Kapital 1.: 789 - 802
(Ende) 24. Kapitel: Die sogenannte ursprüngliche
Akkumulation:
„Geld und Ware sind nicht
von vornherein Kapital, sowenig wie Produktions- und Lebensmittel. Sie
bedürfen der Verwandlung in Kapital. Diese Verwandlung selbst aber kann
nur unter bestimmten Umständen vorgehen, die sich dahin
zusammenspitzen: Zweierlei sehr verschiedene Sorten von Warenbesitzern
müssen sich gegenüber und in Kontakt treten, einerseits Eigner von Geld,
Produktions- und Lebensmitteln, denen es gilt, die von ihnen
besessene Wertsumme zu verwerten durch Ankauf fremder
Arbeitskraft; andererseits freie Arbeiter, Verkäufer der eigenen
Arbeitskraft und daher Verkäufer von Arbeit. Freie Arbeiter in dem
Doppelsinn, dass sie weder selbst unmittelbar zu den Produktionsmitteln
gehören, wie Sklaven, Leibeigene usw., noch auch die Produktionsmittel
ihnen gehören, wie beim selbstwirtschaftenden Bauern usw., sie davon
vielmehr frei, los und ledig sind. Mit dieser Polarisation des
Warenmarkts sind die Grundbedingungen der kapitalistischen Produktion
gegeben. Das Kapitalverhältnis setzt die Scheidung zwischen Arbeitern
und dem Eigentum an den Verwirklichungsbedingungen der Arbeit voraus.
Sobald die kapitalistische Produktion einmal auf eigenen Füßen steht,
erhält sie nicht nur jene Scheidung, sondern reproduziert sie auf stets
wachsender Stufenleiter. Der Prozess, der das Kapitalverhältnis
schafft, kann also nichts anderes sein als der Scheidungsprozess des
Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen, ein Prozess, der
einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsbedingungen in
Kapital verwandelt, andererseits die unmittelbaren Produzenten in
Lohnarbeiter. Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als
der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel. Er
erscheint ‚ursprünglich’, weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der
ihm entsprechenden Produktionsweise bildet.“ K. Marx, Kapital I.:
742. „Die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft ist
hervorgegangen aus der ökonomischen Struktur der feudalen Gesellschaft.
Die Auflösung dieser hat die Elemente jener freigesetzt. Der
unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst dann über seine Person
verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle gefesselt und einer
anderen Person leibeigen oder hörig zu sein. Um freier Verkäufer von
Arbeitskraft zu werden, der seine Ware überall hinträgt, wo sie einen
Markt findet, musste er ferner der Herrschaft der Zünfte, ihren Lehrlings-
und Gesellenordnungen und hemmenden Arbeitsvorschriften entronnen
sein. Somit erscheint die geschichtliche Bewegung, die die Produzenten
in Lohnarbeiter verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von
Dienstbarkeit und Zunftzwang; und diese Seite allein existiert für unsere
bürgerlichen Geschichtsschreiber. Andererseits werden diese
Neubefreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle ihre
Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen
gebotenen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die dieser ihrer
Expropriation (Enteignung) ist in die Annalen der Menschheit
eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer.“ K. Marx, Kapital I.:
743. „Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, mussten
ihrerseits nicht nur die zünftigen Handwerksmeister verdrängen, sondern
auch die im Besitz der Reichtumsquellen befindlichen Feudalherren. Von
dieser Seite stellt sich ihr Emporkommen dar als Frucht eines siegreichen
Kampfes gegen die Feudalmacht und ihre empörenden Vorrechte sowie gegen
die Zünfte und die Fesseln, die diese der freien Entwicklung der
Produktion und der freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen
angelegt hatten.“ K. Marx, Kapital I.: 743.
„Der Ausgangspunkt der
Entwicklung, die sowohl den Lohnarbeiter wie den Kapitalisten erzeugt, war
die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortgang bestand in einem Formwechsel
dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in kapitalistische
Ausbeutung.“ K. Marx, Kapital I.: 743. „Historisch epochemachend
in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation sind alle Umwälzungen,
die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber
die Momente, worin große Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren
Subsistenzmitteln losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den
Arbeitsmarkt geschleudert werden. Die Expropriation (Enteignung)
des ländlichen Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die
Grundlage des ganzen Prozesses. Ihre Geschichte nimmt in verschiedenen
Ländern verschiedene Färbung an und durchläuft die verschiedenen Phasen in
verschiedener Reihenfolge und in verschiedenen Geschichtsepochen. Nur in
England, das wir hier als Beispiel nehmen, besitzt sie klassische Form.“
K. Marx, Kapital I.: 744.
Es folgt ein
historischer Rückblick auf die Entwicklung von Arbeiterklasse und
Kapitalistenklasse in England.
7. Geschichtliche
Tendenz der kapitalistischen Akkumulation
„Worauf kommt die
ursprüngliche Akkumulation des Kapitals ... hinaus? Soweit sie nicht
unmittelbare Verwandlung von Sklaven und Leibeigenen in Lohnarbeiter, also
bloßer Formwechsel ist, bedeutet sie nur die Expropriation (Enteignung)
der unmittelbaren Produzenten, d. h. die Auflösung des auf eigner
Arbeit beruhenden Privateigentums.“ K. Marx, Kapital I.:
789.
„Privateigentum, als
Gegensatz zum gesellschaftlichen kollektiven Eigentum, besteht nur da, wo
die Arbeitsmittel und die äußeren Bedingungen der Arbeit Privatleuten
gehören. Je nachdem aber diese Privatleute die Arbeiter oder die
Nichtarbeiter sind, hat auch das Privateigentum einen anderen
Charakter. Die unendlichen Schattierungen, die es auf den ersten Blick
darbietet, spiegeln nur die zwischen diesen beiden Extremen liegenden
Zwischenzustände wider.“ K. Marx, Kapital I.: 789.
„Das Privateigentum des
Arbeiters an seinen Produktionsmitteln ist die Grundlage des
Kleinbetriebs, der Kleinbetrieb eine notwendige Bedingung für die
Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion und der freien
Individualität des Arbeiters selbst. Allerdings existiert diese
Produktionsweise auch innerhalb der Sklaverei, Leibeigenschaft und andrer
Abhängigkeitsverhältnisse. Aber sie blüht nur, ... wo der Arbeiter freier
Privateigentümer seiner von ihm selbst gehandhabten Arbeitsbedingungen
ist, der Bauer des Ackers, den er bestellt, der Handwerker des
Instruments, worauf er als Virtuose spielt. Diese Produktionsweise
unterstellt Zersplitterung des Bodens und der übrigen Produktionsmittel.
Wie die Konzentration der letzteren, so schließt sie auch die Kooperation,
Teilung der Arbeit innerhalb derselben Produktionsprozesse,
gesellschaftliche Beherrschung und Regelung der Natur, freie Entwicklung
der gesellschaftlichen Produktivkräfte aus. ... Auf einem gewissen
Höhegrad bringt sie die materiellen Mittel ihrer eigenen Vernichtung zur
Welt. Von diesem Augenblick regen sich Kräfte und Leidenschaften im
Gesellschaftsschoß, welche sich von ihr gefesselt fühlen. Sie muss
vernichtet werden und sie wird vernichtet. Ihre Vernichtung, die
Verwandlung der individuellen und zersplitterten Produktionsmittel in
gesellschaftlich konzentrierte ... daher die (Enteignung) der
großen Volksmasse von Grund und Boden und Lebensmitteln und
Arbeitsinstrumenten, diese furchtbare und schwierige (Enteignung)
der Volksmasse bildet die Vorgeschichte des Kapitals.“ K. Marx,
Kapital I.: 789-790. „Die Verwandlung des auf eigner Arbeit der
Individuen beruhenden, zersplitterten Privateigentums in kapitalistisches
ist natürlich ein Prozess, ungleich mehr langwierig, hart und schwierig
als die Verwandlung des tatsächlich bereits auf gesellschaftlichen
Produktionsbetrieb beruhenden kapitalistischen Eigentums in
gesellschaftliches. Dort handelt es sich um die Enteignung der
Volksmasse durch wenige Usurpatoren, hier handelt es sich um die
Enteignung weniger Usurpatoren durch die Volksmasse.“ K. Marx,
Kapital I.: 791. „Was jetzt zu enteignen ist, ist nicht länger
der selbstwirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter
ausbeutende Kapitalist. Diese Enteignung vollzieht sich
durch das Spiel der inneren Gesetze der kapitalistischen Produktion
selbst, durch die Zentralisation der Kapitale. Je ein Kapitalist schlägt
viele tot. Hand in Hand mit dieser Zentralisation oder der
Enteignung vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die
kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter,
die bewusste technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige
Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam
verwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel
durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter,
gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des
Weltmarkts und damit der internationale Charakter des kapitalistischen
Regimes. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche
alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren,
wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung,
der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch
den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst
geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapitalmonopol
wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht
ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung
der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer
kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des
kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Enteigner werden
enteignet.“ K. Marx, Kapital I.: 791.
25. Kapitel Die
moderne Kolonisationstheorie Während die politischen Ökonomen des Kapitals für
die kapitalistischen Zentren behaupten, der Reichtum beruhe auf eigener
Arbeit, so bekämpften sie gleichzeitig das kleine, individuelle Eigentum
dort, wo es die Ausbreitung des Kapitalismus behinderte, so z.B. in den
klassischen Kolonien mit selbständigen weißen
Siedlern. „Man sah: die
Enteignung der Volksmasse von Grund und Boden bildet die Grundlage
der kapitalistischen Produktionsweise. Das Wesen einer freien Kolonie
besteht umgekehrt darin, dass die Masse des Bodens noch Volkseigentum ist
und jeder Ansiedler daher einen Teil davon in sein Privateigentum und
individuelles Produktionsmittel verwandeln kann, ohne den späteren
Ansiedler an derselben Operation zu verhindern. Dies ist das Geheimnis
sowohl der Blüte der Kolonien als ... ihres Widerstandes wider die
Ansiedlung des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I.: 795-796. Hier muss
sich also wiederholen, was bei der ursprünglichen Akkumulation
festgestellt wurde: „kapitalistische Produktions- und
Akkumulationsweise, also auch kapitalistisches Privateigentum, bedingen
die Vernichtung des auf eigner Arbeit beruhenden Privateigentums, d. h.
die Enteignung des Arbeiters.“ K. Marx, Kapital I.: 802.
Ende des Ersten
Bandes. Diese
Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die
Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang
von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen
Worten. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte ... kenntlich
gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jeder
einzelne Textabschnitt enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke,
Bände 23 - 25. Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des
vorherigen Abschnitts voran. Wo es dem Verständnis dient, habe ich
veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch
Zahlenangaben modernisiert.
Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen,
stehen in kursiver Schrift. Rückfragen zum Text werde ich möglichst
rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen. Die
bisher veröffentlichten Teile dieser Kapital-Kurzfassung sind im
Marx-Forum unter www.marx-forum.de nachzulesen. Wal
Buchenberg.
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