Kapital 1. 527 - 530

9. Fabrikgesetzgebung. (Gesundheits- und Erziehungsklauseln) Ihre Verallgemeinerung in England.

Alle wesentlichen Aussagen dieses Kapitels wurden und werden von den meisten Marxisten totgeschwiegen und abgelehnt:

- Dass der Kapitalismus alle Umwälzungselemente der alten Gesellschaft und alle Bildungselemente einer neuen Gesellschaft entwickelt; anders als Marx sehen viele Marxisten im Kapitalismus nur das Negative.

- dass ein Bildungssystem, dass allseitig entwickelte Menschen heranbildet, Unterricht mit Arbeit und Sport verbinden muss; viele Marxisten lehnen das als „Kinderarbeit“ ab.

- dass ständiger Wechsel der Arbeit im Betrieb und ständiger Wechsel der Berufe im Laufe eines Lebens, die einzige Methode zur Abschaffung der Klassen und zur Entwicklung allseitiger Individuen ist; viele Marxisten halten die überkommene Form der Arbeitsteilung für unabänderlich - die Trennung von Hand- und Kopfarbeit soll nach ihrer Meinung erst lange NACH dem Kapitalismus und NACH dem Sozialismus im Kommunismus (nach Jahrhunderten?) beseitigt werden.

Tatsächlich findet die Verbindung von Hand- und Kopfarbeit längst im Kapitalismus statt: Sowohl durch immer höhere Bildung der „Handarbeiter“ wie auch durch Proletarisierung der „Kopfarbeiter“, deren Arbeit zunehmend vereinfacht und computerisiert wird.

Sich für solche Umwälzungselemente der alten Gesellschaft und Bildungselemente der neuen Gesellschaft einsetzen, heißt auch, an der Überwindung des Kapitalismus arbeiten. Denn:

„Es unterliegt ebenso wenig einem Zweifel, dass die kapitalistische Form der Produktion und die ihr entsprechenden ökonomischen Arbeiterverhältnisse in diametralsten Widerspruch stehen mit solchen Umwälzungsfermenten und ihrem Ziel, der Aufhebung der alten Teilung der Arbeit. Die Entwicklung der Widersprüche einer geschichtlichen Produktionsform ist jedoch der einzig geschichtliche Weg ihrer Auflösung und Neugestaltung.“ K. Marx, Kapital I.: 512.

10. Große Industrie und Agrikultur

„Die Revolution, welche die große Industrie im Ackerbau und den sozialen Verhältnissen seiner Produktionsagenten hervorruft, kann erst später dargestellt werden. Hier genügt eine kurze Andeutung einiger vorweggenommenen Resultate.

Wenn der Gebrauch der Maschinerie im Ackerbau großenteils frei ist von den physischen Nachteilen, die sie dem Fabrikarbeiter zufügt, wirkt sie hier noch intensiver und ohne Gegenstoß auf die ‚Überzähligmachung‘ der Arbeiter... “ K. Marx, Kapital I.: 527.

„In der Sphäre der Agrikultur wirkt die große Industrie insofern am revolutionärsten, als sie das Bollwerk der alten Gesellschaft vernichtet, den ‚Bauer’, und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. (Und damit den Bauern zum Agrarkapitalisten macht) Die sozialen Umwälzungsbedürfnisse und Gegensätze des Landes werden so mit denen der Stadt ausgeglichen. An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und unrationellsten Betriebs tritt bewusste, technologische Anwendung der Wissenschaft.“ K. Marx, Kapital I.: 528.

„Die Zerreißung des ursprünglichen Familienbandes von Agrikultur und Manufaktur ... wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten.“ K. Marx, Kapital I.: 528.

„Mit dem stets wachsenden Übergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d. h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter. Aber sie zwingt zugleich durch die Zerstörung der bloß naturwüchsig entstandenen Umstände jenes Stoffwechsels, ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen.“ K. Marx, Kapital I.: 528.

„Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größere Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst.

Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeitfrist ist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. ...

Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ K. Marx, Kapital I.: 530.

 

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.

Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs vorangestellt.

Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.

Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.

Wal Buchenberg