Kapital I.: 341-355

Die Masse des Mehrwerts kann absolut vergrößert werden durch Vermehrung der Zahl der Arbeiter oder der Arbeitsstunden. Die Masse des Mehrwerts kann auch relativ vergrößert werden durch Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit.
Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit ist nur möglich durch Steigerung der Arbeitsproduktivität, das heißt eine Verbesserung der Arbeitsmethoden und Produktionsmittel.
Ein Kapitalist, der einen Produktivitätsvorsprung vor seinen Konkurrenten hat, kann seine Produkte unter dem Preis seiner Konkurrenten verkaufen und macht damit immer noch einen Extragewinn, denn der Wert eines Produkts bestimmt sich durch die gesellschaftlich notwendigen (üblichen) Produktionskosten, nicht durch die individuellen Produktionskosten.
Sofern Ware billiger produziert werden kann, die in den Verbrauch der Arbeitskraft eingeht, verbilligt sie den Wert der Ware Arbeitskraft. Jede solche Senkung des Werts der Arbeitskraft steigert automatisch den Mehrwert der Kapitalisten, die diese Arbeitskraft anwenden.
Durch die Konkurrenz getrieben wollen alle Kapitalisten billiger produzieren und gleichzeitig die notwendige Arbeitszeit der Arbeiter verkürzen. Die Kapitalisten revolutionieren so ständig den Arbeitsprozess und die Produktionsweise.
Damit befassen sich die folgenden Kapitel.

 

Elftes Kapitel
Kooperation

„Die kapitalistische Produktion beginnt, wie wir sahen, in der Tat erst, wo dasselbe individuelle Kapital eine größere Anzahl Arbeiter gleichzeitig beschäftigt...

Das Wirken einer größeren Arbeiteranzahl zur selben Zeit, in demselben Raum ... zur Produktion derselben Warensorte, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, bildet historisch und begrifflich den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion...  Der Unterschied (der kapitalistischen Fabrik zu Handwerk und Manufaktur) ist also zunächst quantitativ.“ K. Marx, Kapital I.: 341.

„Die Kooperation im Arbeitsprozess, wie wir sie in den Kulturanfängen der Menschheit, bei Jägervölkern oder etwa in der Agrikultur indischer Gemeinwesen vorherrschend finden, beruht einerseits auf dem Gemeineigentum an den Produktionsbedingungen, andererseits darauf, dass das einzelne Individuum sich von der Nabelschnur des Stammes oder des Gemeinwesens noch ebenso wenig losgerissen hat wie das Bienenindividuum vom Bienenstock. Beides unterscheidet sie von der kapitalistischen Kooperation. ... Die kapitalistische Form (der Kooperation) setzt dagegen von vornherein den freien Lohnarbeiter voraus, der seine Arbeitskraft dem Kapital verkauft.“ K. Marx, Kapital I.: 353-354.

„Man sah, dass die Masse des Mehrwerts, welche ein gegebnes Kapital produziert, gleich dem Mehrwert, den der einzelne Arbeiter liefert, multipliziert mit der Anzahl der gleichzeitig beschäftigen Arbeiter. ... In der Wertproduktion zählen viele immer nur als viele einzelne. Für die Wertproduktion macht es also keinen Unterschied, ob 1200 Arbeiter vereinzelt produzieren oder vereint unter dem Kommando desselben Kapitals.“ K. Marx, Kapital I.: 341.

 Trotzdem ist es von großem Vorteil, wenn die Arbeiter unter einem gemeinsamen Kommando zusammengefasst werden. Zwar liefern 1200 kombinierte Arbeiter zunächst nicht mehr Mehrwert als 1200 vereinzelte, die Produktionsmittel werden bei größerer Zahl der Arbeiter unmittelbar und sofort verbilligt:</i

 „Auch bei gleichbleibender Arbeitsweise bewirkt die gleichzeitige Anwendung einer größren Arbeiteranzahl eine Revolution in den gegenständlichen Bedingungen des Arbeitsprozesses. Baulichkeiten, worin viele arbeiten, Lager für Rohmaterial usw., Gefäße, Instrumente, Apparate usw. die vielen gleichzeitig oder abwechselnd dienen, kurz ein Teil der Produktionsmittel wird jetzt gemeinsam im Arbeitsprozess konsumiert. ...

