Zur Geschichte des Nahostkonfliktes

Die nationalen Bewegungen im Europa des 19. Jahrhunderts waren durch einen zunehmenden Antisemitismus gekennzeichnet. Aus dieser feindlichen Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung entwickelte sich die zionistische Bewegung. Dem europäischen Modell folgend war der Zionismus darum bestrebt einen eigenen Nationalstaat zu gründen, aus religiösen und traditionellen Gründen sollte dies in Palästina (hebräisch: Erez Israel) sein. Unter der Losung „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ strebte der Zionismus die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina an. Doch Palästina war zu keiner Zeit ein leeres Land; dort lebten Ende des 19. Jahrhunderts etwa eine halbe Million Menschen, 90 Prozent davon waren Araber. Somit war das Ansinnen einen jüdischen Staat in Palästina gründen zu wollen, von Unkenntnis über das Land und von einer Arroganz und anmaßenden Haltung gegenüber den dort lebenden Menschen geprägt. Dementsprechend formierte sich unter der arabischen Bevölkerung ein Widerstandspotenzial gegen das Eindringen der Zionisten in Palästina.
Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen die Auseinandersetzungen zwischen den zionistischen Einwanderern und der arabischen Bevölkerung weiter zu. Verstärkt wurden diese Auseinandersetzungen durch die Judenverfolgung des Dritten Reiches. Auf der Flucht vor den Nazis versuchten viele Juden in Palästina ihr Glück, die zionistische Bewegung gewann an Stärke. Demgegenüber wuchs der Widerstand der arabischen Bevölkerung gegen eine weitere jüdische Einwanderung und gegen weiteren Landerwerb durch Juden. Durch den Holocaust, dem sechs Millionen Juden zum Opfer fielen, wurde die zionistische Forderung nach Errichtung eines eigenen Staates letztendlich politisch und moralisch gerechtfertigt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Palästina-Problem vor der UNO verhandelt. Durch die UNO wurde ein Teilungsplan verabschiedet, der die Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates vorsah. Die Stadt Jerusalem mit seiner Umgebung sollte als neutrales Gebiet einen Sonderstatus erhalten und unter internationale Aufsicht gestellt werden. Am 14. Mai 1948 wurde schließlich die Unabhängigkeit Israels verkündet. Die Bildung eines arabischen (palästinensischen) Staates wurde durch die militärischen Auseinandersetzungen verhindert. Nach dem UNO-Teilungsplan wurden Israel 55 Prozent des Landes zugeteilt; beide Staaten, sowohl der arabische als auch der jüdische, hätten nach diesem Plan ein sehr heterogenes Staatsgebiet erhalten. Seitens der zionistischen Bewegung wurde der Teilungsplan akzeptiert; sie sah darin eine Basis für eine zu schaffende jüdische staatliche Souveränität. Von arabischer Seite hingegen wurde der UN-Teilungsplan abgelehnt. Für sie war es nicht akzeptabel, dass die Vereinten Nationen ein Land teilten, das ihnen nicht gehörte. Verstärkt wurde dies durch die Tatsache, dass nach dem Teilungsplan der jüdischen Minderheit, die nur ein Drittel der Bevölkerung ausmachte, der größte Teil des Landes übergeben werden sollte.
Nach dem Teilungsplan und der Unabhängigkeitserklärung Israels folgte ein Krieg, bei dem beide Seiten versuchten möglichst viel Land der anderen Seite zu erobern. Im Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen der Jahre 1948/49 hat Israel sein Staatsgebiet über die Grenzen des UN-Teilungsplanes hinaus ausgedehnt und umfasste nunmehr 78 Prozent des Territoriums. Mit dieser Ausdehnung ging die systematische Vertreibung der arabischen Bevölkerung einher, während des Krieges wurden etwa 750.000 Palästinenser entwurzelt. Aus dem 1949 zwischen Israel und den arabischen Staaten geschlossenen Waffenstillstand ging der Staat Israel eindeutig als Sieger hervor, er verfügte nun über ein homogenes Gebiet, das von Eilat am Roten Meer bis zur libanesischen Grenze reichte. Die verbleibenden Reste (Westjordanland und Gaza-Streifen) des ursprünglich geplanten arabischen Staates kamen unter jordanische bzw. ägyptische Herrschaft. Während die Israelis den Krieg von 1948/49 bis heute als „Unabhängigkeitskrieg“ feiern, wurden die Folgen des Kriegs von den Palästinensern verständlicherweise nur als „Katastrophe“ (Al-Nakba) empfunden.
