Mindestlohn für Briefzusteller

 Für alle Briefzusteller soll ab 1. Januar ein Mindestlohn gelten, egal ob es in einem Betrieb eine Gewerkschaftsvertretung gibt oder nicht. Eine erfreuliche Entwicklung? Es gibt etliche, die sich darüber ein bisschen freuen und einige wenige, die sich darüber mächtig freuen. Gehen wir die Fakten einmal durch, dann werden wir sehen, wer Grund zur Freude hat.

 

Das Postmonopol

Dass mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns für Briefzusteller am 1. Januar 2008 auch das 100 Jahre alte Monopol bei der Briefzustellung wegfällt, ist keineswegs Zufall. Der Wegfall des staatlichen Postmonopols war vielmehr die treibende Kraft bei der Einführung des Mindestlohns in dieser Branche.

Das staatliche Postmonopol bei der Briefzustellung gibt es seit dem 1. April 1900. Für die Staatsbürokratie sorgte das einerseits für eine sichere Einnahmequelle und andererseits für eine Vereinfachung bei der staatlichen Überwachung der Bürger. Nicht nur unter den Nazis im Dritten Reich galten an der Wohnungstür schnüffelnde Postboten als Informationslieferanten für Polizei und Geheimdienste. Und im Vorfeld des G8-Gipfeltreffens in Heiligendamm bewies die komplette Briefüberwachung in Hamburg und Berlin was ein staatliches Monopol bei der Briefzustellung wert ist.

Bislang wird der Briefmarkt mit seinen rund 17 Milliarden Sendungen und 10 Milliarden Euro Umsatz im Jahr noch von der Deutschen Post dominiert. Die Konkurrenten der Deutschen Post ergatterten von diesem Markt bisher nur  rund 1 Milliarde oder 10 Prozent. Zwei Drittel dieses Marktes macht das Segment der Briefsendungen unter 50 Gramm, für die die Deutsche Post noch das Monopol besitzt. Was Wunder, dass immer mehr Kapitalisten auf den Postzustellungsmarkt drängen und ihr Stück vom Profit-Kuchen abhaben wollen.

Auf dem Briefmarkt sind das vor allem die Unternehmen TNT mit in Orange gekleideten Zustellern und PIN mit den grün gekleideten Briefträgern. Insgesamt beschäftigen die Briefkonkurrenten der Post schon 30.000 Mitarbeiter, aber fast zwei Drittel davon sind Teilzeitkräfte. Vielfach zahlen diese Unternehmen Hungerlöhne, um mit niedrigeren Kosten sich einen größeren Marktanteil zu erobern. So kam es, dass sich ein Kapitalvertreter wie Postchef Klaus Zumwinkel für Mindestlöhne in seiner Branche stark machte. Als etabliertes Unternehmen zahlt die Post höhere Löhne. Falls die Konkurrenten gezwungen werden können, vergleichsweise hohe Löhne zu zahlen, dann untergräbt das deren Konkurrenzvorteile und die Profite bleiben bei der Post. Das ist kein böser Wille und keine guter Wille, sondern kapitalistische Profitlogik.

Die Deutsche Post ist keineswegs der "gute Kapitalist". Sie hat sich seit Jahren gut auf die kapitalistische Konkurrenz vorbereitet. Seit 2000 hat die Post  34.000 Teil- und Vollzeitarbeitskräfte abgebaut. Außerdem sind 1.800 Subunternehmen im Auftrag der Post tätig, zum Beispiel Taxiunternehmen, die Briefkästen leeren. Für solche Subunternehmen wird es auch in Zukunft keine Mindestlöhne geben. In der Gesamtbilanz hat die Deutsche Post mehr Arbeitsplätze abgebaut, als ihre Konkurrenten Arbeitsplätze geschaffen haben.

 

Mindestlohn für Briefzusteller

Der Geltungsbereich des gesetzlichen Mindestlohnes für Briefzusteller und Briefverteiler erstreckt sich  auf »alle Betriebe oder selbstständigen Betriebsteile, die überwiegend Briefe gewerblich oder geschäftsmäßig für Dritte befördern», wie ver.di mitteilte. Gewerkschaftsvertreter gaben allerdings zu, dass Mitarbeiter von Betrieben, die Briefzustellung ohne Spartenausgliederung als Nebengewerbe betreiben, wie z.B. Kurierdienste, nicht unter den gesetzlichen Mindestlohn fallen. Auch neben- bzw. teilberufliche Zustellung, beispielsweise durch Spediteure und Taxiunternehmen würden nicht erfasst. Das sind genau die Bereiche, die auch von der Deutschen Post zur Kostensenkung in der Briefzustellung genutzt werden. Nach Schätzungen der CDU deckt die jetzige Regelung des Mindestlohns nur die Hälfte aller Beschäftigten in der Branche ab.

