Börsencrash

Am gestrigen  "Schwarzen Montag" , dem 21.01. 2008, stürzten die Aktienkurse in Frankfurt um 7 Prozent und eine seriöse Wirtschaftszeitung behauptet: "Dax-Crash vernichtet 63 Milliarden Euro". Die angeblichen vernichteten 63 Milliarden Euro hat es nie gegeben und konnten daher nicht "vernichtet" werden.

 Wer Aktien im Wert von 1000 Euro kauft, ist seine 1000 Euro erst mal los. Den Großteil seiner 1000 Euro hat nun der Vorbesitzer der Aktien. Bei einer Erstausgabe bekommt die Aktiengesellschaft dieses Geld ("Gründergewinn"). Einen kleineren Teil, bis zu 3 Prozent, bekommt die Bank oder die Börsenmakler, die das Geschäft tätigen. Steigen die Kurse dann von 1000 auf 1100, dann hat der Aktienbesitzer "gefühlte" 100 Euro gewonnen. Kaufen kann er sich von diesem "gefühlten Gewinn" nichts.

Durch den gestrigen Kurssturz sind 63 Milliarden "gefühlte Euro" verschwunden. Das mag den einen oder anderen wirklich geschmerzt haben. Es gab aber einige, die gestern viel Geld verdient haben: die Börsenhändler. Die verdienen nämlich an jeder einzelnen Transaktion und am Montag wurde die Rekordzahl von 1,8 Millionen Transaktionen getätigt. Die Börsenmakler bekommen rund ein Tausendstel oder 0,1 Prozent vom Wert der Transaktion, macht von 63 Milliarden immerhin 63 Millionen, die gestern verdient wurden.

 Die Aktienkurse werden in fast allen Nachrichtensendungen vermeldet, als hinge das Schicksal von Millionen daran. Tatsächlich gibt es derzeit nur 3,8 Millionen Aktienbesitzer in Deutschland . Es sind weniger als 5 Prozent der Bevölkerung - die Reichen und Mächtigen, die Geld für Aktien übrig haben, und die sich an den Börsen der Welt gegenseitig das Geld abnehmen wollen.

 Während Lohnarbeiter um ihren Job bangen müssen, bangen die Aktionäre um ihren "gefühlten Reichtum". Verliert der Lohnarbeiter seinen Job, ist seine Existenz und die seiner Familie direkt bedroht, weil ihm die Existenzmittel fehlen. Sinken die Kurse, dann haben die Aktionäre keinen Cent weniger in der Tasche, nur ihr gefühltes Sparpolster auf der hohen Kante wird kleiner.

 Ein Börsencrash bringt schlechte Nachrichten für die Aktionäre, ein Arbeitsplatzverlust bringt wirkliche Not für die Lohnarbeiter.

 Meist wird an der Börse mit Geld gezockt, das die Reichen übrig haben. Es gibt auch einige, die mit geliehenem Geld zocken. Die bekommen tatsächlich Probleme. Sinkt der Wert der Aktien unter den Wert des aufgenommenen Kredits, dann müssen diese Zocker wirkliches Geld an ihre Bank abdrücken, Geld das die Zocker gar nicht haben. Für den Zocker bedeutet das Bankrott, für die Bank, dass sie zusätzlich zur Hypothekenkrise weitere Kredite abschreiben muss.

Es geht das Gerücht, dass der gestrige Börsensturz von angeschlagenen Banken ausgelöst wurde, die zum Ende Februar unsichere Kredite gekündigt und zurückgerufen haben. Das hat dann dazu geführt, dass etliche Schuldner ihre Aktien zu Geld machen mussten, um Schulden zu bezahlen.

Dieser Tanz um das Goldene Kalb des Kapitalismus, das Geld, wird wohl noch weitergehen: Solange die Kapitalisten meinen, dass nicht nur ihre Geschäfte, sondern auch die Geschäfte aller anderen gut laufen, geben sie sich gerne untereinander Kredit. Ist diese Vertrauen dahin, dann wird kein Kredit mehr gegeben.

Dieses gegenseitige Misstrauen herrscht seit letzten August, dem Sichtbarwerden der weltweiten Hypothekenkrise, schon im Bankenverkehr. Es ist nur folgerichtig, dass dieses Misstrauen weitere Kreise zieht und alle Geschäftswelten erfasst. Das verlorene Vertrauen in die gegenseitige Kreditwürdigkeit verlangt bei möglichst allen Geschäften bare Zahlung.

Solange allgemeiner Optimismus herrscht, ist Geld nicht mehr als eine Ziffer. Ein Zahlungsversprechen gilt so viel wie wirkliches Geld. Ist das Vertrauen verloren, dann verlangt jeder nach Bargeld oder nach höheren Sicherheiten. Viele Warenbesitzer müssen dann verkaufen, egal zu welchem Preis, nur um Geld aufzutreiben. Dann setzt ein Kirchturmrennen auf die Geldbestände ein, jeder hortet sein Geld, und es stellt sich heraus, dass keine Bank so viel Bargeld liefern kann, wie nachgefragt wird.

 Das ist dann der Moment, wo in kürzester Zeit die größten Vermögensverschiebungen eintreten. Es gibt einige "Global Players" , die freudig auf diesen Zeitpunkt warten. Dazu gehören auch "Staatsfonds" von Norwegen, Saudi Arabien, Kuwait, China, Singapur, Libyen, usw. Insgesamt horten diese Länder Fonds im Wert von fast 3 Billionen  (3.000 Milliarden) Dollar.

Das mag im Vergleich zur gesamten Geldmenge in der Welt von 165 Billionen Dollar, die ständig nach Anlage sucht, gering scheinen. Siehe dazu die Grafik: Wer hat das Geld der Welt?

 Das Wichtige an diesen Staatsfonds ist, dass sie außerhalb der Reichweite der gegenwärtigen Kreditkrise angesiedelt sind. Die Großanleger der kapitalistische Welt, die Rentenfonds, Investmentfonds, Versicherungen und Hedgefonds sind alle mehr oder minder stark von der gegenwärtigen Krise betroffen. Diese Staatsfonds werden von Regierungen betrieben, die weitgehend von dieser Krise verschont bleiben. Die angeschlagenen US-Großbanken Merrill Lynch und Citigroup mussten letzte Woche den Einstieg neuer Teileigner für insgesamt 20 Milliarden Dollar aus dem Nahen Osten akzeptieren.

 Seit Ausbruch der Finanzkrise sind schon für fast 70 Milliarden Dollar Firmen- und Bankenanteile aus den Metropolen in die kapitalistische Peripherie verkauft worden. Da von der kommenden Krise die kapitalistischen Kernländer in Nordamerika und Europa betroffen sind, wird die westliche Finanzwelt die süße Rache Asiens für die Asienkrise von 1998 zu spüren bekommen, als die westliche Finanzwelt die aufkommende kapitalistische Konkurrenz in Asien gedeckelt und geplündert hatte. Jetzt rollen die Käselaibe in die Gegenrichtung. Die Schwergewichte des globalen Kapitalismus geraten ins Wanken und verlagern ihren Schwerpunkt.

 Wal Buchenberg, 22.01.2008