Während des Sechs-Tage-Krieges von 1967 besetzte Israel schließlich auch das restliche Territorium und darüber hinaus auch den zu Syrien gehörenden Golan sowie die zu Ägypten gehörende Sinai-Halbinsel. Erst nach dem Oktober-Krieg von 1973 zog sich Israel aus Teilen des Golan und Sinai zurück. Nach den
Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten und dem am 12. März 1979 geschlossenen Camp-David-Abkommen wurde die Sinai-Halbinsel schließlich an Ägypten zurückgegeben. Die israelische Politik war in dieser Zeit durch die Grundsätze geprägt, dass es keine Rückkehr zu den Grenzen von 1949 geben sollte, da sonst die Verteidigungsfähigkeit Israels eingeschränkt würde. Ein zweiter Grundsatz bestand darin, dass eine unabhängige und starke Militärmacht ausgebaut werden müsse, die auf die arabischen Gegner eine abschreckende Wirkung haben sollte.
In den von Israel besetzen Gebieten sorgte das Besatzungsrecht für weitere Spannungen und ein latent vorhandenes Konfliktpotential. Repressalien wie Vertreibung von Grund und Boden, die Sprengung von Häusern sowie die Schließung von palästinensischen Einrichtungen waren an der Tagesordnung.
Neue jüdische Siedlungen wurden in den besetzten Gebieten geschaffen. Die arabische Bevölkerung wurde in den Gebieten drangsaliert und vertrieben. Dabei wurden den „Abwesenden“ (den Flüchtlingen) große Teile ihres Landes weggenommen; ebenso den offiziell als „abwesend Anwesenden“, jenen Arabern also, die zwar physisch in Israel geblieben waren, nicht aber Bürger des israelischen Staates werden durften. Die Siedlungsbewegung ging einher mit einer zunehmenden Immigration von Juden, die teilweise mit großem Aufwand betrieben wurde. Ziel dieser Politik war die weitere Stärkung der Machtstellung Israels.
Die israelische Siedlungspolitik verstößt ohne Zweifel gegen internationales Recht. Durch diese Politik trägt Israel entscheidende Verantwortung an der zunehmenden Gewalteskalation im Nahen Osten. Der UN-Teilungsplan hatte für den jüdischen Staat 55 Prozent des Landes (Palästina) vorgesehen, nach dem Krieg von 1948/49 besetzte Israel weitere 23 Prozent und nach dem Sechstagekrieg von 1967 die verbleibenden 22 Prozent. Die Politik Israels orientiert sich dabei an dem Grundsatz, dass die Errungenschaften des Krieges von 1948/49 feststehende Fakten sind, an denen nicht zu rütteln ist. Verhandlungsgegenstand und mögliche Kompromisslinien können sich demzufolge lediglich auf die verbleibenden 22 Prozent beziehen. Diese Haltung spiegelt eine eklatante Missachtung der UN-Resolutionen wieder und missachtet permanent internationales Recht.
Auch während der Verhandlungen zum Oslo-Abkommen und in dessen Folge setzte die israelische Regierung ihre Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten fort. Unbarmherzig erfolgte die Errichtung neuer und die Erweiterung bestehender jüdischer Siedlungen. Das israelische Militär besitzt die Kontrolle über alle wichtigen Straßen im Westjordanland und seiner Umgebung. Durch die israelische Politik sind die Autonomiegebiete zu einer Art Flickenteppich geworden, der von Israel kontrolliert wird. Damit wird vor allem auch die wirtschaftliche Entwicklung der Autonomiegebiete behindert. Zu der israelischen Besatzungspolitik und ihren negativen Folgen kommt die dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation hinzu. In weiten Teilen gibt es bereits Lebensmittelmangel und einen akuten medizinischen Versorgungsnotstand.
Aus: Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zur Situation im Nahen Osten. 8.6.2001