Die mächtigsten Unternehmen der Erde

 

Sie errichten Glaspaläste in den USA und Europa, sie foltern und töten in Brasilien, sie beuten Kinder aus in Indien, sie ruinieren Flusslandschaften in Afrika, sie schmieren oder erpressen Regierungsbeamte in aller Welt und scheffeln dabei Profite. Die Weltfirmen, Transnationale Konzerne, "Multis" oder "Global Players"  gelten zu Recht als moderne Verkörperung des globalen Kapitalismus und es gibt kaum noch ein Fleckchen der Erde, wo sie nicht bei den "Eliten" auf ehrfürchtigen Respekt und bei den übrigen Menschen auf Argwohn und Kritik treffen.

 Das Wirtschaftsmagazin Forbes erstellt regelmäßig eine detaillierte Liste der 2000 größten Unternehmen der Welt. Einige Informationen der Forbes-Liste sollen hier vorgestellt und kommentiert werden.

 Die Forbes-Liste  sortiert die 2000 größten Firmen der Welt nach Größe (Rang), nach Ländern oder nach Branchen.

Die drei größten Firmen sind Großbanken, zwei davon aus den USA (Citigroup, Bank of Amerika), eine aus Großbritannien (HSBC Holdings) - (Datenstand 29. März 2007). Als größte Firma mit mehrheitlich deutschem Kapital befindet sich die Allianz-Versicherung auf Platz 15.

 Viel kann man diesem Größenvergleich einzelner Firmen nicht entnehmen. Autofirmen konkurrieren nicht mit Banken. Ölkonzerne befassen sich nur am Rande mit Versicherungsunternehmen. Kapitalistische Konkurrenz konzentriert sich auf gesonderte Märkte und auf Branchen. Deshalb werden in der folgenden Grafik nicht Rang und Größe von Einzelfirmen, sondern Rang und Größe der Branchen auf Weltmarktniveau abgebildet. Die Brancheneinteilung wurde unverändert von Forbes übernommen.

 

 Die Hochachse (y-Achse) gibt den (durchschnittlichen) Rang einer Branche an. Spitzenplätze sind oben, hintere Plätze weiter unten. Den höchsten Rang mit 657 nimmt die weltweite Rüstungsindustrie (1) ein. Dieser Rang ergibt sich als Durchschnitt aller Einzelplatzierungen von Rüstungsfirmen unter den 2000 größten Unternehmen der Welt.

Auf der Rechtsachse (x-Achse) ist die Größe einer Branche = Anzahl der Großfirmen innerhalb derselben Branche angegeben. Diese Branchenblöcke stehen jedoch nicht auf einer fortlaufenden, linearen Zahlenreihe, sondern sind in zwei Großgruppen sortiert: Auf der x-Achse mehr links stehen kleine Branchen mit wenigen Firmen. Auf der x-Achse mehr rechts stehen große Branchen mit vielen Firmen. Die größte Branche sind die Kundenbanken (15) ganz rechts mit 302 Firmen. Die kleinste Branche mit 20 Firmen ist die Rüstungsindustrie (1) ganz links auf der Achse.

 Beginnen wir mit der Rüstungsindustrie.

 1. Rüstungsindustrie

Die Rüstungsindustrie steht weltweit unter besonderer Beobachtung vieler Friedensinitiativen und wird oft als "militärisch-industrieller Komplex" bezeichnet. Oft wird der Rüstungsindustrie unterstellt, dass sie Regierungen beeinflusst oder gar dominiert. Aus der Forbes-Liste geht hervor, dass die Rüstungsindustrie insgesamt den Spitzenplatz unter allen Branchen einnimmt. Die weltweiten Rüstungskonzerne sind also besonders große, aber relativ wenige Firmen. Die weltweite Rüstungsindustrie bildet mit 20 Firmen die kleinste von allen Weltbranchen.

 Stellt man die schmale Säule Nr.1 (Rüstungsindustrie) allen anderen Säulen als maßstabsgerechten Größenvergleich gegenüber, kann man schwerlich irgend eine "Dominanz" der Rüstungsindustrie unterstellen.

Sicherlich spiegelt die Spitzenstellung der Rüstungsindustrie eine besonders hohe Profitrate mit stabilem Absatz wieder, die es den beteiligten Firmen erlaubt, mit Leichtigkeit zu expandieren. Die geringe Anzahl der Firmen innerhalb der Rüstungsindustrie weist wohl darauf hin, dass es sich um einen weitgehend geschlossenen Kreis von Firmen handelt, in den Newcomer nur schwer dazustoßen können. Aus der Firmengeschichte von Krupp ist bekannt, wie schwierig es für das Unternehmen im 19. Jahrhundert war, in den exklusiven Kreis der Staatslieferanten aufgenommen zu werden. Sobald diese Hürde geschafft war, begann Krupp schnell zu expandieren.

