Ausbeutungsrate

(Rate des Mehrwerts)

„Der Mehrwert, den das vorgeschossene Kapital C im Produktions-prozess erzeugt hat, ... stellt sich zunächst dar als Überschuss des Werts des Produkts über die Wertsumme seiner Produktionselemente. Das Kapital C zerfällt in zwei Teile, eine Geldsumme c, die für Produktionsmittel, und eine andere Geldsumme v, die für Arbeitskraft verausgabt wird; c stellt den in konstantes, v den in variables Kapital verwandelten Wertteil vor. Ursprünglich ist also C = c + v, z. B. das vorgeschossene Kapital von 500 Euro = 410 Euro c + 90 Euro v. Am Ende des Produktionsprozesses kommt Ware heraus, deren Wert = c + v + m, wo m der Mehrwert, z. B. 410 Euro c + 90 Euro v + 90 Euro m. Das ursprüngliche Kapital C hat sich in C’ verwandelt, aus 500 Euro in 590 Euro. Die Differenz zwischen beiden ist = m, einem Mehrwert von 90.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,226.„Indes erfordert dies ... eine nähere Bestimmung.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 226.„Man weiß, dass der Wert des konstanten Kapitals im Produkt nur wieder erscheint. Das im Prozess wirklich neu erzeugte Wertprodukt ist also verschieden von dem aus dem Produkt erhaltenen Produktenwert (von 590 Euro) ... Das neu erzeugte Wertprodukt ist daher nicht ... c + v + m oder 410 Euro c + 90 Euro v + 90 Euro m, sondern v + m oder 90 Euro v + 90 Euro m, nicht 590 Euro, sondern 180 Euro.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 227.„Wir wissen in der Tat bereits, dass der Mehrwert bloß Folge der Wertveränderung ist, die mit v, dem in Arbeitskraft umgesetzten Kapitalteil vorgeht, dass also v + m = v + Dv (v plus Zusatz von v) ist. Aber die wirkliche Wertveränderung und das Verhältnis, worin sich der Wert ändert, werden dadurch verdunkelt, dass infolge des Wachstums seines variierenden Bestandteils auch das vorgeschossene Gesamtkapital wächst. Es war 500, und es wird 590. Die reine Analyse des Prozesses macht es also nötig von dem Teil des Produktenwerts, worin nur konstanter Kapitalwert wieder erscheint, ganz zu abstrahieren, also das konstante Kapital c = 0 zu setzen ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 228.
1. Profitrate und Mehrwertrate
„Allerdings hat das Verhältnis des Mehrwerts nicht nur zum Kapitalteil, woraus er unmittelbar entspringt und dessen Wertveränderung er darstellt (= Mehrwertrate), sondern auch zum vorgeschossenen Gesamtkapital (= Profitrate) seine große ökonomische Bedeutung. Wir behandeln dies Verhältnis daher ausführlich im dritten Buch.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 229. „... Man wird aus Kapital Band III sehen, dass die Profitrate leicht zu begreifen ist, sobald man die Gesetze des Mehrwerts kennt. Auf dem umgekehrten Weg begreift man weder das eine noch das andere.K. Marx, Kapital I, MEW 23, 230 Anm. 28.„Wir setzen also zunächst den konstanten Kapitalteil gleich null. Das vorgeschossene Kapital reduziert sich daher von c + v auf v, und der Produktenwert c + v + m auf das Wertprodukt v + m. Gegeben das Wertprodukt = 180 Euro, worin sich die während der ganzen Dauer des Produktionsprozesses fließende Arbeit darstellt, so haben wir den Wert des variablen Kapitals = 90 Euro abzuziehen, um den Mehrwert = 90 Euro zu erhalten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 229.„Die Zahl 90 Euro = m drückt hier die absolute Größe des produzierten Mehrwerts aus. Seine proportionale Größe aber, also das Verhältnis, worin das variable Kapital sich verwertet hat, ist offenbar bestimmt durch das Verhältnis des Mehrwerts zum variablen Kapital oder ausgedrückt in m : v. Im obigen Beispiel also in 90 : 90 = 1 : 1 oder = 100 %. Diese verhältnismäßige Verwertung des variablen Kapitals oder die verhältnismäßige Größe des Mehrwerts nenne ich Rate des Mehrwerts.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 229f.
1.1. Notwendige Arbeitszeit
