibt sich ebenso eine von der heutigen verschiedene Verteilung der
Konsumtionsmittel. Der Vulgärsozialismus
(und von ihm wieder ein Teil der Demokratie) hat es von den bürgerlichen
Ökonomen über-nommen, die Distribution als von der Produktionsweise
unab-hängig zu betrachten und zu behandeln, daher den Sozialismus
hauptsächlich als um die Verteilung sich drehend
dazustellen. Nachdem das wirkliche
Verhältnis längst klargelegt, warum wieder rückwärtsgehen?“ K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19,
22. „Die so genannten
Verteilungsverhältnisse entsprechen also und entspringen aus historisch
bestimmten, spezifisch gesellschaft-lichen Formen des Produktionsprozesses
und der Verhältnisse, welche die Menschen im Reproduktionsprozess ihres
mensch-lichen Lebens untereinander eingehen. Der historische
Charakter dieser Verteilungsverhältnisse ist der historische Charakter der
Produktionsverhältnisse, wovon sie nur eine Seite ausdrücken. Die
kapitalistische Verteilung ist verschieden von den Verteilungsformen, die
aus anderen Produk-tionsweisen entspringen, und jede Verteilungsform
verschwindet mit der bestimmten Form der Produktion, der sie entstammt und
entspricht. Die Ansicht, die nur die Verteilungsverhältnisse als historisch betrachtet, aber nicht die Produktionsverhältnisse, ist einerseits nur die Ansicht der beginnenden, aber noch befangenen Kritik der bürgerlichen Ökonomie. Andererseits aber beruht sie auf einer Verwechslung und Identifizierung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses mit dem einfachen Arbeitsprozess, wie ihn auch ein abnorm isolierter Mensch ohne alle gesellschaftliche Beihilfe verrichten müsste.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 890.
2. Verteilung in einer
selbstverwalteten Wirtschaft „Stellen wir uns ... einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ... Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesell-schaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechen-den geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiedenen Arbeitsfunktionen zu den verschie-denen Bedürfnissen. Andererseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 92f. Die Vorstellung, die
Gesellschaftsmitglieder könnten im Kommunismus ihren „unverkürzten
Arbeitsertrag“ bekommen und konsumieren, kritisierte Marx
folgendermaßen:
„Nehmen wir zunächst
das Wort ‚Arbeitsertrag‘ im Sinne des Produkts
der Arbeit, so ist der genossenschaftliche Arbeitsertrag das
gesellschaftliche Gesamtprodukt. Davon ist nun
abzuziehen: Erstens: Deckung zum Ersatz der
verbrauchten Produktions-mittel. Zweitens: zusätzlicher Teil für
Ausdehnung der Produktion. Drittens: Reserve- oder
Versicherungsfonds gegen Missfälle, Störungen durch Naturereignisse
etc. Diese Abzüge vom ‚unverkürzten Arbeitsertrag‘ sind eine ökonomische Notwendigkeit, und ihre Größe ist zu bestimmen nach vorhandenen Mitteln und Kräften, zum Teil durch Wahrscheinlichkeitsrechnung, aber sie sind in keiner Weise aus der Gerechtigkeit kalkulierbar. Bleibt der andere Teil
des Gesamtprodukts, bestimmt, als Konsumtionsmittel zu dienen.
Bevor es zur
individuellen Teilung kommt, geht hiervon wieder ab: Erstens: die
allgemeinen, nicht direkt zur Produktion ge-hörigen
Verwaltungskosten.
Dieser Teil wird von
vornherein aufs Bedeutendste beschränkt im Vergleich zur jetzigen
Gesellschaft und vermindert sich im selben Maß, als die neue Gesellschaft
sich entwickelt. Zweitens: was zur
gemeinschaftlichen Befriedigung von Bedürfnissen bestimmt
ist, wie Schulen,
Gesundheits-vorrichtungen etc. Dieser Teil wächst von
vornherein bedeutend im Vergleich zur jetzigen Gesellschaft und nimmt im
selben Maß zu, wie die neue Gesellschaft sich
entwickelt. Drittens: Fonds für
Arbeitsunfähige etc., ... was heute
zur sog. offiziellen Armenpflege gehört. Erst jetzt kommen wir zu der
‚Verteilung‘, die das Programm,
unter Lassalle’schem Einfluss, bornierterweise allein ins Auge fasst,
nämlich an den Teil der Konsumtionsmittel, der unter die individuellen
Produzenten der Genossenschaft verteilt wird. Der ,unverkürzte
Arbeitsertrag‘ hat sich unter der
Hand bereits in den ,verkürzten‘ verwandelt, obgleich,
was dem Produzenten in seiner Eigenschaft als Privatindividuum entgeht,
ihm direkt oder indirekt in seiner Eigenschaft als Gesellschaftsglied
zugute kommt. Wie die Phrase des
,unverkürzten Arbeitsertrags‘ verschwunden ist,
verschwindet jetzt die Phrase des ,Arbeitsertrags‘
überhaupt. Innerhalb der
genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten
Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus; ebenso
wenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert
dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft,
da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die
individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als
Bestandteile der Gesamtarbeit existieren. Das Wort ‚Arbeits-ertrag‘, auch
heutzutage wegen seiner Zweideutigkeit verwerflich, verliert so allen
Sinn. Womit wir es hier zu tun haben, ist
eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eigenen
Grundlage ent-wickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben
aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in
jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den
Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt.
Demgemäss erhält der einzelne Produzent – nach den Abzügen – exakt zurück,
was er ihr gibt. Was er ihr gegeben hat, ist sein individuelles
Arbeitsquantum. Z. B. der gesellschaftliche Arbeitstag besteht aus der
Summe der individuellen Arbeits-stunden. Die individuelle Arbeitszeit des
einzelnen Produzenten ist der von ihm gelieferte T eil des
gesellschaftlichen Arbeitstags, sein Anteil daran. Er erhält von der
Gesellschaft einen Schein, dass er so und so viel Arbeit geliefert (nach
Abzug seiner Arbeit für die gemeinschaftlichen Fonds), und zieht mit
diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat von Konsumtionsmitteln
soviel heraus, als gleich viel Arbeit kostet. Dieselbe Menge
Arbeit, die er der Gesellschaft in einer Form gegeben hat, erhält er
in der andern zurück. Es herrscht hier
offenbar dasselbe Prinzip, das den Warenaustausch regelt, soweit er
Austausch Gleichwertiger ist. Inhalt und Form sind verändert, weil unter
den veränderten Umständen niemand etwas geben kann außer seiner Arbeit und
weil andererseits nichts in das Eigentum der einzelnen übergehen kann
außer individuellen Konsumtionsmitteln. Was aber die Verteilung der
letzteren unter die einzelnen Produzenten betrifft, herrscht dasselbe
Prinzip wie beim Austausch von Waren-äquivalenten, es wird gleich viel
Arbeit in einer Form gegen gleich viel Arbeit in einer anderen
ausgetauscht. Das gleiche
Recht ist hier daher immer noch – dem Prinzip nach – das
bürgerliche Recht, obgleich Prinzip und Praxis
sich nicht mehr in den Haaren liegen, während der Austausch von
Äquivalenten beim Warenaustausch nur im
Durchschnitt, nicht für den einzelnen Fall
existiert. Trotz dieses
Fortschritts ist dieses gleiche Recht stets
noch mit einer bürgerlichen Schranke behaftet. Das Recht der Produzenten
ist ihren Arbeitslieferungen proportional; die Gleichheit
besteht darin, dass an gleichem Maßstab der
Arbeit, gemessen wird. Der eine ist aber physisch oder geistig dem andern
überlegen, liefert also in derselben Zeit mehr Arbeit oder kann während
mehr Zeit arbeiten; und die Arbeit, um als Maß zu dienen, muss der
Ausdehnung oder der Intensität nach bestimmt werden, sonst hörte sie auf,
Maßstab zu sein. Dies gleiche Recht ist ungleiches Recht für
ungleiche Arbeit. Es erkennt keine Klassenunterschiede an, weil jeder nur
Arbeiter ist wie der andere; aber er erkennt stillschweigend die ungleiche
individuelle Begabung und daher Leistungsfähigkeit der Arbeiter als
natürliche Privilegien an. Es ist daher ein Recht der Ungleichheit,
seinem Inhalt nach, wie alles Recht. Das Recht kann seiner
Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehen; aber die
ungleichen Individuen (und sie wären nicht verschiedne Individuen, wenn
sie nicht ungleiche wären) sind nur an gleichem Maßstab messbar, soweit
man sie unter einen gleichen Gesichtspunkt bringt, sie nur von einer
bestimmten Seite fasst, z. B. im gegebenen Fall sie
nur als Arbeiter betrachtet und
weiter nichts in ihnen sieht, von allem anderen absieht. Ferner: Ein
Arbeiter ist verheiratet, der andere nicht; einer hat mehr Kinder als der
andere etc. etc. Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an
dem gesellschaft-lichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr
als der andere, ist der eine reicher als der andere etc. Um alle diese
Missstände zu vermeiden, müsste das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich
sein. Aber diese Missstände
sind unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft,
wie sie eben aus der kapitalis-tischen Gesellschaft nach langen
Geburtswehen hervorgegangen ist. Das Recht kann nie höher sein als die
ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der
Gesellschaft. In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nach-dem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 19ff. Anmerkung: Fonds sind hier keine Geldvorräte – Geld gibt es nicht mehr –, sondern Vorräte an Lebensmitteln, an Produk-tionsmitteln und in Reserve gehaltener Arbeitskraft (z. B. Arbeitsguthaben der Gemeinschaft bei ihren Mitgliedern). Siehe auch die Artikel: Konsumtionsmittel und Produktionsmittel
|
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |