Geschichte der NS-Konzentrationslager

 

Am 20. Dezember 1963 wurde der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess gegen 22 Angeklagte eröffnet. Bis zur Schließung der Beweisaufnahme 1965 hörte das Schwurgericht 357 Zeugen an, von denen 211 Überlebende des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz waren. Dem Gericht lagen historische Sachverständigen-Gutachten über die Nationalsozialistischen Konzentrationslager und die "Anatomie des SS-Staates" vor, die 1967 bei dtv München (462 u. 2916) auch als Taschenbuch erschienen.

Aus diesen Gutachten habe ich einen Überblick (Short Reader) erstellt als Materialsammlung für die Diskussion über den Nationalsozialismus.

 

1. Terrorgewalt und Staatsgewalt

"Man kann ... die nationalsozialistische Herrschaft im Ganzen wie in ihren einzelnen Manifestationen nicht verstehen, wenn man in ihr nichts anderes sieht als eine äußerste Steigerung und Konzentration staatlicher Macht. Vielmehr muss man begreifen, dass hier im Machtanspruch wie in der Regierungspraxis über das Prinzip der Staatlichkeit ein völlig andersartiges Prinzip gesetzt worden war, das im eigentlichen Sinne des Wortes totalitär ist: Die Führergewalt ..." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 21.

 

Den Grundgedanken dieser Führergewalt hat seinerzeit in treffender Weise Ernst Rudolf Huber in seinem 'Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches' formuliert: 'Das Amt des Führers hat sich aus der nationalsozialistischen Bewegung entwickelt. Es ist in seinem Ursprung kein staatliches Amt. ... Die Führergewalt ist umfassend und total; sie vereinigt in sich alle Mittel der politischen Gestaltung; sie erstreckt sich auf alle Sachgebiete des völkischen Lebens; sie erfasst alle Volksgenossen, die dem Führer zu Treue und Gehorsam verpflichtet sind. ... In seinem Willen tritt der Volkswille in Erscheinung. Er wandelt das bloße Gefühl des Volkes in einen bewussten Willen; er schafft aus einem vielstrebigen Ganzen die einheitliche, einsatzbereite Gefolgschaft. Er bildet sich den wahrhaften Willen des Volkes, der von den subjektiven Überzeugungen der jeweils lebenden Volksglieder zu unterscheiden ist. ...

Er bildet in sich den völkischen Gemeinwillen und verkörpert gegenüber allen Einzelwünschen die politische Einheit und Ganzheit des Volkes; er setzt gegenüber den Einzelinteressen die geschichtliche Sendung der ganzen Nation durch.'" Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 16f.

 

Die Verwirklichung des umfassenden Herrschaftsanspruches der Führergewalt war allerdings nicht zuletzt eine Frage der politischen Macht, und Hitler war in den ersten Jahren nach 1933 nicht mächtig genug, um das neue Prinzip einfach revolutionär zur Geltung zu bringen. Er musste auf Bürokratie, Wehrmacht und Wirtschaft Rücksicht nehmen, ... und war gezwungen, sich zunächst weitgehend den vorgegebenen Formen staatlicher Ordnung und Verwaltung anzupassen.

Der erste entscheidende Akt der Suspendierung dieser Ordnung, die erste Breche für den Einbruch der Führergewalt in die Staatlichkeit, war der Erlass der sogenannten 'Verordnung zum Schutz von Volk und Staat' vom 28. Februar 1933. Denn durch sie wurde am Tag nach dem Reichstagsbrand ein partieller Ausnahmezustand verhängt, der bis zum Ende der nationalsozialistischen Zeit bestehen blieb." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 22f.

 

"Und zwar wurde für die Durchsetzung und Verwirklichung des außernormativen Führerwillens aus Teilen der SS eine neue, von der staatlichen Verwaltung völlig unabhängige, von der Bindung an die staatlichen Normen im Prinzip befreite Exekutive errichtet. Diese Führerexekutive wurden nicht nach dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung tätig, sondern ihre Maxime war allein der Wille des Führers. Ihr wurden die eigentlichen politischen Aufgaben übertragen, auf die es Hitler ankam, insbesondere die Sicherung der Macht, Bevölkerungspolitik, Besatzungspolitik, Verfolgung aller tatsächlichen und angeblichen Gegnern des Regimes." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 28f.

 

"Im Frühjahr 1933 (bildete die SS) ... mit über 50.000 Mitgliedern schon längst weniger eine Kadertruppe als vielmehr eine etwas feinere Variante der SA..." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 32.

 

"Da es überdies Himmler und Heydrich in sehr kurzer Zeit gelang, die Verfügungsgewalt über die politische Polizei aller deutschen Länder zu bekommen, wurde die SD im Grunde überflüssig ..." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 60.

 

"Als nach 1933 SS und politische Polizei die Schranken gesetzlicher Bestimmungen grundsätzlich überschreiten durften, waren den möglichen Sicherheitsvorkehrungen keine rechtlichen Grenzen mehr gesetzt." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 96.

 

"Die verfassungsorganisatorische Stellung der bewaffneten SS-Verbände blieb zunächst undefiniert. Tatsächlich hatten sie durch den auf den Führer persönlich geleisteten Eid ihren Platz im Bereich der unmittelbaren Führergewalt jenseits von Partei und Staat." Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 168.

 

"Der Führer des NS-Rechtswahrerbundes und Präsident der Akademie für Deutsches Recht, Dr. Hans Frank ... schrieb in einer persönlichen Aufzeichnung vom 28. August 1942: 'In fortschreitendem Maß hat sich leider auch in den Reihen der nationalsozialistischen Staatsführer der Gesichtspunkt vorherrschend gezeigt, dass die Autorität desto gesicherter sei, je unbedingter die Rechtsunsicherheit auf seiten der machtunterworfenen Staatsbürger sich darstelle. Die Ausweitung des willkürlichster Anwendung ausgelieferten Vollmachtsbereichs der polizeilichen Exekutivorgane hat zur Zeit ein solches Maß erreicht, dass man von einer völligen Rechtlosmachung des einzelnen Volksgenossen sprechen kann. Freilich wird dieser Umstand begründet mit der Notwendigkeit der völligen Zusammenballung aller nationalen Energien auf ein Ziel und vor allem der völligen Unterbindung jeder Möglichkeit oppositioneller Störungen ...

Wenn es so wie heute möglich ist, dass jeder Volksgenosse ohne jede Verteidigungsmöglichkeit auf jede Zeitdauer in ein Konzentrationslager gebracht werden kann, wenn es so ist, dass jede Sicherstellung von Leben, Freiheit, Ehre , anständig erworbenem Vermögen usw. entfällt, dann entfällt damit nach meiner festen Überzeugung auch die ethische Beziehung zwischen Staatsführung und Volksgenossen völlig.'" Buchheim, H: Anatomie des SS-Staates, Bd. 1: 95.

 

2. Schaffung der 'Volksgemeinschaft' durch Vernichtung der 'Volksschädlinge'

2.1. Die ersten Terrormaßnahmen münden in Errichtung von Konzentrationslagern

"Die Bezeichnung Schutzhaft, die zum Inbegriff der politischen Gegnerbekämpfung im Dritten Reich werden sollte, ist sogleich nach der Notverordnung vom 28. Februar 1933 auf die damals vor allem gegen kommunistische Funktionäre gerichteten Verhaftungen angewandt worden." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 13.

 

"Einen Tag nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler schrieb Goebbels in sein Tagebuch: 'In einer Unterredung mit dem Führer legten wir die Richtlinien im Kampf gegen den roten Terror fest. Vorläufig wollen wir von direkten Gegenmaßnahmen absehen. Der bolschewistische Revolutionsversuch muss zuerst aufflammen. Im geeigneten Moment werden wir dann zuschlagen'." Shirer, W.L. Aufstieg und Fall des Dritten Reiches. Sonderausgabe Gondrom 1990: 187.

 

"Schon sieben Jahre vorher hatte Hitler in einer nichtöffentlichen Rede in Hamburg erklärt: 'Wenn eine Bewegung den Kampf gegen den Marxismus durchführen will, hat sie genauso intolerant zu sein wie es der Marxismus selber ist. Sie darf keinen Zweifel darüber lassen ... wenn wir siegen, wird der Marxismus vernichtet, und zwar restlos; auch wir kennen keine Toleranz. Wir haben nicht eher Ruhe, bis die letzte Zeitung vernichtet ist, die letzte Organisation erledigt ist, die letzte Bildungsstätte beseitigt ist und der letzte Marxist bekehrt oder ausgerottet ist. Es gibt kein Mittelding.'" Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 16.

 

"Erst die nach dem Reichstagsbrand erlassene Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat hob neben anderen Grundrechten der Weimarer Verfassung auch die Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit auf und schuf damit die Grundlage zur polizeilichen Verhaftung von politischen Gegnern (im weitesten Sinne) ..." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 14.

 

"Während der vertraulichen Sitzung des Reichskabinetts, das nach dem Reichstagsbrand am Vormittag des 28. Februar 1933 die geplante Vorordnung beriet, äußerte Hitler (laut Protokoll), 'dass jetzt eine rücksichtslose Auseinandersetzung mit der KPD dringend geboten sei. Der psychologisch richtige Moment für diese Auseinandersetzung sei jetzt gekommen' und dürfe 'nicht von juristischen Erwägungen abhängig gemacht werden.' Und weiter äußerte er: 'Nachdem die Brandstiftung im Reichstagsgebäude sich ereignet habe, zweifle er nicht mehr daran, dass die Reichsregierung nunmehr bei den Wahlen 51 Prozent erobern werde.'

 

"In Berlin gab Göring noch in der Nacht zum 28. Februar Anweisung zur Verhaftung sämtlicher kommunistischer Reichstags- und Landtagsabgeordneter sowie einiger Tausend sonstiger kommunistischer Funktionäre." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 17.

 

NS01

 

"Schon am 20. März 1933 ließ Himmler als Kommissarischer Polizeipräsident von München auf dem Gelände und in den Steinbaracken einer ehemaligen Pulverfabrik in der Nähe von Dachau bei München das erste Konzentrationslager errichten. Der Völkische Beobachter berichtete hierüber am 21. März 1933:

'Hier werden die gesamten kommunistischen und soweit dies notwendig ist, Reichsbanner- und sozialdemokratischen Funktionäre zusammengezogen, da es auf die Dauer nicht möglich ist, und den Staatsapparat zu sehr belastet, diese Funktionäre in den Gerichtsgefängnissen unterzubringen.'" Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 18.

 

NS02

 

"Der zeitliche Schwerpunkt der ersten, vornehmlich gegen kommunistische Funktionäre gerichteten Welle von Schutzhaftanordnungen durch die preußische Polizei fiel in die Monate März und April 1933. Für einen großen Teil der insgesamt 34 preußischen Regierungsbezirke liegen genaue Angaben über die in beiden Monaten ... in Schutzhaft genommenen Personen vor. ... Zahl der in den gemeldeten preuß. Regierungsbezirken in Schutzhaft genommenen Personen: 16.354.

Diese Teilzahl, die sich auf rund 60 Prozent der preußischen Regierungsbezirke beziehen, ergeben mit großer Wahrscheinlichkeit, dass die Gesamtzahl der in Preußen in den Monaten März/April 1933 von der Polizei in Schutzhaft genommenen Personen mindestens 25.000 (wahrscheinlich etwas höher) gelegen haben muss, zumal die beträchtlichen Verhaftungen in der Reichshauptstadt Berlin in den verwendeten Unterlagen nicht enthalten sind.

Es handelt sich bei diesen rund 25.000 Verhafteten in Preußen nur um die von der Polizei gemeldeten Schutzhaftfälle. Die vor allem in den Großstädten von SA und SS durchgeführten 'wilden' Verhaftungen von politischen Gegnern sind darin nicht enthalten." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 20.

 

"Trotz allen Terrors und aller Einschüchterung stimmte die Mehrheit des deutsches Volkes am 5. März 1933, dem Tage der letzten demokratischen Wahl, gegen Hitler. Zwar stand die NSDAP mit 17.277.180 für sie abgegebenen Stimmen, 5,5 Millionen mehr als bei der letzten Wahl, an der Spitze, doch stellten diese Stimmen nur 44 Prozent der Gesamtzahl dar. Eine eindeutige Majorität fehlte Hitler immer noch. ... Immerhin hatte die Regierung mit den 288 Mandaten der Nationalsozialisten und den 52 der Deutschnationalen im Reichstag eine Mehrheit von 18 Sitzen. Das mochte genügen für die Erledigung der täglichen Regierungsgeschäfte, war aber noch weit entfernt von der Zweidrittelmehrheit, die Hitler benötigte, um einen neuen, kühnen Plan durchzuführen, nämlich die Errichtung seiner Diktatur mit Zustimmung des Parlaments." Shirer, W.L. Aufstieg und Fall des Dritten Reiches. Sonderausgabe Gondrom 1990: 192.

 

"Die gewaltsame Ausschaltung der Kommunisten, die in dem am 5. März gewählten Reichstag ihre Sitze nicht mehr einnehmen konnten, befreite Hitler von diesem am meisten gehassten Gegner und schuf die entscheidende Voraussetzung durch Durchführung des mit Zweidrittel-Mehrheit zu beschließenden Ermächtigungsgesetzes (23. März 1933), das Hitler ein wesentliches Stück näher an die absolute Staatsführung heranbrachte." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 23.

 

"Von der neuen Position aus konnte eine Reihe weiterer Gegner eliminiert werden: Am 2. Mai fand die Aktion zur Zerschlagung der Freien Gewerkschaften statt, am 9. Mai wurde das Vermögen des Reichsbanners und der SPD beschlagnahmt, am 22. Juni die Sozialdemokratische Partei offiziell verboten und am 7. Juli ihre Mandate im Reichstag, den Landtagen und Kommunalvertretungen kassiert." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 23.

 

"In Preußen wuchs die Zahl der Schutzhaftgefangenen nach leichtem Absinken im Mai und Juni wieder auf 14.000 an. Im Juni 1933 hatte das Preußische Innenministerium insgesamt sechs Lager offiziell als staatliche (und aus der preußischen Staatskasse finanzierte) Konzentrationslager anerkannt ..." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 24.

