Milliardäre
in Deutschland
J -
M
Jahr-Familie 1,3 Mrd. Euro (1996) (2002: 2,3 Mrd.
Euro)
Die alteingesessene Hamburger Verleger-Familie besitzt 25 %
des Gruner & Jahr Verlages (Der Rest gehört Bertelsmann). Aktiv sind
John Jahr (63) und seine drei Geschwister Michael Alexander und Angelika
Jahr-Stilken. Im Verlag erscheinen u.a. Stern, Brigitte, Frau im Spiegel,
Eltern, Geo, Capital und TV-Today. Umsatz 1996/97: 4,73 Mrd. DM,
Betriebsergebnis: 660 Mio. DM, Überschuss 1995: 242 Mio. DM. Aus der
Familie Jahr sitzt Angelika Jahr im G+J-Vorstand. Sie ist Herausgeberin
und Chefredakteurin von G+J-Titeln wie "Schöner Wohnen", "Essen +
Trinken", "Marie Claire" und "Living at home". Ihr Vater hatte die
Verlegerdynastie 1924 mit der Zeitschrift "Sportchronik" begründet. Nach
dem Zweiten Weltkrieg folgten Magazine wie "Constanze", die in der
"Brigitte" aufging, "Capital" und "Schöner Wohnen." Diese Titel sind noch
heute Aushängeschilder von G+J. Der Name Jahr blieb erhalten, als sich
1965 drei Unternehmen in Hamburg zusammenschlossen: der
Henri-Nannen-Verlag von Gerd Bucerius, der Constanze-Verlag von Jahr
senior und die Druckerei von Richard Gruner. Zur Jahr-Gruppe gehören heute
Unternehmensbeteiligungen und Immobilien. FTP, 14.6.2001. An Gruner +
Jahr ist Bertelsmann mit 74,9 Prozent beteiligt, die Jahr Holding mit 25,1
Prozent. Der europaweit führende Hamburger Zeitschriftenverlag gibt mehr
als 100 Magazine und Zeitungen in 13 Ländern heraus und verzeichnete im
Geschäftsjahr 1999/2000 (30. Juni) bei Umsätzen von rund 5,7 Mrd. DM einen
Jahresüberschuss vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 753 Mio. DM. Gruner +
Jahr ist zu 50 Prozent Eigner der Financial Times Deutschland.
... "Der Vorstand von
Gruner + Jahr führt die Geschäfte eigenständig und ausschließlich im
Interesse der Gesellschaft. Er unterliegt nicht Weisungen der
Gesellschafter", heißt es in der Mitteilung. Auch Bertelsmann-Chef Thomas
Middelhoff sagte in einem unternehmensinternen Interview die Rolle von
Kundrun: "Bertelsmann steht hundertprozentig hinter seinen Entscheidungen
und hinter seiner Unternehmenspolitik." Im Zusammenhang mit Plänen von
Bertelsmann über einen Börsengang in den nächsten drei Jahren hatte das
Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die Meinung von Investmentbanken
wiedergegeben, die sich an teils komplizierten Eigentumsverhältnissen in
Ablegern des Konzerns und Vetorechten von Minderheitsgesellschaftern
störten. Daraufhin hatte die Jahr-Familie bereits öffentlich klargestellt,
sich nicht von ihren Anteilen trennen zu wollen. "Es gibt weder
Überlegungen noch Gespräche, die darauf abzielten, Anteile der Familie
Jahr zu übernehmen", erklärte Middelhoff. "Unsere Begierde, dafür viel
Geld in die Hand zu nehmen, ist ohnehin gering." In den vergangenen
Wochen war wiederholt spekuliert worden, Bertelsmann wolle das
Zeitungs-Engagement von Gruner+Jahr mit der deutschen WAZ-Gruppe oder mit
der britischen Pearson Group gegen Anteile an der gemeinsam gehaltenen RTL
Group tauschen. Gruner+Jahr hatte diese Spekulationen zurückgewiesen und
sich zu dem gemeinsamen Engagement bei der "Financial Times Deutschland"
mit Pearson und den Regionalzeitungen wie der "Berliner Zeitung" bekannt.
... FTP, 14.6.2001.
Kipp, Karl-Heinz und Familie 2,4 Mrd.
Euro (1996) (2002: 1,8 Mrd. Euro) Kipp gründete den
Verbrauchermarkt Massa, verkaufte aber Mitte der 80er Jahre für über 1
Mrd. an Metro. Die Massa-Immobilien gehören dem Clan noch und bringen bis
ins Jahr 2015 mehr als 100 Millionen Mark garantierte Pachteinnahmen.
Karl-Heinz Kipp lebt steuersparend in der Schweiz und investiert dort in
Luxushotels (z.B. Grandhotel Tschuggen in Arosa). Er teilt sich den
Immobilienbesitz, zu dem auch vier Wolkenkratzer mit über 100 000 qm
Bürofläche in New York gehören, mit seiner Tochter Ursula L.
Bechtolsheimer und zahlte seinen Sohn Ernst-Ludwig aus, der mit seiner
Familie als Aussteiger und Erfinder in Florida lebt.
Kirch, Leo
und Familie 2,4 Mrd. Euro (1996) (2002: 1,0 Mrd. Euro) Kontrolliert
mehrere Privatsender, neue digitale Kanäle und besitzt die Rechte an
unzähligen Spielfilmen und Fernsehserien. Geschäftsbeziehungen zu
Metro-Besitzer Otto Beisheim. Sein Sohn Thomas Kirch managt den Sender Pro
7. Der »Medien-Mogul« (70) besitzt 40,4 % am Axel Springer Verlag, ist
Mitglied im Aufsichtsrat und hat damit Einfluss auf zahlreiche
Tageszeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Hörfunksender sowie
Buchverlage. Zusammen mit Bertelsmann und der WAZ-Gruppe beherrscht er den
Pay-TV-Sender Premiere. Der Münchner
Medienmogul Leo
Kirch , erreichte mit 12
Mrd. USD immerhin noch Rang 20. FTP, 22.4.2001. „Kirch hat Schulden von Schulden von mindestens 7,
vielleicht sogar 12 Mrd. DM. Die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 900
Mio. DM an die Dresdner Bank steht bevor. Sie schritten nicht einmal mit
einem Dementi ein, als in den Schlagzeilen das Kirch-Imperium, zu dem
neben der größten Spielfilmbibliothek der Welt mittlerweile auch die
TV-Sender Sat 1 und Pro Sieben, die Pay-TV-Plattform Premiere, die
Mehrheit an der Formel 1 und 40 Prozent an Europas größtem Zeitungsverlag
Springer gehören, vom mächtigsten Fernsehkonzern Deutschlands zum
Übernahmekandidaten degradiert wurde.“ Branchenbeobachter weisen darauf
hin, dass Kirch schon oft in der finanziellen Bredouille war. Seit er 1956
als frisch promovierter Mathematiker in Rom die deutschen Rechte für "La
Strada" gekauft und mit dem Fellini-Film den Grundstein für sein Imperium
geschaffen hatte, habe Kirch "doch immer kurz vor dem Bankrott gestanden,"
meint ein langjähriger Kenner. ... In der Tat sind die undurchsichtigen
Transaktionen der am liebsten im Dunkeln agierenden Kirch-Gruppe, die
Michael Radke in seinem Buch "Außer Kontrolle - Die Medienmacht des Leo
Kirch" detailgenau niederschrieb, legendär. Als Kirch Ende der 80er Jahre
vor der Zahlungsunfähigkeit stand und Banker der DG Bank, seiner damals
größten Hausbank, deshalb kurz vor dem Herzinfarkt standen, war es
beispielsweise der Handelsmogul Otto Beisheim (Metro-Konzern), der ihm in
letzter Minute mit einer steuerrechtlich gefinkelten Transaktion aus der
Patsche half.“ FTP, 13.12.2001. Kirch braucht im Moment sein gesamtes Geld, um
akuteren Verbindlichkeiten nachzukommen. Dazu gehören ein Mitte Januar
fällig werdender Kredit über 900 Mio. DM bei der Dresdner Bank, eine
Anfang 2002 fällig werdende Rückkaufverpflichtung des rund
acht-prozentigen Anteils des Zeitungsverlages Springer bei der
Kirch-Tochter Pro Sieben Sat 1 über 1,5 Mrd. DM sowie eine
Zahlungsverpflichtung beim Fußballverband Fifa über rund 700 Mio. DM.
Hinzu kommt das Damoklesschwert eines möglichen Ausstiegs von Rupert
Murdoch bei Kirchs Bezahlfernsehen Premiere. FTP 20.12.2001. Profil: Leo Kirch deutscher Medienunternehmer; Dr. rer. pol. (Aus Financial Times Deutschland) Geburtstag: 21. Oktober 1926,
Würzburg
Leo Kirch, kath., wurde am 21. Okt. 1926 als Sohn
eines fränkischen Weinbauern in Würzburg geboren.
Ausbildung: K. studierte
Betriebswirtschaft und Mathematik in Würzburg und München und promovierte
1952 zum Dr. rer. pol. Als Assistent an der Universität München befasste
sich K. bevorzugt mit den elektronischen Medien.
Wirken: Schon Anfang der 50er Jahre
sah K. den kommenden immensen Bedarf des Fernsehens an Spielfilmen, Serien
und Unterhaltungssendungen voraus. Über seine erste, 1955 gegründete Firma
zur Verwertung von Filmrechten, die Sirius-Film GmbH, kaufte er
zielstrebig in allen europäischen Ländern Kinofilme, die für eine
Ausstrahlung im Fernsehen geeignet schienen. 1956 erwarb er von
italienischen Produzenten die Rechte an italienischen Erfolgsfilmen wie
"La Strada" und "Freunde fürs Leben". Der Kino-Erfolg von "La Strada" in
Deutschland war wesentlich der Vermarktung durch K. zu danken. Eine erste
größere Investition auf dem amerikanischen Filmmarkt tätigte K. 1959 mit
dem Hollywood Studio United Artists/Warner Brothers (Kauf von rund 400
Filmtiteln). Als ARD und ZDF zunehmend Kinofilme und andere
Unterhaltungsprogramme benötigten, verfügte die KirchGruppe bereits über
einen umfangreichen Bestand an Spielfilmen. 1996 umfasste das
Programmvermögen der Unternehmensgruppe Kirch rund 15.000 Spielfilme und
rund 50.000 Stunden TV-Serien, Kinderprogramme, Dokumentationen, Opern,
Konzerte und Shows. Neu erstanden wurden 1996 u. a. Filmpakete der
Columbia Tristar (nach Presseangaben für rd. 1 Mrd. $) der
Viacom/Paramount (2,3 Mrd. DM) und der MCA/Universal (rd. 1 Mrd. $).
Außerdem sicherte sich die Gruppe für 3 Mrd. DM die Pay-TV-Rechte an
Hollywood-Produktionen der Warner Brothers und des Studios MCA/Universal.
Im selben Jahr wurden außerdem für zehn Jahre die Pay-TV- und
Pay-Per-View-Rechte für neue Disney-Spielfilme gekauft, darüber hinaus
beteiligte sich die KirchGruppe mit 7,5 % an dem US-Filmproduktions- und
Vertriebsunternehmen New Regency Productions Inc., Los Angeles. In Bezug
auf die Rechte am Pay-TV, dem K. große Marktchancen zuerkennt, konnte die
Gruppe damit eine starke Wettbewerbsposition bei den großen
Hollywood-Studios aufbauen.
Im
April 1997 sicherte sich K.s Beta Film die Fernsehrechte an Michael
Jacksons "History"-Tournee 1996/1997, zur selben Zeit wurden die
Pay-TV-Rechte an einem Filmpaket der MGM Telecommunications erworben. Im
Jan. 1997 schloss die KirchGruppe einen Fünf-Jahres-Lizenzvertrag über
Fernsehrechte mit der Spelling Entertainment Group Inc., Los Angeles. Für
erheblichen Wirbel sorgte der Erwerb der Übertragungsrechte der
Fußball-Weltmeisterschafts-Endrunden, die sich K. im Juli 1996 zusammen
mit der Schweizer Werbeagentur ISL für 3,4 Mrd. DM gesichert hatte, zumal
K. für sich in Anspruch nahm, sogar die Weltmeisterschaftsspiele der
deutschen Nationalelf ausschließlich im Pay-TV zu zeigen. Unter dem Druck
der Fußballbasis und der europäischen Top-Funktionäre, aber auch der
Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer, die im Okt. 1997 auf
kostenlose Übertragung aller Spiele der deutschen
Fußball-Nationalmannschaft drängten, steckte dann aber der
Fußballweltverbund FIFA wieder zurück, verwies auf ein Vetorecht und
machte deutlich, dass man nicht die TV-Rechte als solche, sondern
lediglich deren Vermarktung verkauft habe. Im Juni 1998 schloss K. eine
exklusive Übertragung von Weltmeisterschaftsspielen der deutschen
Fußballnationalmannschaft in Pay-TV-Sendern ausdrücklich aus.
Über
den Filmhandel hinaus investierte die KirchGruppe früh in Produktion und
Koproduktion von Filmen und Fernsehserien und diversifizierte konsequent
das ursprünglich allein auf dem Programmvertrieb basierende Geschäft. Das
Tätigkeitsfeld der Gruppe umfasst inzwischen praktisch alle Produktions-
und Verwertungsstufen im Film- und Fernsehbereich: Herstellung, Vertrieb,
Senderechte, Synchronisation, Verleih, Video, Merchandising und
kommerzielle Fernsehsender. Zentrale Unternehmen der KirchGruppe waren
lange Zeit die zwischen 1959 und 1963 gegründete Beta Film GmbH & Co.
KG und die Taurus Film GmbH & Co. KG. Dazu kamen die Unitel Film- und
Fernsehgesellschaft GmbH & Co. KG, die vor allem klassische
Musikprogramme produziert, die Iduna Film GmbH und die NDF Neue Deutsche
Filmgesellschaft, alle München. Im Bereich Film- und Fernsehtechnik seien
besonders die Betatechnik Ges. f. Filmbearbeitung mbH und die Beta Digital
Ges. f. digitale Fernsehdienste mbH, alle München, erwähnt. Über die ISPR
Internationale Sportverwertungsgesellschaft mbH, München (50 %) verfügt K.
über die Ausstrahlungsrechte an Spielen der Fußballbundesliga. An der
Constantin Film Produktion GmbH und an der Constantin Film GmbH & Co.
Verleih, beide München, beteiligte sich die Gruppe mit jeweils 49 %.
Weitere wichtige Beteiligungen im Bereich des kommerziellen Fernsehens
waren 1997: 66,5 % an der Deutsches Sport Fernsehen GmbH, 5,4 % an der
Mediaset SpA, Mailand, 25 % an der Gestevisión Tele Cinco S.A., Madrid,
100 % an der DF 1 Gesellschaft für Digitales Fernsehen mbH, München, 25 %
an der Premiere Medien GmbH & Co. KG, Hamburg und 40 % an der Teleclub
AG, Zürich.
