Heinrich über den Fall der Profitrate

Im folgenden noch einmal meine konzentrierte Widerlegung der Thesen von Heinrich in Bezug auf den Fall der Profitrate.

Was heißt Profitrate?
"... erhalten wir die Profitrate m : C = m : (c + v),
im Unterschiede von der Rate des Mehrwerts m : v.
Die Rate des Mehrwerts gemessen am variablen Kapital heißt Rate des Mehrwerts; die Rate des Mehrwerts gemessen am Gesamtkapital heißt Profitrate. Es sind zwei verschiedene Messungen derselben Größe ...“ MEW 25, 52f.

„Die Profitrate wird also bestimmt durch zwei Hauptfaktoren: die Rate des Mehrwerts und die Wertzusammensetzung des Kapitals.“ MEW 25, 78.

Zitat: In Heinrichs Darstellung liegt das Problem des "Beweises" jenes Gesetzes, dass man zeigen muss, dass die (organische) Kapitalzusammensetzung c/v tendenziell schneller steigt als die Mehrwertrate m/v. Den "Beweis" führt Marx indirekt über die Mehrwertmasse, wobei er scheinbar nicht bedacht hat, dass c+v auch fallen kann: Marx setze stillschweigend voraus, dass das Gesamtkapital c+v mindestens gleich bleibt und eben nicht auch mitsinken kann analog zur Mehrwertmasse.

1. Heinrich: "Marx habe nicht bedacht, dass c+v auch fallen kann. Er setzt stillschweigend voraus, dass das Gesamtkapital c+v mindestens gleich bleibt und eben nicht auch mitsinken kann".

Diese Behauptung von Heinrich über Marx ist falsch.
Marx hat dem Thema im 3. Band des Kapitals ein ganzes Kapitel gewidmet, nämlich: "Fünftes Kapitel: Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals" (MEW 25, 87-150).

(Durch kriegerische Zerstörung kann freilich auch das aufgehäufte konstante Kapital zerstört und so verkleinert werden, aber sowas betrifft nicht die inneren Gesetze der Ökonomie.)

In dem Kapitel "Ökonomisierung (= relative Verkleinerung) des konstanten Kapitals" heißt es u.a.: „Wenn der Mehrwert gegeben ist, kann die Profitrate nur vermehrt werden durch Verminderung des Werts des zur Warenproduktion nötigen konstanten Kapitals.“ MEW 25, 90.

„Da die Profitrate m : C oder m : (c + v), so ist klar, das alles, was einen Wechsel in der Größe von c und deswegen von C verursacht, ebenfalls einen Wechsel in der Profitrate hervorbringt, auch wenn m und v und ihr gegenseitiges Verhältnis unverändert bleiben." MEW 25, 116.

Marx ging sogar soweit, gedanklich C gleich Null zu setzen: "Wäre der Wert von c = 0, so wäre p′ = m′, und die Profitrate stände auf ihrem Maximum." MEW 25, 93.

2. Heinrich: Marx habe jenes Gesetz nicht bewiesen.
Diese Behauptung ist falsch.
Ein Beweis in der Ökonomie ist nicht wie ein Beweis in der Mathematik. Heinrich verlangt irgendwie einen mathematischen Beweis. Den kann es gar nicht geben. Beweise in der Ökonomie funktionieren wie Beweise in der Physik. Physiker und Ökonomen müssen aufzeigen, dass sich die Phänomene, die sie als Gesetze formulieren, in der Wirklichkeit so widerfinden lassen. Und wo überall Abweichungen von diesen Gesetzen auftreten, muss das logisch und überzeugend erklärt werden, warum diese Abweichungen auftreten. Genau das hat Marx für den Fall der Profitrate getan.
Er hat erstens gesehen, dass das konstante Kapital im Wert auch fallen kann. Aber er hat andererseits als historische Tendenz des Kapitalismus die Akkumulation des Kapitals festgestellt und prognostiziert.

Wenn Heinrich behauptet, Marx habe die Tendenz zur Anhäufung und Akkumulation von Kapital nicht "bewiesen", dann leugnet Heinrich die ökonomischen Tatsachen der letzten 150 Jahre.

Wer den tendenzielle Fall der Profitrate leugnet, muss folgerichtig auch die historische Akkumulation des Kapitals leugnen. Das machen nicht einmal bürgerliche Ökonomen.

„Aber alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, die auf dieser Grundlage erwachsen, sind zugleich Methoden der gesteigerten Produktion des Mehrwerts oder Mehrprodukts, welches seinerseits das Bildungselement der Akkumulation ist. Sie sind also zugleich Methoden der Produktion von Kapital durch Kapital oder Methoden seiner beschleunigten Akkumulation. Die kontinuierliche Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital stellt sich dar als wachsende Größe des in den Produktionsprozess eingehenden Kapitals. ...
Wenn also ein gewisser Grad der Kapitalakkumulation als Bedingung der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise erscheint (= ursprüngliche Akkumulation), verursacht die letztere rückschlagend eine beschleunigte Akkumulation des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 652f.

„Die gewachsene Ausdehnung der Industriebetriebe bildet überall den Ausgangspunkt für eine umfassendere Organisation der Gesamtarbeit vieler, für eine breitere Entwicklung ihrer materiellen Triebkräfte, d. h. für die fortschreitende Umwandlung vereinzelter und gewohnheitsmäßig betriebener Produktionsprozesse in gesellschaftlich kombinierte und wissenschaftliche eingerichtete Produktionsprozesse.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 656.

„Die Gesetze dieser Zentralisation der Kapitale ... können hier nicht entwickelt werden. Kurze tatsächliche Andeutung genügt.
Der Konkurrenzkampf wird durch Verbilligung der Waren geführt. Die Billigkeit der Waren hängt, unter sonst gleichen Bedingungen, von der Produktivität der Arbeit, diese aber von der Stufenleiter des Produktion ab.
Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. ...
Die kleineren Kapitale drängen sich daher in Produktionssphären, deren sich die große Industrie nur noch sporadisch oder unvollkommen bemächtigt hat.
Die Konkurrenz rast hier im direkten Verhältnis zur Anzahl und im umgekehrten Verhältnis zur Größe der rivalisierenden Kapitale. Sie endet stets mit dem Untergang vieler kleinerer Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehen, teils untergehen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 654f.

„Die Akkumulation des Kapitals ... vollzieht sich, wie wir gesehen, in fortwährendem qualitativen Wechsel seiner Zusammensetzung, in beständiger Zunahme seines konstanten auf Kosten seines variablen Bestandteils.
Die spezifisch kapitalistische Produktionsweise, die ihr entsprechende Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, der dadurch verursachte Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals halten nicht nur Schritt mit dem Fortschritt der Akkumulation oder dem Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums. Sie schreiten ungleich schneller, weil die einfache Akkumulation ... von der Zentralisation seiner individuellen Elemente, und die technische Umwälzung des Zusatzkapitals von technischer Umwälzung des Originalkapitals begleitet sind.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 657f.

„Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die überall einsetzbare Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums.
Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die chronische Arbeiter-Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Armenschicht in der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer die offizielle Zahl der Armen.
Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 673f.

3. Heinrich meint, man könne die Theorie vom tendenziellen Fall der Profitrate ohne Schaden aus der Kapitalismusanalyse streichen.

Marx war da explizit anderer Ansicht:
"Die Berechnung dieses Überschusses des Verkaufspreises über den Kostpreis auf den Wert des vorgeschossenen Gesamtkapitals (= Profitrate) ist sehr wichtig und natürlich, da hierdurch in der Tat die Verhältniszahl gefunden wird, worin sich das Gesamtkapital verwertet hat, oder sein Verwertungsgrad.“ MEW 25, 57.

„Allerdings hat das Verhältnis des Mehrwerts nicht nur zum Kapitalteil, woraus er unmittelbar entspringt und dessen Wertveränderung er darstellt (= Mehrwertrate), sondern auch zum vorgeschossenen Gesamtkapital (= Profitrate) seine große ökonomische Bedeutung. Wir behandeln dies Verhältnis daher ausführlich im dritten Buch.“ MEW 23, 229.

Die größe ökonomische Bedeutung der Profitrate liegt darin, dass über sie alle Konkurrenz der Kapitalisten funktioniert. Man kann sagen, die Kapitalisten und die kapitalistischen Nationen konkurrieren gegenseitig mit der Profitrate und anhand der Profitrate. Wer das nicht versteht, versteht vom Kapitalismus nichts.

„Das bisher von der politischen Ökonomie unbegriffene Grundgesetz der kapitalistischen Konkurrenz, das Gesetz, welches die allgemeine Profitrate und die durch sie bestimmten sog. Produktionspreise regelt, beruht, wie man später sehen wird, auf dieser Differenz zwischen Wert und Kostpreis der Ware und der daher entspringenden Möglichkeit, die Ware mit Profit unter ihrem Wert zu verkaufen.“ MEW 25, 47.

Der Fall der Profitrate in der Industrie steht hinter der Spekulationswelle der letzten zehn Jahre.
Fall der Profitrate ist die hauptsächliche Triebfeder von Kapitalexport und Globalisierung.
Fall der Profitrate ist die tiefere Ursache jeder einzelnen kapitalistischen Krise.

Auf die Theorie vom Fall der Profitrate verzichten, heißt auf das konkrete Verständnis der kapitalistischen Ökonomie verzichten.

Mir ist auch nicht bekannt, ob und wieweit Heinrich - außer seiner sicherlich verdienstvollen Einführung in die Marxsche Theorie - irgendwie zur kritischen Analyse des aktuellen Kapitalismus etwas beigetragen hat.

Wal Buchenberg