Krise? Welche Krise? – Zum Beispiel diese ....!

Über die US-Wirtschaft schreibt der Economist vom 14. Juni 2003: „Die US-Wirtschaft steckt bis zum Hals in unausgelasteten Kapazitäten. (...) Bei den massenhaften Überkapazitäten ist ein andauernder Investitionsboom unwahrscheinlich. Noch beunruhigender ist die Frage, wie lange die amerikanischen Verbraucher die Nachfrage noch halten können. Die Verschuldung über Konsumentenkredite steigt dramatisch.“ (Seite 45f.)
Unter der Überschrift „Aussterben der Auto-Riesen“ beschreibt dieselbe Ausgabe des Economist eine sterbenskranke US-Autoindustrie:

„Der amerikanische Automarkt boomt mit mehr als 16 Millionen Neuzulassungen im Jahr. ... Aber alle Anzeichen künden von ziemlicher bitteren Zeiten für Detroit. Wenn es so weitergeht, geht die gesamte Autobranche den Bach runter – vorne weg Ford, der von den Autoriesen am tiefsten im Treibsand steckt. (...)

Zugegeben, schon einmal hatte man diese amerikanische Kernbranche für tot erklärt, aber sie war wieder ins Leben zurückgekehrt.

Chrysler erreichte die 80er Jahre nur dank einer Bundesbürgschaft. Auch Ford schrammte zu Beginn der 80er nur knapp am Bankrott vorbei. Ihm kam die US-Regierung mit Importbeschränkungen gegen japanische Konkurrenten zu Hilfe.

Chrysler war zu Beginn der 90er Jahre in einer ähnlich schlechten Lage, bevor es an Daimler-Benz verkauft wurde.

1991 hatten die drei US-Konzerne Schulden von zusammen 7 Milliarden Dollar.

Von General Motors erzählt man, dass es im Jahr 1992 nur um Minuten vom Bankrott entfernt war. Damals starrten die Bosse von GM auf ihr Faxgerät und warteten auf die eine Herabstufung ihrer Kreditrankings, wodurch die Firma in die Zahlungsunfähigkeit gestürzt wäre. Die Herabstufung kam nicht und General Motors erholte sich wieder. (...)

In den 90er Jahren profitierte die amerikanische Autoindustrie von einer boomenden Aktienbörse, die ihre wachsende Ausgaben- und Schuldenlast für Betriebsrenten reduzierte, während sie Personal abbauten, um ihre Produktivität zu steigern.

In der heutigen Zeit ist kein Rettungsanker mehr in Sicht. (...)

Der Chef von General Motors, Rick Wagoner, hatte nach dem 11. September mit Preisabschlägen und zinsfreien Krediten reagiert, um die Autoverkäufe in einer Zeit der schwächelnde Wirtschaftslage am Rollen zu halten. Nach inzwischen zwei Jahren sind die Preisabschläge immer noch in Kraft und es ist keine wirtschaftliche Wende zum Besseren in Sicht. (...)

Ford musste seine Preisabschläge und sonstigen Verkaufsanreize in diesem Frühjahr um die Hälfte steigern – mit der Wirkung, dass Ford für jeden verkauften Personenwagen 3.208 Dollar zuzahlt. (...) Seit Mitte der 90er Jahre sind die Listenpreise für Neuwagen jedes Jahr real um 1% gefallen. (...)

Auch der europäische Automarkt ist übersättigt und man rechnet mit einem Verkaufsrückgang von 10% im laufenden Jahr. (Seite 66)

Die amerikanische Autoindustrie steckt tief in der Klemme. Sie hat 20% mehr Produktionskapazität als nötig.

Die drei großen japanischen Autobauer (Toyota, Nissan und Honda) produzieren und verkaufen in den USA die ganze Bandbreite ihrer Modelle ohne große Preisabschläge.

Die normale Reaktion der Industrie angesichts solcher Überkapazitäten wäre ein Schrumpfungsprozess mit Verlagerung des Schwerpunkts auf den Profit statt auf den Umsatz. Aber in Detroit ist nichts normal. (...)

General Motors hat ungedeckte Verpflichtungen von 19 Milliarden Dollar für Betriebsrenten – das entspricht seinem gesamten gegenwärtigen Marktwert. (...)

General Motors, mit 2,5 Betriebsrentnern pro Beschäftigten, muss für jedes produzierte Auto mit 1000 Dollar zusätzlichen Kosten für Renten und Krankenkosten der Ehemaligen rechnen. (...)

In den letzten beiden Jahren half die US-Regierung den notleidenden Landwirten, den Stahlwerken und der privaten Luftfahrt mit Subventionen und Importbeschränkungen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch ein Autokonzern erwägt, die flexiblen US-Regeln bei Zahlungsunfähigkeit zu nutzen, um seine Verpflichtungen für Betriebsrenten loszuwerden, wie es schon verschiedene Stahlfirmen und Luftfahrtgesellschaften getan haben. (...)

Die Zeichen stehen auf Sturm.

Kann Detroit dem Tod ein drittes Mal von der Schippe springen? Die Aussichten stehen schlecht. (...)

Das Ende der amerikanischen Autokonzerne ist nicht länger nur eine Schreckensvision, es wird von Tag zu Tag mehr eine reale Möglichkeit.“

Aus: „The Economist, 14.06.03: 11 und 65ff.

Übersetzung: Wal Buchenberg, 15.06.2003.