 Der Mindestlohn sieht regional und nach Tätigkeit gestaffelte Minimalvergütungen zwischen acht und 9,80 Euro vor.
Es handelt sich nicht wirklich um einen Mindestlohn, sondern um eine "Bandbreite von 8 Euro bis 9,80 Euro". Man muss davon ausgehen, dass innerhalb dieser Bandbreite sich ein "Sog nach unten" durchsetzt. Es wird für jeden einzelnen Beschäftigten schwer werden, die Untergrenze des Mindestlohns von 8 Euro zu überschreiten.

Ein weiteres Problem, das der gesetzliche Mindestlohn nicht beseitigen kann, sind die Regelarbeitszeiten. Wird für ein bestimmtes Briefrevier eine zu knappe Regelarbeitszeit festgesetzt, dann ist der gesetzliche Mindestlohn das Papier nicht wert, auf dem er steht.

Machen wir eine Beispielrechnung:

Die abgerechnete Arbeitszeit für ein Briefrevier sei 4 Stunden für je 8 Euro gesetzlicher Mindestlohn. Für die Zustellung benötigt der Briefzusteller aber mindestens 5 Stunden, dann beträgt sein tatsächlicher Stundenlohn 8 Euro mal 4 geteilt durch 5 Stunden, macht 6,40 Euro. Braucht er für sein Revier sogar 6 Stunden, dann müsste er für einen Stundenlohn von 5,33 Euro arbeiten.

 Der gesetzliche Mindestlohn ist eine Mogelpackung. Gesetzliche Lohnregelungen sind ohne funktionierende Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben nicht das Papier wert, auf die sie gedruckt sind. Es wäre auch ein Wunder, wenn ausgerechnet der deutsche Bundestag, der uns ständig mit steigenden Steuern und sinkenden Sozialleistungen das Geld aus der Tasche zieht, plötzlich durch Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen zur "Arbeitnehmervertretung" geworden wäre. Dass uns Lohnerhöhungen, die die Gewerkschaftsbewegung nicht erzwingen kann oder - was es leider auch gibt - nicht erzwingen will, von der Mehrheit des deutsches Bundestages geschenkt werden, hat soviel Wahrscheinlichkeit wie ein leibhaftiger Goldesel oder wie ein Regen von Sterntalern.

Der gesetzliche Mindestlohn für Briefzusteller ist erst recht eine Mogelpackung, weil dahinter das Profitinteresse der Deutschen Post steckt, die ihren kapitalistischen Konkurrenten das Leben schwer machen will.

 Das haben auch andere bemerkt. Dazu ein paar Pressestimmen:

 Kölnische Rundschau

Auf dem Postmarkt "funktioniert der Mindestlohn eher als Schutzprogramm für einen alten Monopolisten, der dem künftigen Wettbewerb lieber aus dem Wege gehen möchte."

 Neue Presse" (Hannover)

"Und doch hat die ganze Debatte um den Postmindestlohn ein Geschmäckle. Weil von vornherein der Verdacht bestand, dass Post AG, Gewerkschaft und Politik an einem Strang ziehen, um unliebsame Wettbewerber von der Post fernzuhalten."

 Reutlinger General-Anzeiger

<em>"Wenn der Ex-Monopolist nicht gegen "fairen Wettbewerb" ist, wie es heißt, dann hat er sicher nichts dagegen, wenn auch private Zusteller von der Mehrwertsteuer befreit werden ­die Post AG jedenfalls genießt dieses Privileg. Eine steuerliche Gleichbehandlung würde auch den Privaten mehr Spielräume bei den Löhnen verschaffen." </em>

 Neue Osnabrücker Zeitung

"Eigentliches Ziel des geplanten Gesetzes ist nicht die angemessene Entlohnung von Arbeitnehmern, sondern die Beeinflussung des Wettbewerbs zugunsten des bisherigen Monopolisten. So ist es bezeichnend, dass ausgerechnet Post-Chef Klaus Zumwinkel zu den Ersten gehörte, die die Einigung bejubelten."

Wal Buchenberg, 30.11.2007