Milliardäre in Deutschland  J - M


Jahr-Familie 1,3 Mrd. Euro (1996) (2002: 2,3 Mrd. Euro)
Die alteingesessene Hamburger Verleger-Familie besitzt 25 % des Gruner & Jahr Verlages (Der Rest gehört Bertelsmann). Aktiv sind John Jahr (63) und seine drei Geschwister Michael Alexander und Angelika Jahr-Stilken. Im Verlag erscheinen u.a. Stern, Brigitte, Frau im Spiegel, Eltern, Geo, Capital und TV-Today. Umsatz 1996/97: 4,73 Mrd. DM, Betriebsergebnis: 660 Mio. DM, Überschuss 1995: 242 Mio. DM.
Aus der Familie Jahr sitzt Angelika Jahr im G+J-Vorstand. Sie ist Herausgeberin und Chefredakteurin von G+J-Titeln wie "Schöner Wohnen", "Essen + Trinken", "Marie Claire" und "Living at home". Ihr Vater hatte die Verlegerdynastie 1924 mit der Zeitschrift "Sportchronik" begründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Magazine wie "Constanze", die in der "Brigitte" aufging, "Capital" und "Schöner Wohnen." Diese Titel sind noch heute Aushängeschilder von G+J.
Der Name Jahr blieb erhalten, als sich 1965 drei Unternehmen in Hamburg zusammenschlossen: der Henri-Nannen-Verlag von Gerd Bucerius, der Constanze-Verlag von Jahr senior und die Druckerei von Richard Gruner. Zur Jahr-Gruppe gehören heute Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. FTP, 14.6.2001.
An Gruner + Jahr ist Bertelsmann mit 74,9 Prozent beteiligt, die Jahr Holding mit 25,1 Prozent. Der europaweit führende Hamburger Zeitschriftenverlag gibt mehr als 100 Magazine und Zeitungen in 13 Ländern heraus und verzeichnete im Geschäftsjahr 1999/2000 (30. Juni) bei Umsätzen von rund 5,7 Mrd. DM einen Jahresüberschuss vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 753 Mio. DM. Gruner + Jahr ist zu 50 Prozent Eigner der Financial Times Deutschland. ...
 "Der Vorstand von Gruner + Jahr führt die Geschäfte eigenständig und ausschließlich im Interesse der Gesellschaft. Er unterliegt nicht Weisungen der Gesellschafter", heißt es in der Mitteilung. Auch Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff sagte in einem unternehmensinternen Interview die Rolle von Kundrun: "Bertelsmann steht hundertprozentig hinter seinen Entscheidungen und hinter seiner Unternehmenspolitik."
Im Zusammenhang mit Plänen von Bertelsmann über einen Börsengang in den nächsten drei Jahren hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die Meinung von Investmentbanken wiedergegeben, die sich an teils komplizierten Eigentumsverhältnissen in Ablegern des Konzerns und Vetorechten von Minderheitsgesellschaftern störten. Daraufhin hatte die Jahr-Familie bereits öffentlich klargestellt, sich nicht von ihren Anteilen trennen zu wollen. "Es gibt weder Überlegungen noch Gespräche, die darauf abzielten, Anteile der Familie Jahr zu übernehmen", erklärte Middelhoff. "Unsere Begierde, dafür viel Geld in die Hand zu nehmen, ist ohnehin gering."
In den vergangenen Wochen war wiederholt spekuliert worden, Bertelsmann wolle das Zeitungs-Engagement von Gruner+Jahr mit der deutschen WAZ-Gruppe oder mit der britischen Pearson Group gegen Anteile an der gemeinsam gehaltenen RTL Group tauschen. Gruner+Jahr hatte diese Spekulationen zurückgewiesen und sich zu dem gemeinsamen Engagement bei der "Financial Times Deutschland" mit Pearson und den Regionalzeitungen wie der "Berliner Zeitung" bekannt. ... FTP, 14.6.2001.

Kipp, Karl-Heinz und Familie 2,4 Mrd. Euro (1996) (2002: 1,8 Mrd. Euro)
Kipp gründete den Verbrauchermarkt Massa, verkaufte aber Mitte der 80er Jahre für über 1 Mrd. an Metro. Die Massa-Immobilien gehören dem Clan noch und bringen bis ins Jahr 2015 mehr als 100 Millionen Mark garantierte Pachteinnahmen. Karl-Heinz Kipp lebt steuersparend in der Schweiz und investiert dort in Luxushotels (z.B. Grandhotel Tschuggen in Arosa). Er teilt sich den Immobilienbesitz, zu dem auch vier Wolkenkratzer mit über 100 000 qm Bürofläche in New York gehören, mit seiner Tochter Ursula L. Bechtolsheimer und zahlte seinen Sohn Ernst-Ludwig aus, der mit seiner Familie als Aussteiger und Erfinder in Florida lebt.

Kirch, Leo und Familie 2,4 Mrd. Euro (1996) (2002: 1,0 Mrd. Euro)
Kontrolliert mehrere Privatsender, neue digitale Kanäle und besitzt die Rechte an unzähligen Spielfilmen und Fernsehserien. Geschäftsbeziehungen zu Metro-Besitzer Otto Beisheim. Sein Sohn Thomas Kirch managt den Sender Pro 7. Der »Medien-Mogul« (70) besitzt 40,4 % am Axel Springer Verlag, ist Mitglied im Aufsichtsrat und hat damit Einfluss auf zahlreiche Tageszeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Hörfunksender sowie Buchverlage. Zusammen mit Bertelsmann und der WAZ-Gruppe beherrscht er den Pay-TV-Sender Premiere.
Der Münchner Medienmogul Leo Kirch , erreichte mit 12 Mrd. USD immerhin noch Rang 20. FTP, 22.4.2001.
„Kirch hat Schulden von Schulden von mindestens 7, vielleicht sogar 12 Mrd. DM. Die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 900 Mio. DM an die Dresdner Bank steht bevor. Sie schritten nicht einmal mit einem Dementi ein, als in den Schlagzeilen das Kirch-Imperium, zu dem neben der größten Spielfilmbibliothek der Welt mittlerweile auch die TV-Sender Sat 1 und Pro Sieben, die Pay-TV-Plattform Premiere, die Mehrheit an der Formel 1 und 40 Prozent an Europas größtem Zeitungsverlag Springer gehören, vom mächtigsten Fernsehkonzern Deutschlands zum Übernahmekandidaten degradiert wurde.“ Branchenbeobachter weisen darauf hin, dass Kirch schon oft in der finanziellen Bredouille war. Seit er 1956 als frisch promovierter Mathematiker in Rom die deutschen Rechte für "La Strada" gekauft und mit dem Fellini-Film den Grundstein für sein Imperium geschaffen hatte, habe Kirch "doch immer kurz vor dem Bankrott gestanden," meint ein langjähriger Kenner. ... In der Tat sind die undurchsichtigen Transaktionen der am liebsten im Dunkeln agierenden Kirch-Gruppe, die Michael Radke in seinem Buch "Außer Kontrolle - Die Medienmacht des Leo Kirch" detailgenau niederschrieb, legendär. Als Kirch Ende der 80er Jahre vor der Zahlungsunfähigkeit stand und Banker der DG Bank, seiner damals größten Hausbank, deshalb kurz vor dem Herzinfarkt standen, war es beispielsweise der Handelsmogul Otto Beisheim (Metro-Konzern), der ihm in letzter Minute mit einer steuerrechtlich gefinkelten Transaktion aus der Patsche half.“ FTP, 13.12.2001.
Kirch braucht im Moment sein gesamtes Geld, um akuteren Verbindlichkeiten nachzukommen. Dazu gehören ein Mitte Januar fällig werdender Kredit über 900 Mio. DM bei der Dresdner Bank, eine Anfang 2002 fällig werdende Rückkaufverpflichtung des rund acht-prozentigen Anteils des Zeitungsverlages Springer bei der Kirch-Tochter Pro Sieben Sat 1 über 1,5 Mrd. DM sowie eine Zahlungsverpflichtung beim Fußballverband Fifa über rund 700 Mio. DM. Hinzu kommt das Damoklesschwert eines möglichen Ausstiegs von Rupert Murdoch bei Kirchs Bezahlfernsehen Premiere. FTP 20.12.2001.
 
