Kapital 2.: 241-250

12. Kapitel
Die Arbeitsperiode

„Nehmen wir an, der Bau der Lokomotive ... koste 100 Arbeitstage. Mit Bezug auf die ... Arbeiter bilden die 100 Arbeitstage ... eine diskontinuierliche (teilbare) Größe, ... aus 100 aufeinanderfolgenden, separaten achtstündigen Arbeitsprozessen bestehend. Aber mit Bezug auf das Produkt ... bilden die 100 Arbeitstage eine kontinuierliche Größe, einen Arbeitstag von 800 Arbeitsstunden, einen einzigen zusammenhängenden Produktionsakt.
Einen solchen Arbeitstag, der durch die Aufeinanderfolge .... zusammenhängender Arbeitstage gebildet ist, nenne ich eine Arbeitsperiode.
Sprechen wir vom Arbeitstag, so meinen wir die Länge der Arbeitszeit, während deren der Arbeiter seine Arbeitskraft täglich verausgaben ... muss. Sprechen wir dagegen von der Arbeitsperiode, so bedeutet das die Zahl zusammenhängender Arbeitstage, die in einem bestimmten Geschäftszweig nötig ist, um ein fertiges Produkt zu liefern.“ K. Marx, Kapital 2.: 233.

13. Kapitel
Die Produktionszeit
„Die Arbeitszeit ist immer Produktionszeit, d. h. Zeit, während deren das Kapital in die Produktionssphäre gebannt ist. Aber umgekehrt ist nicht alle Zeit, während deren das Kapital sich im Produktionsprozess befindet, deswegen notwendig auch Arbeitszeit. ...
Es handelt sich hier von einer ... durch die Natur des Produkts und seiner Herstellung selbst bedingten Unterbrechung, während deren der Arbeitsgegenstand kürzer oder länger dauernden Naturprozessen unterworfen ist, physikalische, chemische, physiologische Veränderungen durchmachen muss, während deren der Arbeitsprozess ganz oder teilweise suspendiert ist. So muss gekelterter Wein erst eine Zeitlang die Gärung durchmachen und dann wieder eine Zeitlang liegen, um einen bestimmten Grad der Vollkommenheit zu erreichen.
In vielen Industriezweigen muss das Produkt eine Trocknung durchmachen, wie in der Töpferei, oder gewissen Umständen ausgesetzt sein, um seine chemische Beschaffenheit zu ändern, wie in der Bleicherei.“ K. Marx, Kapital 2.: 241.
„In allen diesen Fällen besteht also die Produktionszeit des vorgeschossenen Kapitals aus zwei Perioden: Einer Periode, worin das Kapital sich im Arbeitsprozess befindet; einer zweiten Periode, worin ... (das) unfertige Produkt ... dem Walten von Naturprozessen überlassen ist, ohne sich im Arbeitsprozess zu befinden. Ob diese beiden Zeiträume sich stellenweise durchkreuzen und zwischen einander schieben, ändert nichts an der Sache. Arbeitsperiode und Produktionsperiode decken sich hier nicht. Die Produktionsperiode ist größer als die Arbeitsperiode.“ K. Marx, Kapital 2.: 242.
„Je nach der Länge der nicht aus Arbeitszeit bestehenden Produktionszeit verlängert sich also auch seine Umschlagsperiode.“ K. Marx, Kapital 2.: 242.
„Soweit die über die Arbeitszeit überschüssige Produktionszeit nicht durch ein für allemal gegebene Naturgesetze bestimmt ist, ... kann die Umschlagsperiode oft mehr oder minder verkürzt werden durch künstliche Abkürzung der Produktionszeit. So durch Einführung der chemischen Bleicherei statt der Wiesenbleicherei...
Das großartigste Beispiel von künstlicher Abkürzung der durch Naturprozesse ausgefüllten bloßen Produktionszeit liefert die Geschichte der Eisenproduktion und namentlich die Verwandlung von Roheisen in Stahl in den letzten 100 Jahren...
Die Produktionszeit ist enorm abgekürzt worden, aber in demselben Maß auch die Anlage von fixem Kapital vergrößert.“ K. Marx, Kapital 2.: 242.
„Besonders deutlich tritt der Unterschied von Produktionszeit und Arbeitszeit hervor in der Landwirtschaft. In unsern gemäßigten Klimaten trägt das Land einmal jährlich Korn... Nur Nebenprodukte, Milch, Käse etc. sind fortlaufend in kürzeren Perioden produzierbar und verkaufbar. ...
Je ungünstiger daher das Klima, desto mehr drängt sich die Arbeitsperiode der Landwirtschaft, und daher die Auslage in Kapital und Arbeit, auf kurzem Zeitraum zusammen. Z.B. Russland. Dort ist in einigen nördlichen Gegenden Feldarbeit nur möglich während 130-150 Tagen im Jahr. ... So gibt es Dörfer, worin alle Bauern seit Generationen Weber, Gerber, Schuhmacher, Schlosser, Messerschmiede etc. sind; ...
Man sieht hier, wie das Auseinanderfallen von Produktionsperiode und Arbeitsperiode.. die natürliche Grundlage der Vereinigung der Agrikultur mit ländlicher Nebenindustrie bildet....“ K. Marx, Kapital 2.: 243f.
„Mit der Differenz von Arbeitszeit und Produktionszeit wird natürlich auch die Gebrauchszeit des angewandten fixen Kapitals auf längere oder kürzere Zeit .... unterbrochen, wie z.B. beim Ackerbau bei Arbeitsvieh, Geräten und Maschinen. Soweit dies fixe Kapital aus Arbeitstieren besteht, macht es fortwährend dieselben oder fast dieselben Ausgaben in Futter etc. nötig wie während der Zeit, worin es arbeitet. Bei toten Arbeitsmitteln verursacht auch der Nichtgebrauch eine gewisse Entwertung.
Es findet also überhaupt Verteuerung des Produkts statt, indem die Wertabgabe an das Produkt sich berechnet nicht nach der Zeit, worin das fixe Kapital fungiert, sondern nach der Zeit, worin es Wert verliert.
In diesen Produktionszweigen bildet das Brachliegen des fixen Kapitals ... ebenso eine Bedingung seiner normalen Anwendung, wie z.B. der Verlust eines gewissen Quantums von Baumwolle bei der Spinnerei; und ebenso zählt bei jedem Arbeitsprozess die unter normalen technischen Bedingungen unproduktiv, aber unvermeidlich, verausgabte Arbeitskraft geradeso gut wie die produktive.“ K. Marx, Kapital 2.: 245.
„Die Differenz von Produktions- und Arbeitszeit lässt, wie wir gesehen, sehr verschiedne Fälle zu. Das zirkulierende Kapital kann sich in der Produktionszeit befinden, ehe es in den eigentlichen Arbeitsprozess eingeht (Leistenfabrikation - wo das Leistenholz erst austrocknen muss bevor es geschnitten werden kann);
oder es befindet sich in Produktionszeit, nachdem es den eigentlichen Arbeitsprozess durchgemacht hat (Wein, Saatkorn);
oder die Produktionszeit wird stellenweise durch Arbeitszeit durchbrochen (Feldbau, Holzzucht);“ K. Marx, Kapital 2.: 249.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg