Die Griechenlandpleite

Die Griechenlandpleite ist mehr als nur eine Fortsetzung der weltweiten Finanzkrise. Es geht um mehr als nur darum, ob einige Banken und Finanzgesellschaften, die der griechischen Regierung jahrelang Geld geliehen und dafür Zinsen kassiert haben, plötzlich 30 Milliarden Euro oder mehr verlieren werden.
Es geht in Griechenland auch um die Zukunft der Sozialstaat-Illusionen.


Die beteiligten Banken und Regierungen machen sich zu recht Sorgen um das Wohlergehen von reichen Staatsgläubigern. In den nächsten Wochen muss die griechische Regierung fast 10 Milliarden Euro an ihre Gläubiger zurückzahlen. Das Geld hat die Regierung nicht. Also muss sie sich Geld von den einen Gläubigern leihen, um die fälligen Kredite anderer Gläubiger ausbezahlen zu können. Das ist teuer und es wird noch teurer, weil die griechische Regierung nicht ohne Grund als unehrlicher Schuldner dasteht.

Zwar haben die anderen europäischen Regierungen dafür ihre „Hilfe“ angeboten, aber nur, wenn der Weltwährungsfonds als „Einpeitscher“ mit ins Boot geholt wird. Das versucht die griechische Regierung zu vermeiden, bis ihr keine andere Wahl bleibt. Zur Zeit sind die internationalen Geldgeber und Großbanken dabei, die Zinsschraube so weit hochzudrehen, bis der griechischen Regierung wirklich keine Wahl mehr bleibt. Die „Strafzinsen“ für griechische Staatsanleihen kletterten heute schon über 10 Prozent für "kurzlaufende" Staatsanleihen mit zwei Jahren Laufzeit.

Während die reichen Staatsgläubiger von Griechenland um ihre Kredite fürchten, müssen sich die Reform- und Staatslinken um die Zukunft des Sozialstaates sorgen.
Häufig galten Schweden und Norwegen als Modell-Sozialstaaten. Schweden hat Eisenerzvorkommen und eine konkurrenzfähige Industrie. Norwegen hat eigene Ölquellen. Beide Muster-Sozialstaaten haben kräftige Einnahmequellen. Griechenland nicht.
Griechenland ist der Modellstaat der Staatslinken: Wir spendieren kräftig und kümmern uns wenig um die Einnahmeseite.
Dieses linke Staatsmodell steht jetzt vor der Pleite.
Tatsächlich handeln alle Regierungen im Kapitalismus mehr oder minder nach dieser Maxime. Alle „sozialen“ Regierungen geben mehr Geld aus, als sie haben. Das geht für einige Zeit gut. Irgendwann trocknet jedoch die Zufuhr des billigen Geldes aus, dann platzt diese Sozialstaatsillusion. Dann stellt sich heraus: Der Sozialstaat ist im Kapitalismus auf Pump und Lügen gebaut.

Die Grafik, deren Daten aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stammen, führt sowohl die offenen wie versteckten Zahlungsverpflichtungen wichtiger kapitalistischer Staaten auf. Offene Zahlungsverpflichtungen sind Kapitalmarktschulden, die die Regierungen (in der Regel) auch in ihrer Bilanz ausweisen.
Versteckte Zahlungsverpflichtungen sind alle Zahlungsverpflichtungen zu denen sich die Regierung gesetzlich gegenüber ihren Bürgern verpflichtet hat (Subventionen, Sozialausgaben, Renten, Beamtenpensionen etc.). Die Höhe dieser künftigen Zahlungsverpflichtungen wird im Dunkeln gehalten und in keiner Bilanz ausgewiesen.

 

Staatsschulden


Die Grafik zeigt, dass alle diese Staaten "über ihre Verhältnisse" leben, nicht nur Griechenland. Alle diese Staaten, nicht nur Griechenland, machten und machen soziale und finanzielle Versprechungen an ihre Bürger, die die wirtschaftliche Leistung ihrer Volkswirtschaften weit übertreffen.

In der Vergangenheit beschleunigten vor allem teure Kriege gegen kapitalistische Konkurrenten den Staatsbankrott. In Deutschland folgte auf den ersten Weltkrieg die Hyperinflation, auf den zweiten Weltkrieg, die „Währungsreform“. Das eine ist die schleichende Form des Bankrotts, das andere die schlagartige Form.

Nun erreichen wir das Niveau des Staatsbankrotts in Europa auch ohne solche großen Kriege. Das ist eine neue Krisenstufe, die immer weniger Auswege lässt.

Ich denke, die Griechenlandpleite kann die europäischen Banken und die EU noch verdauen, so wie die internationalen Banken noch die Pleite der Großbank Lehmann Brothers verdauen konnten. Aber das Ansehen der Banker nahm dauerhaft Schaden.
Wie gut die Reform- und Staatslinken die Pleite ihrer Sozialstaatsidee verdauen können, wird sich zeigen. Aber ihr Ansehen und politischer Einfluss wird ebenfalls Schaden nehmen.

Wal Buchenberg, 22.04.2010

Siehe auch: Karl-Marx-Lexikon: Staatsschuld und Staatspleite


Frühere Texte zum Thema:

21.03. 2010: Griechland hat die Krise – niemand sonst?


16.02. 2010: Erst Griechenland, dann New York


08.02. 2010: Griechenland vor dem Bankrott