Profil: Leo Kirch
deutscher Medienunternehmer; Dr. rer. pol.
(Aus Financial Times Deutschland)

Geburtstag: 21. Oktober 1926, Würzburg

Leo Kirch, kath., wurde am 21. Okt. 1926 als Sohn eines fränkischen Weinbauern in Würzburg geboren.

Ausbildung:

K. studierte Betriebswirtschaft und Mathematik in Würzburg und München und promovierte 1952 zum Dr. rer. pol. Als Assistent an der Universität München befasste sich K. bevorzugt mit den elektronischen Medien.

Wirken:

Schon Anfang der 50er Jahre sah K. den kommenden immensen Bedarf des Fernsehens an Spielfilmen, Serien und Unterhaltungssendungen voraus. Über seine erste, 1955 gegründete Firma zur Verwertung von Filmrechten, die Sirius-Film GmbH, kaufte er zielstrebig in allen europäischen Ländern Kinofilme, die für eine Ausstrahlung im Fernsehen geeignet schienen. 1956 erwarb er von italienischen Produzenten die Rechte an italienischen Erfolgsfilmen wie "La Strada" und "Freunde fürs Leben". Der Kino-Erfolg von "La Strada" in Deutschland war wesentlich der Vermarktung durch K. zu danken. Eine erste größere Investition auf dem amerikanischen Filmmarkt tätigte K. 1959 mit dem Hollywood Studio United Artists/Warner Brothers (Kauf von rund 400 Filmtiteln). Als ARD und ZDF zunehmend Kinofilme und andere Unterhaltungsprogramme benötigten, verfügte die KirchGruppe bereits über einen umfangreichen Bestand an Spielfilmen. 1996 umfasste das Programmvermögen der Unternehmensgruppe Kirch rund 15.000 Spielfilme und rund 50.000 Stunden TV-Serien, Kinderprogramme, Dokumentationen, Opern, Konzerte und Shows. Neu erstanden wurden 1996 u. a. Filmpakete der Columbia Tristar (nach Presseangaben für rd. 1 Mrd. $) der Viacom/Paramount (2,3 Mrd. DM) und der MCA/Universal (rd. 1 Mrd. $). Außerdem sicherte sich die Gruppe für 3 Mrd. DM die Pay-TV-Rechte an Hollywood-Produktionen der Warner Brothers und des Studios MCA/Universal. Im selben Jahr wurden außerdem für zehn Jahre die Pay-TV- und Pay-Per-View-Rechte für neue Disney-Spielfilme gekauft, darüber hinaus beteiligte sich die KirchGruppe mit 7,5 % an dem US-Filmproduktions- und Vertriebsunternehmen New Regency Productions Inc., Los Angeles. In Bezug auf die Rechte am Pay-TV, dem K. große Marktchancen zuerkennt, konnte die Gruppe damit eine starke Wettbewerbsposition bei den großen Hollywood-Studios aufbauen.

Im April 1997 sicherte sich K.s Beta Film die Fernsehrechte an Michael Jacksons "History"-Tournee 1996/1997, zur selben Zeit wurden die Pay-TV-Rechte an einem Filmpaket der MGM Telecommunications erworben. Im Jan. 1997 schloss die KirchGruppe einen Fünf-Jahres-Lizenzvertrag über Fernsehrechte mit der Spelling Entertainment Group Inc., Los Angeles. Für erheblichen Wirbel sorgte der Erwerb der Übertragungsrechte der Fußball-Weltmeisterschafts-Endrunden, die sich K. im Juli 1996 zusammen mit der Schweizer Werbeagentur ISL für 3,4 Mrd. DM gesichert hatte, zumal K. für sich in Anspruch nahm, sogar die Weltmeisterschaftsspiele der deutschen Nationalelf ausschließlich im Pay-TV zu zeigen. Unter dem Druck der Fußballbasis und der europäischen Top-Funktionäre, aber auch der Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer, die im Okt. 1997 auf kostenlose Übertragung aller Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft drängten, steckte dann aber der Fußballweltverbund FIFA wieder zurück, verwies auf ein Vetorecht und machte deutlich, dass man nicht die TV-Rechte als solche, sondern lediglich deren Vermarktung verkauft habe. Im Juni 1998 schloss K. eine exklusive Übertragung von Weltmeisterschaftsspielen der deutschen Fußballnationalmannschaft in Pay-TV-Sendern ausdrücklich aus.

Über den Filmhandel hinaus investierte die KirchGruppe früh in Produktion und Koproduktion von Filmen und Fernsehserien und diversifizierte konsequent das ursprünglich allein auf dem Programmvertrieb basierende Geschäft. Das Tätigkeitsfeld der Gruppe umfasst inzwischen praktisch alle Produktions- und Verwertungsstufen im Film- und Fernsehbereich: Herstellung, Vertrieb, Senderechte, Synchronisation, Verleih, Video, Merchandising und kommerzielle Fernsehsender. Zentrale Unternehmen der KirchGruppe waren lange Zeit die zwischen 1959 und 1963 gegründete Beta Film GmbH & Co. KG und die Taurus Film GmbH & Co. KG. Dazu kamen die Unitel Film- und Fernsehgesellschaft GmbH & Co. KG, die vor allem klassische Musikprogramme produziert, die Iduna Film GmbH und die NDF Neue Deutsche Filmgesellschaft, alle München. Im Bereich Film- und Fernsehtechnik seien besonders die Betatechnik Ges. f. Filmbearbeitung mbH und die Beta Digital Ges. f. digitale Fernsehdienste mbH, alle München, erwähnt. Über die ISPR Internationale Sportverwertungsgesellschaft mbH, München (50 %) verfügt K. über die Ausstrahlungsrechte an Spielen der Fußballbundesliga. An der Constantin Film Produktion GmbH und an der Constantin Film GmbH & Co. Verleih, beide München, beteiligte sich die Gruppe mit jeweils 49 %. Weitere wichtige Beteiligungen im Bereich des kommerziellen Fernsehens waren 1997: 66,5 % an der Deutsches Sport Fernsehen GmbH, 5,4 % an der Mediaset SpA, Mailand, 25 % an der Gestevisión Tele Cinco S.A., Madrid, 100 % an der DF 1 Gesellschaft für Digitales Fernsehen mbH, München, 25 % an der Premiere Medien GmbH & Co. KG, Hamburg und 40 % an der Teleclub AG, Zürich.