Seinen 45%-Anteil an der italienischen
Pay-TV-Gesellschaft Telepiù SpA, Mailand, verkaufte K. im Juli 1997 an die
französische Gruppe Canal Plus. Im Bereich des kommerziellen Rundfunks
beteiligte sich K. mit 15 % an der Radio Arabella
Studiobetriebsgesellschaft mbH, München. Darüber hinaus engagierte sich
die KirchGruppe auch im Printmedienbereich. 1985 übernahm sie eine
Beteiligung von 10 % am Axel Springer Verlag, die ursprünglich im
Einverständnis mit den Verlagserben auf 26 % aufgestockt werden sollte.
Über diese Beteiligung und die damit verbundenen Pläne K.s entbrannte eine
Auseinandersetzung, die nicht nur Öffentlichkeit und Medien, sondern auch
monatelang die Gerichte beschäftigte. Erst 1992 wurde eine Einigung mit
der Springer-Erbengemeinschaft über die von K. angestrebte Übertragung der
fehlenden 16 % (plus eine) der Aktien auf die KirchGruppe erzielt. Neben
der Anerkennung von Aktionärsrechten war es bei der Auseinandersetzung
auch um Macht und Einfluss beim privaten Sender SAT.1 gegangen, an dem der
Springer Verlag inzwischen mit 40 % beteiligt ist. Erheblich verstärken
konnte die KirchGruppe ihre Position beim Springer Verlag durch die
Übernahme eines 10%igen Springer-Aktienpaketes von der italienischen
Verlagsgruppe Monti. Wie im März 1993 berichtet wurde, erhöhte die
KirchGruppe damit ihren Anteil am Springer Verlag auf 36 % plus eine
Aktie. Im Juli des gleichen Jahres rückte K. auch in den Aufsichtsrat des
Verlagskonzerns ein. K.s andauernde Bemühungen um mehr Einfluss bei
Springer wurden u. a. im Aug. 1995 deutlich, als er die Ablösung des
"WELT"-Chefredakteurs Thomas Löffelholz forderte. Anlass war ein
zustimmender Kommentar zum umstrittenen Kruzifix-Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes. Der als strenggläubiger Katholik bekannte K.,
der politisch konservativen Positionen zuneigt und seit vielen Jahren dem
engeren Freundeskreis um den früheren Bundeskanzler Kohl zugerechnet wird,
zeigte sich damals in einem Brief an den
Springer-Aufsichtsratsvorsitzenden entsetzt darüber, dass der Artikel die
Tendenz des Verlages, die dem christlich-abendländischen Weltbild
verpflichtet sei, in gröbster Weise verletzt habe.
Für
wiederholte Schlagzeilen sorgte K. mit seinen ebenso hartnäckigen wie
konsequenten Bemühungen um eine starke Marktposition im Digital-TV, das
als "Fernsehen der Zukunft" die Gemüter zeitweise heftig bewegte. Nachdem
im Febr. 1996 Verhandlungen über einen Beitritt der KirchGruppe zu der von
Bertelsmann, Telekom, Canal Plus, CLT, ARD und ZDF gemeinsam konzipierten
Multimedia-Betriebsgesellschaft (MMBG) gescheitert waren, brachte K. mit
Hilfe von Vebacom und Metro eigene Decoder auf den Markt und stellte im
Juni des Jahres seinen digitalen Pay-TV-Sender DF1 vor. Unterstützung fand
K. bei dem australischen Medien-Tycoon Rupert Murdoch, der über den
britischen Sender BSkyB 49 % des DF1-Aktienkapitals übernahm. Mit Blick
auf die unternehmerischen Risiken des schwer kalkulierbaren
Digital-TV-Geschäftes schloss K. wenig später, im Juli 1996, eine
Kooperationsvereinbarung mit dem Bertelsmann-Konzern, der seine Pläne für
eine eigene digitale Fernsehplattform aufgab und ankündigte, seine
Pay-TV-Angebote über K.s DF1 ausstrahlen zu wollen. Dessen ungeachtet kam
es in der Folge zu einem anhaltenden Tauziehen um das Digital-TV zwischen
K. und dem Bertelsmann-Konzern.
Skeptische Prognosen über die
Erfolgsaussichten von K.s ehrgeizigem und kostspieligem DF1-Projekt
schienen sich zu bestätigen, als statt der erhofften rd. 200.000 Kunden
bis Ende 1996 nur etwa 30.000 Abonnenten gewonnen werden konnten. Dazu
kam, dass sich Murdoch im März 1997 wieder aus der Allianz mit DF1
zurückzog. Wenig später wurde über einen Milliardenkredit an die
KirchGruppe berichtet, den die staatliche bayerische Landesanstalt für
Aufbaufinanzierung zusammen mit privaten Bankinstituten aufbringen sollte,
der aber als "Finanzspritze für den CSU-Spezi Kirch" so heftig kritisiert
wurde, dass K. schließlich auf den Landesanteil des Kredits verzichtete.
Im Juni 1997 deutete sich eine neue unternehmerische Weichenstellung an,
als die KirchGruppe und die Bertelsmann-Tochter CLT-Ufa eine umfassende
Zusammenarbeit beim Digitalfernsehen vereinbarten. Zusammen mit der
Telekom einigten sich die Partner wenig später auf Kirch-Decoder als
Standardtechnik für die Verbreitung digitaler Programme im Kabelnetz.
Durch den Beteiligungsverzicht von Canal Plus konnte K. seinen Anteil am
Pay-TV-Sender Premiere auf 50 % erhöhen.
Im Nov. 1997 fiel der
Startschuss für das digitale Fernsehen im Telekom-Kabelnetz, wenig später
wurden Verträge über die Fusion von Premiere und DF1 unterzeichnet, die
dann aber schon im Dez. 1997 wieder in Frage gestellt wurden, weil der
EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert eine langwierige Untersuchung der
Fusion ankündigte und beiden Unternehmen hohe Bußgelder androhte, falls
die Vermarktung der d-box nicht sofort ausgesetzt würde. Eine persönliche
Intervention von Bundeskanzler Kohl blieb ohne Erfolg. Dazu kam, dass sich
innerhalb des Bertelsmann-Konzerns eine zunehmend skeptische Haltung
gegenüber der vom Bundeskartellamt im Jan. 1998 abgelehnten umstrittenen
Allianz mit der KirchGruppe abzeichnete. Ende Mai 1998 lehnte die
EU-Kommission die digitale Fernsehallianz ab, eine Entscheidung, die mit
der marktbeherrschenden Position der beiden Unternehmen beim
Programmeinkauf, aber auch mit der Monopolstellung der gemeinsamen
Decoder-Technik begründet wurde.
Häufig kolportierte
Liquiditätsengpässe der KirchGruppe konnten im selben Monat durch einen
Großkredit der Deutschen Bank gemildert werden, für den K. als Sicherheit
seinen inzwischen auf 40 % aufgestockten Anteil am Axel Springer Verlag
hinterlegte. Ein 1996 gegen K. eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen
des Verdachts der Steuerhinterziehung (in Zusammenhang mit einem
Filmgeschäft mit der Schweizer MH Medien Handels AG) wurde im Juli 1998
wieder eingestellt. Die lange Dauer des Ermittlungsverfahrens begründete
die Staatsanwaltschaft u. a. mit der mühseligen Durchleuchtung eines
"Geflechts von Firmen und möglichen Firmenbeteiligungen" der Kirch-Gruppe.