Die Produktion einer Werkstatt für 20 Personen kostet weniger Arbeit als die von 10 Werkstätten für je zwei Personen, und so wächst überhaupt der Wert massenweise konzentrierter und gemeinsamer Produktionsmittel nicht verhältnismäßig mit ihrem Umfang und ihrem Nutzeffekt.

Gemeinsam vernutzte Produktionsmittel geben geringeren Wertbestandteil an das einzelne Produkt ab. ... Damit sinkt ein Wertbestandteil des konstanten Kapitals, also proportionell zu seiner Größe auch der Gesamtwert der Ware. Die Wirkung ist dieselbe, als ob die Produktionsmittel der Ware billiger produziert würden.

Diese Ökonomie in der Anwendung der Produktionsmittel entspringt nur aus ihrem gemeinsamen Konsum im Arbeitsprozess vieler.“ K. Marx, Kapital I.: 343-344.

„Die Ökonomie der Produktionsmittel ist überhaupt von doppeltem Gesichtspunkt zu betrachten. Das eine Mal, soweit sie Waren verbilligt und dadurch den Wert der Arbeitskraft senkt. Das andre Mal, soweit sie das Verhältnis des Mehrwerts zum vorgeschossnen Gesamtkapital, d. h. zur Wertsumme seiner konstanten und variablen Bestandteile, verändert. Der letztre Punkt wird erst im ersten Abschnitt des Dritten Buchs dieses Werks erörtert...“ K. Marx, Kapital I.: 344

„Die Form der Arbeit vieler, die in demselben Produktionsprozess oder in verschiednen, aber zusammenhängenden Produktionsprozessen planmäßig neben- und miteinander arbeiten, heißt Kooperation. Wie die Angriffskraft einer Kavallerieschwadron oder die Widerstandskraft eines Infanterieregiments wesentlich verschieden ist von der Summe der von jedem Kavalleristen und Infanteristen vereinzelt entwickelten Angriffs- und Widerstandskräfte, so die mechanische Kraftsumme vereinzelter Arbeiter von der gesellschaftlichen Kraftpotenz, die sich entwickelt, wenn viele Hände gleichzeitig in derselben ungeteilten Operation zusammenwirken. ... Die Wirkung der kombinierten Arbeit könnte hier von der vereinzelten Arbeit gar nicht oder nur in viel längren Zeiträumen oder nur auf einem Zwergmaßstab hervorgebracht werden. Es handelt sich hier nicht nur um Erhöhung der individuellen Produktivkraft durch die Kooperation, sondern um die Schöpfung einer Produktivkraft, die an und für sich Massenkraft sein muss.“ K. Marx, Kapital I.: 344-345

Kooperationsarten:

1) Einfache Formen der Kooperation: „Z. B. wenn Maurer eine Reihe von Händen bilden, um Bausteine vom Fuß eines Gestells bis zu seiner Spitze zu befördern, tut jeder von ihnen dasselbe, aber dennoch bilden die einzelnen Verrichtungen kontinuierliche Teile einer Gesamtverrichtung... Der Arbeitsgegenstand durchläuft denselben Raum in kürzerer Zeit.“ ...als wenn jeder Maurer mit seinen Backsteinen das ganze Gerüst hinauf- und hinabstiege.   Kapital I.: 346  

“Andererseits findet Kombination der Arbeit statt, wenn ein Bau z.B. von verschiedenen Seiten gleichzeitig angegriffen wird, obgleich die Kooperierenden dasselbe oder Gleichartiges tun...(z.B. wenn Maurer eine Hauswand an den vier Ecken gleichzeitig hochziehen.) In derselben Zeit reifen verschiedne Raumteile des Produkts.“  Kapital I.: 346.

2)Arbeitsteilige Kooperation  „Ist der Arbeitsprozess kompliziert, so erlaubt die bloße Masse der Zusammenarbeitenden, die verschiednen Operationen unter verschiedne Hände zu verteilen, daher gleichzeitig zu verrichten und dadurch die zur Herstellung des Gesamtprodukts nötige Arbeitszeit zu verkürzen.“ K. Marx, Kapital I.: 347.

„Auf der einen Seite erlaubt die Kooperation, die Raumsphäre der Arbeit auszudehnen. ...  Andrerseits ermöglicht sie ... räumliche Verengung des Produktionsgebiets. Diese Beschränkung der Raumsphäre der Arbeit bei gleichzeitiger Ausdehnung ihrer Wirkungssphäre ... entspringt aus der Zusammenballung der Arbeiter, dem Zusammenrücken verschiedner Arbeitsprozesse und der Konzentration der Produktionsmittel.“  Kapital I.: 348.

„Verglichen mit einer gleich großen Summe vereinzelter individueller Arbeitstage, produziert der kombinierte Arbeitstag größere Massen von Gebrauchswert und vermindert daher die zur Produktion eines bestimmten Nutzeffekts nötige Arbeitszeit.“ Kapital I.: 348

Ob der kombinierte Arbeitstag „im gegebnen Fall diese gesteigerte Produktivkraft erhält, weil er die mechanische Kraftpotenz der Arbeit erhöht oder ihre räumliche Wirkungssphäre ausdehnt oder das räumliche Produktionsfeld im Verhältnis zur Stufenleiter der Produktion verengt oder im kritischen Moment viel Arbeit in wenig Zeit flüssig macht oder den Wetteifer der einzelnen erregt und ihre Lebensgeister spannt oder den gleichartigen Verrichtungen vieler den Stempel der Kontinuität und Vielseitigkeit aufdrückt, oder verschiedne Operationen gleichzeitig verrichtet oder die Produktionsmittel durch ihren gemeinschaftlichen Gebrauch ökonomisiert oder der individuellen Arbeit den Charakter gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit verleiht, unter allen Umständen ist die spezifische Produktivkraft des kombinierten Arbeitstags gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit oder Produktivkraft gesellschaftlicher Arbeit. Sie entspringt aus der Kooperation selbst. Im planmäßigen Zusammenwirken mit andern streift der Arbeiter seine individuellen Schranken ab und entwickelt sein Gattungsvermögen.“  Kapital I.: 348-349.

historische Unentbehrlichkeit der Kapitalisten:

„Wenn Arbeiter überhaupt nicht unmittelbar zusammenwirken können, ohne zusammen zu sein..., können Lohnarbeiter nicht kooperieren, ohne dass dasselbe Kapital, derselbe Kapitalist sie gleichzeitig anwendet, also ihre Arbeitskräfte gleichzeitig kauft. Der Gesamtwert dieser Arbeitskräfte oder die Lohnsumme der Arbeiter für den Tag, die Woche usw. muss daher in der Tasche des Kapitalisten vereint sein, bevor die Arbeitskräfte selbst im Produktionsprozess vereint werden. ...

Die Anzahl der kooperierenden Arbeiter, oder die Stufenleiter der Kooperation, hängt also zunächst ab von der Größe des Kapitals, das der einzelne Kapitalist im Ankauf von Arbeitskraft auslegen kann...

Konzentration größrer Massen von Produktionsmitteln in der Hand einzelner Kapitalisten ist also materielle Bedingung für die Kooperation von Lohnarbeitern, und der Umfang der Kooperation, oder die Stufenleiter der Produktion, hängt ab vom Umfang dieser Konzentration.“ K. Marx, Kapital I.: 349.

„Ursprünglich erschien eine gewisse Minimalgröße des individuellen Kapitals notwendig, damit die Anzahl der gleichzeitig ausgebeuteten Arbeiter, (und) daher die Masse des produzierten Mehrwerts hinreiche, den Arbeitsanwender selbst von der Handarbeit zu befreien, aus einem Kleinmeister einen Kapitalisten zu machen und so das Kapitalverhältnis formell herzustellen.

Diese Minimalgröße des individuellen Kapitals erscheint jetzt als materielle Bedingung für die Verwandlung vieler zersplitterter und voneinander unabhängiger individueller Arbeitsprozesse in einen kombinierten gesellschaftlichen Arbeitsprozess.“ Kapital I.: 349-350.

„Ebenso erschien ursprünglich das Kommando des Kapitals über die Arbeit nur als formelle Folge davon, dass der Arbeiter statt für sich, für den Kapitalisten und daher unter dem Kapitalisten arbeitet. Mit der Kooperation vieler Lohnarbeiter entwickelt sich das Kommando des Kapitals zum Gebot für die Ausführung des Arbeitsprozesses selbst, zu einer wirklichen Produktionsbedingung. Der Befehl des Kapitalisten auf dem Produktionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wie der Befehl des Generals auf dem Schlachtfeld.

Alle unmittelbar gesellschaftliche oder gemeinschaftliche Arbeit auf größrem Maßstab bedarf mehr oder minder einer Direktion, welche die Harmonie der individuellen Tätigkeiten vermittelt und die allgemeinen Funktionen vollzieht, die aus der Bewegung des produktiven Gesamtkörpers im Unterschied von der Bewegung seiner selbständigen Organe entspringen. Ein einzelner Violinspieler dirigiert sich selbst, ein Orchester bedarf des Dirigenten. Diese Funktion der Leitung, Überwachung und Vermittlung, wird zur Funktion des Kapitals, sobald die ihm untergeordnete Arbeit kooperativ wird. Als spezifische Funktion des Kapitals erhält die Funktion der Leitung spezifische Charaktermerkmale. ...

Mit der Masse der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter wächst ihr Widerstand und damit notwendig der Druck des Kapitals zur Bewältigung dieses Widerstands. Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm angehörige besondre Funktion, sie ist zugleich Funktion der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung (den Arbeitern).“ K. Marx, Kapital I.: 350.

„Die Kooperation der Lohnarbeiter ist ferner bloße Wirkung des Kapitals, das sie gleichzeitig anwendet. Der Zusammenhang ihrer Funktionen und ihre Einheit als produktiver Gesamtkörper liegen außer ihnen, im Kapital, das sie zusammenbringt und zusammenhält. Der Zusammenhang ihrer Arbeiten tritt ihnen daher in ihrer Vorstellung als Plan, praktisch als Autorität des Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr Tun seinem Zweck unterwirft.“ Kapital I.: 351.

„Wenn daher die kapitalistische Leitung dem Inhalt nach widersprüchlich ist, wegen der Widersprüchlichkeit des zu leitenden Produktionsprozesses selbst, welcher einerseits gesellschaftlicher Arbeitsprozess zur Herstellung eines Produkts, andererseits Verwertungsprozess des Kapitals ist, so ist sie der Form nach despotisch. Mit der Entwicklung der Kooperation auf größerem Maßstab entwickelt dieser Despotismus seine eigentümlichen Formen.

Wie der Kapitalist zunächst entbunden wird von der Handarbeit, sobald sein Kapital jene Minimalgröße erreicht hat, womit die eigentlich kapitalistische Produktion erst beginnt, so tritt er jetzt die Funktion unmittelbarer und fortwährender Beaufsichtigung der einzelnen Arbeiter und Arbeitergruppen selbst wieder ab an eine besondre Sorte von Lohnarbeitern.

Wie eine Armee militärischer Offiziere bedarf, bedarf eine unter dem Kommando desselben Kapitals zusammenwirkende Arbeitermasse industrieller Oberoffiziere (Manager) und Unteroffiziere (Meister, Vorarbeiter ...), die während des Arbeitsprozesses im Namen des Kapitals kommandieren. Die Arbeit der Oberaufsicht befestigt sich zu ihrer ausschließlichen Funktion.“ K. Marx, Kapital I.: 351.

„Wie die durch die Kooperation entwickelte Produktivkraft der Arbeit als Produktivkraft des Kapitals erscheint, so erscheint die Kooperation selbst als eine spezifische Form des kapitalistischen Produktionsprozesses im Gegensatz zum Produktionsprozess vereinzelter unabhängiger Arbeiter oder auch Kleinkapitalisten ...

Wenn sich die kapitalistische Produktionsweise daher einerseits als historische Notwendigkeit für die Verwandlung des Arbeitsprozesses in einen gesellschaftlichen Prozess darstellt, so stellt sich andererseits diese gesellschaftliche Form des Arbeitsprozesses als eine vom Kapital angewandte Methode dar, um ihn durch Steigerung seiner Produktivkraft profitlicher auszubeuten.“ K. Marx, Kapital I.: 354.

„Die Kooperation bleibt die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise...“ K. Marx, Kapital I.: 354.

 

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.

Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs vorangestellt.

Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.

Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.

Wal Buchenberg