Seinen 45%-Anteil an der italienischen Pay-TV-Gesellschaft Telepiù SpA, Mailand, verkaufte K. im Juli 1997 an die französische Gruppe Canal Plus. Im Bereich des kommerziellen Rundfunks beteiligte sich K. mit 15 % an der Radio Arabella Studiobetriebsgesellschaft mbH, München. Darüber hinaus engagierte sich die KirchGruppe auch im Printmedienbereich. 1985 übernahm sie eine Beteiligung von 10 % am Axel Springer Verlag, die ursprünglich im Einverständnis mit den Verlagserben auf 26 % aufgestockt werden sollte. Über diese Beteiligung und die damit verbundenen Pläne K.s entbrannte eine Auseinandersetzung, die nicht nur Öffentlichkeit und Medien, sondern auch monatelang die Gerichte beschäftigte. Erst 1992 wurde eine Einigung mit der Springer-Erbengemeinschaft über die von K. angestrebte Übertragung der fehlenden 16 % (plus eine) der Aktien auf die KirchGruppe erzielt. Neben der Anerkennung von Aktionärsrechten war es bei der Auseinandersetzung auch um Macht und Einfluss beim privaten Sender SAT.1 gegangen, an dem der Springer Verlag inzwischen mit 40 % beteiligt ist. Erheblich verstärken konnte die KirchGruppe ihre Position beim Springer Verlag durch die Übernahme eines 10%igen Springer-Aktienpaketes von der italienischen Verlagsgruppe Monti. Wie im März 1993 berichtet wurde, erhöhte die KirchGruppe damit ihren Anteil am Springer Verlag auf 36 % plus eine Aktie. Im Juli des gleichen Jahres rückte K. auch in den Aufsichtsrat des Verlagskonzerns ein. K.s andauernde Bemühungen um mehr Einfluss bei Springer wurden u. a. im Aug. 1995 deutlich, als er die Ablösung des "WELT"-Chefredakteurs Thomas Löffelholz forderte. Anlass war ein zustimmender Kommentar zum umstrittenen Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Der als strenggläubiger Katholik bekannte K., der politisch konservativen Positionen zuneigt und seit vielen Jahren dem engeren Freundeskreis um den früheren Bundeskanzler Kohl zugerechnet wird, zeigte sich damals in einem Brief an den Springer-Aufsichtsratsvorsitzenden entsetzt darüber, dass der Artikel die Tendenz des Verlages, die dem christlich-abendländischen Weltbild verpflichtet sei, in gröbster Weise verletzt habe.

Für wiederholte Schlagzeilen sorgte K. mit seinen ebenso hartnäckigen wie konsequenten Bemühungen um eine starke Marktposition im Digital-TV, das als "Fernsehen der Zukunft" die Gemüter zeitweise heftig bewegte. Nachdem im Febr. 1996 Verhandlungen über einen Beitritt der KirchGruppe zu der von Bertelsmann, Telekom, Canal Plus, CLT, ARD und ZDF gemeinsam konzipierten Multimedia-Betriebsgesellschaft (MMBG) gescheitert waren, brachte K. mit Hilfe von Vebacom und Metro eigene Decoder auf den Markt und stellte im Juni des Jahres seinen digitalen Pay-TV-Sender DF1 vor. Unterstützung fand K. bei dem australischen Medien-Tycoon Rupert Murdoch, der über den britischen Sender BSkyB 49 % des DF1-Aktienkapitals übernahm. Mit Blick auf die unternehmerischen Risiken des schwer kalkulierbaren Digital-TV-Geschäftes schloss K. wenig später, im Juli 1996, eine Kooperationsvereinbarung mit dem Bertelsmann-Konzern, der seine Pläne für eine eigene digitale Fernsehplattform aufgab und ankündigte, seine Pay-TV-Angebote über K.s DF1 ausstrahlen zu wollen. Dessen ungeachtet kam es in der Folge zu einem anhaltenden Tauziehen um das Digital-TV zwischen K. und dem Bertelsmann-Konzern.

Skeptische Prognosen über die Erfolgsaussichten von K.s ehrgeizigem und kostspieligem DF1-Projekt schienen sich zu bestätigen, als statt der erhofften rd. 200.000 Kunden bis Ende 1996 nur etwa 30.000 Abonnenten gewonnen werden konnten. Dazu kam, dass sich Murdoch im März 1997 wieder aus der Allianz mit DF1 zurückzog. Wenig später wurde über einen Milliardenkredit an die KirchGruppe berichtet, den die staatliche bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung zusammen mit privaten Bankinstituten aufbringen sollte, der aber als "Finanzspritze für den CSU-Spezi Kirch" so heftig kritisiert wurde, dass K. schließlich auf den Landesanteil des Kredits verzichtete. Im Juni 1997 deutete sich eine neue unternehmerische Weichenstellung an, als die KirchGruppe und die Bertelsmann-Tochter CLT-Ufa eine umfassende Zusammenarbeit beim Digitalfernsehen vereinbarten. Zusammen mit der Telekom einigten sich die Partner wenig später auf Kirch-Decoder als Standardtechnik für die Verbreitung digitaler Programme im Kabelnetz. Durch den Beteiligungsverzicht von Canal Plus konnte K. seinen Anteil am Pay-TV-Sender Premiere auf 50 % erhöhen.

Im Nov. 1997 fiel der Startschuss für das digitale Fernsehen im Telekom-Kabelnetz, wenig später wurden Verträge über die Fusion von Premiere und DF1 unterzeichnet, die dann aber schon im Dez. 1997 wieder in Frage gestellt wurden, weil der EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert eine langwierige Untersuchung der Fusion ankündigte und beiden Unternehmen hohe Bußgelder androhte, falls die Vermarktung der d-box nicht sofort ausgesetzt würde. Eine persönliche Intervention von Bundeskanzler Kohl blieb ohne Erfolg. Dazu kam, dass sich innerhalb des Bertelsmann-Konzerns eine zunehmend skeptische Haltung gegenüber der vom Bundeskartellamt im Jan. 1998 abgelehnten umstrittenen Allianz mit der KirchGruppe abzeichnete. Ende Mai 1998 lehnte die EU-Kommission die digitale Fernsehallianz ab, eine Entscheidung, die mit der marktbeherrschenden Position der beiden Unternehmen beim Programmeinkauf, aber auch mit der Monopolstellung der gemeinsamen Decoder-Technik begründet wurde.

Häufig kolportierte Liquiditätsengpässe der KirchGruppe konnten im selben Monat durch einen Großkredit der Deutschen Bank gemildert werden, für den K. als Sicherheit seinen inzwischen auf 40 % aufgestockten Anteil am Axel Springer Verlag hinterlegte. Ein 1996 gegen K. eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung (in Zusammenhang mit einem Filmgeschäft mit der Schweizer MH Medien Handels AG) wurde im Juli 1998 wieder eingestellt. Die lange Dauer des Ermittlungsverfahrens begründete die Staatsanwaltschaft u. a. mit der mühseligen Durchleuchtung eines "Geflechts von Firmen und möglichen Firmenbeteiligungen" der Kirch-Gruppe. Im Aug. 1998 kündigte K. die Übernahme der 33,5%-Beteiligung der italienischen Fininvest am Sender Deutsches Sportfernsehen (DSF) an, der damit vollständig in den Besitz der KirchGruppe überging. Die Rechte für Videos und digitale Film-CDs an immerhin rd. 5.000 Spielfilmen verkaufte die KirchGruppe im selben Monat an die Kinowelt AG. Damit verlor die Tochterfirma Taurus Video an Bedeutung, während die KirchGruppe insgesamt ihre Konzentration auf das Fernsehen unterstrich.