Im Aug. 1998 kündigte K. die Übernahme der 33,5%-Beteiligung der
italienischen Fininvest am Sender Deutsches Sportfernsehen (DSF) an, der
damit vollständig in den Besitz der KirchGruppe überging. Die Rechte für
Videos und digitale Film-CDs an immerhin rd. 5.000 Spielfilmen verkaufte
die KirchGruppe im selben Monat an die Kinowelt AG. Damit verlor die
Tochterfirma Taurus Video an Bedeutung, während die KirchGruppe insgesamt
ihre Konzentration auf das Fernsehen unterstrich.
K.s
Bemühungen, den Pay-TV-Sender Premiere gemeinsam und mit gleichen Anteilen
zusammen mit dem Bertelsmann-Konzern zu betreiben, scheiterten im Sept.
1998 am Widerspruch des Bundeskartellamtes, dagegen erhielt die
KirchGruppe im Oktober des Jahres grünes Licht, ihre Beteiligung am
Fernsehsender SAT.1 von 44 auf 59 % zu erhöhen. Im selben Monat
vereinbarte die KirchGruppe zusammen mit der italienischen Mediaset von
Silvio Berlusconi, eine zunächst auf fünf Jahre ausgelegte Partnerschaft
mit der amerikanischen Spyglass Entertainment zur Produktion von
Spielfilmen. Mit dem Vertrag erwarben KirchGruppe und Mediaset die Kino-,
Video- und Fernsehrechte an allen Spyglass-Spielfilmen für Deutschland,
Italien, Spanien, Polen und die Länder der früheren Sowjetunion. Für
Aufsehen sorgte im Dez. 1998 der Verkauf eines Programmpaketes von Kinder-
und Jugendfilmen für eine halbe Mrd. DM an die EM.TV des früheren
Kirch-Managers Thomas Haffa. Außerdem wurde die Gründung eines
Gemeinschaftsunternehmens angekündigt, zu dem die KirchGruppe 20.000
Sendestunden Kinder- und Jugendfilme beisteuerte, die ihr weitere 500 Mio.
DM einbrachte. Demgegenüber standen hohe Anlaufverluste beim digitalen
Abo-Sender DF1 und dem Abonnentensender "Premiere", die Anfang 1999 auf
weit über 1 Mrd. DM geschätzt wurden.
Im Jan. 1999 stellte K. eine
seit Frühjahr 1998 vorbereitete Neustrukturierung seiner
Unternehmensgruppe vor, die offensichtlich das Ziel hatte, neuen
Geldgebern den Weg in das Unternehmen zu ebnen und einen späteren
Börsengang vorzubereiten, ohne die Kontrolle über die KirchGruppe abgeben
zu müssen. Unter dem Dach einer Kirch-Unternehmensstiftung wurde die
Gruppe in drei Holdings gegliedert: In die Taurus Film GmbH & Co. KG,
die in der KirchMedia KGaA aufging, wurden die Firmen und Beteiligungen
und auf dem Gebiet des kommerziellen Fernsehens, des Lizenzhandels, der
Programmproduktion und der Filmbearbeitung eingebracht, also die Taurus
Lizenz GmbH & Co. KG, die Beta Film GmbH & Co. KG, die ISPR GmbH
(50 %), die Cineplast Film GmbH mit DSF GmbH, SAT.1 GmbH (59 %), die
spanische Telefinco Group (25 %) und die italienische Mediaset S.p.A. (1,3
%), die Iduna Film GmbH und die Taurus Media-Technik GmbH. In der zweiten
Holding, der PayCo Holding GmbH & Co. KG, die in der KirchPay-TV KGaA
aufging, wurden die Pay-TV-Geschäfte der Gruppe zusammengefasst, also die
Teleclub GmbH, die DF1 GmbH & Co. KG, die Beta Digital GmbH, die
Taurus Pay-TV GmbH und die Schweizer Teleclub AG (40 %). Drittes Bein der
Gruppe wurde die Taurus Beteiligungs GmbH & Co. KG mit der Taurus
Vermögensverwaltungs GmbH, der auch die 40,05 %-Beteiligung an der Axel
Springer AG zugeordnet wurde, die Beta Technik GmbH und die Constantin
Film GmbH & Co. KG (49 %). Außerdem öffnete die Kirch-Gruppe im Jan.
1999 über eine Programmierschnittstelle das digitale Fernsehen auch für
andere Anbieter. K. reagierte damit auf den Vorwurf, er wolle mit dem
Monopol der d-box anderen Unternehmen den Zugang zum digitalen Fernsehen
blockieren.
K.s Bemühen um potente Partner erwies sich als
erfolgreich: Im Frühjahr 1999 beteiligten sich Silvio Berlusconi und der
saudische Prinz Al Walid mit jeweils 3,19 % an der KirchMedia KGaA,
Berlusconi erwarb außerdem einen 14,45%-Anteil am Privatsender SAT.1. Die
KirchMedia KGaA und die Mediaset S.p.A. sind wiederum zu je 50 % an der
EUREKA Holding beteiligt, die als Gegengewicht zu den großen
amerikanischen Medienkonzernen auf dem kontinental-europäischen
Fernsehmarkt gedacht ist. Ein drittes Paket an der KirchMedia KGaA (3,1 %)
wurde im Mai des Jahres an die Merchant-Bank Lehman Brothers verkauft.
Zuvor hatte K. im März des Jahres für 1,6 Mrd. DM (bis auf 5 %) die
Bertelsmann-Beteiligung am Pay-TV-Sender Premiere übernehmen und damit
praktisch ein Monopol im deutschen Pay-TV erringen können, zumal das
Bundeskartellamt wenig später der Übernahme des Senders durch die
KirchGruppe zustimmte. Im Mai 1999 kündigten die Kirch-Gruppe und
Berlusconi ihre Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Wildwood
Enterprises des amerikanischen Schauspielers Robert Redford an. Einige
Beachtung fand im August des Jahres auch der Börsengang der
Kirch-Beteiligung Constantin Film AG, an der sich die EM.TV &
Merchandising AG mit 25 % beteiligte. Ebenfalls im Aug. 1999 kaufte die
KirchGruppe die von Günter Netzer geleitete Sportagentur CWL, die viele
Übertragungsrechte besitzt. Im Febr. 2000 wurde ein mehrheitlicher
Einstieg der Deutsche Telekom AG bei der Kirch-Tochter Beta Research
angekündigt. Wie es hieß, soll Beta Research für beide Partner die
Technologie-Plattform entwickeln, um das Fernsehen via Kabelnetz und mit
Hilfe der d-box ins Internet zu bringen.
Im Aug. 1999 gab die
KirchGruppe erstmals offizielle Zahlen für ein Geschäftsjahr bekannt.
Danach wies die Sub Holding KirchMedia 1998 einen konsolidierten Umsatz
von 3,7 Mrd. DM und ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 134 Mio. DM aus.
