Kapital 3.: 123-146

II. Wertsteigerung und Entwertung, Freisetzung und Bindung von Kapital (Fortsetzung)
„Wertsteigerung und Entwertung ... meinen nichts, ... als dass vorhandenes Kapital infolge irgendwelcher allgemeinen ökonomischen Umstände ... an Wert zu- oder abnimmt;
also dass der Wert des ... vorgeschossenen Kapitals ... steigt oder fällt.“ K. Marx, Kapital 3.: 120.
„Die Wertsteigerung oder Entwertung kann entweder konstantes oder variables Kapital oder beide treffen, und beim konstanten Kapital kann sie wieder auf den fixen oder den zirkulierenden Teil oder auf beide sich beziehen.“ K. Marx, Kapital 3.: 121.

1) Wertveränderungen des konstanten zirkulierenden Kapitals
„Steigt der Preis des Rohstoffs, z.B. der Baumwolle, so steigt auch der Preis der Baumwollwaren - der Halbfabrikate, wie Garn, und der fertigen Waren, wie Gewebe etc. - die mit billigerer Baumwolle fabriziert wurden; ebenso steigt der Wert der noch nicht verarbeiteten, auf Lager vorhandenen, wie der noch in der Verarbeitung begriffenen Baumwolle.
Letztere, weil sie durch Rückwirkung Ausdruck von mehr Arbeitszeit wird, setzt dem Produkt, worin sie als Bestandteil eingeht, höheren Wert zu als sie selbst ursprünglich besaß und als der Kapitalist für sie gezahlt hat.“ K. Marx, Kapital 3.: 122.

Beispiel 1) Verlust an Kapitalwert:
Ein Kapital ist zusammengesetzt aus:
C = 100 = 80 c + 20 v (+ 20 m). Profitrate p’ = 20%.
Die Rohstoffpreise fallen, so dass dasselbe Kapital C = 100 im Wert auf C = 90 und zusammengesetzt ist aus:
C = 90 = 70 c + 20 v (+ 20 m). Profitrate p’ = 22,22 %.
Beispiel 2) Gewinn an Kapitalwert:
Die Ölpreise steigen. Für alle Kapitalisten, bei denen Öl als Rohstoff und/oder als Brennstoff in das konstante Kapital eingeht, steigt der Wert von c und sinkt gleichzeitig die Profitrate. Falls aber die Ölkonzerne große Mengen von billigem Öl vor der Preiserhöhung auf Lager hatten, können sie das billig gekaufte Öl zum nun erhöhten Preis verkaufen und machen dadurch einen Extragewinn, der ihre eigenen steigenden Kosten durch teureres Öl (z.B. für den Betrieb der Tanklaster und Tankschiffe) mehr als ausgleichen kann.

2) Wertveränderungen des konstanten fixen Kapitals:
„Was den andern Teil des konstanten Kapitals angeht, Maschinerie und überhaupt fixes Kapital, so sind die Wertsteigerungen, die hier stattfinden und sich namentlich auf Baulichkeiten, Grund und Boden etc. beziehen, nicht darstellbar ohne die Lehre von der Grundrente und gehören daher nicht hierher.“ K. Marx, Kapital 3.: 123.
„Für die Entwertung aber sind von allgemeiner Wichtigkeit: ...
Die beständigen Verbesserungen, welche vorhandene Maschinerie, Fabrikeinrichtungen usw. relativ ihres Gebrauchswerts und damit auch ihres Werts berauben.
Dieser Prozess wirkt gewaltsam namentlich in der ersten Epoche neu eingeführter Maschinerie, bevor diese einen bestimmten Grad der Reife erlangt hat, und wo sie daher beständig antiquiert ist, bevor sie Zeit hatte, ihren Wert zu reproduzieren....
Wenn Maschinerie, Einrichtung der Baulichkeiten, überhaupt das fixe Kapital, eine gewisse Reife erlangt, hat, so dass es für längere Zeit wenigstens in seiner Grundkonstruktion unverändert bleibt, so tritt eine ähnliche Entwertung ein infolge von Verbesserungen in den Methoden der Reproduktion dieses fixen Kapitals.
Der Wert der Maschinerie etc. sinkt jetzt, nicht weil sie rasch verdrängt oder in gewissem Grad entwertet wird durch neuere, produktivere Maschinerie etc., sondern weil sie jetzt billiger reproduziert werden kann.“ K. Marx, Kapital 3.: 123f.
“Es ist dies einer der Gründe, warum große Geschäftsanlagen oft erst in zweiter Hand florieren, nachdem der erste Besitzer Bankrott gemacht hat und der zweite, der sie billig angekauft hat, deshalb von vornherein seine Produktion mit geringerer Kapitalauslage beginnt.“ K. Marx, Kapital 3.: 124.

3) Wertveränderungen des variablen Kapitals:
„Es wäre noch zu erwähnen das variable Kapital.
Soweit der Wert der Arbeitskraft steigt, weil der Wert der zu ihrer Reproduktion nötigen Lebensmittel steigt, oder umgekehrt fällt, weil der Wert dieser Lebensmittel fällt - und Wertsteigerung und Entwertung des variablen Kapitals drücken weiter nichts aus als diese beiden Fälle -, so entspricht ... Fallen des Mehrwerts dieser Wertsteigerung und Wachsen des Mehrwerts dieser Entwertung.“ K. Marx, Kapital 3.: 124.

4) Konsequenzen der Wertveränderungen - Freisetzung und Bindung von Kapital:
„Aber es können hiermit zugleich auch andere Umstände - Freisetzung und Bindung von Kapital - verbunden sein, die vorher nicht untersucht wurden und die jetzt kurz angegeben werden sollen.“ K. Marx, Kapital 3.: 124.
„Unter Bindung von Kapital verstehen wir, dass aus dem Gesamtwert des Produkts bestimmte gegebene Proportionen von neuem in die Elemente des konstanten oder variablen Kapitals rückverwandelt werden müssen, soll die Produktion auf ihrer alten Stufenleiter fortgehen.
Unter Freisetzung von Kapital verstehen wir, dass ein Teil vom Gesamtwert des Produkts, der bisher entweder in konstantes oder variables Kapitals rückverwandelt werden musste, verfügbar und überschüssig wird, soll die Produktion innerhalb der Schranken der alten Stufenleiter fortdauern.“ K. Marx, Kapital 3.: 121.

a) Freisetzung und Bindung von variablem Kapital:
„Sinkt der Arbeitslohn infolge eines Wertfalls der Arbeitskraft ... so wird also ein Teil des Kapitals, der bisher in Arbeitslohn ausgelegt war, freigesetzt. Es findet Freisetzung von variablem Kapital statt.
Für neu anzulegendes Kapital hat dies einfach die Wirkung, dass es mit erhöhter Rate des Mehrwerts arbeitet. Es wird mit weniger Geld als früher dasselbe Quantum Arbeit in Bewegung gesetzt, und so erhöht sich der unbezahlte Teil der Arbeit auf Kosten des bezahlten.
Aber für bisher beschäftigtes Kapital erhöht sich nicht nur die Rate des Mehrwerts, sondern außerdem wird ein Teil des bisher in Arbeitslohn ausgelegtes Kapitals frei. Er war bisher gebunden und bildete einen ständigen Teil, der vom Erlös des Produkts abging und der in Arbeitslohn ausgelegt werden ... musste, sollte das Geschäft auf der alten Stufenleiter fortgehen.
Jetzt wird dieser Teil frei verfügbar und kann also benutzt werden als neue Kapitalanlage...“ K. Marx, Kapital 3.: 124f. (Es folgt ein Rechenbeispiel)
“Die eben untersuchte Freisetzung und Bindung von variablem Kapital ist die Folge von Entwertung und Wertsteigerung der Elemente des variablen Kapitals, d.h. der Reproduktionskosten der Arbeitskraft.
Es könnte aber auch variables Kapital freigesetzt werden, wenn infolge der Entwicklung der Produktivkraft, bei gleichbleibender Rate des Arbeitslohns, weniger Arbeiter nötig werden, um dieselbe Masse konstanten Kapital in Bewegung zu setzen.
Ebenso kann umgekehrt Bindung von zusätzlichem variablen Kapital stattfinden, wenn infolge von Abnahme der Produktivkraft der Arbeit mehr Arbeiter nötig sind auf dieselbe Masse konstantes Kapital.“ K. Marx, Kapital 3.: 126.