„Wir haben gesehen, dass der Arbeiter während eines Abschnitts des Arbeitsprozesses nur den Wert seiner Arbeitskraft produziert, d. h. den Wert seiner notwendigen Lebensmittel. Da er in einem auf gesellschaftlicher Teilung der Arbeit beruhenden Zustand produziert, produziert er seine Lebensmittel nicht direkt, sondern in Form einer besonderen Ware, des Garns z. B., einen Wert gleich dem Wert seiner Lebensmittel oder dem Geld, womit er sie kauft. Der Teil seines Arbeitstags, den er hierzu verbraucht, ist größer oder kleiner, je nach dem Wert seiner durchschnittlichen täglichen Lebensmittel, also je nach der zu ihrer Produktion nötigen durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW23,230.„Den Teil des Arbeitstags also, worin diese Reproduktion vorgeht, nenne ich notwendige Arbeitszeit, die während derselben verausgabte Arbeit notwendige Arbeit. Notwendig für den Arbeiter, weil unabhängig von der gesellschaftlichen Form seiner Arbeit. Notwendig für das Kapital und seine Welt, weil das beständige Dasein des Arbeiters ihre Basis ist.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 230f.
1.2. Mehrarbeitszeit
„Die zweite Periode des Arbeitsprozesses, die der Arbeiter über die Grenzen der notwendigen Arbeit hinaus rackert, kostet ihm zwar Arbeit, Verausgabung von Arbeitskraft, bildet aber keinen Wert für ihn. Sie bildet Mehrwert, der den Kapitalisten mit allem Reiz einer Schöpfung aus Nichts anlacht. Diesen Teil des Arbeitstags nenne ich Surplusarbeitszeit (Mehrarbeitszeit) und die in ihr verausgabte Arbeit: Mehrarbeit ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231.„So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt ist, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit zu begreifen, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Mehrarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. Nur die Form, worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter, abgepresst wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z. B. die Gesellschaft der Sklaverei von der der Lohnarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231.
2. Rate des Mehrwerts (Ausbeutungsrate)
„Der Mehrwert verhält sich zum variablen Kapital, wie die Mehrarbeit zur notwendigen, oder die Rate des Mehrwerts m : v = Mehrarbeit : Notwendige Arbeit. Beide Proportionen drücken dasselbe Verhältnis in verschiedener Form aus, das eine Mal in der Form vergegenständlichter, das andere Mal in der Form flüssiger Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231f.„Die Rate des Mehrwerts ist daher der exakte Ausdruck für den Ausbeutungsgrad der Arbeitskraft durch das Kapital oder des Arbeiters durch den Kapitalisten. Nach unserer Annahme war die Mehrwertrate oder Ausbeutungsrate ... 100 %. Also arbeitete der Arbeiter die eine Hälfte des Tags für sich und die andere für den Kapitalisten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 232.„Die Methode zur Berechnung der Rate des Mehrwerts ist also kurzgefasst diese: Wir nehmen den ganzen Produktenwert und setzen den darin nur wiedererscheinenden konstanten Kapitalwert gleich null. Die übrig bleibende Wertsumme ist das einzige im Bildungsprozess der Ware wirklich erzeugte Wertprodukt. Ist der Mehrwert gegeben, so ziehen wir ihn von diesem Wertprodukt ab, um das variable Kapital zu finden. Umgekehrt, wenn letzteres gegeben und wir den Mehrwert suchen. Sind beide gegeben, so ist nur noch die Schlussoperation zu verrichten, das Verhältnis des Mehrwerts zum variablen Kapital, m : v, zu berechnen. So einfach ist die Methode ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 232f.

Anmerkung: „In westdeutschen Beteiligungsbetrieben liegt die Wertschöpfung pro Beschäftigten bei durchschnittlich 125.000 DM, in den anderen bei 79.400 DM. Zit. n. Möller, Iris: Mitarbeiterbeteiligung. Ein Weg zu höherer Produktivität. In: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Kurzbericht 09/2001. Was hier Wertschöpfung genannt wird, entspricht in etwa dem Marx’schen Wertprodukt. Das Wertprodukt pro Lohnarbeiter minus des durchschnittlichen Bruttojahreslohns von 32.000 Euro ergibt einen Mehrwert pro Beschäftigten bei Aktiengesellschaften von rund 30.000 Euro (Ausbeutungsrate = 95 %) und bei sonstigen (kleineren) Kapitalisten von 7.700 Euro (Ausbeutungsrate = 24 %).

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maß-einheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeits-zeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit ver-wendet. Dass es Karl Marx in Beispiel-rechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungs-einheiten ankam, darauf hatte er selbst einmal hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.

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