 Wieweit nun die Rüstungsindustrie als Lobby eine Regierung dominiert, ist eine offene Frage. Da Regierungen Auftraggeber und Kunden der Rüstungsindustrie sind, gibt es da notwendig enge Kontakte. Schließlich wird ein Großteil der Rüstungsproduktion im konkreten Kundenauftrag und nicht für einen anonymen Markt hergestellt. Im großen und ganzen wird dann auch das produziert, was der (Regierungs-)Kunde will. Anders als es das gängige Vorurteil sieht, gehe ich bei der Rüstungsindustrie (und nur dort) davon aus, dass hier die Politik weitgehend die Rüstungsunternehmen kontrolliert, nicht aber die Rüstungsunternehmen die Politik. Allerdings lassen sich die Rüstungsfirmen die Bevormundung und Gängelung durch Politiker fürstlich bezahlen.

 2. Das sogenannte Finanzkapital

Das "Finanzkapital" war eine Erfindung des marxistischen Sozialdemokraten und späteren Finanzministers der Weimarer Republik, Rudolf Hilferding, der die althergebrachte Kritik an wucherischen Geldverleihern in scheinwissenschaftliche marxistische Begriffe gegossen hat. (Rudolf Hilferding, Das Finanzkapital. Berlin 1909). Über Lenin, der sich mit seiner Imperialismustheorie auf Hilferding berief, gelangte das "Finanzkapital" auch in den "Marxismus-Leninismus".

Das Fatale an dieser Theorie ist, dass sie eine Unterscheidung von "guten Kapitalisten" (Industriekapital, inländisches Kapital) und "bösen Kapitalisten" (Geldkapital, Heuschrecken, ausländisches Kapital, jüdisches Kapital) nahe legt, was jede Kritik am Kapitalismus abstumpft und rechten Rattenfängern in die Hände spielt.

Wo versteckt sich in der Gesamtdarstellung der 2000 mächtigsten Firmen das sogenannte Finanzkapital? Anhänger dieser Theorie würden möglicherweise folgende drei Branchen zusammenfassen: Die Versicherungsgesellschaften (Rang 5), die Kundenbanken (Rang 15) und die Finanzdienstleister (23).

 Auffällig ist hier schon, dass die Finanzdienstleiter (Großbanken mit Firmenkunden und Investgesellschaften/Hedgefonds), auf die noch am ehesten die Vorstellung von mächtigen Geldsäcken passt, ziemlich am Ende der weltweiten Rangfolge stehen. Allerdings handelt es sich mit 175 Unternehmen in dieser Branche um die nach Firmenzahl zweitgrößte Branche. Ich schließe daraus, dass der Zugang zu dieser Branche relativ offen und leicht ist. Nur die Kundenbanken (Rang 15) stellen mit 302 Firmen eine noch größere Anzahl innerhalb einer Branche. Beide Sektoren ragen jedoch keineswegs aus den anderen Branchen heraus. Eine Sonderstellung haben hier höchstens die Versicherungen (Rang 5), die sowohl einen hohen wie breiten Block stellen. Anzahl und Größe der globalen Finanzunternehmen ist allerdings im letzten Jahr durch die Auswirkungen der Kreditkrise gesunken. Die Bedeutung der Finanzunternehmen wird im weiteren Fortgang dieser Krise noch weiter sinken.

 Es ist hier nicht der Ort, näher auf die falschen Ansichten über das "Finanzkapital" einzugehen. Wer möchte, kann sich an anderer Stelle weiter informieren. Als Einstieg in das Thema empfehle ich die Darstellung des Wuchers von Karl Marx.

 3. Das sogenannte Monopolkapital

Ein dritter Themenkomplex ist das sogenannte "Monopolkapital". Es gibt zwar verschiedene Varianten der Monopoltheorie, die aber alle denselben Pferdefuß haben wie die Lehre vom Finanzkapital: Es wird unterschieden zwischen "bösem Kapital" (Monopol) und "gutem Kapital" ("Mittelstand", Unternehmer als Manager des eigenen Betriebes).