 

"Man plante eine Konzentration der preußischen Schutzhäftlinge in den Moorgebieten des Emslandes, wodurch zugleich ein produktiver Einsatz erreicht werden sollte. Durch Ausbau der dort schon errichteten Konzentrationslager (Esterwegen, Börgermoor) sollte eine Gesamtkapazität für 10.000 Gefangene geschaffen werden, da 'für die nächsten Jahre mit einer Dauerzahl von 10.000 Häftlingen zu rechnen' sei.  Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 24.

 

"Nach einer internen Aufstellung des Reichsministeriums des Innern befanden sich am 31. Juli 1933 im Reichsgebiet insgesamt 26.789 Personen in Schutzhaft." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 24.

 

"Der preußische Justizminister verkündete am 25. Juli 1933 in einer allgemeinen Verfügung an die Staatsanwaltschaften 'aus Anlass der Beendigung der nationalsozialistischen Revolution' eine Amnestierung der Strafen oder Niederschlagung der Strafverfolgung in den meisten zurückliegenden Fällen, in denen SS- und SA-Angehörige sich bei der Verfolgung von Gegner straffällig gemacht hatten." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 25f.

 

2.2. Zweite Phase (1934 - 1937):

Konzentrationslager werden zum allgegenwärtigen Herrschaftsinstrument

"Die Jahre 1934 bis 1937 bildeten in der Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager in zweifacher Hinsicht eine Übergangsphase: In dieser Zeit wurden die meisten der in der revolutionären Phase nationalsozialistischer Machtergreifung namentlich von der SA gegründeten Sammelstätten und mehr oder weniger 'wilden' Lager für politische Gefangene geschlossen, die Zahl der Schutzhäftlinge im ganzen stark reduziert ... Ausgehend von Dachau ... kam es in der gleichen Zeit aber zu einer Monopolisierung und Vereinheitlichung der wenigen noch bestehenden Lager in der Hand der SS, zur Herausbildung eines Modells der inneren Lagerordnung und allgemeinen Regeln hinsichtlich der Kompetenzen, Bewachungsmannschaften usw., ferner auch zu einer Ausdehnung der Konzentrationslager auf andere nichtpolitische Personengruppen." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 46.

 

Es war "vor allem auch das Bestreben Himmlers, die Lager als Bezirke eigenen Rechts außerhalb der Strafgesetze und der ordentlichen Strafjustiz zu organisieren." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 48.

 

"Als Eicke 1934 von Himmler die Übernahme der Konzentrationslager in die Hand der SS und ihrer Neuorganisation beauftragt war, bestand ein wesentlicher Teil seiner Aufgabe darin, die zum Teil noch in kleinen örtlichen Lagern über das Reichsgebiet verstreuten Schutzhäftlinge in einigen größeren Lagern zusammenzufassen und in diesen eine einheitliche Leitung und Bewachung durch SS-Führer und -Mannschaften durchzusetzen. Im März 1935 war dieser Prozess so weit gediehen, dass der Aufsicht Eickes sieben Lager (Dachau, Esterwegen, Lichtenburg, Sachsenburg, Columbia-Haus, Oranienburg, Fuhlsbüttel bei Hamburg) unterstanden, in denen sich insgesamt 7.000 bis 9.000 Häftlinge befunden haben dürften.

Bei sämtlichen dieser Lager waren kasernierte SS-Wachmannschaften stationiert. Sie gehörten seit Ende 1934 nicht mehr zum Gesamtverband der allgemeinen SS, sondern wurden als 'SS-Wachverbände' oder - nach ihrem in Dachau schon 1933 eingeführten Totenkopfabzeichen auf dem Kragenspiegel - als 'SS-Totenkopfverbände' bezeichnet ..." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 61.

 

NS03

 

"Zahlen der wegen Betätigung für die KPD und SPD von der Staatspolizei festgenommenen Personen (Oktober 1933 bis März 1936):

Im Reichsgebiet insgesamt: 7.266. Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 41.

 

"Im Winter 1936/37 waren mit rund 7.500 Häftlingen der wohl niedrigste Stand der Schutzhäftlinge in Konzentrationslagern erreicht." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 64.

 

"Zwischen August 1937 und Juli 1938 bestanden im Reichsgebiet insgesamt vier Konzentrationslager: Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald und (seit Sommer 1937 nur noch als Frauenkonzentrationslager) Lichtenburg. ...

Bei jedem der drei Lager waren im August 1937 ein Totenkopfverband mit je 1000 bis 1.500 Mann stationiert. ... Ende 1937 hatten die SS-Totenkopfverbände eine Gesamtstärke von 4.833 Personen." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 65.