Wie es hieß, befanden sich 1998 - mit Ausnahme des Sportsenders DSF - alle
Kirch-Media-Unternehmen in den schwarzen Zahlen. Im Oktober des Jahres
einigten sich die KirchGruppe und die Mediaset von Silvio Berlusconi nach
langen Verhandlungen über eine Struktur ihres Fernseh-Joint Ventures, ohne
dies allerdings vertraglich festzuschreiben. Die neue Gemeinschaftsholding
erhielt den Namen 2000 Epsilon Mediagroup. Wenige Wochen später gründeten
der Axel Springer Verlag, das Deutsche Sportfernsehen (DSF), der
Fernsehsender SAT.1 und die Intermediahouse.com AG die neue Sport 1 GmbH
& Co. KG, die im Verlaufe des Jahres 2000 an die Börse gebracht werden
soll. Die bis dahin getrennten Anteile von K. (SAT.1) und seinem Sohn
Thomas (Pro7, Kabel 1) gingen im Okt. 1999 in der KirchMedia KGaA
auf.
Gelegentlich aufkommende Gerüchte über finanzielle
Engpässe der Kirch-Gruppe erhielten im Nov. 1999 neue Nahrung, als
berichtet wurde, dass die KirchPay-TV GmbH & Co. KGaA für den Ausbau
der neuen Plattform Premiere World, in der die Sender Premiere und DF1
vereint wurden, einen Bank-Kredit von 3 Mrd. DM aufgenommen hatte.
Kreditgeber waren die Chase Manhattan Bank (1,5 Mrd. DM) und ein deutsches
Bankenkonsortium unter Führung der DG-Bank, der Hypo Vereinsbank und der
Bayerischen Landesbank (1,5 Mrd. DM). Weiter abgesichert wurde das
Engagement der KirchGruppe im Bezahlfernsehen durch eine 24%ige
Beteiligung der British Sky Broadcasting (BSkyB) des Medienunternehmers
Rupert Murdoch an der KirchPay-TV KG, der Dachgesellschaft von Premiere
World. Wie es hieß, zahlte BSkyB rd. 2,5 Mrd. DM, davon allerdings nur 1
Mrd. DM in bar, den Rest in BSkyB-Aktien. Außerdem bestand BSkyB auf einer
Ausstiegsklausel für den Fall, dass sich Premiere World schlechter als
erwartet entwickeln sollte. Tatsächlich werden K.s unternehmerische
Chancen im Bezahlfernsehen von neutralen Experten, nicht zuletzt wegen der
hohen Abo-Gebühren, nach wie vor skeptisch beurteilt. Im Jan. 2000
kündigte die KirchGruppe eine Mehrheitsübernahme der KG Hamburg 1
Fernsehen Beteiligungs GmbH & Co. an, um ihre Medienpräsenz in der
norddeutschen Metropole zu verstärken.
Zum 1. April 2000 kam es zu
einer weiteren Neustrukturierung der Geschäftsführung im Gesamtkonzern.
Die Kirch Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG wurde zur zentralen
Holding aller Gruppenaktivitäten und firmiert seither als KirchHolding.
Die bisherigen Geschäftsführer der Kirch-Media GmbH & Co. KGaA, Dieter
Hahn, Jan Mojto und Klaus Piette traten in die Geschäftsführung der
KirchHolding ein und übernahmen dort unter dem zuvor alleinigen
Geschäftsführer K. die Führung der gesamten Unternehmensgruppe; sie
verantworten seither sämtliche operativen und strategischen Bereiche mit
ihren drei Dachgesellschaften sowie rd. 50 Unternehmen und Beteiligungen,
und zwar verantwortet Jan Mojto die KirchMedia GmbH & Co. KGaA, Dieter
Hahn die KirchPay-TV GmbH & Co. KGaA und Klaus Piette die
KirchBeteiligungs GmbH & Co. KG. Jeder der neuen
Konzerngeschäftsführer ist außerdem für eine von drei
Querschnittsfunktionen für die gesamte Gruppe zuständig: Dieter Hahn für
Kommunikation, Multimedia und Sport, Jan Mojto für Programm und Klaus
Piette für Unternehmensplanung und Konzernstruktur. Zusätzlich wurde zum
1. April 2000 Manfred Puffer in die Geschäftsführung der KirchHolding
berufen und übernahm dort die Verantwortung für den weiteren
Querschnittsbereich Finanzen und Controlling. Vorsitzender der
Geschäftsführung in der KirchHolding ist weiterhin K., der auch
Geschäftsführer der drei Dachgesellschaften bleibt. Dieter Hahn ist sein
Stellvertreter in der Geschäftsführung der KirchHolding.
Zusammen mit dem deutschen Bertelsmann-Konzern, der
im April 2000 seine Fernsehinteressen mit denen des britischen
Verlagshauses Pearson vereinte, kontrolliert die KirchGruppe inzwischen
weitgehend den europäischen TV-Markt. Es wird angenommen, dass sich die
einzelnen Kirch-Sender früher oder später zu einer "Fernsehfamilie"
zusammenfinden werden.
Literatur Literatur: Michael Radtke, "Außer Kontrolle. Die
Medienmacht des Leo Kirch" (1997). Gerhard Naeher,
„Der Medienhändler. Der Fall Leo Kirch. 1989.
Auszeichnungen Auszeichnung: Im Okt. 1996
wurde K. von den Veranstaltern des Internationalen Marktes für
Fernsehprogramme (Mipcom) in Cannes als die "herausragende Persönlichkeit
der audiovisuellen Medien der vergangenen 40 Jahre" mit einem Pokal
geehrt.
Familie K. ist verheiratet und hat einen Sohn Thomas, der an
der KirchMedia KGaA beteiligt ist, aber nicht als potenzieller Nachfolger
seines Vaters an der Spitze des Medienkonzerns gilt. Über das Privatleben
des extrem öffentlichkeitsscheuen K. ist wenig bekannt. K.s privates
Vermögen wurde 1999 vom Wirtschaftsmagazin "Forbes" auf rd. 5 Mrd. US$
geschätzt.
Adresse KirchGruppe, Robert-Bürkle-Str. 2, 85737 Ismaning;
Tel.: 089/9956-0
Aus: Internationales Biographisches Archiv 19/2000
vom 01.05.2000 http://www.ftd.de/db/mu/7242715.html Anmerkung: Am 8.4.2002
beantragte Kirch Insolvenz beim Amtsgericht München.
Knauf-Familie
1,1 Mrd. Euro (1996) (2002: 2,1 Mrd. Euro) Baldwin und sein Vetter
Nikolaus Knauf leiten die Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke im
bayerischen Iphofen, Europas größter Hersteller von Kalk, Gips und anderen
Baumaterialien.
Leibbrand-Familie 1 Mrd. Euro (1996) (2002:
?) Die Einzelhandelskette Leib brand wurde Ende der 80er Jahre vom
Rewe-Konzern übernommen. Das Vermögen von Willi Leibbrand ging nach seinem
Tod auf seine Frau Heidrun und seine Geschwister Albert und Lore über. Die
Willi Leibbrand KG hält 100 % der Offenbacher Lederfabrik
Goldpfeil.
Mann, Hugo und Familie 1,5 Mrd. Euro (1996) (2002:
1,6 Mrd. Euro) Besitzer von Mann Mobilia und Wertkauf. Hugo und
Johanna Mann sind Geschäftsführer der Mann GmbH,
Karlsruhe.
Merck-Familie und H.-J. Langmann 4,8 Mrd. Euro (1996)
(2002: ?) Die Darmstädter Familie Merck hält über die Gesellschaft
E. Merck 74 % der Merck KGaA, die in den Bereichen Pharmazie,
Arzneimittel, Reagenzien, Laborgeräte und Chemikalien tätig ist und
zahlreiche in- und ausländische Beteiligungen hat. Der Vorsitzende der
Geschäftsleitung Hans-Joachim Langmann (72) ist mit einer Merck-Erbin
verheiratet. Die 50 Gesellschafter der E. Merck gehören zum engeren
Familienkreis. Sie wählen einen elfköpfigen Familienrat. Dieser bestimmt
den neunköpfigen Gesellschafterrat, dem auch externe Personen angehören.
