Kapital 3.251- 256

15. Kapitel
Entfaltung der inneren Widersprüche des Gesetzes
I. Allgemeines
Steigende Mehrwertmasse trotz fallender Profitrate:
„Man hat im ersten Abschnitt dieses Buches gesehen, dass die Profitrate die Mehrwertrate stets niedriger ausdrückt als sie ist.
Man hat jetzt gesehen, dass selbst eine steigende Rate des Mehrwerts die Tendenz hat, sich in einer fallenden Profitrate auszudrücken.
Die Profitrate wäre nur gleich der Rate des Mehrwerts, wenn c = 0, d.h., wenn das Gesamtkapital in Arbeitslohn ausgelegt wäre.
Eine fallende Profitrate drückt nur dann eine fallende Rate des Mehrwerts aus, wenn das Verhältnis zwischen dem Wert des konstanten Kapitals und der Menge der es in Bewegung setzenden Arbeitskraft unverändert bleibt, oder wenn diese letztere, im Verhältnis zum Wert des konstanten Kapitals gestiegen ist.“ K. Marx, Kapital 3. S. 251.
“Wir haben gesehen, dass, obwohl im Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktion m, die Gesamtsumme des Mehrwerts, stetig wächst, dennoch m/C ebenso stetig abnimmt, weil C noch rascher wächst als m.“ K. Marx, Kapital 3. S. 252.
“Fällt die Profitrate von 50 % auf 25 %, wenn z.B. die Kapitalzusammensetzung, bei einer Mehrwertrate = 100 %, sich von 50 c + 50 v auf 75 c + 25 v  verändert, so wird im ersten Fall ein Kapital von 1000 einen Profit von 500 und im zweiten Fall ein Kapital von 4000 einen Profit von 1000 geben, m oder p hat sich verdoppelt, aber p’ ist um die Hälfte gefallen.“ K. Marx, Kapital 3. S. 253.
Kapital 1): C = 1000 = 500 c + 500 v ( + 500 m);
Kapital 2): C = 4000 = 3000 c + 1000 v ( + 1000 m).

Fallende Profitrate und steigende Akkumulation: Aus einer steigenden Mehrwertmasse kann auch mehr akkumuliert werden:
“Ein bestimmte Profitrate gegeben, hängt die Masse des Profits stets ab von der Größe des vorgeschossenen Kapitals.
Die Akkumulation aber ist dann bestimmt durch den Teil dieser Masse, der in Kapital rückverwandelt wird. Dieser Teil aber, da er gleich dem Profit minus der von den Kapitalisten verzehrten Revenue, wird nicht nur abhängen von dem Wert dieser Masse, sondern auch von der Billigkeit der Waren, die der Kapitalist damit kaufen kann; .... (Der Arbeitslohn ist hier als gegeben vorausgesetzt.)
Die Masse des Kapitals, die der Arbeiter in Bewegung setzt und deren Wert er durch seine Arbeit erhält und im Produkt wiedererscheinen macht, ist durchaus verschieden von dem Wert, den er zusetzt. Ist die Masse des Kapitals = 1000 und die zugesetzte Arbeit = 100, so das reproduzierte Kapital = 1100.
Ist die Masse = 100 und die zugesetzte Arbeit = 20, so das reproduzierte Kapital = 120.
Die Profitrate ist im ersten Fall = 10 %, im zweiten = 20 %. Und dennoch kann aus 100 mehr akkumuliert werden als aus 20. ...“ Die Akkumulation des Kapitals steht „nicht im Verhältnis zur Höhe der Profitrate.“ K. Marx, Kapital 3. S. 255.
(Aus einem Mehrwert von 20 hat der Kapitalist vielleicht eine Revenue von 15 gezogen und 5 akkumuliert, also mit einer Akkumulationsrate von 25 % seines Mehrwerts.
Aus dem höheren Mehrwert von 100 hat der Kapitalist dann vielleicht 30 als Revenue verzehrt und 70 akkumuliert. Sein privater Konsum ist auf das Doppelte gestiegen, seine Akkumulation hat sich fast verdreifacht, obwohl die Profitrate von 20 % auf 10 % gefallen war.)

„Fall der Profitrate und beschleunigte Akkumulation sind insofern nur verschiedene Ausdrücke desselben Prozesses, als beide die Entwicklung der Produktivkraft ausdrücken.
Die Akkumulation ihrerseits beschleunigt den Fall der Profitrate, sofern mit ihr die Konzentration der Arbeiten auf großer Stufenleiter und damit eine höhere Zusammensetzung des Kapitals gegeben ist.
Andererseits beschleunigt der Fall der Profitrate wieder die Konzentration des Kapitals und seine Zentralisation durch die Enteignung der kleineren Kapitalisten, durch die Enteignung des letzten Rests der unmittelbaren Produzenten, bei denen noch etwas zu enteignen ist. Dadurch wird andererseits die Akkumulation, der Masse nach, beschleunigt, obgleich mit der Profitrate die Rate der Akkumulation fällt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 251.
„Andererseits, soweit die Rate der Verwertung des Gesamtkapitals, die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion ist (wie die Verwertung des Kapitals ihr eigener Zweck), verlangsamt ihr Fall die Bildung neuer selbständiger Kapitale und erscheint so als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprozesses;“ K. Marx, Kapital 3. S. 251.

Steigende Akkumulation und begrenzte Aufnahmefähigkeit der Märkte:
“Die Schöpfung von Mehrwert findet, die nötigen Produktionsmittel, d.h. hinreichende Akkumulation von Kapital vorausgesetzt, keine andere Schranke als die Arbeiterbevölkerung, wenn die Rate des Mehrwerts, also der Ausbeutungsgrad der Arbeit gegeben ist, und keine andere Schranke als den Ausbeutungsgrad der Arbeit, wenn die Arbeiterbevölkerung gegeben ist.
Und der kapitalistische Produktionsprozess besteht wesentlich in der Produktion von Mehrwert, dargestellt in dem Mehrprodukt oder dem Anteil der produzierten Waren, worin unbezahlte Arbeit vergegenständlicht ist.
Man darf es nie vergessen, dass die Produktion dieses Mehrwerts - und die Rückverwandlung eines Teils desselben in Kapital, oder die Akkumulation, bildet einen integrierenden Teil dieser Produktion des Mehrwerts - der unmittelbare Zweck und das bestimmende Motiv der kapitalistischen Produktion ist.“ K. Marx, Kapital 3. S. 253.
“Die Gewinnung dieses Mehrwerts bildet den unmittelbaren Produktionsprozess, der wie gesagt keine anderen Schranken als die oben angegebenen hat.
Sobald das auspressbare Quantum Mehrarbeit in Waren vergegenständlicht ist, ist der Mehrwert produziert. Aber mit dieser Produktion des Mehrwerts ist nur der erste Akt des kapitalistischen Produktionsprozesses ... beendet.
Das Kapital hat soundsoviel unbezahlte Arbeit eingesaugt. Mit der Entwicklung des Prozesses, der sich im Fall der Profitrate ausdrückt, schwillt die Masse des so produzierten Mehrwerts ins Ungeheure.
Nun kommt der zweite Akt des Prozesses. Die gesamte Warenmasse, das Gesamtprodukt, sowohl der Teil, der das konstante und variable Kapital ersetzt, wie der Teil, der den Mehrwert darstellt, muss verkauft werden.
Geschieht das nicht oder nur zum Teil oder nur zu Preisen, die unter den Produktionspreisen stehen, so ist der Arbeiter zwar ausgebeutet, aber seine Ausbeutung realisiert sich nicht als solche für den Kapitalisten....“ K. Marx, Kapital 3. S. 254.
“Die Bedingungen der unmittelbaren Ausbeutung und die ihrer Realisation sind nicht identisch. ... Die einen sind nur beschränkt durch die Produktivkraft der Gesellschaft, die anderen durch die Proportionalität der verschiedenen Produktionszweige und durch die Konsumtionskraft der Gesellschaft.
Diese letztere ist aber bestimmt weder durch die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Konsumtionskraft; sondern durch die Konsumtionskraft auf Basis antagonistischer (= gegensätzlicher) Distributionsverhältnisse (= Verteilung der Produktions- und Lebensmittel), welche die Konsumtion der großen Masse der Gesellschaft auf ein nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen veränderliches Minimum reduziert.
Sie ist ferner beschränkt durch den Akkumulationstrieb, den Trieb nach Vergrößerung des Kapitals und nach Produktion von Mehrwert auf erweiterter Stufenleiter.“ K. Marx, Kapital 3. S. 254. (Die Akkumulation von Produktionskapital  erweitert zwar auch die Nachfrage, ändert aber gleichzeitig die Proportionen der Nachfrage, so dass vielleicht der Gesamtwert des Angebots sich mit dem Gesamtwert der zahlungsfähigen Nachfrage decken mag, aber das Angebot in seiner Warenzusammensetzung nicht der Warenzusammensetzung der Nachfrage entspricht.)
“Der Markt muss daher beständig ausgedehnt werden, so dass seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Produzenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen und immer unkontrollierbarer werden. Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äußeren Feldes der Produktion.
Je mehr sich aber die Produktivkraft entwickelt, um so mehr gerät sie in Widerspruch mit der engen Basis, worauf die Konsumtionsverhältnisse beruhen.
Es ist auf dieser widerspruchsvollen Basis durchaus kein Widerspruch, dass Übermaß von Kapital verbunden ist mit wachsendem Übermaß von Bevölkerung (= Massenarbeitslosigkeit);“ K. Marx, Kapital 3. S. 255.

Resümee: Der Fall der Profitrate "befördert Überproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung (= Arbeitslosigkeit).
Die Ökonomen also, die wie Ricardo die kapitalistische Produktionsweise für die absolute halten, fühlen hier, dass diese Produktionsweise sich selbst eine Schranke schafft, und schieben daher diese Schranke nicht der Produktion zu, sondern der Natur (in der Lehre von der Rente). Das Wichtige aber in ihrem Horror vor der fallenden Profitrate ist das Gefühl, dass die kapitalistische Produktionsweise an der Entwicklung der Produktivkraft eine Schranke findet, die nichts mit der Produktion des Reichtums als solcher zu tun hat; und diese eigentümliche Schranke bezeugt die Beschränktheit und den nur historischen, vorübergehenden Charakter der kapitalistischen Produktionsweise; bezeugt, dass sie keine für die Produktion des Reichtums absolute Produktionsweise ist, vielmehr mit seiner Fortentwicklung auf gewisser Stufe in Konflikt tritt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 252.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg