Mit oder ohne Europa: US-Krieg gegen Irak!

“Special report” des  ‘Economist’ vom 9.3.2002.
Englischer Originaltext in Fett,
meine Übersetzung in Normal, mein Kommentar in Kursiv.

“Late last winter (Bush’s) …administration … determined to overthrow the regime in Baghdad. The issue is no longer whether to seek a change of regime, but how and when.”
„Im letzten Winter hatte die Bush-Regierung beschlossen, das Regime von Saddam Hussein zu beseitigen. Die Frage ist nicht mehr, ob ein Regierungswechsel in Bagdad herbeigeführt wird, sondern wie und wann.”

“If the Europeans choose not to join, or if they ask but Mr Bush rebuffs them, then the battle will still go on, but as an American operation.”
„Wenn die europäischen Regierungen sich gegen eine Beteiligung entscheiden oder wenn sie zwar ihre Beteiligung anbieten, aber Bush ihr Angebot ausschlägt, auch dann wird die Schlacht geschlagen werden, aber als alleinige amerikanische Angelegenheit.”
Eine chinesische Weisheit rät: Schlachte das dumme Huhn, um den gefährlicheren Affen zu erschrecken!
Die USA wollen Saddam Hussein und den Irak schlachten, um die arabischen-islamischen Affen in aller Welt zu erschrecken.
Weil die Wirtschaftskraft der USA im Schwinden ist, will die Bush-Regierung Muskeln zeigen - und mit begrenzten Kriegen was für ihre schwächelnde Wirtschaft tun.
Diese Bomben-statt-Rubel-Strategie hatten wir schon bei einer anderen maroden Supermacht erlebt, und mit dieser Strategie sollen die europäischen Regierungen “uneingeschränkte Solidarität” üben?

“In America there are three different views of European involvement…
The first school of thought …while it might be willing to tolerate some NATO help, it wants that help come from individual countries and to be no different in kind from the assistance of, say, Australia or Kuwait. This, after all, was how the Gulf war was fought. …If the Europeans were brought in, they would slow everything down…”
„Es gibt in den US-Regierungskreisen drei unterschiedliche Ansichten über eine mögliche europäische Beteiligung.
Die erste Richtung wäre zwar mit einer Unterstützung durch Nato-Staaten einverstanden, aber nur, wenn diese von Einzelstaaten käme und sich im Prinzip nicht von der Unterstützung von z.B. Australien oder Kuwait unterschiede. Das war die Methode, mit der der Golfkrieg ausgefochten wurde.
Wenn die Europäer insgesamt beteiligt würden, würden sie überall nur bremsen.”

“The second school is also reluctant to involve Europeans, but for almost exactly the opposite reason. … Adventures in Iraq, its adherents fear, would distract NATO, so they also want the Europeans to concentrate on a secure Europe, leaving America to deal with the rest of the world. This is the view of several members of the National Security Council under Condoleezza Rice.”
„Die zweite Richtung möchte die Europäer lieber draußen vor halten, aber mit einer fast gegenteiligen Begründung. Sie befürchten, dass das Irak-Abenteuer, die NATO von ihren eigentlichen Aufgaben ablenkt. Sie wollen, dass sich die Europäer auf Aufgaben in Europa konzentrieren, damit Amerika freie Hand hat in der restlichen Welt. Das ist die Ansicht von mehreren Mitgliedern des US-Sicherheitsrates unter Condoleeza Rice.”

“Only the third school wants Europeans to involve themselves beyond their shores. … It views NATO as the natural defence arm not only of Europe but of everything affecting the West. … This view is loudly promoted by internationalist Republicans, more quietly backed by ‘NATO-niks’ at the State Department…”
„Nur die dritte Richtung möchte, dass die Europäer sich auch außerhalb Europas engagieren. Sie betrachtet die NATO als normales Verteidigungsinstrument nicht nur innerhalb Europas sondern für alle Belange, die den Westen betreffen… Diese Ansicht wird laut geäußert von einigen Republikanern, die auf internationale Kooperation setzen, und diskret unterstützt von einigen Nato-Fans im US-Außenministerium.”

“From America’s point of view, the three questions are: Can we trust the Europeans? What practical use would they be anyway? And since they would be forced by their own self-interest to follow whatever we do in any case, do we have to listen to them?”
„In den Augen der US-Regierung gibt es diese drei Fragen:
Können wir den Europäern trauen?
Was haben wir überhaupt von ihrer Unterstützung?
Müssen wir überhaupt auf ihre Meinung hören, wo ihnen doch nichts anderes übrig bleibt, als uns zu folgen, egal was wir tun.”
Es ist ganz klar: Keine europäische Regierung kann es sich leisten, sich gegen die USA zu stellen. Ich denke, wir Europäer fahren daher am besten, wenn wir uns noch kleiner machen, als wir sind:
Ja, wir sind ganz unzuverlässige Gesellen!
Ja, unsere Unterstützung bringt unseren amerikanischen Freunden gar nichts!
Also: US-Hannemann, geh du voran!
Die europäischen Regierungen können die USA nicht von ihren kriegerischen Abenteuern abhalten. Aber sie können mindestens durch passiven Widerstand dazu beitragen, dass die USA möglichst teuer für ihre verbrecherische Kriegspolitik zahlen müssen.


Welche Gründe sollen - laut Economist - die europäischen Regierungen haben, sich an dem Irak-Abenteuer zu beteiligen?
”… recognising their powerlessness, (they) do not want to break ranks with the United States. …
For many, the best definition of what should be done is what America wants to do.”
„Weil sie sich ihrer Machtlosigkeit bewusst sind, wollen sie sich nicht gegen die USA stellen. Für viele ist die beste Aufgabenfestlegung das, was die USA für richtig halten.”

“…justification of co-operation may have to be sought in those things that European countries may not do out of self-interest, but America wants to see happen. The administration, for example, is assuming others will step in to do the government-building and post-conquest reconstruction that America thinks beneath it. Others are already offering the lion’s share of reconstruction aid in Afghanistan.”
„Die Gründe für eine europäische Beteiligung an dem kommenden Irak-Krieg liegen vielleicht weniger im eigenen Interesse Europas als vielmehr darin, dass die USA auf diese Beteiligung drängen. Die Bush-Regierung ist sich sicher, dass andere Regierungen den Aufbau einer neuen Regierung und der Infrastruktur im Irak übernehmen werden - eine Sache, für die sich die USA zu schade sind. So tragen schon jetzt andere Länder die Hauptlast für den Wiederaufbau in Afghanistan.”
Selbst der Economist findet keine plausiblen eigenständigen Gründe für eine europäische Beteiligung an dem Irak-Krieg. Es gibt sie nicht.

Doch halt: Es gibt einen Scheingrund, der einen Vorwand abgeben könnte. Könnte nicht ein palästinensischer Staat das amerikanische Zugeständnis für eine europäische Beteiligung am Irak-Krieg II. werden? Auch dazu findet der Economist die passende Antwort:
“In autumn, when Mr Bush was rallying the alliance against al-Qaeda, a Palestinian state was mentioned. Some think this was merely a ploy to get Arabs and Europeans on-side, with America giving a green light ever since to the thuggish policies of Ariel Sharon, Israel’s prime minister.”
„Als Bush im letzten Herbst die Allianz gegen Al-Kaida zusammentrommelte, war auch die Rede von einem eigenen palästinensischen Staat. Manche halten das aber für einen bloßen Trick, um die Araber und Europäer bei der Stange zu halten, während die USA gleichzeitig der Sharon-Regierung in Israel freie Hand lassen bei ihrer brutalen Politik gegen die Palästinenser.”
Es wäre ein Erpresser-Deal: Wir sollen ein Volk  (die Iraker) mit Krieg überziehen, um einem anderen Volk (den Palästinensern) ein friedlicheres Leben im eigenen Staat zu ermöglichen.

“Both France and Germany hold elections this year, and some politicians may have an interest in using anti-American language to rally their electoral base…”
„In Frankreich und in Deutschland wird in diesem Jahr gewählt, und einige Politiker möchten vielleicht in den anti-amerikanischen Chor einstimmen, um Wählerstimmen zu gewinnen.”
Die US-Regierung hat keinerlei Respekt vor der europäischen Politikerklasse. Aber wir können sicher sein, dass Bush und Konsorten genügend Respekt vor den europäischen Völkern haben, um ihren Irak-Krieg nicht vor diesen Wahlterminen zu beginnen. Je bekannter ihre üblen Absichten werden, desto mehr Grund für Respekt vor den Völkern der Welt werden sie bekommen. - Auch das amerikanische Volk wird sich nicht jedes Bush-Abenteuer gefallen lassen.

”America spends a staggering 40% of all the money the world spends on defence….”
“America is waking up the huge preponderance of its military power. Europe, realising this, is worried both about the wise application of that power, and its own relative weakness.
…Europeans, who have preferred to spend public money on social services. … Europeans do not want to give up their butter for more guns…”
„Amerika gibt sagenhafte 40 % aller Verteidigungsausgaben in der Welt aus….
Die USA werden sich ihrer enormen militärischen Überlegenheit bewusst. Soweit die europäischen Regierungen das realisieren, sind sie einerseits besorgt über die kluge Anwendung dieser militärischen Macht und andererseits über ihre eigene relative Schwäche…
Die Europäer bevorzugten es, öffentliche Gelder für das Sozialausgaben zu nutzen. … Sie wollen nicht Butter gegen Kanonen tauschen.”
Wir Europäer können stolz darauf sein, dass wir militärisch schwach sind, aber noch Butter auf dem Brot haben. Das gibt ein besseres Beispiel ab vor der ganzen Welt, als das, was die Herrschenden in New York und Washington treiben.
Wal Buchenberg, www.marx-forum.de 10.3.2002