 

"Interessanten Einblick gewähren ... Meldungen der bayerischen politischen Polizei, welche den Zeitraum vom 30. März bis zum 2. November 1936 (d.h. rund 7 Monate) umfassen. Bei der überwiegenden Zahl der staatspolizeilichen Festnahmen (insgesamt 1791 Personen) aus politischen Gründen handelte es sich in dieser Zeit offenbar um Bagatellsachen. ... In 340 Fällen (= 20%) sind 'staatsfeindliche Äußerungen', 'Verbreitung von Gräuelnachrichten', 'Verächtlichmachung des Hakenkreuzes', 'abfällige Äußerungen über Gauleiter Streicher' u.a. als Haftgründe angegeben. ... Kritik an der nationalsozialistischen Führung sollte mit dem Mittel der Schutzhaft offenbar im Keime erstickt werden. Hierin liegt gerade in der Übergangszeit der Jahre 1935/36 eine für das Regime wichtige Funktion der Konzentrationslager." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 42f.

 

"Dr. Werner Best, Heydrichs Vertreter im Geheimen Staatspolizeiamt: 'Mit der Errichtung des nationalsozialistischen Führerstaates ist zum ersten Mal in Deutschland eine Herrschaft entstanden, die aus einer lebendigen Idee ihre Legitimation schöpft, jeden Angriff auf den gegenwärtigen Zustand des Staates und auf seine gegenwärtige Führung mit allen staatlichen Machtmitteln abzuwehren. Der politische Totalitätsgrundsatz des Nationalsozialismus, der dem weltanschaulichen Grundsatz der organischen unteilbaren Volkseinheit entspricht, duldet keine politische Willensbildung in seinem Bereich, der sich nicht der Gesamtwillensbildung einfügt. Jeder Versuch, eine andere politische Auffassung durchzusetzen oder auch nur aufrechtzuerhalten, wird als Krankheitserscheinung, die die gesunde Einheit des unteilbaren Volksorganismus bedroht, ohne Rücksicht auf das subjektive Wollen seiner Träger ausgemerzt.'" Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 44.

 

"Während der Übergangszeit der Jahre 1934 bis 1937 bahnte sich auch bei den Einweisungen in die Konzentrationslager ein Wandel beziehungsweise eine Ausweitung der Motivation an. Nicht mehr nur politische Gegner, sondern auch andere, wie es hieß, volksschädigende Elemente, kamen in die Lager. In Dachau bestand 1937/38 die weit überwiegende Mehrzahl der Gefangenen aus politischen Häftlingen, in Sachsenhausen dagegen stand diesen bereits damals eine wohl ebenso große Zahl von sogenannten Asozialen, Homosexuellen, Bibelforschern, Gewohnheitsverbrechern gegenüber. ... Man war dazu übergangen, ... Personen in die Konzentrationslager einzuweisen, die man für schädlich hielt, obwohl sie nach bestehendem Recht nicht bestraft werden konnten." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 66.

 

"Am 23. Februar 1937 ordnete Himmler selbst an, dass von der Kriminalpolizei 'etwa 2000 Berufs- und Gewohnheitsverbrecher oder gemeingefährliche Sittlichkeitsverbrecher in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen' seien, und ... dass diese ... 'schlagartig' am 9. März 1937 'im gesamten Reichsgebiet festzunehmen' und 'den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Sachsenburg, Lichtenburg und Dachau zuzuführen seien.' Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 68.

 

Nach einem Erlass des Reichsministeriums des Inneren vom 14. Dezember 1937 sollte die Vorbeugehaft u.a. anwendbar sein auf Personen, die mindestens dreimal mit Gefängnis oder Zuchthaus ... vorbestraft waren (Berufs- oder Gewohnheitsverbrecher) ... außerdem Personen mit falschem Namen, die den Verdacht erwecken, eine Straftat verdecken zu wollen; schließlich aber auch Personen, die 'ohne Berufs- oder Gewohnheitsverbrecher zu sein', durch ihr 'asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährden'. ... Als asoziale Personen, gegen die notfalls Schutzhaft zu verhängen sei, hatten Richtlinien aufgezählt: Bettler, Landstreicher, Zigeuner, Landfahrer, Arbeitsscheue, Müßiggänger, Prostituierte, Querulanten, Gewohnheitstrinker, Raufbolde, Verkehrssünder und sogenannte Psychobatzen und Geisteskranke." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 70.

 

3. Phase ab 1938: Expansion der Konzentrationslager nach Zahl und Größe

"In den Jahren 1937/38 zog Himmler, dabei offenkundig unterstützt von Hitler, den Kreis der in die Konzentrationslager einzuweisenden Personen zunehmend weiter. Bezeichnend ist ein Runderlass ... vom 26. Januar 1938, der einen 'einmaligen, umfassenden und überraschenden Zugriff' gegen sogenannte arbeitsscheue Elemente ankündigte:

'Arbeitsscheue im Sinne dieses Erlasses sind Männer im arbeitsfähigen Lebensalter, deren Einsatzfähigkeit in der letzten Zeit durch amtsärztliches Gutachten festgestellt worden ist oder noch festzustellen ist, und die nachweislich in zwei Fällen die ihnen angebotenen Arbeitsplätze ohne berechtigten Grund abgelehnt oder die Arbeit zwar aufgenommen, aber nach kurzer Zeit ohne stichhaltigen Grund wieder aufgegeben haben.' Die örtlich zuständigen Arbeitsämter sind bereits angewiesen, die ihnen bekannten Arbeitsscheuen in der Zeit vom 18.2. bis 4.3. 1938 zu ermitteln und den Staatspolizeistellen mitzuteilen." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 71.

 

"Eine weitere Kategorie von Schutzhaftgefangenen, die seit 1935 eine nicht unerhebliche Gruppe in den Konzentrationslagern darstellte, rekrutierte sich aus Angehörigen der 'Internationalen Vereinigung der Ernsten Bibelforscher' (Zeugen Jehovas)." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 72.

 

"Die verschiedenen Häftlingskategorien wurden in den Lagern besonders gekennzeichnet. Das schon in den Jahren vor dem Krieg eingeführte einheitliche Schema der Kennzeichnung bestand darin, dass das Stoffdreieck, das jedem Gefangenen auf die Häftlingskleidung aufgenäht wurde, je nach Häftlingskategorie in verschiedenen Farben ausgefertigt wurde:

für politische Häftlinge = Rot

für Bibelforscher = Lila

für Asoziale = Schwarz

für Kriminelle = Grün

für Homosexuelle = Rosa

für Emigranten = Blau

Jüdische Häftlinge mussten zusätzlich zu dem Farbdreieck ein gelbes Dreieck tragen, das so auf das Farbdreieck aufgenäht wurde, dass sich ein sechseckiger Zionsstern ergab." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 73.

 

"Nach Kriegsbeginn, als die weit überwiegende Zahl der Häftlinge sich aus Nichtdeutschen zusammengesetzte, wurde auch die Nationalität der Häftlinge (P = Pole, F = Franzose u.ä.) auf der Kleidung kenntlich gemacht (großer Buchstabe auf dem Dreieck)." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 74.

 

"Am 25. Januar 1938 wurden die bisher geltenden Richtlinien in einem neuen grundlegenden Erlass des Reichministeriums des Inneren ... abgeändert. Als wesentliche Neuerung enthielt der Erlass:

a) Eine erweiterte Zweckbestimmung der Schutzhaft (nicht nur gegen politische Gegner im engeren Sinne ...

c) Die Begriff der Schutzhaft wurde nur noch auf die langfristige, in Konzentrationslagern zu vollstreckende Haft angewendet:

6: 'Die Schutzhaft ist grundsätzlich in staatlichen Konzentrationslagern zu vollstrecken.'"  Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 74f.

 

"Die einleitende Begründung des Erlasses nennt als Zweck der Aktion einerseits die Ausschaltung von Personen, die 'der Gemeinschaft zur Last fallen und sie dadurch schädigen', andererseits den Bedarf an Arbeitskräften: 'Die straffe Durchführung des Vierjahresplanes erfordert den Einsatz aller arbeitsfähigen Kräfte und lässt es nicht zu, dass asoziale Menschen sich der Arbeit entziehen und somit den Vierjahresplan sabotieren.'" Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 77

 

"In die Zeit der forcierten neuen Verhaftungsaktionen fiel die Errichtung SS-eigener Baustoffproduktionsstätten in und bei den Konzentrationslagern. Zu ihrer Inbetriebnahme brauchte man größere Häftlingskontingente." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 77.

 

"Das Anwachsen der Zahl der Häftlinge und Lager im Jahre 1938 hatte noch andere Gründe, denn in dieses Jahr fielen die ersten territorialen Expansionen des Dritten Reiches, seine Erweiterung zum Großdeutschen Reich. Die Gleichschaltung der neuen Gebiete (Österreichs und des Sudetenlandes) bedeutete, dass hier die Ausschaltung von politischen Gegnern, die im Altreich schon 1933/34 weitgehend durchgeführt war, bei der Besetzung und Eingliederung nachgeholt werden musste. ... In Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen wurden einige Tausend neuer politischer Häftlinge eingeliefert." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 79.

 

"Die Konzentrationslager hörten ... nicht auf, Stätten der politischen Verfolgung zu sein, sie wurden aber in weit höherem Maße eine (besonders diskriminierende und drakonische) Form der Zwangsarbeit." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 110.

 

"Aus einer späteren Statistik des Amtes D III (Sanitätswesen) geht hervor, dass allein im zweiten Halbjahr 1942 bei einer durchschnittlichen Gesamthäftlingszahl von rund 95.000 nicht weniger als 57.503 Häftlinge starben, d.h. rund 60 Prozent in sechs Monaten." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 125.

 

"In den 8 Monaten von Januar bis August 1943 starben in den Konzentrationslagern abermals 60.000 Häftlinge." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 126.

 

"Nach den vorliegenden Teilzahlen ist die Gesamtzahl der Häftlinge, die während des Krieges in den Konzentrationslagern an Entkräftung und Krankheiten starben, mindestens auf eine halbe Million zu schätzen." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 133.

 

NS07

 

"Nach der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. November 1938 (wurden) im Reichsgebiet ca. 35.000 Juden zusammengetrieben und auf besonderen Befehl Hitlers vorübergehend in die Konzentrationslager eingewiesen ...

In die Lager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen wurden im November 1938 je ca. 10.000 Juden eingeliefert, die nur äußerst notdürftig untergebracht werden konnten.  ... Dr. Best (Vertreter des Reichsführers-SS) ... wies daraufhin, dass 'die Ereignisse in den letzten Tagen eine Steigerung der Häftlingszahl von 24.000 auf rund 60.000 gebracht hätten." " Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 79f.

 

"Die nach der 'Kristallnacht' festgenommenen Juden, meist wohlhabende Bürger, blieben nur einige Wochen in den Lagern und wurden entlassen, nachdem sie sich verpflichtet hatten, aus Deutschland auszuwandern." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 80.

 

"Im Frühjahr und Sommer 1939 gingen die Häftlingszahlen in den drei großen Lagern Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald auf je 5.000 bis 6.000 zurück. ... Die Gesamtzahl der Häftlinge betrug bei Kriegsbeginn rund 25.000." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 81.

 

"Seit 1937 hatten auch die Totenkopfverbände eine starke Vermehrung erfahren." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 81.

 

2.4. Die letzte Phase (Kriegsjahre 1939 - 1945):

KZs als Arbeits- und Vernichtungslager

 

"Der Beginn des Krieges stellt die eigentliche Zäsur in der Entwicklung der Konzentrationslager dar. ... Höß schrieb in seinen Erinnerungen: 'Es kam der Krieg und mit ihm die große Wende im Leben der Konzentrationslager.' Erst in den Kriegsjahren schwoll die Zahl der Lager und Häftlinge ins Riesenhafte an. Jetzt veränderte sich aber auch der Personenkreis der Häftlinge wesentlich. Bei Kriegsende befand sich in den Lagern im Durchschnitt nur noch eine Minderheit von 5 - 10 Prozent deutscher Häftlinge. Die übergroße Mehrheit bestand aus Angehörigen fremder Nationalität ... Und unter ihnen war wiederum die Zahl der jüdischen Häftlinge besonders umfangreich." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 82.

 

NS04

 

"Innerhalb der Gesamtzeit der Kriegsjahre ist dabei zu unterscheiden zwischen der Phase der Jahre 1939 - 1941/42, als die Ausdehnung des Konzentrationslagerwesens noch relativ langsam vonstatten ging, und der überstürzten Massierung in der Spätphase ab 1942. Die Unterstellung der Konzentrationslager unter das Wirtschaftsverwaltungshauptamt im März 1942 kann dabei als Wendepunkt gelten." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 82.

 

"Bei Beginn des Krieges erhielt Himmler (von Hitler) ... die Anweisung, mit polizeilichen Mitteln gegen alle Feinde des Staates und der Volksgemeinschaft vorzugehen und dabei nicht nur von der Schutzhaft Gebrauch zu machen, sondern in schweren Fällen die betreffenden Personen ohne Hinzuziehung der Justiz zu liquidieren. Aufgrund der von Hitler und Himmler erteilten Weisungen gab der Chef der Sicherheitspolizei am 3. September 1939 ... einen .... Runderlass über die 'Grundsätze der inneren Staatssicherung während des Krieges' heraus. Darin heißt es:

'Jeder Versuch, die Geschlossenheit und den Kampfeswillen des deutschen Volkes zu zersetzen, ist rücksichtslos zu unterdrücken. Insbesondere ist gegen jede Person sofort durch Festnahme einzuschreiten, die in ihren Äußerungen am Sieg des deutschen Volkes zweifelt oder das Recht des Krieges in Frage stellt ... Alsdann ist unverzüglich dem Chef der Sicherheitspolizei Bericht zu erstatten und um Entscheidung über die weitere Behandlung des Falles zu bitten, da gegebenenfalls auf höhere Weisung brutale Liquidierung solcher Elemente erfolgen wird ...'" Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 87f.

 

"Damit waren die Lager schon in den ersten Septembertagen in eine neue Funktion eingesetzt: neben anderen Zwecken dienten sie fortan auch als Stätten der physischen Vernichtung." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 89.

 

"Ähnlich wie bei Hitlers sogenanntem Euthanasie-Befehl, war eine Reihe der ersten Zwangsmaßnahmen offenbar von dem Gedanken geleitet, hinter dem Schirm des durch den Krieg eingetretenen Ausnahmezustandes bestimmte gewaltsame Eingriffe zur 'Reinigung des Volkskörpers' zu vollziehen, die nach nationalsozialistischer Weltanschauung grundsätzlich geboten schienen, die man aber in den Friedenszeiten mit Rücksicht auf die Öffentlichkeit des In- und Auslandes nicht hatte verwirklichen können." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 93.

