Michael
Heinrich oder Karl Marx? 1. Wo und wie
entsteht der Warenwert? Zu Beginn von Kapital, Band eins,
definiert Karl Marx seine selbstgestellte Aufgabe
so: Ein doppeltes Resultat hat sich
also ergeben. Die Verwandlung des Geldes in
Kapital ist auf Grundlage von
dem Warenaustausch immanenter Gesetze zu entwickeln, sodass der
Austausch von Äquivalenten (gleichen Werten) als
Ausgangspunkt gilt. Unser ... Geldbesitzer muss die Waren zu ihrem Wert
kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesses
mehr Wert herausziehen, als er hineinwarf. ... Dies sind die
Bedingungen des Problems. Wer den Mehrwert nicht erklären kann,
ohne dass beide sich widersprechenden Bedingungen erfüllt sind, kann
den Mehrwert nicht erklären. K. Marx, Kapital I. MEW 23,
180f. Wie der Mehrwert zu erklären ist,
unabhängig von den Wechselfällen des Marktes, ebenso der Wert. Im ganzen
ersten Band setzt Marx den Austausch gleicher Werte voraus. Er entwickelt
also Wert und Mehrwert ganz unabhängig davon, was aus ihnen später im
Zirkulationsprozess wird. Im I. Buch wurde der
kapitalistische Produktionsprozess sowohl als vereinzelter Vorgang wie als
Reproduktionsprozess analysiert: die Produktion des Mehrwerts und die
Produktion des Kapitals selbst. Der Form- und Stoffwechsel, den das
Kapital innerhalb der Zirkulationssphäre durchmacht, wurde unterstellt,
ohne weiter dabei zu verweilen. Es wurde also unterstellt, dass der
Kapitalist einerseits das Produkt zu seinem Wert verkauft, andererseits
innerhalb der Zirkulationssphäre die sachlichen Produktionsmittel
vorfindet, um den Prozess von neuem zu beginnen oder kontinuierlich
fortzuführen. Der einzige Akt innerhalb der
Zirkulationssphäre, wobei wir uns dort aufzuhalten hatten, war der Kauf
und Verkauf der Arbeitskraft als Grundbedingung der kapitalistischen
Produktion. K. Marx, Kapital II. MEW 24, 352f. Weiter heißt es im Kapital, Band
eins: Im Folgenden wird vorausgesetzt,
dass das Kapital seinen Zirkulationsprozess in normaler Weise durchläuft.
Die nähere Analyse dieses Prozesses gehört ins Zweite Buch. MEW 23,
589. Erstes
Resümee "Die wirklichen inneren Gesetze der
kapitalistischen Produktion können offenbar nicht aus der Wechselwirkung
von Nachfrage und Zufuhr erklärt werden, ... da diese Gesetz nur dann rein
verwirklicht erscheinen, sobald Nachfrage und Zufuhr aufhören zu wirken."
K. Marx, Kapital III. MEW 25, 199. "Der Austausch oder Verkauf der
Waren zu ihrem Wert ist das Rationelle, das natürliche Gesetz ihres
Gleichgewichts; von ihm ausgehend sind die Abweichungen zu erklären, nicht
umgekehrt aus den Abweichungen das Gesetz selbst." K. Marx, Kapital III.
MEW 25, 197. Karl Marx erklärte zunächst Wert und
Wertproduktion unabhängig und losgelöst vom "Form- und Stoffwechsel, den
das Kapital (und mit ihm die Ware) innerhalb der Zirkulationssphäre
durchmacht. Karl Marx erklärte also Wert und
Wertproduktion unabhängig davon, wie und zu welchem Preis der Kapitalisten
den in der Ware verkörperten Wert verkauft. Was ist
Wert? Wert ist
vergegenständlichte Arbeit So entscheidend es für die
Erkenntnis des Werts überhaupt ist, ihn als bloße Gerinnung
von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit zu begreifen, so entscheidend
ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Mehrarbeitszeit, als bloß
vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. K. Marx, Kapital I. MEW 23,
231. Der Kreislaufprozess des Kapitals
geht vor sich in drei Stadien, welche, nach der Darstellung des ersten
Bandes, folgende Reihe bilden: Erstes Stadium: Der Kapitalist erscheint auf dem
Warenmarkt und Arbeitsmarkt als Käufer; sein Geld wird in Ware umgesetzt
oder macht den Zirkulationsakt G W durch. Zweites Stadium: Produktive Konsumtion der gekauften
Waren durch den Kapitalisten. Er wirkt als kapitalistischer
Warenproduzent; sein Kapital macht den Produktionsprozess durch. Das
Resultat ist: Ware von mehr Wert als dem ihrer Produktionselemente.
(Hervorhebung von mir). Drittes Stadium: Der Kapitalist kehrt zum Markt
zurück als Verkäufer; seine Ware wird in Geld umgesetzt oder macht den
Zirkulationsakt W G durch. K. Marx, Kapital II. MEW 24,
31. Zweites
Resümee Der kapitalistische Produktionsprozess ist
Produktionsprozess von Wert und Mehrwert. Wert und Mehrwert sind bei K.
Marx Resultate des Produktions-prozesses, nicht des Zirkulationsprozesses.
Wert und Mehrwert entstehen in der Produktion. "Wird
beim Verkauf der produzierten Ware ein Mehrwert realisiert, so, weil
dieser bereits in ihr existiert..." K. Marx,
Kapital III. MEW 25, 290f. "Beim Verkauf wird die Ware
weggegeben, aber nicht ihr Wert, der in der Form von Geld oder ... von
Schuldschein oder Zahlungstitel zurückgegeben wird. Beim Kauf wird das Geld weggegeben,
aber nicht sein Wert, der in der Form der Ware ersetzt
wird. Während des ganzen
Reproduktionsprozesses hält der industrielle Kapitalist denselben
Wert in seiner Hand (abgesehen vom Mehrwert), nur in verschiedenen Formen.
Soweit ... Austausch von Gegenständen stattfindet, findet kein
Wertwechsel statt. Derselbe Kapitalist hält immer denselben Wert in
der Hand. MEW 25, 357f. Wird beim Verkauf der produzierten Ware ein Wert
realisiert, so, weil dieser bereits in ihr
existiert. Worüber der Verkauf entscheidet, ist nicht die
Existenz oder Nichtexistenz von Wert. Worüber der Verkauf entscheidet, ist
allein die realisierte Größe des Werts, ein Mehr oder Minder von Wert,
nicht ein Sein oder Nichtsein von Wert. 2. Zum unscheinbaren Wort
"realisieren" Der Marx-Interpret Heinrich kennt offenbar nur
eine einzige Bedeutung des Wortes. Für ihn heißt "realisieren" gleich
"machen". Damit missversteht er die gesamte Argumentation von Karl Marx im
"Kapital". Wie aus alten Fremdwörterbüchern ersichtlich,
hatte das Wort "realisieren"
für Marx eine zweite, ganz simple Bedeutung, nämlich "etwas zu Geld
machen, versilbern". Heyses Fremdwörterbuch von 1891:
Realisiren, "verwirklichen, bewerkstelligen, zu Geld machen,
versilbern" Heyses Fremdwörterbuch von
1896: Realisation u. Realisierung: "die Verwirklichung,
Ausführung; die Auszahlung, Umsetzung in klingende
Münze;" Diesen Wortsinn ("realisieren" = in Geld
verwandeln) kennt auch noch das heutige Handelsgesetzbuch HGB § 252, Abs.
1. Nr 4., wo es heißt: "Gewinne
sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlusstag realisiert
sind." Vergleiche auch Wikipedia: "In den Wirtschaftswissenschaften dagegen
bedeutet Realisierung, aus einer Sache Geld zu
erwirtschaften." "Realisieren" bei Karl
Marx Geld
"funktioniert als Kaufmittel, indem es den
Preis der Ware realisiert. K. Marx, Kapital I. MEW 23,
129. "Geld
realisiert den Preis" heißt: es verwandelt Ware in Geld.
"Es ist also im gegebenen Fall
wörtlich richtig, dass der Kapitalist selbst das Geld in die Zirkulation
warf und zwar bei Verausgabung desselben in Konsumtions-mitteln ,
womit sein Mehrwert versilbert, alias realisiert wird. K. Marx, Kapital
II. MEW 24, 418. "versilbern" alias
"realisieren". "Waren müssen alsdann wiederum in
die Sphäre der Zirkulation geworfen werden. Es gilt sie zu verkaufen,
ihren Wert in Geld zu realisieren .... K. Marx, Kapital I. MEW 23,
589. Wert ist vorhanden, aber er muss
"realisiert" werden, das heißt in Geld verwandelt
werden. "Gesamtsumme des in einem gegebenen
Zeitabschnitt umlaufenden Geldes, ... ist ..., ... gleich der Summe der
zu realisierenden Warenpreise plus ..... K. Marx, Kapital I. MEW 23,
153. Warenpreise müssen "realisiert"
werden, d.h. in Geld verwandelt werden. "Mit jeder Portion verkaufter Ware
wird auch ein Teil des jährlich zu machenden Mehrwerts realisiert. K.
Marx, Kapital II. MEW 24,
418f. Mehrwert wird realisiert, d.h. in
Geld verwandelt. Aktien werden "massenhaft auf den
Markt geworfen werden, um sie in Geld zu realisieren. K. Marx, Kapital
III. MEW 25,
485. Was den Leinwandfabrikanten
betrifft, so hat er mit dem Geld des Kaufmanns den Wert seiner Leinwand
realisiert, ... dessen Verwandlung in Geld voll-zogen ... K. Marx, Kapital III. MEW 25,
280. Realisierung ist Verwandlung in
Geld. "Der beim Verkauf der Ware
realisierte Wertüberschuss oder Mehrwert erscheint dem Kapitalisten daher
als Überschuss ihres Verkaufspreises über ihren Wert, statt als Überschuss
ihres Werts über ihren Kostpreis, sodass der in der Ware steckende
Mehrwert sich nicht durch ihren Verkauf realisiert, sondern aus dem
Verkauf selbst entspringt. Wir haben diese Illusion bereits
näher beleuchtet in Buch I, Kapitel 4, 2 (Widersprüche der
allgemeinen Formel des Kapitals) ... K. Marx, Kapital III. MEW 25, 48. Der beim Verkauf in Geld verwandelte Mehrwert
erscheint dem Kapitalisten erst in der Zirkulation entstanden oder
"gemacht" worden. "In dem Prozess der Zirkulation
vergisst der Kapitalist den Produktionsprozess. Das
Realisieren des Werts der Waren worin das Realisieren ihres
Mehrwerts eingeschlossen gilt ihm als Machen dieses Mehrwerts
" K. Marx, Kapital III. MEW
25, 147. Die Verwandlung des Mehrwerts in Geld erscheint
als Machen dieses Mehrwerts. Zirkulationsarbeit ist "die Arbeit ... für die Realisierung des Werts und
Mehr-werts. Es wird dadurch Anwendung kommerzieller Lohnarbeiter nötig, die
das eigentliche Kontor bilden. Die Auslage für dieselben, obgleich in Form
von Arbeitslohn gemacht, unterscheidet sich von dem variablen
Kapital, das im Ankauf der produktiven Arbeit ausgelegt ist. Es vermehrt
die Auslagen des industriellen Kapitalisten ... ohne direkt den
Mehrwert zu vermehren. Denn es ist Auslage, bezahlt für Arbeit, die nur in
der Realisierung schon geschaffener Werte verwandt wird. Wie jede andere
Auslage dieser Art, vermindert auch diese die Rate des Profits, weil das
vorgeschossene Kapital wächst, aber nicht der Mehrwert. K. Marx,
Kapital III. MEW 25,
310. Zirkulationsarbeit (Kauf und
Verkauf) ist die Arbeit zur Verwandlung von Ware in Geld und Geld in
Ware "schon
geschaffener Werte". Zirkulationsarbeit ist "eine
Arbeit, die nur in den vermittelnden Operationen besteht, welche teils mit
der Berechnung der Werte, teils mit ihrer Realisierung, teils mit der
Wiederverwandlung des realisierten Geldes in Produktionsmittel
verbunden sind, .... dass eine solche Arbeit nicht als Ursache, wie die
direkt produktive Arbeit, sondern als Folge der jeweiligen Größen und Massen
dieser Werte wirkt. ... K. Marx, Kapital III. MEW 25,
310f. "Dann kommt der Zirkulationsprozess
dazwischen ... Es ist dies eine Sphäre, worin die Verhältnisse der
ursprünglichen Wertproduktion völlig in den Hintergrund treten. ...
Und sowohl die Rückerstattung der in der Produktion vorgeschossenen
Werte, wie namentlich der in den Waren enthaltende Mehrwert, scheint nicht
in der Zirkulation sich bloß zu realisieren, sondern aus ihr zu
entspringen ... K. Marx, Kapital III. MEW 25,
835f. Wal Buchenberg,
24.02.2006 |
![]() |
![]() |