K.s Bemühungen, den Pay-TV-Sender Premiere gemeinsam und mit gleichen Anteilen zusammen mit dem Bertelsmann-Konzern zu betreiben, scheiterten im Sept. 1998 am Widerspruch des Bundeskartellamtes, dagegen erhielt die KirchGruppe im Oktober des Jahres grünes Licht, ihre Beteiligung am Fernsehsender SAT.1 von 44 auf 59 % zu erhöhen. Im selben Monat vereinbarte die KirchGruppe zusammen mit der italienischen Mediaset von Silvio Berlusconi, eine zunächst auf fünf Jahre ausgelegte Partnerschaft mit der amerikanischen Spyglass Entertainment zur Produktion von Spielfilmen. Mit dem Vertrag erwarben KirchGruppe und Mediaset die Kino-, Video- und Fernsehrechte an allen Spyglass-Spielfilmen für Deutschland, Italien, Spanien, Polen und die Länder der früheren Sowjetunion. Für Aufsehen sorgte im Dez. 1998 der Verkauf eines Programmpaketes von Kinder- und Jugendfilmen für eine halbe Mrd. DM an die EM.TV des früheren Kirch-Managers Thomas Haffa. Außerdem wurde die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens angekündigt, zu dem die KirchGruppe 20.000 Sendestunden Kinder- und Jugendfilme beisteuerte, die ihr weitere 500 Mio. DM einbrachte. Demgegenüber standen hohe Anlaufverluste beim digitalen Abo-Sender DF1 und dem Abonnentensender "Premiere", die Anfang 1999 auf weit über 1 Mrd. DM geschätzt wurden.

Im Jan. 1999 stellte K. eine seit Frühjahr 1998 vorbereitete Neustrukturierung seiner Unternehmensgruppe vor, die offensichtlich das Ziel hatte, neuen Geldgebern den Weg in das Unternehmen zu ebnen und einen späteren Börsengang vorzubereiten, ohne die Kontrolle über die KirchGruppe abgeben zu müssen. Unter dem Dach einer Kirch-Unternehmensstiftung wurde die Gruppe in drei Holdings gegliedert: In die Taurus Film GmbH & Co. KG, die in der KirchMedia KGaA aufging, wurden die Firmen und Beteiligungen und auf dem Gebiet des kommerziellen Fernsehens, des Lizenzhandels, der Programmproduktion und der Filmbearbeitung eingebracht, also die Taurus Lizenz GmbH & Co. KG, die Beta Film GmbH & Co. KG, die ISPR GmbH (50 %), die Cineplast Film GmbH mit DSF GmbH, SAT.1 GmbH (59 %), die spanische Telefinco Group (25 %) und die italienische Mediaset S.p.A. (1,3 %), die Iduna Film GmbH und die Taurus Media-Technik GmbH. In der zweiten Holding, der PayCo Holding GmbH & Co. KG, die in der KirchPay-TV KGaA aufging, wurden die Pay-TV-Geschäfte der Gruppe zusammengefasst, also die Teleclub GmbH, die DF1 GmbH & Co. KG, die Beta Digital GmbH, die Taurus Pay-TV GmbH und die Schweizer Teleclub AG (40 %). Drittes Bein der Gruppe wurde die Taurus Beteiligungs GmbH & Co. KG mit der Taurus Vermögensverwaltungs GmbH, der auch die 40,05 %-Beteiligung an der Axel Springer AG zugeordnet wurde, die Beta Technik GmbH und die Constantin Film GmbH & Co. KG (49 %). Außerdem öffnete die Kirch-Gruppe im Jan. 1999 über eine Programmierschnittstelle das digitale Fernsehen auch für andere Anbieter. K. reagierte damit auf den Vorwurf, er wolle mit dem Monopol der d-box anderen Unternehmen den Zugang zum digitalen Fernsehen blockieren.

K.s Bemühen um potente Partner erwies sich als erfolgreich: Im Frühjahr 1999 beteiligten sich Silvio Berlusconi und der saudische Prinz Al Walid mit jeweils 3,19 % an der KirchMedia KGaA, Berlusconi erwarb außerdem einen 14,45%-Anteil am Privatsender SAT.1. Die KirchMedia KGaA und die Mediaset S.p.A. sind wiederum zu je 50 % an der EUREKA Holding beteiligt, die als Gegengewicht zu den großen amerikanischen Medienkonzernen auf dem kontinental-europäischen Fernsehmarkt gedacht ist. Ein drittes Paket an der KirchMedia KGaA (3,1 %) wurde im Mai des Jahres an die Merchant-Bank Lehman Brothers verkauft. Zuvor hatte K. im März des Jahres für 1,6 Mrd. DM (bis auf 5 %) die Bertelsmann-Beteiligung am Pay-TV-Sender Premiere übernehmen und damit praktisch ein Monopol im deutschen Pay-TV erringen können, zumal das Bundeskartellamt wenig später der Übernahme des Senders durch die KirchGruppe zustimmte. Im Mai 1999 kündigten die Kirch-Gruppe und Berlusconi ihre Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Wildwood Enterprises des amerikanischen Schauspielers Robert Redford an. Einige Beachtung fand im August des Jahres auch der Börsengang der Kirch-Beteiligung Constantin Film AG, an der sich die EM.TV & Merchandising AG mit 25 % beteiligte. Ebenfalls im Aug. 1999 kaufte die KirchGruppe die von Günter Netzer geleitete Sportagentur CWL, die viele Übertragungsrechte besitzt. Im Febr. 2000 wurde ein mehrheitlicher Einstieg der Deutsche Telekom AG bei der Kirch-Tochter Beta Research angekündigt. Wie es hieß, soll Beta Research für beide Partner die Technologie-Plattform entwickeln, um das Fernsehen via Kabelnetz und mit Hilfe der d-box ins Internet zu bringen.

Im Aug. 1999 gab die KirchGruppe erstmals offizielle Zahlen für ein Geschäftsjahr bekannt. Danach wies die Sub Holding KirchMedia 1998 einen konsolidierten Umsatz von 3,7 Mrd. DM und ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 134 Mio. DM aus. Wie es hieß, befanden sich 1998 - mit Ausnahme des Sportsenders DSF - alle Kirch-Media-Unternehmen in den schwarzen Zahlen. Im Oktober des Jahres einigten sich die KirchGruppe und die Mediaset von Silvio Berlusconi nach langen Verhandlungen über eine Struktur ihres Fernseh-Joint Ventures, ohne dies allerdings vertraglich festzuschreiben. Die neue Gemeinschaftsholding erhielt den Namen 2000 Epsilon Mediagroup. Wenige Wochen später gründeten der Axel Springer Verlag, das Deutsche Sportfernsehen (DSF), der Fernsehsender SAT.1 und die Intermediahouse.com AG die neue Sport 1 GmbH & Co. KG, die im Verlaufe des Jahres 2000 an die Börse gebracht werden soll. Die bis dahin getrennten Anteile von K. (SAT.1) und seinem Sohn Thomas (Pro7, Kabel 1) gingen im Okt. 1999 in der KirchMedia KGaA auf.

Gelegentlich aufkommende Gerüchte über finanzielle Engpässe der Kirch-Gruppe erhielten im Nov. 1999 neue Nahrung, als berichtet wurde, dass die KirchPay-TV GmbH & Co. KGaA für den Ausbau der neuen Plattform Premiere World, in der die Sender Premiere und DF1 vereint wurden, einen Bank-Kredit von 3 Mrd. DM aufgenommen hatte. Kreditgeber waren die Chase Manhattan Bank (1,5 Mrd. DM) und ein deutsches Bankenkonsortium unter Führung der DG-Bank, der Hypo Vereinsbank und der Bayerischen Landesbank (1,5 Mrd. DM). Weiter abgesichert wurde das Engagement der KirchGruppe im Bezahlfernsehen durch eine 24%ige Beteiligung der British Sky Broadcasting (BSkyB) des Medienunternehmers Rupert Murdoch an der KirchPay-TV KG, der Dachgesellschaft von Premiere World. Wie es hieß, zahlte BSkyB rd. 2,5 Mrd. DM, davon allerdings nur 1 Mrd. DM in bar, den Rest in BSkyB-Aktien. Außerdem bestand BSkyB auf einer Ausstiegsklausel für den Fall, dass sich Premiere World schlechter als erwartet entwickeln sollte. Tatsächlich werden K.s unternehmerische Chancen im Bezahlfernsehen von neutralen Experten, nicht zuletzt wegen der hohen Abo-Gebühren, nach wie vor skeptisch beurteilt. Im Jan. 2000 kündigte die KirchGruppe eine Mehrheitsübernahme der KG Hamburg 1 Fernsehen Beteiligungs GmbH & Co. an, um ihre Medienpräsenz in der norddeutschen Metropole zu verstärken.

Zum 1. April 2000 kam es zu einer weiteren Neustrukturierung der Geschäftsführung im Gesamtkonzern. Die Kirch Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG wurde zur zentralen Holding aller Gruppenaktivitäten und firmiert seither als KirchHolding. Die bisherigen Geschäftsführer der Kirch-Media GmbH & Co. KGaA, Dieter Hahn, Jan Mojto und Klaus Piette traten in die Geschäftsführung der KirchHolding ein und übernahmen dort unter dem zuvor alleinigen Geschäftsführer K. die Führung der gesamten Unternehmensgruppe; sie verantworten seither sämtliche operativen und strategischen Bereiche mit ihren drei Dachgesellschaften sowie rd. 50 Unternehmen und Beteiligungen, und zwar verantwortet Jan Mojto die KirchMedia GmbH & Co. KGaA, Dieter Hahn die KirchPay-TV GmbH & Co. KGaA und Klaus Piette die KirchBeteiligungs GmbH & Co. KG. Jeder der neuen Konzerngeschäftsführer ist außerdem für eine von drei Querschnittsfunktionen für die gesamte Gruppe zuständig: Dieter Hahn für Kommunikation, Multimedia und Sport, Jan Mojto für Programm und Klaus Piette für Unternehmensplanung und Konzernstruktur. Zusätzlich wurde zum 1. April 2000 Manfred Puffer in die Geschäftsführung der KirchHolding berufen und übernahm dort die Verantwortung für den weiteren Querschnittsbereich Finanzen und Controlling. Vorsitzender der Geschäftsführung in der KirchHolding ist weiterhin K., der auch Geschäftsführer der drei Dachgesellschaften bleibt. Dieter Hahn ist sein Stellvertreter in der Geschäftsführung der KirchHolding.

Zusammen mit dem deutschen Bertelsmann-Konzern, der im April 2000 seine Fernsehinteressen mit denen des britischen Verlagshauses Pearson vereinte, kontrolliert die KirchGruppe inzwischen weitgehend den europäischen TV-Markt. Es wird angenommen, dass sich die einzelnen Kirch-Sender früher oder später zu einer "Fernsehfamilie" zusammenfinden werden.

Literatur

Literatur: Michael Radtke, "Außer Kontrolle. Die Medienmacht des Leo Kirch" (1997).
Gerhard Naeher, „Der Medienhändler. Der Fall Leo Kirch. 1989.


Auszeichnungen

Auszeichnung: Im Okt. 1996 wurde K. von den Veranstaltern des Internationalen Marktes für Fernsehprogramme (Mipcom) in Cannes als die "herausragende Persönlichkeit der audiovisuellen Medien der vergangenen 40 Jahre" mit einem Pokal geehrt.

Familie
K
. ist verheiratet und hat einen Sohn Thomas, der an der KirchMedia KGaA beteiligt ist, aber nicht als potenzieller Nachfolger seines Vaters an der Spitze des Medienkonzerns gilt. Über das Privatleben des extrem öffentlichkeitsscheuen K. ist wenig bekannt. K.s privates Vermögen wurde 1999 vom Wirtschaftsmagazin "Forbes" auf rd. 5 Mrd. US$ geschätzt.

Adresse
KirchGruppe, Robert-Bürkle-Str. 2, 85737 Ismaning; Tel.: 089/9956-0

Aus: Internationales Biographisches Archiv 19/2000 vom 01.05.2000
http://www.ftd.de/db/mu/7242715.html
Anmerkung: Am 8.4.2002 beantragte Kirch Insolvenz beim Amtsgericht München.


Knauf-Familie 1,1 Mrd. Euro (1996) (2002: 2,1 Mrd. Euro)
Baldwin und sein Vetter Nikolaus Knauf leiten die Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke im bayerischen Iphofen, Europas größter Hersteller von Kalk, Gips und anderen Baumaterialien.

Leibbrand-Familie 1 Mrd. Euro (1996) (2002: ?)
Die Einzelhandelskette Leib brand wurde Ende der 80er Jahre vom Rewe-Konzern übernommen. Das Vermögen von Willi Leibbrand ging nach seinem Tod auf seine Frau Heidrun und seine Geschwister Albert und Lore über. Die Willi Leibbrand KG hält 100 % der Offenbacher Lederfabrik Goldpfeil.

Mann, Hugo und Familie 1,5 Mrd. Euro (1996) (2002: 1,6 Mrd. Euro)
Besitzer von Mann Mobilia und Wertkauf. Hugo und Johanna Mann sind Geschäftsführer der Mann GmbH, Karlsruhe.