 

"Auch im Reichsgebiet vermehrte sich die Festnahmetätigkeit der Gestapo erheblich. Über (die Zahl und über) die Verhaftungsgründe gibt folgende Tabelle Auskunft:

Zahl der staatspolizeilichen Verhaftungen im Oktober 1941:

Kommunismus und Marxismus = 1.074

Opposition = 3.796

Kath. Kirchenbewegung = 416

Ev. Kirchenbewegung = 12

Juden = 476

Wirtschaft = 234

Arbeitsniederlegungen = 8.556

Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen = 596

Gesamtzahl = 15.160." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 95

 

"In den zweieinhalb Jahren zwischen Kriegsbeginn und der Übernahme der KL durch das Wirtschaftsverwaltungshauptamt (März 1942) stieg die Zahl der Konzentrationslagerhäftlinge von ungefähr 25.000 auf knapp 100.000 an." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 97.

 

"Im Frühjahr und Sommer (sind) eine Reihe neuer Konzentrationslager angelegt worden: Im Juni 1940 das Lager Auschwitz ...

Himmler (befahl) ... bei seinem ersten Besuch in Auschwitz im März 1941 die Erweiterung des Gesamtlagerbereichs ... zu einem Riesenkomplex von insgesamt 40 qkm und zu einer Aufnahmefähigkeit für über 100.000 Häftlinge." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 97f.

 

"Im Oktober 1941 (wurde) bei dem Ort Birkenau (poln. Brzezinka) ... mit der Errichtung des Lagers Birkenau begonnen, welches zum umfangreichsten aller je errichteten nationalsozialistischen Konzentrationslagern werden sollte.

Die ursprünglich von Himmler ins Auge gefasste Kapazität von 100.000 Häftlingen wurde in den Plänen, die im Herbst 1941 dem Bau zugrunde gelegt wurden ... schließlich noch verdoppelt. Danach sollte das Lager Birkenau im Endzustand rund 600 Baracken für insgesamt 200.000 Häftlinge umfassen. Dieser Plan ist jedoch nur zum Teil verwirklicht worden." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 99.

 

"Während das im Jahre 1941 ebenfalls erweiterte Stammlager Auschwitz durchschnittlich eine Belegstärke von 18.000 Häftlingen hatte, waren im Lager Birkenau zur Zeit der Höchstbelegstärke (1943) rund 100.000 Häftlinge untergebracht. In der unmittelbaren Nähe von Birkenau wurden dann auch die Vergasungsanstalten und Krematorien errichtet." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 100.

 

"Spätestens im Sommer 1941 waren die grundsätzlichen Entscheidungen Hitlers und Himmlers zur 'Endlösung' der Judenfrage gefallen, und seitdem wurde der Abtransport des deutschen und unter deutscher Oberhoheit stehenden europäischen Judentums nach dem Osten und die physische Beseitigung der deportierten Juden in bestimmten dafür ausersehenen Lagern und Vernichtungsstellen (vor allem in Auschwitz, Chelmo, Treblinka, Belzek, Majdanek und Sobibor) systematisch in Angriff genommen." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 108.

 

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"In Treblinka, Belzec, Sobibor, Chelmo wurden die mit Bahn- und Lastwagentransporten eintreffenden Juden regelmäßig kurz nach der Ankunft so gut wie ausnahmslos vernichtet. ... Nur in Auschwitz, wo die beiden Zwecke (Vernichtung und Arbeitseinsatz der Juden) an einem Ort konkurrierten, entstand jenes Ausleseverfahren der sogenannten Selektion, dem jeder ankommende Judentransport unterworfen wurde: aus der Masse der deportierten jüdischen Männer, Frauen und Kinder sonderten SS-Ärzte und SS-Führer auf der sogenannten 'Rampe' von Birkenau ... ein größere oder kleinere Anzahl von Arbeitsfähigen (bevorzugt Jugendliche, Männer mittleren Alters und arbeitsfähige Frauen ohne Kinder) aus, die von der Vernichtung ausgenommen, als Häftlinge registriert und in das angrenzende Lager überwiesen wurden, wo sie eine Chance des Überlebens hatten, solange sie arbeitsfähig blieben." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 109.

 

"Eine Stärkemeldung von WVHA vom 15. August 1944 beziffert die damalige Gesamtzahl der KL-Häftlinge mit 524.286 Personen, davon 379.167 Männer und 145.119 Frauen." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 132.

 

"Laut Aufstellung vom 15. Januar 1945 gab es damals im Reichsgebiet 714.211 Konzentrationslager-Häftlinge (511.537 Männer und 202.674 Frauen). Zur gleichen Zeit betrug die Stärke der SS-Wachmannschaften rund 40.000 Mann." Broszat, M.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2: 132.

 

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Wal Buchenberg 09.10.2006


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