Unterstellt wird in den Monopoltheorien, dass die kapitalistische Konkurrenz als "unsichtbare Hand" alles Gute im Kapitalismus bewirkt, während die Monopole die Konkurrenz außer Kraft setzen und dadurch extra große Profite scheffeln. Der Kapitalismus erscheint bei den Monopolkritikern als die beste aller Welten, die nur von den Monopolen mit ihren Extraprofiten bedroht wird. Nicht der kapitalistische Profit wird kritisiert, sondern nur das XL-Format der Profite. Kapitalistische Profite im Format "M" sind schützenswert. Kapitalisten mit Profit im Format "S" stehen bei den Monopolkritikern auf der Roten Liste der bedrohten Arten.

 Auch zum Thema "Monopolkapital" gibt die Forbes-Liste einige Informationen. Die Mehrzahl der Weltbranchen "knubbelt" sich im Mittelfeld zwischen Rang 1000 und Rang 1150. Nebeneinandergestellt wirken die Branchen wie eine breite Mauer, aus der kaum hohe Türme ("Monopole") herausragen.

Soll heißen: Größe und Anzahl der Weltfirmen ist ziemlich gleichmäßig auf alle Branchen verteilt. Die Profitbedingungen sind also auch weitgehend gleichmäßig auf alle verteilt.

Wer wie ich davon ausgeht, dass sich (mit einzelnen Schwankungen und Ausreißern) allmählich überall eine Durchschnittsprofitrate durchsetzt, der findet sich in dieser Forbesliste der Weltfirmen bestätigt.

In der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen die Ölmultis ganz vorne. Laut Forbes-Liste finden sich die Öl- und Gasfirmen als Gruppe nur auf Platz 11 und spitzen kaum über ihre Nachbarbranchen hinaus.

 Dass "Monopole" die kapitalistische Konkurrenz beseitigen könnten, ist ein Provinzglaube. Was vielleicht ein lokales Monopol darstellt (z. B. Tageszeitung oder Bäcker), steht längst in Konkurrenz zu regionalen, landesweiten und sogar weltweiten Konkurrenten. Nicht nur die einzelnen Firmen machen sich weltweit Konkurrenz, auch die verschiedenen Branchen stehen untereinander in Konkurrenz.

Sie stehen zum Beispiel in Konkurrenz um Investitionskapital: Firmen einer notleidenden Branche (wie der Autoindustrie) müssen für Anleihen höhere Zinsen zahlen als Firmen einer blühenden Branche (wie vielleicht die Unternehmensdienstleister). Branchen stehen untereinander in Konkurrenz um die fleißigsten, belastbarsten und intelligentesten Lohnarbeiter. Branchen stehen untereinander in Konkurrenz um Absatzmärkte. Das Geld der Endkunden kann nur einmal ausgegeben werden. Entweder kauft man sich ein neues Auto oder man macht eine schöne Urlaubsreise. Nur Wenige können sich beides zur gleichen Zeit leisten.

 Auf einen "unbekannten Riesen" in dieser Forbes-Liste will ich doch noch hinweisen: Die Energieversorger auf Rang vier der Forbes-Liste liegen mit 120 Unternehmen im Spitzenfeld. Zahl, Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Energieversorger ist weltweit im letzten Jahr gewachsen, während die Kommunikationsbranche gelitten hat.

Diese Energieversorger werden noch an Bedeutung zunehmen und sie kommen zu Recht immer öfter in die Schlagzeilen: teils wegen Preiserhöhungen, teils wegen Umweltschäden durch Kraftwerke, teils wegen der zunehmenden Versorgungsunsicherheit. Wie die Financial Times Deutschland meldete, hatten Ende letzten Jahres deutsche Energiekonzerne die Bundesregierung im vertraulichen Gespräch davor gewarnt, dass der Stromversorgung in Deutschland größere Ausfälle drohten.

 4. Konkurrenz zwischen Staaten und Regionen

Auch globale Weltfirmen haben ein nationales Gepräge. Die verbreitete Identifizierung der Vereinigten Staaten mit dem globalen Kapitalismus ist keine böswillige Erfindung, sondern stützt sich auf Fakten und Zahlen. Von den 2000 mächtigsten Firmen der Welt sind ein Drittel (658) in amerikanischer Hand. Zum Vergleich: Das deutsche Kapital ist mit "nur" 57 Weltfirmen in der Forbesliste vertreten.