Merck-Familie und H.-J. Langmann 4,8 Mrd. Euro (1996) (2002: ?)
Die Darmstädter Familie Merck hält über die Gesellschaft E. Merck 74 % der Merck KGaA, die in den Bereichen Pharmazie, Arzneimittel, Reagenzien, Laborgeräte und Chemikalien tätig ist und zahlreiche in- und ausländische Beteiligungen hat. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung Hans-Joachim Langmann (72) ist mit einer Merck-Erbin verheiratet. Die 50 Gesellschafter der E. Merck gehören zum engeren Familienkreis. Sie wählen einen elfköpfigen Familienrat. Dieser bestimmt den neunköpfigen Gesellschafterrat, dem auch externe Personen angehören. Familien- und Gesellschafterrat treffen die strategischen Vorgaben für die Geschäftsleitung. Umsatz 1995: 6,2 Mrd. DM, Gewinn: 368,5 Mio. DM, Beschäftigte: 27762.
Der Vorstandsvorsitzende Bernhard Scheuble sagte am Donnerstag: "Dieses Unternehmen wird auf mittlere Sicht ein Familienunternehmen bleiben." Er prognostizierte auch das beste Jahresergebnis in der 333-jährigen Firmengeschichte. Merck ist zu 74 Prozent in Familienbesitz, der Rest ist seit 1995 an der Börse notiert.
Die Nummer drei unter den deutschen Pharmakonzernen gilt manchem Branchenexperten als zu leicht für die in der Branche benötigte kritische Masse. Vor allem die Schlagkraft auf dem US-Markt bleibe damit zu gering. Doch dort erzielt Merck immerhin schon 44 Prozent seiner Umsätze.
Zudem beugt sich der Konzern nicht dem Branchentrend, Pharma- und Chemiesparten zu trennen. "Es wird ein Mischunternehmen mit Pharmaschwerpunkt bleiben", so Scheuble. Merck erzielt knapp 80 Prozent des operativen Gewinns mit Medikamenten. Der Schwerpunkt liegt bei Präparaten zur Behandlung der Zuckerkrankheit und von Krebs. Darunter befindet sich der Verkaufsschlager Glucophage, ein Diabetes-Mittel, das im dritten Quartal mit 831 Mio. Euro etwas weniger als die Hälfte des Konzernumsatzes erzielte. Noch tragen die Sparten Labor- und Spezialchemie mehr als die Hälfte zum Konzernumsatz bei. "Dieses Unternehmen wird künftig einen klaren Pharmaschwerpunkt haben", sagte Scheuble. "Priorität hat das Geschäft in den USA." Dort werde es zu weiteren Allianzen mit Pharma- und Biotech-Unternehmen bei Krebsmedikamenten kommen. "Wenn es nötig ist, schließe ich auch eine Kapitalerhöhung nicht aus, um flexibel zu sein", sagte Scheuble. ...
 Im abgelaufenen Quartal setzte das Unternehmen die Serie guter Ergebnisse in diesem Jahr fort. Der operative Gewinn ist um 51,6 Prozent auf 292,8 Mio. Euro gestiegen. Der Umsatz legte um 14 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro zu. "Nachdem wir das dritte Rekordquartal in Folge hinter uns haben, erwarte ich auch im Gesamtjahr zweistellige Wachstumsraten", sagte Scheuble bei der Präsentation der Ergebnisse in London. Analysten erwarten nun im Einklang mit den konzerneigenen Schätzungen einen Jahresumsatz zwischen 7 und 7,5 Mrd. Euro. Allerdings wird die Sparte Spezialchemie, die stark auf das Geschäft mit Flüssigkristallen baut, im vierten Quartal erneut leicht sinkende Geschäftsergebnisse bringen. Hier sank die Geschäftsmarge dramatisch von 22 auf 8 Prozent. Hierin macht sich der Abschwung im Hightech-Sektor bemerkbar, den Merck beliefert.
Die Umsätze für den Verkaufsschlager Glucophage sind im Quartal noch einmal um 42 Prozent geklettert. Da der Patentschutz für das Medikament bereits abgelaufen ist, aber noch keine Nachahmerprodukte auf dem Markt sind, konnte die operative Marge in der Pharmasparte auf 26 Prozent ausgedehnt werden. "Wir erwarten die ersten Nachahmer in einigen Monaten", sagte Vorstandsmitglied Matthew Emmens. Die Merck-Aktie stieg leicht auf 44,99 Euro. FTP, 26.10.2001.

Merckle, Adolf und Familie 2,7 Mrd. Euro (1996) (2002: 3,5 Mrd. Euro)
Besitzer von Phoenix Pharmaziehandel, der ein Drittel des deutschen Marktes kontrolliert, und von Ratiopharm, dem Hersteller von preisgünstigen Pharmazieartikeln. Adolf Merckle (63) und seine Frau Ruth aus Blaubeuren bei Ulm halten 11 % von Heidelberger Zement und einige Industriebeteiligungen. Die Familie betreibt zusammen mit dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen die Fürstliche Hohenzollersche Werke Lauchertal GmbH & Co, KG in Sigmaringen, die zahlreiche mittlere Betriebe der Metallindustrie betreibt. Merckles Sohn Ludwig rückte 1997 in die Geschäftsführung nach.