Familien- und Gesellschafterrat treffen die strategischen Vorgaben für die
Geschäftsleitung. Umsatz 1995: 6,2 Mrd. DM, Gewinn: 368,5 Mio. DM,
Beschäftigte: 27762. Der Vorstandsvorsitzende Bernhard Scheuble
sagte am Donnerstag: "Dieses Unternehmen wird auf mittlere Sicht ein
Familienunternehmen bleiben." Er prognostizierte auch das beste
Jahresergebnis in der 333-jährigen Firmengeschichte. Merck ist zu 74
Prozent in Familienbesitz, der Rest ist seit 1995 an der Börse notiert.
Die Nummer drei unter den deutschen Pharmakonzernen gilt manchem
Branchenexperten als zu leicht für die in der Branche benötigte kritische
Masse. Vor allem die Schlagkraft auf dem US-Markt bleibe damit zu gering.
Doch dort erzielt Merck immerhin schon 44 Prozent seiner Umsätze.
Zudem beugt sich der Konzern nicht dem Branchentrend, Pharma- und
Chemiesparten zu trennen. "Es wird ein Mischunternehmen mit
Pharmaschwerpunkt bleiben", so Scheuble. Merck erzielt knapp 80 Prozent
des operativen Gewinns mit Medikamenten. Der Schwerpunkt liegt bei
Präparaten zur Behandlung der Zuckerkrankheit und von Krebs. Darunter
befindet sich der Verkaufsschlager Glucophage, ein Diabetes-Mittel, das im
dritten Quartal mit 831 Mio. Euro etwas weniger als die Hälfte des
Konzernumsatzes erzielte. Noch tragen die Sparten Labor- und Spezialchemie
mehr als die Hälfte zum Konzernumsatz bei. "Dieses Unternehmen wird
künftig einen klaren Pharmaschwerpunkt haben", sagte Scheuble. "Priorität
hat das Geschäft in den USA." Dort werde es zu weiteren Allianzen mit
Pharma- und Biotech-Unternehmen bei Krebsmedikamenten kommen. "Wenn es
nötig ist, schließe ich auch eine Kapitalerhöhung nicht aus, um flexibel
zu sein", sagte Scheuble. ... Im abgelaufenen Quartal setzte das
Unternehmen die Serie guter Ergebnisse in diesem Jahr fort. Der operative
Gewinn ist um 51,6 Prozent auf 292,8 Mio. Euro gestiegen. Der Umsatz legte
um 14 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro zu. "Nachdem wir das dritte Rekordquartal
in Folge hinter uns haben, erwarte ich auch im Gesamtjahr zweistellige
Wachstumsraten", sagte Scheuble bei der Präsentation der Ergebnisse in
London. Analysten erwarten nun im Einklang mit den konzerneigenen
Schätzungen einen Jahresumsatz zwischen 7 und 7,5 Mrd. Euro. Allerdings
wird die Sparte Spezialchemie, die stark auf das Geschäft mit
Flüssigkristallen baut, im vierten Quartal erneut leicht sinkende
Geschäftsergebnisse bringen. Hier sank die Geschäftsmarge dramatisch von
22 auf 8 Prozent. Hierin macht sich der Abschwung im Hightech-Sektor
bemerkbar, den Merck beliefert. Die Umsätze für den Verkaufsschlager
Glucophage sind im Quartal noch einmal um 42 Prozent geklettert. Da der
Patentschutz für das Medikament bereits abgelaufen ist, aber noch keine
Nachahmerprodukte auf dem Markt sind, konnte die operative Marge in der
Pharmasparte auf 26 Prozent ausgedehnt werden. "Wir erwarten die ersten
Nachahmer in einigen Monaten", sagte Vorstandsmitglied Matthew Emmens. Die
Merck-Aktie stieg leicht auf 44,99 Euro. FTP,
26.10.2001.
Merckle, Adolf und Familie 2,7 Mrd. Euro (1996)
(2002: 3,5 Mrd. Euro) Besitzer von Phoenix Pharmaziehandel, der ein
Drittel des deutschen Marktes kontrolliert, und von Ratiopharm, dem
Hersteller von preisgünstigen Pharmazieartikeln. Adolf Merckle (63) und
seine Frau Ruth aus Blaubeuren bei Ulm halten 11 % von Heidelberger Zement
und einige Industriebeteiligungen. Die Familie betreibt zusammen mit dem
Haus Hohenzollern-Sigmaringen die Fürstliche Hohenzollersche Werke
Lauchertal GmbH & Co, KG in Sigmaringen, die zahlreiche mittlere
Betriebe der Metallindustrie betreibt. Merckles Sohn Ludwig rückte 1997 in
die Geschäftsführung nach.
Mohn, Reinhard und Familie 2 Mrd.
Euro (1996) (2002: 5,7 Mrd. Euro) Reinhard Mohn (75) hält 2,6 % und
die Familie 17,9 % am zweitgrößten Medienkonzern der Welt, der Bertelsmann
AG, Gütersloh. 68,8 % liegen bei der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung.
Mohn ist deren Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der AG. Der Konzern ist
in allen Segmenten des internationalen Medienmarktes tätig: Bücher
(Berteismann Club und Verlage), CD- und Tonträgerfirmen (RCA, Ariola
u.a.), Privatfernsehen (RTL, Premiere, RTL 2, Vox u.a.). Zeitschriften
(Gruner & Jahr). Bertelsmann betreibt auch eine der größten
Druckereien, die Mohndruck in Gütersloh. Umsatz 1995: 20,5 Mrd. DM,
Gewinn: 817 Mio. DM, Beschäftigte: 57397 weltweit und 33116 in
Deutschland. Bertelsmann ist einer der fünf größten Medienkonzerne
der Welt, der zweitgrößte in Europa, hinter Vivendi Universal aus
Frankreich. Die Geschäftsfelder reichen vom weltgrößten Buchverlag Random
House über Europas größten Fernsehsender RTL bis zur Bertelsmann Music
Group, die eine der fünf Großen im Musikgeschäft ist. Auch an der
Financial Times Deutschland ist Bertelsmann über die Verlagstochter
Gruner+Jahr zu 50 Prozent beteiligt, die restlichen 50 Prozent hält die
britische Pearson-Gruppe. Doch bei aller Größe des Konzerns sind sich
Middelhoffs Kritiker und Fürsprecher einig: Derzeit ist Bertelsmann nicht
fit für den Gang an die Börse. Ein Manager des Konzerns, der schon
Erfahrungen bei einem börsennotierten Unternehmen gemacht hat, vergleicht
Bertelsmann mit der britischen BBC: Voll von Leuten, die ein
Weltunternehmen führen wollen, ohne jemals aus ihrem Land herausgekommen
zu sein. Eine andere Bertelsmann-Führungskraft berichtet, das
Unternehmen werde von einem Konflikt zwischen der deutschen und der
amerikanischen Fraktion gespalten: "Da sind all die Leute drüben in
Gütersloh, die aus ihrem Fenster auf Felder und Schafe schauen und
glauben, sie verstünden die Denkweise an der Wall Street", sagt ein
Mitarbeiter von Bertelsmann in seinem Büro am New Yorker Times Square.
