Anarchismus
1. Der Anarchismus ist Teil der politischen
Arbeiterbewegung mit dem allgemeinen Ziel: Beseitigung der Lohnarbeit und
Errichtung einer klassenlosen
Gesellschaft
.
Daher konnte Marx mit
Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation
(IAA
) Kommunisten, Anarchisten und Gewerkschafter zu einer
einzigen
Arbeiterpartei
zusammenschließen: „Es genüge, dass es Marx gelang
(zur Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation IAA),
Statuten nebst prinzipieller Motivierung zu entwerfen, unter denen
französische Proudhonisten (= traditionelle Anarchisten), deutsche Kommunisten und englische Neugewerkschaftler
einmütig zusammen wirken konnten...“
F. Engels, Lebenslauf des Heinrich Karl Marx, 1892, MEW 22,
341.
„Die Internationale setzt sich aus Sozialisten verschiedenster
Schattierung zusammen. Ihr Programm ist ziemlich breit, um sie alle zu
umfassen; die bakuninistische Sekte (= moderne Anarchisten) ist unter
denselben Bedingungen wie alle anderen in sie aufgenommen worden.“
F. Engels, Bericht an die IAA, 1872, MEW 18, 141f.
„Gegenüber den
phantastischen und antagonistischen Sektenorganisationen ist die
Internationale die wirkliche und streitende Organisation der
Proletarierklasse in allen Ländern, verbunden unter sich in ihrem Kampf
gegen die Kapitalisten, die Grundeigentümer und ihre im Staate
organisierte Klassenmacht. Daher kennen die
Statuten der Internationale nur ... (ein) Programm, das sich darauf
beschränkt, nur die großen Hauptzüge des Ganges der Arbeiterbewegung zu
zeichnen, und ihre theoretische Ausarbeitung dem durch die Bedürfnisse des
praktischen Kampfes gegebenen Anstoß und dem Gedankenaustausch innerhalb
der Sektionen überlässt, wie denn die Internationale ohne Unterschied jede
sozialistische Überzeugung in ihren Organen und auf ihren Kongressen
zulässt.“
K. Marx, F. Engels, Die angeblichen Spaltungen der
Internationale, 1872, MEW 18, 34.
2. Die Unterschiede zwischen
den Ansichten von Karl Marx und dem (damaligen) Anarchismus lagen vor
allem in Folgendem: 2.1 Unterschiede im kurzfristigen
Ziel: „Bakunin hat eine eigene Theorie, eine Sammelsurium
von Proudhonismus und Kommunismus, wobei fürs erste die Hauptsache ist,
dass er nicht das Kapital, d.h. den durch die gesellschaftliche
Entwicklung entstandenen Klassengegensatz von Kapitalisten und
Lohnarbeitern für das zu beseitigende Hauptübel ansieht, sondern den
Staat. Während ... die Staatsmacht weiter nichts ist als die
Organisation, welche sich die herrschenden Klassen – Grundbesitzer und
Kapitalisten – gegeben haben, um ihre gesellschaftlichen Vorrechte zu
schützen, behauptet Bakunin, der Staat habe das Kapital geschaffen,
der Kapitalist habe sein Kapital bloß von der Gnade des Staats. Da
also der Staat das Hauptübel sei, so müsse man vor allem den Staat
abschaffen, dann gehe das Kapital von selbst zum Teufel; während wir
umgekehrt sagen: schafft das Kapital, die Aneignung der gesamten
Produktionsmittel in den Händen weniger, ab, so fällt der Staat von
selbst. Der Unterschied ist wesentlich: die Abschaffung des Staats ist
ohne vorherige soziale Umwälzung ein Unsinn – die Abschaffung des Kapitals
ist eben die soziale Umwälzung und schließt eine
Veränderung der gesamten Produktionsweise in sich.“
F. Engels, 24.1.1872, MEW 33, 388
f.
2.2. Unterschiede bei den
politischen
Mitteln: „Nun aber, da für Bakunin der Staat das Grundübel ist,
darf man nichts tun, das den Staat, d.h. irgendwelchen Staat, Republik,
Monarchie oder wie immer, am Leben erhalten kann. Daher also
vollständige Enthaltung von aller Politik. Einen politischen
Akt begehen, besonders aber an einer Wahl teilnehmen, wäre Verrat am
Prinzip. ... Die
Masse der Arbeiter aber wird sich nie einreden lassen, dass die
öffentlichen Angelegenheiten ihres Landes nicht zugleich ihre eigenen
Angelegenheiten sind....“
F. Engels, 24.1.1872, MEW 33, 388
f.
„Die Praxis des wirklichen Lebens, die politische Bedrückung,
der die bestehenden Regierungen die Arbeiter aussetzen – sei es zu
politischen, sei es zu sozialen Zwecken -, zwingt die Arbeiter in die
Politik, ob sie wollen oder nicht. Ihnen Verzicht auf Politik zu
predigen, hieße, sie der Bourgeoispolitik in die Arme zu
treiben. Namentlich nach der Kommune von Paris, die die politische
Aktion des Proletariats auf die Tagesordnung gesetzt hat, ist politischer
Verzicht ganz und gar unmöglich. Wir wollen die Abschaffung der
Klassen. Was ist das Mittel, um dahin zu gelangen? Die politische
Herrschaft des Proletariats. Und jetzt, wo sich alle darüber einig sind,
verlangt man von uns, wir sollen uns nicht in Politik mischen? Alle
Politikverzichtler nennen sich Revolutionäre, und sogar
Revolutionäre in Reinkultur. Die Revolution aber ist der höchste
Akt der Politik, und wer sie will, muss auch das Mittel wollen - die
politische Aktion, welche die Revolution vorbereitet, welche die Arbeiter
für die Revolution erzieht. ... Aber die Politik, auf die es ankommt,
muss eine proletarische Politik sein; die Arbeiterpartei darf sich nicht
als Schwanz irgendwelcher Bourgeoisparteien, sondern muss sich vielmehr
als unabhängige Partei konstituieren, die ihr eigenes Ziel, ihre eigene
Politik hat. Die politischen Freiheiten, das Versammlungs- und
Assoziationsrecht, die Pressefreiheit, das sind unsere Waffen; und wir
sollten die Arme verschränken und Verzicht auf Politik üben, wenn man sie uns nehmen
will? Man sagt, jede politische Aktion bedeute, das Bestehende anerkennen.
Aber wenn dieses Bestehende uns die Mittel gibt, um gegen das Bestehende
zu protestieren, so ist die Anwendung dieser Mittel keine Anerkennung des
Bestehenden.“
Protokoll der Delegiertenkonferenz
der IAA vom 21.9.1871, MEW 17, 416.
2.3 Unterschiede bei den
Organisationsformen: „Gerade jetzt, wo wir uns mit Hand und Fuß
unserer Haut wehren müssen, soll das Proletariat sich nicht nach den
Bedürfnissen des Kampfes organisieren, den man ihm täglich und stündlich
aufzwingt, sondern nach den Vorstellungen, die sich einige Phantasten von
einer unbestimmten zukünftigen Gesellschaft machen! ... Statt gegen die Regierungen und gegen die Bourgeoisie
zu kämpfen, würden wir täglich darüber spintisieren, ob auch jeder Artikel
unserer Statuten, jeder Kongressbeschluss das getreue Abbild der künftigen
Gesellschaft sein wird ...“
F. Engels in „Der Volksstaat“ vom 10.1. 1872, MEW 17,
477f. Wal Buchenberg, 19.6.2001, überarbeitet am
10.2.03.
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