Mohn, Reinhard und Familie 2 Mrd. Euro (1996) (2002: 5,7 Mrd. Euro)
Reinhard Mohn (75) hält 2,6 % und die Familie 17,9 % am zweitgrößten Medienkonzern der Welt, der Bertelsmann AG, Gütersloh. 68,8 % liegen bei der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung. Mohn ist deren Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der AG. Der Konzern ist in allen Segmenten des internationalen Medienmarktes tätig: Bücher (Berteismann Club und Verlage), CD- und Tonträgerfirmen (RCA, Ariola u.a.), Privatfernsehen (RTL, Premiere, RTL 2, Vox u.a.). Zeitschriften (Gruner & Jahr). Bertelsmann betreibt auch eine der größten Druckereien, die Mohndruck in Gütersloh. Umsatz 1995: 20,5 Mrd. DM, Gewinn: 817 Mio. DM, Beschäftigte: 57397 weltweit und 33116 in Deutschland.
Bertelsmann ist einer der fünf größten Medienkonzerne der Welt, der zweitgrößte in Europa, hinter Vivendi Universal aus Frankreich. Die Geschäftsfelder reichen vom weltgrößten Buchverlag Random House über Europas größten Fernsehsender RTL bis zur Bertelsmann Music Group, die eine der fünf Großen im Musikgeschäft ist. Auch an der Financial Times Deutschland ist Bertelsmann über die Verlagstochter Gruner+Jahr zu 50 Prozent beteiligt, die restlichen 50 Prozent hält die britische Pearson-Gruppe.
Doch bei aller Größe des Konzerns sind sich Middelhoffs Kritiker und Fürsprecher einig: Derzeit ist Bertelsmann nicht fit für den Gang an die Börse.
Ein Manager des Konzerns, der schon Erfahrungen bei einem börsennotierten Unternehmen gemacht hat, vergleicht Bertelsmann mit der britischen BBC: Voll von Leuten, die ein Weltunternehmen führen wollen, ohne jemals aus ihrem Land herausgekommen zu sein.
Eine andere Bertelsmann-Führungskraft berichtet, das Unternehmen werde von einem Konflikt zwischen der deutschen und der amerikanischen Fraktion gespalten: "Da sind all die Leute drüben in Gütersloh, die aus ihrem Fenster auf Felder und Schafe schauen und glauben, sie verstünden die Denkweise an der Wall Street", sagt ein Mitarbeiter von Bertelsmann in seinem Büro am New Yorker Times Square.
Auch die finanziellen Grundstärke des Konzerns wird bezweifelt: "Noch vor fünf oder sechs Monaten hatte Bertelsmann mythische Qualität. Der Konzern war drauf und dran alles und jeden zu kaufen", sagt ein Analyst: "Inzwischen sagen die Leute, ‚Meine Güte, ich wusste gar nicht, dass die Ebita-Spanne so klein ist’."
Middelhoff räumt ein, dass viel zu tun ist: "Wir ändern die Organisation, wir ändern den Führungsstil, wir ändern die Unternehmenskultur."
Dazu hat er hat das "Excellence-Programm" aufgelegt, das die Kosten senken und die Effizienz steigern soll, um die Umsatzrendite in den nächsten drei Jahren von sechs auf zehn Prozent zu treiben. ...
Bertelsmann dürfte im Geschäftsjahr bis Ende Juni knapp über 41 Mrd. DM Umsatz verbuchen. Das würde den Umsatz des gesamten vergangenen Geschäftsjahres ( 32,5 Mrd. DM) um 25 Prozent übertreffen.
Mit solchen Umsätzen passt Bertelsmann gut in die Gruppe der fünf größten Medienkonzerne der Welt - seine Sechs-Prozent-Rendite im operativen Geschäft aber nicht.
"Die Spanne liegt deutlich unter dem Branchendurchschnitt", sagt ein Analyst: "Einerseits könnte man sagen, der Konzern ist nicht gut geführt worden - oder aber er hat enormes Steigerungspotenzial."
Hinzu kommt, dass die Bertelsmann-Bilanz schwer zu deuten ist: Middelhoff strukturiert den Konzern in drei große Bereiche um: Inhalte, Dienstleistung und Direktkundengeschäft. Die Zahlen der Konzerntöchter des vergangenen Jahres sind deshalb nicht direkt vergleichbar mit den diesjährigen. Noch schwieriger wird der Vorjahresvergleich dadurch, dass beschlossen wurde, das Geschäftsjahr künftig mit dem Kalenderjahr zusammenzulegen. "Die Zahlen von Bertelsmann bewirken immer mildernde Umstände", sagt ein Londoner Analyst dazu. ...
Ein näherer Blick auf die Konzerntöchter liefert aber noch immer ein sehr durchwachsenes Bild. Die Bertelsmann Music Group (BMG) wird in diesem Jahr wahrscheinlich Verlust machen, zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Sie ist schon verschlankt worden aufs reine Geschäft mit Tonträgern. Nach Middelhoffs Worten hat das reine Musikgeschäft, ohne die CD-Produktion und den Betrieb von Musikklubs, im Durchschnitt in den vergangenen 15 Jahren immer nur zwei Prozent Umsatzrendite gebracht. Das operative Geschäft ist profitabel, sagt Middelhoff. Aber wegen der Umbaukosten und Ausgaben fürs Internetgeschäft in Höhe von 250 Mio. bis 300 Mio. DM, wird die BMG wohl Verlust verbuchen. Für nächstes Jahr erwartet Middelhoff eine Umsatzrendite von fünf Prozent, 2003 sollen es acht Prozent sein.
Die Konkurrenz im Musikgeschäft, die mit viel Mühe ihre Margen verbessert haben, sind skeptisch, ob es BMG gelingt, die Profitabilität in solchen Riesenschritten zu steigern. Musikmanager in New York, wo BMG seinen Hauptsitz hat bezweifelt auch, ob Rolf Schmidt-Holtz, der keine Erfahrung im Musikgeschäft hat, als BMG-Chef geeignet ist.
"Ich habe mich vor kurzem mit dem Betriebsrat von BMG getroffen. Die waren begeistert von Rolf", hält Middelhoff dagegen: "Sie sagen, jetzt hätten sie zum ersten Mal einen, der wirklich im Musikgeschäft steckt und sich dahinter klemmt, dass es läuft." ...
 Auch das Buchgeschäft von Bertelsmann ist nur zum Teil erfolgreich: Der Verlag Random House habe seine Leistung merklich verbessert, sagt Middelhoff. Die Gewinnspanne lag im vergangenen Jahr bei etwa sieben Prozent, in diesem Jahr soll sie etwa elf Prozent erreichen bei einem angenommenen Umsatz von 2,5 Mrd. USD, aus dem sich ein Gewinn von rund 300 Mio. USD ergäbe.
Problematisch sind dagegen die Buchclubs, die einst die Goldesel des Unternehmens waren. Hochgerechnet aus der Leistung der anderen Teile des Buchgeschäfts, haben die Clubs im vergangenen Jahr mehr als 195 Mio. DM Verlust gemacht. In diesem Jahr, sagt Middelhoff, lägen sie knapp in den schwarzen Zahlen.
Rechnet man jedoch einmalige Ausgaben mit ein, ergibt sich für die Club-Sparte noch immer ein Minus: Bertelsmann steckt 120 Mio. USD in neue Computerprogramme für die Buchclubs. Hinzu kommen Investitionen in das Internet und in neue Nischen-Buchclubs, etwa für Fliegenfischer oder schwarze Leser in den USA. Alles zusammen ergibt wohl Kosten von 390 Mio. DM, die die Buchclubs in der Verlustzone stecken lassen. Middelhoff ist optimistisch: Er glaubt, die Buchclubs könnten ihre Umsatzrendite genauso rasch steigern wie die BMG.
Die vom "Excellence-Programm" geforderten zehn Prozent Rendite werden jedoch schwer zu erreichen sein. Klaus Eierhoff leitet das Direktgeschäft von Bertelsmann, zu dem die Buchclubs gehören: "Wenn man aus einer Situation kommt wie wir bei den Buchclubs, nämlich rote Zahlen, dann kann man natürlich nicht zu viel erwarten. Wir haben vor in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Umsatzrendite von sechs bis acht Prozent zu schaffen. Die zehn Prozent können wir nur langfristig erreichen."
Andere Geschäftsbereiche liegen bereits klar über diesem Schwellenwert. Gruner+Jahr könnte in diesem Jahr zwar etwas schwächer als im Vorjahr abschneiden, befindet sich aber komfortabel über zehn Prozent.
Auch der europaweite Sender RTL glänzt mit einer Umsatzrendite von 13,7 Prozent im vergangenen Jahr. Die soll weiter steigen, obgleich die Gewinne dieses Jahr leicht rückläufig sein könnten. Bertelsmann ist an RTL wesentlich beteiligt, Pearson hält eine Minderheitsbeteiligung. ...
An der Spitze von Bertelsmann besteht Konsens, dass sich der Weg an die Kapitalmärkte der Welt lohnt. Der Konzern bekomme dadurch die Mittel für Übernahmen und den inneren Antrieb, die Betriebsleistung zu verbessern.
Auch Londoner Analysten glauben an den Erfolg, vorausgesetzt Middelhoffs Excellence-Programm greife. Medienanalyst Nick Bertolotti von JP Morgan Chase meint: "Die Anleger würden Bertelsmann schon jetzt kaufen. Aber er [Middelhoff] muss die Gewinnspanne verbessern, um für Bertelsmann das Beste herauszuholen." ...
Das muss Middelhoff nun nur noch seinem Konzern beibringen. Dort hat das Bertelsmann-Excellence-Programm, im Konzern-Jargon "Bex" genannt, Bedenken geweckt: So sehen viele die Unternehmenswerte in Gefahr. Der Konzern ist nach dem Krieg von Reinhard Mohn wieder aufgebaut worden. Mohn wird oft als der Gründer des modernen Bertelsmann-Konzerns bezeichnet. Er ersann den Konzern neu um einige Kerngrundsätze, die so genannten Bertelsmann-Essentials: eine Unternehmenskultur, die auf Partnerschaft mit dem Unternehmen beruht, zentrale Führung - aber dezentrale Organisation und einen Sinn für Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. FTP, 18.6.2001.

Die Bertelsmann-Stiftung teilte am Freitag in Gütersloh mit, der 80-Jährige werde am 1. Oktober den Vorsitz des Kuratoriums und des Präsidiums der Bertelsmann-Stiftung sowie den Vorsitz der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) an den Konzernmanager Gunter Thielen abgeben. Mohn bleibt aber ordentliches Mitglied des Kuratoriums und des Präsidiums.
"Ich habe in der Bertelsmann-Stiftung noch viel vor. Die operative Leitung der Stiftung gehört aber jetzt in jüngere Hände. Ich möchte meine Kräfte schonen", begründete der 80-jährige Unternehmer den Schritt. Die von Mohn gegründete Bertelsmann-Stiftung ist die größte Unternehmensstiftung Deutschlands. Ihr gehört die Mehrheit an dem Gütersloher Medienriesen. Mit einem Etat von rund 125 Mio. DM (64,1 Mio. Euro) und über 270 Mitarbeitern soll sie als Reformwerkstatt für Staat und Gesellschaft dienen.
Es ist bereits das zweite Mal, dass der Patriarch die Leitung der Stiftung in andere Hände legt. Beim ersten Mal hatte Mohn den früheren Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner die Leitung der Stiftung übergeben. Doch legte der im Oktober vergangenen Jahres sein Amt nieder und Mohn übernahm selbst noch einmal die Leitung der Stiftung. Mit Thielen, der noch bis zum 31. August 2002 Vorstandschef der Bertelsmann-Tochter Arvato ist, glaubt Mohn nun offenbar einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben. "Die Kontinuität bei Bertelsmann ist bestmöglich geregelt. Es gibt keinen Grund, noch länger zu warten", meinte er jedenfalls. FTP, 24.8.2001.
Die Hauptversammlung wählte am Montag in Gütersloh Liz Mohn, Mitglied im Präsidium der Bertelsmann Stiftung und Gesellschafterin der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH (BVG), sowie André Desmarais und Gilles Samyn in das Aufsichtsgremium des Medienkonzerns. Über Grunar + Jahr ist Bertelsmann an der FTD beteiligt.
Desmarais und Samyn vertreten den neuen Bertelsmann-Gesellschafter Groupe Bruxelles Lambert (GBL), der vor wenigen Monaten im Tausch für den 30-Prozent-Anteil an der RTL Group 25 Prozent stimmberechtigter und 0,1 Prozent stimmrechtsloser Bertelsmann-Aktien erworben hatte. Mit Liz Mohn ist ein weiteres Mitglied der Familie Mohn in eine Aufsichtsratsfunktion bei Bertelsmann berufen worden. Reinhard Mohn, Ur-Ur-Enkel des Unternehmensgründers Carl Bertelsmann, ist Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates. FTP, 2.7.2001.

„In Europas größtem Medienkonzern wird auf lange Sicht wieder die Familie Mohn das Sagen haben. Nachdem Konzernpatriarch Reinhard Mohn am Sonntag in einem Zeitungsbeitrag angekündigt hat, dass die Macht der Familie noch ausgeweitet werden soll, kehrt Bertelsmann nach Jahrzehnten zum Prinzip der dynastisch geführten Familienfirma zurück.
Die wichtigsten Positionen auf der Eigentümerseite wurden schon seit einem halben Jahr verstärkt mit Mitgliedern der Familie besetzt. Nun hat Mohn angekündigt, dass der neue Einfluss auch formal viel stärker abgesichert werden soll: Es seien "rechtliche Lösungen geplant, welche gewährleisten, dass alle wichtigen Entscheidungen (...) nur mit der Zustimmung der Familienvertreter erfolgen können", schreibt Mohn. Die führende Rolle werde dabei seine Ehefrau Liz Mohn übernehmen.
Das bedeutet eine vollständige Kehrtwende: Ursprünglich hatte Mohn in den 70er Jahren mit eben jenem Konzept gebrochen, nachdem die Rechte der Eigentümerfamilie im Unternehmen Priorität haben und auf die Familienangehörigen als Erben übergehen. Mohn hatte damals unter dem Eindruck vieler gescheiterter Firmenübergänge argumentiert, das dynastische Prinzip diene nicht dem Wohl der Firma. Daher hatte Mohn den Einfluss seiner Erben auf die Firma nach seinem Tod praktisch verhindern wollen. Seine Unternehmensanteile hatte er zum Großteil einer Stiftung übertragen. Von den Eigentümerrechten wurden über eine spezielle Konstruktion sowohl Familie wie Stiftung weitgehend ausgeschlossen. Mohn selbst schreibt, es gehe nun um den Versuch, "die ursprüngliche erfolgreiche Form unternehmerischer Führung wieder zu beleben".
Die Rückbesinnung Mohns auf das von ihm einst verworfene Konzept bedeutet eine Kampfansage an den Minderheitsaktionär. Denn 2001 hatte Mohn unter dem Druck des damaligen Vorstandschefs Thomas Middelhoff einen Anteil von 25,1 Prozent (Stimmrechte: 24,9 Prozent) der Finanzholding GBL des belgischen Investors Albert Frère übertragen. Verknüpft mit diesem Geschäft wurde die Zusage, dass Bertelsmann bis 2005 an die Börse geht, wo die GBL ihr Aktienpaket platzieren darf. (...)
Mohn könnte den Gegensatz zwischen GBL und den künftigen Vertretern der Mehrheitseigner lösen, indem er das Paket der Belgier zurückkauft. Allerdings müsste er dazu mehrere Milliarden Euro aufbringen. Die Kehrtwende bei Bertelsmann hatte sich bereits abgezeichnet, als im Sommer der stark an Börsen- und Gewinnchancen orientierte Middelhoff abgelöst wurde. Schon damals hatte Liz Mohn eine entscheidende Rolle gespielt. Mit zunehmender körperlicher Schwäche Mohns hatte sie ihren Einfluss bereits ausgebaut.
Der gestärkte Einfluss wird wahrscheinlich umgesetzt, indem Mohn-Tochter Brigitte den Einfluss der Familie in der Eigentümergesellschaft BVG stärkt, wo als Vorsitzende bereits Liz Mohn und als Mitglied Sohn Christoph sitzt. Die drei Familienmandate sollen in der Folge auch formal abgesichert werden.“ aus: FTD vom 10.2.2003

Text in Kursiv aus: Financial Times Deutschland, div. Ausgaben.
Text in Normalschrift aus: Beck, Dorothee/Meine, Hartmut: Wasserprediger und Weintrinker. Wie Reichtum vertuscht und Armut verdrängt wird. Göttingen 1997.
Zahlen für 2002 (Januar) aus: Manager Magazin.