
Israels Krieg gegen Gaza
Am 30.12. 2008 hatte ich bei Indymedia geschrieben: "Die Militäraktion gegen Gaza und das politische Säbelrasseln der israelischen Regierung stehen möglicherweise mit den kommenden Wahlen am 10. Februar 2009 in Zusammenhang. Man wird in den nächsten Meinungsumfragen sehen, ob die Kadima-Regierung ihr verlorenes Ansehen bei den Wählern in Israel dadurch hat verbessern können."
Nur nebenbei wurde in deutschen Medien angedeutet, dass dieser Krieg mit den kommenden Wahlen in Israel im Zusammenhang steht. Die FTD schrieb, der Angriff dürfte "auch dadurch motiviert sein, dass die Politik vor der nahenden Parlamentswahl Stärke beweisen wollte."
Inzwischen liegen ausreichend Informationen vor, um die Zusammenhänge zwischen den kommenden Neuwahlen und dem Krieg gegen Gaza aufzeigen zu können.
In früheren Meinungsumfragen lag Barak, der Führer der "Arbeiterpartei", ebenso wie Zipi Livni, Chefin der Regierungspartei "Kadima" und derzeitige Außenministerin, aussichtslos hinter Benjamin Netanjahu und seiner oppositionellen Likudpartei zurück. Laut israelischen Umfragen vom 15. November hätte Likud ihre Parlamentssitze von 11 auf 33 verdreifachen können, während die regierende Kadima-Partei mit jetzt noch 29 Abgeordneten jedenfalls ihre Regierungsmehrheit verloren hätte.
Seit dem israelischen Angriff auf Gaza ist vor allem das Ansehen von Verteidigungsminister Barak stark angestiegen. Plötzlich findet Barak bei 60 Prozent der Wähler Sympathie und Zustimmung, noch vor einer Woche lagen seine Sympathiewerte bei 23 Prozent. Laut einer israelischen Umfrage vom 1. Januar dieses Jahres halten über 70 Prozent der Wähler die israelischen Luftangriffe gegen Gaza "für richtig".
Barak machte das wahltaktische Optimum aus seiner Rolle als harter Kriegshund, indem er ohne Regierungschef Olmert und ohne Außenministerin Livni vor die Presse trat und den Israelis die Angriffsziele und seine Kriegsziele erläuterte. Die regierungsnahe Zeitung "Haaretz" titelte: "Barak ist zurück!"
Auch Netanjahu und seine Likudpartei gewinnt weiter an Popularität. Netanjahu war es, der immer schon ein hartes Vorgehen gegen die Palästinenser und gegen die Hamas verlangt hatte. Er hatte auch den israelischen Abzug von Gaza im Jahr 2005 scharf kritisiert. Netanjahu sagt jetzt: Die Regierung erfülle mit dem Krieg gegen Gaza endlich seine Forderungen.
Nachdem sich Außenministerin Livni in den innerparteilichen Wahlen zur Nachfolge Olmerts vor kurzem noch als Friedensengel hingestellt und Verhandlungen mit den Palästinensern befürwortet hatte, sucht auch sie jetzt den blutroten Glanz der Kriegsheldin. "Genug ist genug!", donnerte sie immer wieder und ließ sich an mehreren Orten abfilmen, wo kurz zuvor palästinensische Raketen eingeschlagen waren, und rechtfertigte die israelischen Angriffe in mehreren internationalen Interviews.
Auch Noch-Regierungschef Ehud Olmert, gegen den mehrere Verfahren wegen Korruption laufen, hofft durch einen günstigen Ausgang des Gaza-Krieges sein angeschlagenes Image zu reparieren. Olmert stellt sich am 10. Februar nicht mehr zur Wahl. Diese Wahlen entscheiden jedoch über sein politisches Erbe.
Zwar bestreitet das Kriegs-Trio Barak, Olmert, Livni öffentlich, dass sie mit dem Gaza-Krieg wahltaktische Ziele verfolgen, aber es ist mittlerweile klar, dass ihre Kriegsvorbereitung gegen Gaza schon etliche Monate vorher angelaufen war, bevor deutlich wurde, dass die Hamas den auslaufenden Waffenstillstand am 19. Dezember nicht verlängern wollte. Diese Entscheidung der Hamas lieferte den Dreien einen billigen Vorwand und Livni konnte vor die Presse treten und verkünden: dadurch sei "die rote Linie überschritten" worden.
"Barak hatte keine andere Wahl, als loszuschlagen. Die Wähler hätten ihn sonst bestraft", sagt dagegen Schmuel Sandler vom Zentrum für Strategische Studien in Ramat Gan.
Abgesehen von den unsicheren Wahlprognosen gibt es auch ein gemeinsames politisches Ziel in diesem Krieg, das wohl alle Staatspolitiker in Israel verfolgen: Die Machtstellung der Hamas in Gaza, die die Hamas erst durch freie Wahlen gewonnen und anschließend durch einen kurzen Bürgerkrieg gegen die Milizen der Fatah gesichert hatte, soll unterminiert und zerstört werden.
Insofern ähnelt das israelische Eingreifen in Gaza dem Angriff der USA auf den Irak: Ein ungeliebtes Regime soll gestürzt und eine kompromissbereite, genehme Regierung dort installiert werden.
Anhand der Kriegskarte wird deutlich, dass die Raketenangriffe der Hamas und anderer radikaler Gruppierungen allenfalls die israelische Peripherie treffen. Es werden keine sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Zentren in Israel bedroht. Die Luft- und Bodenangriffe der Israelis zielen dagegen auf die Kernzonen in Gaza. Nach diesem Krieg wird in Gaza nichts mehr so sein wie vor diesem Krieg.

Die USA zahlten für ihren Irakkrieg einen hohen Preis, von dem nicht sicher ist, dass sich der Krieg für die USA auszahlen wird. Auch Israel geht ein hohes Risiko mit seinen Angriffen auf Gaza ein.
Das israelische Desaster im Libanon-Krieg von 2006 ist noch in aller Erinnerung. Nun will Barak alles besser machen als Olmert im Libanonkrieg. Wenn der Krieg für Israel keine greifbaren Vorteile bringt, muss Barak zwangsläufig die Angriffe bis zum Wahltermin am 10. Februar fortsetzen. Ansonsten gefährdet er seine privaten Kriegsziele.
Der politische Einfluss der Hamas in Gaza und in den arabischen Ländern wurde durch die Angriffe Israels bisher jedoch eher gestärkt als geschwächt. Wie an anderen Schauplätzen hat der Krieg des Westens "Gegen den Terror" vorhandene Probleme nicht verdrängt, sondern vermehrt.
Wal Buchenberg, 5. Januar 2009