Auch die finanziellen Grundstärke des Konzerns wird bezweifelt: "Noch
vor fünf oder sechs Monaten hatte Bertelsmann mythische Qualität. Der
Konzern war drauf und dran alles und jeden zu kaufen", sagt ein Analyst:
"Inzwischen sagen die Leute, ‚Meine Güte, ich wusste gar nicht, dass die
Ebita-Spanne so klein ist’." Middelhoff räumt ein, dass viel zu tun
ist: "Wir ändern die Organisation, wir ändern den Führungsstil, wir ändern
die Unternehmenskultur." Dazu hat er hat das "Excellence-Programm"
aufgelegt, das die Kosten senken und die Effizienz steigern soll, um die
Umsatzrendite in den nächsten drei Jahren von sechs auf zehn Prozent zu
treiben. ... Bertelsmann dürfte im Geschäftsjahr bis Ende Juni knapp
über 41 Mrd. DM Umsatz verbuchen. Das würde den Umsatz des gesamten
vergangenen Geschäftsjahres ( 32,5 Mrd. DM) um 25 Prozent übertreffen.
Mit solchen Umsätzen passt Bertelsmann gut in die Gruppe der fünf
größten Medienkonzerne der Welt - seine Sechs-Prozent-Rendite im
operativen Geschäft aber nicht. "Die Spanne liegt deutlich unter dem
Branchendurchschnitt", sagt ein Analyst: "Einerseits könnte man sagen, der
Konzern ist nicht gut geführt worden - oder aber er hat enormes
Steigerungspotenzial." Hinzu kommt, dass die Bertelsmann-Bilanz schwer
zu deuten ist: Middelhoff strukturiert den Konzern in drei große Bereiche
um: Inhalte, Dienstleistung und Direktkundengeschäft. Die Zahlen der
Konzerntöchter des vergangenen Jahres sind deshalb nicht direkt
vergleichbar mit den diesjährigen. Noch schwieriger wird der
Vorjahresvergleich dadurch, dass beschlossen wurde, das Geschäftsjahr
künftig mit dem Kalenderjahr zusammenzulegen. "Die Zahlen von Bertelsmann
bewirken immer mildernde Umstände", sagt ein Londoner Analyst dazu.
... Ein näherer Blick auf die Konzerntöchter liefert aber noch immer
ein sehr durchwachsenes Bild. Die Bertelsmann Music Group (BMG) wird in
diesem Jahr wahrscheinlich Verlust machen, zum ersten Mal in ihrer
Geschichte. Sie ist schon verschlankt worden aufs reine Geschäft mit
Tonträgern. Nach Middelhoffs Worten hat das reine Musikgeschäft, ohne die
CD-Produktion und den Betrieb von Musikklubs, im Durchschnitt in den
vergangenen 15 Jahren immer nur zwei Prozent Umsatzrendite gebracht. Das
operative Geschäft ist profitabel, sagt Middelhoff. Aber wegen der
Umbaukosten und Ausgaben fürs Internetgeschäft in Höhe von 250 Mio. bis
300 Mio. DM, wird die BMG wohl Verlust verbuchen. Für nächstes Jahr
erwartet Middelhoff eine Umsatzrendite von fünf Prozent, 2003 sollen es
acht Prozent sein. Die Konkurrenz im Musikgeschäft, die mit viel Mühe
ihre Margen verbessert haben, sind skeptisch, ob es BMG gelingt, die
Profitabilität in solchen Riesenschritten zu steigern. Musikmanager in New
York, wo BMG seinen Hauptsitz hat bezweifelt auch, ob Rolf Schmidt-Holtz,
der keine Erfahrung im Musikgeschäft hat, als BMG-Chef geeignet ist.
"Ich habe mich vor kurzem mit dem Betriebsrat von BMG getroffen. Die
waren begeistert von Rolf", hält Middelhoff dagegen: "Sie sagen, jetzt
hätten sie zum ersten Mal einen, der wirklich im Musikgeschäft steckt und
sich dahinter klemmt, dass es läuft." ... Auch das Buchgeschäft von
Bertelsmann ist nur zum Teil erfolgreich: Der Verlag Random House habe
seine Leistung merklich verbessert, sagt Middelhoff. Die Gewinnspanne lag
im vergangenen Jahr bei etwa sieben Prozent, in diesem Jahr soll sie etwa
elf Prozent erreichen bei einem angenommenen Umsatz von 2,5 Mrd. USD, aus
dem sich ein Gewinn von rund 300 Mio. USD ergäbe. Problematisch sind
dagegen die Buchclubs, die einst die Goldesel des Unternehmens waren.
Hochgerechnet aus der Leistung der anderen Teile des Buchgeschäfts, haben
die Clubs im vergangenen Jahr mehr als 195 Mio. DM Verlust gemacht. In
diesem Jahr, sagt Middelhoff, lägen sie knapp in den schwarzen Zahlen.
Rechnet man jedoch einmalige Ausgaben mit ein, ergibt sich für die
Club-Sparte noch immer ein Minus: Bertelsmann steckt 120 Mio. USD in neue
Computerprogramme für die Buchclubs. Hinzu kommen Investitionen in das
Internet und in neue Nischen-Buchclubs, etwa für Fliegenfischer oder
schwarze Leser in den USA. Alles zusammen ergibt wohl Kosten von 390 Mio.
DM, die die Buchclubs in der Verlustzone stecken lassen. Middelhoff ist
optimistisch: Er glaubt, die Buchclubs könnten ihre Umsatzrendite genauso
rasch steigern wie die BMG. Die vom "Excellence-Programm" geforderten
zehn Prozent Rendite werden jedoch schwer zu erreichen sein. Klaus
Eierhoff leitet das Direktgeschäft von Bertelsmann, zu dem die Buchclubs
gehören: "Wenn man aus einer Situation kommt wie wir bei den Buchclubs,
nämlich rote Zahlen, dann kann man natürlich nicht zu viel erwarten. Wir
haben vor in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Umsatzrendite von
sechs bis acht Prozent zu schaffen. Die zehn Prozent können wir nur
langfristig erreichen." Andere Geschäftsbereiche liegen bereits klar
über diesem Schwellenwert. Gruner+Jahr könnte in diesem Jahr zwar etwas
schwächer als im Vorjahr abschneiden, befindet sich aber komfortabel über
zehn Prozent. Auch der europaweite Sender RTL glänzt mit einer
Umsatzrendite von 13,7 Prozent im vergangenen Jahr. Die soll weiter
steigen, obgleich die Gewinne dieses Jahr leicht rückläufig sein könnten.
Bertelsmann ist an RTL wesentlich beteiligt, Pearson hält eine
Minderheitsbeteiligung. ... An der Spitze von Bertelsmann besteht
Konsens, dass sich der Weg an die Kapitalmärkte der Welt lohnt. Der
Konzern bekomme dadurch die Mittel für Übernahmen und den inneren Antrieb,
die Betriebsleistung zu verbessern. Auch Londoner Analysten glauben an
den Erfolg, vorausgesetzt Middelhoffs Excellence-Programm greife.
Medienanalyst Nick Bertolotti von JP Morgan Chase meint: "Die Anleger
würden Bertelsmann schon jetzt kaufen. Aber er [Middelhoff] muss die
Gewinnspanne verbessern, um für Bertelsmann das Beste herauszuholen."
... Das muss Middelhoff nun nur noch seinem Konzern beibringen. Dort
hat das Bertelsmann-Excellence-Programm, im Konzern-Jargon "Bex" genannt,
Bedenken geweckt: So sehen viele die Unternehmenswerte in Gefahr. Der
Konzern ist nach dem Krieg von Reinhard Mohn wieder aufgebaut worden. Mohn
wird oft als der Gründer des modernen Bertelsmann-Konzerns bezeichnet. Er
ersann den Konzern neu um einige Kerngrundsätze, die so genannten
Bertelsmann-Essentials: eine Unternehmenskultur, die auf Partnerschaft mit
dem Unternehmen beruht, zentrale Führung - aber dezentrale Organisation
und einen Sinn für Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. FTP,
18.6.2001.
Die Bertelsmann-Stiftung teilte am Freitag in Gütersloh
mit, der 80-Jährige werde am 1. Oktober den Vorsitz des Kuratoriums und
des Präsidiums der Bertelsmann-Stiftung sowie den Vorsitz der Bertelsmann
Verwaltungsgesellschaft (BVG) an den Konzernmanager Gunter Thielen
abgeben. Mohn bleibt aber ordentliches Mitglied des Kuratoriums und des
Präsidiums. "Ich habe in der Bertelsmann-Stiftung noch viel vor. Die
operative Leitung der Stiftung gehört aber jetzt in jüngere Hände. Ich
möchte meine Kräfte schonen", begründete der 80-jährige Unternehmer den
Schritt. Die von Mohn gegründete Bertelsmann-Stiftung ist die größte
Unternehmensstiftung Deutschlands. Ihr gehört die Mehrheit an dem
Gütersloher Medienriesen. Mit einem Etat von rund 125 Mio. DM (64,1 Mio.
Euro) und über 270 Mitarbeitern soll sie als Reformwerkstatt für Staat und
Gesellschaft dienen. Es ist bereits das zweite Mal, dass der Patriarch
die Leitung der Stiftung in andere Hände legt. Beim ersten Mal hatte Mohn
den früheren Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Mark Wössner die Leitung
der Stiftung übergeben. Doch legte der im Oktober vergangenen Jahres sein
Amt nieder und Mohn übernahm selbst noch einmal die Leitung der Stiftung.
Mit Thielen, der noch bis zum 31. August 2002 Vorstandschef der
Bertelsmann-Tochter Arvato ist, glaubt Mohn nun offenbar einen geeigneten
Nachfolger gefunden zu haben. "Die Kontinuität bei Bertelsmann ist
bestmöglich geregelt. Es gibt keinen Grund, noch länger zu warten", meinte
er jedenfalls. FTP, 24.8.2001. Die Hauptversammlung wählte am Montag in
Gütersloh Liz Mohn, Mitglied im Präsidium der Bertelsmann Stiftung und
Gesellschafterin der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH (BVG), sowie
André Desmarais und Gilles Samyn in das Aufsichtsgremium des
Medienkonzerns. Über Grunar + Jahr ist Bertelsmann an der FTD beteiligt.
Desmarais und
Samyn vertreten den neuen Bertelsmann-Gesellschafter Groupe Bruxelles
Lambert (GBL), der vor wenigen Monaten im Tausch für den 30-Prozent-Anteil
an der RTL Group 25 Prozent stimmberechtigter und 0,1 Prozent
stimmrechtsloser Bertelsmann-Aktien erworben hatte. Mit Liz Mohn ist ein
weiteres Mitglied der Familie Mohn in eine Aufsichtsratsfunktion bei
Bertelsmann berufen worden. Reinhard Mohn, Ur-Ur-Enkel des
Unternehmensgründers Carl Bertelsmann, ist Ehrenvorsitzender des
Aufsichtsrates. FTP, 2.7.2001.
„In Europas größtem Medienkonzern wird
auf lange Sicht wieder die Familie Mohn das Sagen haben. Nachdem
Konzernpatriarch Reinhard Mohn am Sonntag in einem Zeitungsbeitrag
angekündigt hat, dass die Macht der Familie noch ausgeweitet werden soll,
kehrt Bertelsmann nach Jahrzehnten zum Prinzip der dynastisch geführten
Familienfirma zurück. Die wichtigsten Positionen auf der
Eigentümerseite wurden schon seit einem halben Jahr verstärkt mit
Mitgliedern der Familie besetzt. Nun hat Mohn angekündigt, dass der neue
Einfluss auch formal viel stärker abgesichert werden soll: Es seien
"rechtliche Lösungen geplant, welche gewährleisten, dass alle wichtigen
Entscheidungen (...) nur mit der Zustimmung der Familienvertreter erfolgen
können", schreibt Mohn. Die führende Rolle werde dabei seine Ehefrau Liz
Mohn übernehmen. Das bedeutet eine vollständige
Kehrtwende: Ursprünglich hatte Mohn in den 70er Jahren mit eben jenem
Konzept gebrochen, nachdem die Rechte der Eigentümerfamilie im Unternehmen
Priorität haben und auf die Familienangehörigen als Erben übergehen. Mohn
hatte damals unter dem Eindruck vieler gescheiterter Firmenübergänge
argumentiert, das dynastische Prinzip diene nicht dem Wohl der Firma.
Daher hatte Mohn den Einfluss seiner Erben auf die Firma nach seinem Tod
praktisch verhindern wollen. Seine Unternehmensanteile hatte er zum
Großteil einer Stiftung übertragen. Von den Eigentümerrechten wurden über
eine spezielle Konstruktion sowohl Familie wie Stiftung weitgehend
ausgeschlossen. Mohn selbst schreibt, es gehe nun um den Versuch, "die
ursprüngliche erfolgreiche Form unternehmerischer Führung wieder zu
beleben". Die
Rückbesinnung Mohns auf das von ihm einst verworfene Konzept bedeutet eine
Kampfansage an den Minderheitsaktionär. Denn 2001 hatte Mohn unter dem
Druck des damaligen Vorstandschefs Thomas Middelhoff einen Anteil von 25,1
Prozent (Stimmrechte: 24,9 Prozent) der Finanzholding GBL des belgischen
Investors Albert Frère übertragen. Verknüpft mit diesem Geschäft wurde die
Zusage, dass Bertelsmann bis 2005 an die Börse geht, wo die GBL ihr
Aktienpaket platzieren darf. (...) Mohn könnte den Gegensatz zwischen
GBL und den künftigen Vertretern der Mehrheitseigner lösen, indem er das
Paket der Belgier zurückkauft. Allerdings müsste er dazu mehrere
Milliarden Euro aufbringen. Die Kehrtwende bei Bertelsmann hatte sich
bereits abgezeichnet, als im Sommer der stark an Börsen- und Gewinnchancen
orientierte Middelhoff abgelöst wurde. Schon damals hatte Liz Mohn eine
entscheidende Rolle gespielt. Mit zunehmender körperlicher Schwäche Mohns
hatte sie ihren Einfluss bereits ausgebaut. Der
gestärkte Einfluss wird wahrscheinlich umgesetzt, indem Mohn-Tochter
Brigitte den Einfluss der Familie in der Eigentümergesellschaft BVG
stärkt, wo als Vorsitzende bereits Liz Mohn und als Mitglied Sohn
Christoph sitzt. Die drei Familienmandate sollen in der Folge auch formal
abgesichert werden.“ aus: FTD vom 10.2.2003
Text in Kursiv aus: Financial
Times Deutschland, div. Ausgaben. Text in Normalschrift aus: Beck,
Dorothee/Meine, Hartmut: Wasserprediger und Weintrinker. Wie Reichtum
vertuscht und Armut verdrängt wird. Göttingen 1997. Zahlen für 2002 (Januar) aus: Manager
Magazin. |