b) Freisetzung und Bindung von konstantem (fixem und zirkulierendem) Kapital als krisenhaftes Element:
„Konstantes Kapital kann, wie wir schon sahen, ebenfalls gebunden oder entbunden werden infolge der Wertsteigerung oder Entwertung der Elemente, aus denen es besteht.“ K. Marx, Kapital 3.: 127.
„Man hat im Buch II gesehen, dass, nachdem die Waren in Geld verwandelt, verkauft sind, ein bestimmter Teil dieses Geldes wieder in die stofflichen Elemente des konstanten Kapitals rückverwandelt werden muss...
Hier ist in allen Zweigen ... das wichtigste Element der Rohstoff, mit Einschluss der Hilfsstoffe, ...
Steigt der Preis des Rohstoffs, so mag es unmöglich sein, ihn ... aus dem Wert der Ware vollständig zu ersetzen. Heftige Preisschwankungen bringen daher Unterbrechungen, große Kollisionen und selbst Katastrophen im Reproduktionsprozess hervor.
Es sind namentlich eigentliche Agrikulturprodukte, der organischen Natur entstammende Rohstoffe, die solchen Wertschwankungen infolge wechselnder Ernteerträge etc... unterworfen sind.
Dasselbe Quantum Arbeit kann sich hier infolge unkontrollierbarer Naturverhältnisse, der Gunst oder Ungunst der Jahreszeiten usw. in sehr verschiedenen Mengen von Gebrauchswerten darstellen, und ein bestimmtes Maß dieser Gebrauchswerte wird darnach einen sehr verschiedenen Preis haben.“ K. Marx, Kapital 3.: 127f.
„Es ist in der Natur der Sache begründet, dass pflanzliche und tierische Stoffe, deren Wachstum und Produktion bestimmten organischen, an gewisse natürliche Zeiträume gebundenen Gesetzen unterworfen sind, nicht plötzlich in demselben Maß vermehrt werden können, wie z.B. Maschinen und anderes fixes Kapital, Kohlen, Erze etc., deren Vermehrung... in einem industriell entwickelten Land in kürzester Frist vor sich gehen kann.
Es ist daher möglich und bei entwickelter kapitalistischer Produktion sogar unvermeidlich, dass die Produktion und Vermehrung des Teils des konstanten Kapitals, der aus fixem Kapital, Maschinerie etc. besteht, einen bedeutenden Vorsprung gewinnt vor dem Teil desselben, der aus organischen Rohstoffen besteht, so dass die Nachfrage nach diesen Rohstoffen schneller wächst als ihre Zufuhr und daher ihre Preis steigt...
Wenn das Steigen der Preise anfängt, sehr merklich auf die Ausdehnung der Produktion und die Zufuhr zu wirken, ist meist schon der Wendepunkt eingetreten, wo infolge des länger fortgesetzten Steigens des Rohstoffs und aller Waren, in die er als Element eingeht, die Nachfrage fällt und daher auch eine Reaktion im Preis des Rohstoffs eintritt.“ K. Marx, Kapital 3.: 128.
„Zunächst ist aber schon aus dem bisher Gesagten klar: je entwickelter die kapitalistische Produktion und je größer daher die Mittel plötzlicher und anhaltender Vermehrung des aus Maschinerie usw. bestehenden Teils des konstanten Kapitals, je rascher die Akkumulation ... desto größer die relative Überproduktion von Maschinerie und anderem fixem Kapital und desto häufiger die relative Unterproduktion der pflanzlichen und tierischen Rohstoffe...
Desto häufiger sind also Rückschläge, die in dieser heftigen Preisschwankung eines der Hauptelemente des Reproduktionsprozesses ihren Grund haben.“ K. Marx, Kapital 3.: 129.
„Je mehr wir daher in der Geschichte der Produktion der unmittelbarsten Gegenwart näher rücken, um so regelmäßiger finden wir... den stets sich wiederholenden Wechsel zwischen relativer Teuerung und daraus entspringender, späterer Entwertung der organischen Natur entlehnten Rohstoffe...
Die Moral von der Geschichte, die man auch durch sonstige Betrachtung der Agrikultur gewinnen kann, ist die, dass das kapitalistische System einer rationellen Agrikultur widerstrebt oder die rationelle Agrikultur unverträglich ist mit dem kapitalistischen System (obgleich dies ihre technische Entwicklung befördert) und entweder der Hand des selbst arbeitenden Kleinbauern oder der Kontrolle der assoziierten Produzenten bedarf.“ K. Marx, Kapital 3.: 131.
(Es folgen historische Fälle aus den Fabrikberichten).
III. Allgemeine Illustration: die Baumwollkrisis 1861-1865.
(...)

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg