Zeitarbeit
1. Zeitarbeit ist nur die
augenfälligste Form einer zunehmenden Mobilität aller
Lohnarbeiter.
„Die Personalpolitik der Betriebe wandelt sich. Die
externe Mobilität gewinnt zu Lasten der betriebsinternen Flexibilität an
Gewicht. Der Personalumschlag ist beachtlich. Die Einstellungen und
Entlassungen sind selbst bei miserabler Beschäftigungslage
enorm.
Personalzu- und -abgänge gehen einher mit Selektionsprozessen,
Verjüngung der Belegschaft und teils geringerer Entlohnung in den
Einstiegstarifen.
Zugleich sind personalpolitische Strategien zu
erkennen, die zu einer Ausweitung der peripheren Belegschaften führen.“
LitDokAB 1998/99 b-559.
„1990 wurden im gesamtwirtschaftlichen
Durchschnitt rund 31 % aller sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisse erneuert...
Die durchschnittliche Dauer
eines Beschäftigungsverhältnisses sank auf ... 3,2 Jahre...
Die
verbreitete These, dass es vor allem die weniger Qualifizierten sind, die
von der ... Fluktuation betroffen sind, lässt sich nicht bestätigen. Zwar
sind die Beschäftigungsverhältnisse hochqualifizierter Arbeitnehmer
deutlich stabiler, doch hat sich im Beobachtungszeitraum die Fluktuation
bei hochqualifizierten Berufen ebenso stark erhöht wie bei weniger
qualifizierten." LitDokAB Sonderheft 5 (1994) 1-1250.
,,30 % der
befragten Arbeitnehmer geben an, in den letzten fünf Jahren mindestens
einmal vier Wochen oder länger arbeitslos gewesen zu sein. ...
Im
Ländervergleich am niedrigsten war das Eintreten der Arbeitslosigkeit
während eines Fünfjahreszeitraums mit Raten von unter 20 % in den
Niederlanden, Österreich und Italien. Am anderen Ende des Spektrums finden
sich Griechenland und Spanien: Dort waren in den letzten fünf Jahren rund
50 % aller Arbeitnehmer mindestens einmal arbeitslos.
Fast jeder zweite
von Arbeitslosigkeit Betroffene war in den letzten fünf Jahren mehr als
einmal arbeitslos." LitDokAB 2000, a-597.
1.1 Entwicklung der
Zeitarbeit:
„Zeitarbeiter fangen Nachfragespitzen ab, sie stopfen
Löcher, die durch Krankheitsfälle entstehen, sie ziehen Sonderprojekte
durch. Zeitarbeiter werden von immer mehr Unternehmen eingesetzt."
LitDokAB 2000, a-621.
„Im Jahre 1947 wurde im Bundesstaat
Milwaukee, USA, die erste Zeitarbeitsfirma im modernen Sinne namens
,,Manpower" als sogenannter ,,temporary help service" gegründet, die heute
mit 2400 Büros weltweit tätig ist und damit die größte Zeitarbeitsfirma
darstellt. Diese Form der Arbeitsvermittlung erreichte auch bald Europa:
in der Schweiz entstand 1957 das Unternehmen Adia-Interim, das 5 Jahre
später in Hamburg die erste deutsche Niederlassung eröffnete.
Man
konzentrierte sich insbesondere auf die Vermittlung von weiblichen
Bürokräften als ,,freie Mitarbeiter" für
Aushilfstätigkeiten.
Anfänglich übernahmen die Zeitarbeitsfirmen jedoch
nicht die Verpflichtung zu einem Dauerarbeitsplatz und damit zur
Lohnfortzahlung, falls ein Zeitarbeiter nicht vermittelt werden konnte.
Eine Abführung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen war
zunächst auch nicht der Fall.“ I.R. Titze, Zeitarbeit,
Hausarbeiten.de
„Ende 1997 befanden sich nach Angaben des
Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) 168.000 Menschen in einem
Zeitarbeitsverhältnis und es wurden 2.870 Zeitarbeitsfirmen in Deutschland
gezählt, die wiederum 8.500 Filialen und Niederlassungen unterhielten.“
I.R. Titze, Zeitarbeit, Hausarbeiten.de
„Das bis dato größte
Projekt der Zeitarbeit wurde anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in
Frankreich von Manpower durchgeführt: 15.000 freie und 500 feste Helfer
kümmerten sich um den erfolgreichen Ablauf der Veranstaltungen. So wurden
beispielsweise Funktionäre des Königlich-Niederländischen Fußballverbandes
KNVB von Chauffeuren durch französische Lande gefahren, die im normalen
Leben Buchhalter sind.“ I.R. Titze, Zeitarbeit,
Hausarbeiten.de
„Schwerpunktmäßig findet Zeitarbeit im gewerblichen
Bereich mit Einsatzdauern zwischen zwei Wochen und zwei Monaten statt."
LitDokAB 2000, a-623.
„Die Niederlande haben im Verhältnis zur
Bevölkerungsgröße eine der größten Zeitarbeitsbranchen der Welt: laut
Marktführer Randstad befinden sich 4,2 % aller Beschäftigten in einem
solchen Arbeitverhältnis. Jeder vierte Erwerbstätige hat schon einmal in
Diensten eines Zeitarbeitsbüros gestanden. Die ,,uitzendbureau`s"
vermitteln fast genauso viele Stellen wie die öffentlichen Arbeitsämter.“
I.R. Titze, Zeitarbeit, Hausarbeiten.de
„Randstad prognostiziert
bis zum Jahre 2006 eine Verfünffachung ... in Deutschland mit 935.000
Zeitarbeitnehmern.“ vgl. Handelsblatt 1998, I.R. Titze, Zeitarbeit,
Hausarbeiten.de.
Soweit nicht anders vermerkt, stammen Daten
und Zitate aus: Literaturdokumentation zur Arbeitsmarkt und
Berufsforschung, Hrsg. von der Bundesanstalt für Arbeit, div.
Jhrg.

2. Zeitarbeit ist die kapitalistische Form des
kommunistischen Arbeitsprinzips: Ständiger Wechsel der
Arbeit
„Erstens ist die kapitalistische Produktion an und für sich
gleichgültig gegen den bestimmten Gebrauchswert, überhaupt gegen die
Besonderheiten der Ware, die sie produziert. In jeder Produktionssphäre
kommt es ihr nur darauf an, Mehrwert zu produzieren...
Und es liegt
ebenso in der Natur der dem Kapital unterworfenen Lohnarbeit, dass sie
gleichgültig ist gegen den spezifischen Charakter ihrer Arbeit, sich nach
den Bedürfnissen des Kapitals umwandeln und sich von einer
Produktionssphäre in die andere werfen lassen muss.“ K. Marx, Kapital III.
MEW 25, 205.
„Die Gleichgültigkeit gegen die bestimmte Arbeit
entspricht einer Gesellschaftsform, worin die Individuen mit Leichtigkeit
aus einer Arbeit in die andere übergehen und die bestimmte Art der Arbeit
ihnen zufällig, daher gleichgültig ist.
Die Arbeit ... hat aufgehört
als Bestimmung mit den Individuen in einer Besonderheit verwachsen zu
sein.“ K. Marx, Grundrisse, S. 25.
„Das ‚Schuster bleib bei deinem
Leisten!’, der Gipfelpunkt handwerksmäßiger Weisheit, wurde zur
furchtbaren Narrheit von dem Moment, wo der Uhrmacher Watt die
Dampfmaschine, der Barbier Arkwright den Kettenstuhl, der Juwelierarbeiter
Fulton das Dampfschiff erfunden hatte.“ K. Marx, Kapital I, 512f.
„Die moderne
Industrie betrachtet und behandelt die vorhandene Form eines
Produktionsprozesses nie als festgelegt. Ihre technische Basis ist daher
revolutionär, während die aller früheren Produktionsweisen wesentlich
konservativ war. Durch Maschinerie, chemische Prozesse und andere Methoden
wälzt sie beständig mit der technischen Grundlage der Produktion die
Funktionen der Arbeiter und die gesellschaftlichen Kombinationen des
Arbeitsprozesses um. Sie revolutioniert damit ebenso beständig die Teilung
der Arbeit im Innern der Gesellschaft und schleudert unaufhörlich
Kapitalmassen und Arbeitermassen aus einem Produktionszweig in den
anderen. Die Natur der großen Industrie bedingt daher Wechsel der Arbeit,
Fluss der Funktionen, allseitige Beweglichkeit des Arbeiters. ...
Man
hat gesehen, wie dieser absolute Widerspruch alle Ruhe, Festigkeit,
Sicherheit der Lebenslage des Arbeiters aufhebt, ihm mit dem Arbeitsmittel
beständig das Lebensmittel aus der Hand zu schlagen und mit seiner
Teilfunktion ihn selbst überflüssig zu machen droht... Dies ist die
negative Seite.
Wenn aber der Wechsel der Arbeit sich jetzt nur als
überwältigendes Naturgesetz und mit der blind zerstörenden Wirkung eines
Naturgesetzes durchsetzt, das überall auf Hindernisse stößt, macht die
große Industrie durch ihre Katastrophen selbst es zur Frage von Leben oder
Tod, den Wechsel der Arbeiten und daher möglichste Vielseitigkeit der
Arbeiter als allgemeines gesellschaftliches Produktionsgesetz anzuerkennen
und seiner normalen Verwirklichung die Verhältnisse anzupassen. Sie macht
es zu einer Frage von Leben oder Tod, die Ungeheuerlichkeit einer elenden,
für das wechselnde Ausbeutungsbedürfnis des Kapitals in Reserve
gehaltenen, verfügbaren Arbeiterbevölkerung zu ersetzen durch die absolute
Verfügbarkeit des Menschen für wechselnde Arbeitserfordernisse; das
Teilindividuum, den bloßen Träger einer gesellschaftlichen Detailfunktion
zu ersetzen durch das total entwickelte Individuum, für welches
verschiedene gesellschaftliche Funktionen einander ablösende
Betätigungsweisen sind.” K.
Marx, Kapital I, MEW 23, S. 512.
„Sowie nämlich die Arbeit verteilt
zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der
Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist
Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muss es bleiben,
wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der
kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis
der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann,
die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch
möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen,
nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu
kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder
Kritiker zu werden.“ K. Marx, F. Engels, Deutsche Ideologie, MEW 3,
33.
„Erst die durch die große Industrie erreichte ungeheure
Steigerung der Produktivkräfte erlaubt, die Arbeit auf alle
Gesellschaftsmitglieder ohne Ausnahme zu verteilen und dadurch die
Arbeitszeit eines jeden so zu beschränken, dass für alle hinreichend freie
Zeit bleibt, um sich an den allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft -
theoretischen wie praktischen - zu beteiligen. Erst jetzt also ist jede
herrschende und ausbeutende Klasse überflüssig, ja ein Hindernis der
gesellschaftlichen Entwicklung geworden, und erst jetzt wird sie
unerbittlich beseitigt werden, mag sie auch noch so sehr im Besitz der
‚unmittelbaren Gewalt’ sein.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20,
169.
„Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein
Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu
sein.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17,
342.
Marx über Arbeitswechsel
Marx über Arbeitsteilung
Wal Buchenberg, 3.12.2001
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