 Für manche mag es überraschen, dass auch die Volksrepublik China 44 Firmen unter den 2000 größten der Welt aufzuweisen hat. Nach dem Marktwert ihrer Aktien gerechnet sind seit neuestem sogar vier chinesische Konzerne unter den zehn teuersten Unternehmen der Welt (neben vier amerikanischen und zwei europäischen Firmen). Nach den USA und Großbritannien steht China nun in dieser Länderwertung der Weltfirmen auf Platz drei. (Daten von Ernst & Young, 08.01. 2008)

Im Ranking von Ernst & Young zeigen sich deutliche regionale Verschiebungen im weltweiten Wirtschaftsgeflecht. Erstmals hat die Zahl der europäischen Unternehmen (46) die Anzahl der US-Unternehmen (32) in den Top-100 übertroffen, die bisher die Top-100 dominiert hatten. Japan ist in der weltweiten Konkurrenz zurückgefallen. Im Jahr 2006 stellte Japan noch 8 Firmen in den TOP-100. Ende 2007 waren es nur noch vier. Deutsches Kapital hat seinen Einfluss ausgebaut. Waren im Jahr 2006 noch vier Firmen in den Top-100 vertreten, sind es nun sieben. (Ernst & Young-Ranking). Zwei deutsche Firmen sind Branchenführer in der Forbes-Liste: Die Deutsche Post bei den weltweiten Transportfirmen und BASF in der Chemiebranche.

 Nicht ins gewohnte Weltbild mancher Linker und schon gar nicht in die Leninsche Imperialismustheorie passt der jüngste Trend, dass immer mehr Kapital aus noch rückständigen Ländern in die kapitalistischen Metropolen oder in andere Länder der 3. Welt exportiert wird. Traditionelle Entwicklungsländer haben ihre Lektion gelernt und spielen nun das gleiche globale Spiel wie die alteingesessenen Konzerne.

Jaguar und Land Rover, die Reste der ehemals stolzen britischen Automobilindustrie, werden wohl bald von indischen Firmen aufgekauft. Der chinesische Computerkonzern Lenovo übernahm von IBM die PC-Sparte. Chinas führender Autoexporteur Chery plant den Bau von Fabriken in Osteuropa, in Nahen Osten und in Südamerika. Johnson Electric aus Hongkong beherrscht den Weltmarkt für Mikromotoren. Der mexikanische Zementriese Cemex expandiert nach Europa und übernahm den britischen Konzern RMC. Arcelor Mittal, eine ursprünglich indische Firma, taucht überall in der Welt auf und ist inzwischen das größte Unternehmen der weltweiten Stahlbranche.

 Im letzten Jahr (2006) erreichten die Direktinvestitionen aus der Dritten Welt (einschließlich Firmenkäufe und Fusionen) 174 Milliarden US-Dollar, rund 14 Prozent des gesamten Kapitalexports der Welt. Vor knapp 20 Jahren lagen die Kapitalexporte aus der Dritten Welt noch bei gut 5 Prozent.

 

Manche Leute sehen diese Entwicklung ungern und malen eine neue "Gelbe Gefahr" an die Wand. Das ist nationalistische "Standortpolitik", die "heimisches" Kapital vor ausländischer Konkurrenz schützen will.

 Kapitalisten haben bei ihren Geschäften immer die ganze Welt im Blick. Vor dreißig, vierzig Jahren noch blieb ihr profitables Tun im fernen Ausland meist verborgen. Immer häufiger stoßen sie aber auf eine globale kritische Öffentlichkeit. Die erste weltweite und erfolgreiche Kampagne gegen die "Global Players" war in den 80er Jahren die internationale Kampagne gegen die kapitalistischen Unterstützer des Apartheidregimes in Südafrika.

Wie Wikipedia meldet, waren erst im Oktober 2007 wegen Unterstützung des früheren Apartheidregimes Gerichtsverfahren in Südafrika gegen die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die Commerzbank, gegen DaimlerChrysler und Rheinmetall eingeleitet worden.

Zwischen lokalen Bewegungen in aller Welt entwickeln sich zunehmend auch internationale Verbindungen. Dank Internet und Indymedia wird auch die widerständige und kritische Berichterstattung von unten global.

Für weltweite Konzerne wird es immer schwieriger mit ihren althergebrachten zwei Standards zu leben: als scheinbar ehrbare Arbeitgeber in den Metropolen und als rücksichtslose Ausbeuter von Mensch und Natur in der Peripherie.

 Wal Buchenberg, 15.01. 2007

 

Als Anhang noch einmal alle Daten aus der Grafik in Form einer Tabelle: