5.1.1. Sonderfälle erzwungener
Koloniegründung Für einen erzwungenen Auszug und die Gründung einer
neuen Stadt gab es drei allgemeine Gründe: Einmal die Flucht einer ganzen
Stadt mit Frauen und Kindern vor drohenden Feinden. Die älteste, halb
märchenhafte Erzählung über eine solche Fluchtkolonie findet sich bei
Homer, der von den sagenumwobenen Phäaken erzählt, dass sie zunächst
„nahe bei den Kyklopen“ wohnten, „den übermütigen Männern,
welche sie immer beraubten und mächtiger waren und stärker.“ Bis sie
unter Führung ihres Königs Nausithoos, sich eine neue Siedlung in Übersee
suchten: „Aber sie führte von dannen Nausithoos... brachte nach Scheria
sie, fern von den erfindsamen Menschen, und umringte mit Mauern die Stadt
und richtete Häuser, baute Tempel der Götter und teilte dem Volke die
Äcker.“ (Odyssee, 6, 5 ff.) Historisch verbürgt ist, dass die
Phokäer mit der gesamten Einwohnerschaft über das Meer flüchteten, als sie
von der Landseite aus von den Persern belagert wurden (Boardman, S.
193).
Zum zweiten konnten mehrere Missernten mit nachfolgender
Hungersnot eine längere Phase des Wohlstands und des Bevölkerungswachstums
unterbrechen. In diesem Fall verließ ein Teil der Bevölkerung die Stadt,
meist nur kriegstüchtige Männer. Chalkis sandte bei einer akuten
Hungersnot ein Zehntel der Bevölkerung aus, um Rhegion zu gründen. Eine
entsprechende Schilderung eines lydischen Kolonisationszuges liest man bei
Herodot: Mit Blick auf die griechischen Bräuche schreibt er: „Die Lyder haben fast die gleichen
Gewohnheiten wie die Griechen... Zu den Zeiten des Königs Atys... sei eine
große Hungersnot in Lydien entstanden.... Weil aber die Not nicht
nachließ, sondern immer zunahm, teilte ihr König Lydien in zwei Teile und
machte durch das Los aus, welcher Bewohner bleiben und welcher aus dem
Land ziehen sollte... Diese andere Partei zog also aus dem Land... und
baute Schiffe, auf welche sie alles, was zur Reise nötig war, brachten und
dann sich einschifften, Unterhalt und Land zu suchen....“ (Herodot, I,
86.) Obwohl hier eine Hungersnot als Grund für die Ausschiffung angegeben
wird, besaßen die Lyder doch genügend Lebensmittel und Ressourcen, um
Schiffe zu bauen und sie für eine mehrmonatige Expedition auszurüsten.
Ein dritter Grund für eine erzwungene Koloniegründung waren
befürchtete oder tatsächliche politische Unruhen in einer Stadt, was die
herrschende Mehrheit dazu bewegte, die unzufriedene Minderheit
fortzuschicken oder die chancenlose Minderheit dazu brachte, die Stadt mit
ihren Anhänger zu verlassen, so etwa die Messenier, die in Rhegion zu den
Chalkidiern stießen. Wie gesagt, Berichte über aus der Not geborene
Koloniegründungen hatten für die Griechen einen hohen Unterhaltungswert.
Koloniegründungen waren jedoch eine risikoreiche Angelegenheit, die ein
hohes Maß an wirtschaftlicher Planung und militärischer Organisation
voraussetzte. In späterer hellenistischer Zeit gab es in vielen
griechischen Gebieten große Hungersnöte, aber Koloniegründungen folgten
daraus nicht, weil sich das militärische Risiko in dem Maße erhöhte, wie
die wirtschaftlichen Randzonen sich entwickelten und der technische und
militärischen Vorsprung, den mögliche griechische Kolonisten vor den
Bewohnern eines potentiellen Kolonialgebietes hatten,
zusammenschmolz. Zunehmend stießen Neugründungen auch auf den
erbitterten Widerstand bestehender griechischer Kolonien in der
Nachbarschaft.
Als der spartanische Heerführer Xenophon ein vor
Babylon geschlagenes griechisches Söldnerheer um 400 v. Chr. quer durch
Kleinasien bis zur Küste des schwarzen Meeres geführt hatte, kamen ihm
folgende Gedanken: „dass Schwerbewaffnete in seinem Heer vorhanden
waren, ebenso wie viele Leichtbewaffnete, dazu Bogenschützen, Schleuderer
und auch Reiter, und zwar infolge der ständigen Übung alle bereits sehr
tüchtig, und dass diese sich im Gebiet am Pontos befanden, wo man für
wenig Geld eine so bedeutende Heeresmacht nicht hätte aufstellen können;
dabei kam ihm der Gedanke, dass es schön wäre, durch Gründung einer
Kolonialstadt dem griechischen Vaterlande Gebiet und Macht
hinzuzuerwerben. Er glaubte auch, dass diese Stadt groß werden könnte,
wenn er ihre eigene große Zahl und die um den Pontos wohnenden Griechen in
Erwägung zog. ... Als die Soldaten dies hörten, meinten die einen, es sei
das beste hier zubleiben, die meisten waren aber völlig dagegen.“
(Xenophon, Anabasis, 5,6.) Die günstige Zeit der erfolgreichen
Koloniegründungen war um das Jahr 400 vorbei.
5.2. Teilnehmer
der Kolonisationszüge Die Organisation solcher expansiven
Koloniegründungen ging in der Regel von einer einzelnen Stadt aus, die als
Mutterstadt („Metropolis“) das Unternehmen leitete, manchmal ergriff sogar
ein einzelner Aristokrat die Initiative, aber fast immer werden dann
andere Städte und Landesteile dazu aufgerufen, weitere Teilnehmer für
diese Koloniegründung zu schicken. Dennoch erreichte jede dieser
ausziehenden Gruppen nur eine relativ kleine Zahl. Sonst wäre es nicht
denkbar gewesen, dass eine Stadt vier oder fünf Koloniegründungen in einer
Generation losschicken konnte. Auch war auf einer Inschrifttafel aus dem
4. Jahrhundert v. Chr., die die Gründungsmitglieder einer neuen Kolonie
namentlich aufführte, „nur für 150 bis höchstens 300 Namen Platz.“
(Murray S. 147.) Ein einziges griechisches Schiff konnte zur Not diese
Anzahl aufnehmen.
Sobald sich diese Erstsiedler in dem okkupierten
Gebiet festgesetzt hatten, waren sie als Stadtgründer in einer
privilegierten Stellung. Sie verteilten unter sich das Land, schufen sich
eine Verfassung und verteilten die ersten Ämter unter sich. Viele Kolonien
in Süditalien wurden von einem Rat der Tausend regiert, die ihre
Abstammung auf die Erstsiedler zurückführten. Die Aristokratie von Syrakus
nannte sich „gamoroi“: ‚die sich das Land aufgeteilt haben‘.
(Murray, S. 149)
Der Erfolg einer Kolonie zog aber auch
„Nachzügler“ an, die sich, wenn sie einzeln kamen, nicht unbedingt in
einer günstigeren Lage befanden als in ihrer Heimat. Archilochos nennt
solche Leute einmal den „Abschaum von ganz Hellas“. (zit. n. Murray
S. 152.) Bessere Bedingungen konnten ausgehandelt werden, wenn eine
geschlossene Gruppe aus der Mutterstadt oder einer anderen Stadt, mit der
die Kolonie gute Beziehungen unterhielt, von der Kolonie aufgenommen
wurde. Der bei der Gründung verteilte Boden blieb dabei unangetastet, aber
die Nachzügler erhielten Neuland in der umliegenden Gegend.
Bei
Kolonien wie Syrakus, Tarent und Gela ist auffällig, dass die Hauptebene,
wo die Erstsiedler ihre Äcker aufgeteilt hatten, keine Siedlungsspuren
aufweist. Die Erstsiedler lebten also alle hinter den Stadtmauern. Rings
herum entstanden aber griechische Dörfer, wo offenbar die Nachzügler
angesiedelt wurden. (Murray, S. 149.)
5.3. Zielorte und Zwecke
der Koloniesuche
5.3.1.
Ackerbaukolonien Die Suche nach fruchtbarem Ackerland müssen wir
als Haupttriebfeder der Kolonisationsbewegung annehmen, was den
zeitgenössischen Quellen so selbstverständlich schien, dass es nicht
berichtenswert war. Immerhin bildet bei Homers Geschichte von den Phäaken
die Verteilung des Ackerlandes den Abschluss und Endpunkt der Neugründung.
In Süditalien hat man bei Metapontion parallel verlaufende Felder aus
antiker Zeit auf einer Länge von fast zehn Kilometern entdeckt, die
jeweils durch einen schmalen Graben im Abstand von 210 bis 240 Metern
abgetrennt waren. (Murray, S. 148f.)
Bei der Verteilung des Landes
wurde nicht nur auf Feldbau, sondern auch auf Gartenbau geachtet. Von der
Insel Curzola in der Adria ist bekannt, dass bei einer späten Gründung im
3. oder 2. Jahrhundert neben Ackerland auch rund 3000 qm Weinberge zur
Verteilung kamen. (Finley, Antike; S. 113.) Eine solche
Ackerbaukolonie, deren Zahl unter den Koloniegründungen bei weitem
überwog, wurde „apoika“ oder „Tochtersiedlung“ genannt. Im Grunde
sind alle Ansiedlungen an der kleinasiatischen Küste und auf den meisten
Ägäisinseln sowie die Polis-Gründungen in Griechenland als Ackerbaukolonie
zu verstehen. Sie sind das wirtschaftliche Fundament, von dem aus je nach
Bedarf und Möglichkeiten die Versorgung mit zusätzlichen
landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Produkten wie Metallen
oder Holz und schließlich auch Sklaven in Angriff genommen wurde. Aber
auch die Mehrzahl der Kolonien im achten und siebten Jahrhundert wurden
wohl hauptsächlich auf der Suche nach Land gegründet.
5.3.2.
Versorgungskolonien Ausgehend von der unhaltbaren Annahme, dass die
Griechen im 8. und 7. Jahrhundert „nicht aktiv Handel betrieben”
hätten (Heichelheim I.,
S. 239), erklärt Heichelheim einige Gründungen, die an Orten
angelegt wurden, wo es kein oder fast kein fruchtbares Land gab, als
„Piratennester” und „Bergwerkstationen”. “The Greek polis colonization of the 8th
and 7th centuries B.C. developed nevertheless in no way from active trade
yet. Rather did it begin, as we can establish with great certainty, from
agrarian settlements, fishing stations, the castles of political
overlords, the strongholds of pirates, or from mining
outposts.”
(Heichelheim I., S. 239.) Und: “Many early Greek colonies were founded
in the sheltered places most favourable for piracy on the high sea and not
near the most suitable harbours for foreign trade.” (Heichelheim I.,
S. 240) Auf das Piratentum als kriegerischer Vorläufer und
Zwillingsbruder des friedlichen Handels wurde schon eingegangen. Wer ein
Piratennest anlegt, hat offenbar den Handel im Auge, wenn auch fremden
Handel, und nicht Ackerbau.
Anders lagen die Verhältnisse in der Kolonie von Pithekussai auf
Ischia, deren griechische Funde bis in die Zeit von 770 v. Chr.
zurückgehen. Der Boden der vulkanischen Insel ist nur für Weinanbau
geeignet, nicht für Getreideanbau. In den alten griechischen Siedlungen
wurde Metallschlacke, Puddelluppe und die Mundstücke von Blasebälgen
gefunden. Auf der Insel selber gab es jedoch keine Eisenvorkommen und das
Eisen wurde, wie chemische Analysen vermuten lassen, von Elba
herbeigeschifft. (Boardman, S. 199 und Murray S. 97) Auch bei Pithekussai
wäre es mindestens missverständlich, von einer „Handelskolonie“ zu
sprechen. Aber dass bei dieser Koloniegründung die Versorgung mindestens
der Mutterstädte Chalkis und Eretria auf Euböa und ihres Einflussgebietes
mit Eisen im Vordergrund stand, ist offensichtlich.
5.3.3.
Handelsplätze (Emporion) Bei Al Mina an der Orontesmündung in
Nordsyrien hat man bei Ausgrabungen griechische Keramik aus dem letzten
Viertel des achten Jahrhunderts v. Chr. gefunden, die auf eine zahlenmäßig
nicht kleine griechische Ansiedlung verweisen. Ruinen aus der Zeit der
Zerstörung von Tarsos haben vielleicht einen Zusammenhang. Wahrscheinlich
kamen die Euböer über Zypern an diesen Handelsort und brachten wohl
dorthin Sklaven, die sie erbeutet und Metalle, die sie selber gefördert
hatten. Euböa verfügte über lokale Metallverkommen und hatte als erstes
die Gusstechnik der östlichen Bronzekulturen übernommen. In Lefkandi auf
Euböa waren Gussformen aus der Zeit um das Jahr 900 gefunden worden.
(Boardman, S. 45f.) In Al Mina lebten die Griechen wahrscheinlich als
fremde Minderheit in einem geschlossenen Wohnviertel neben Kyprioten und
Phöniziern. Sicherlich war Al Mina ein wichtiger Stützpunkt für den
Güteraustausch mit dem Osten, aber es wurde keine selbständige griechische
Kolonie.
Ähnlich lag der Fall bei Naukratis in Ägypten. Zur der
Zeit als die griechische Kolonisation an der Nordküste des Schwarzen
Meeres einsetzte, die vielleicht mit einem wachsenden Getreidemangel in
den großen griechischen Städten zusammenhängt, erfahren wir von der
einzigen Ausländersiedlung in Ägypten. Pharao Amasis, der mit Hilfe
griechischer Söldner die Macht erobert hatte, gab diesen nach seiner
Thronbesteigung „die Stadt Naukratis zu bewohnen“, die es also
damals schon gegeben hat.(Herodot
2, 178.) Dass die Siedlung nicht erst zu diesem Zeitpunkt gegründet wurde,
beweisen auch attische Vasenfunde aus der Zeit zwischen 620 und 600 v.
Chr. „Denen aber, welche sich nicht daselbst wohnhaft niederlassen
wollten, sondern nur Schifffahrt dahin trieben, gab er Plätze, Altäre und
Heiligtümer für ihre Götter.“ (Herodot 2, 178.)
Naukratis wird
vor allem als Exportgut ägyptisches Getreide umgeschlagen haben, das wohl
mit griechischem Silber bezahlt wurde. Ägypten hatte sonst keinen Zugang
zu Silber, war aber bekannt für seine Getreideüberschüsse. Der gesamte
Außenhandel auch für Öl, Wein und Handwerksprodukte wie Amulette war vom
ägyptischen Königshaus monopolisiert und die Existenz von Naukratis hing
von der Gnade des Pharao ab.
Auch wenn wir davon nichts näheres
wissen, muss es noch mehr Orte gegeben haben, wo Griechen nicht als
kriegerische Kolonistenexpedition einen Ort besetzten, sondern als
Kauffahrer sich einem bestehenden einheimischen Handelsplatz angeschlossen
haben und allmählich ein griechisches Wohnviertel mit eigenem
Warenumschlagplatz, ein sogenanntes „Emporion“ bildeten. Solche Orte
standen nicht unter griechischer Souveränität. Ihr Gründungsdatum wurde
daher nicht von griechischen Quellen vermerkt.
Für Marseille gibt
es zwar ein Gründungsdatum um 600 v. Chr. (Boardman, S. 256), aber es ist dort von
einer zahlreichen einheimischen Bevölkerung die Rede, was sonst für
griechische Kolonien ungewöhnlich ist. Nach Marseille wurde das Zinn aus
dem Norden entlang der Rhone ans Mittelmeer transportiert wurde, und von
dort ins östliche Mittelmeer verschifft.
Bei Naukratis, Al Mina und
Marseille muss man davon ausgehen, dass die Griechen dort Waren bezogen,
für die sie im Austausch zahlen mussten. Aber selbst in diesen Fällen ist
es nicht korrekt zu sagen, dass Marseille „in erster Linie als Hafen
für den Handel mit Gallien gegründet“
(Boardman, S. 192) worden
sei. Es ging den frühen Griechen nicht um „Handelsgebiete“ oder eine
Handelsbilanz, sondern vor allem um ihre Selbstversorgung mit
Gebrauchsgütern, über die Griechenland nicht oder nicht genügend
verfügte.
5.4 Ablauf einer Koloniegründung In der Regel
wurde vor einer Koloniegründung das Orakel in Delphi befragt. Und die
Priester dieses Heiligtums erklärten, ob eine Koloniegründung erwünscht
sei, und was der passenden Ort und die passende Ausfahrtzeit sei. Mit
diesen Weisungen war das Orakel so erfolgreich, dass Herodot andeutete,
dass es für das Scheitern eines Kolonisationszug verantwortlich war, dass
der Führer des Unternehmens „weder das Delphische Orakel um Rat frage,
in welchem Land er sie ansiedeln sollte, noch die anderen üblichen
Gebräuche beobachtete.“ (Herodot 5, 42.)
Einige Kolonien, die
ohne Orakelspruch gegründet worden waren, ließen daher zur Legitimation
nachträglich ein Gründungsorakel fälschen. (Vgl. Murray S. 146f.) Bei der bekannten
Bestechlichkeit des delphischen Orakels - Herodot spricht davon, dass
Seherin des Heiligtums „mit Geschenken beeinflusst werden“ konnte
(Herodot 5, 62) und bald nach 490 v.
Chr. wurde eine solche Seherin oder Pythia, wegen Bestechlichkeit verjagt
- kann man davon ausgehen, dass der Spruch des Orakels um so günstiger wie
der Erfolg des Kolonisationszugs um so sicherer war, je reicher und
freigiebiger die Mutterstadt war. In seiner Anfangszeit scheint das
Delphische Orakel von der Außenpolitik der Korinthischen Führung
beeinflusst gewesen zu sein. Darauf deuten jedenfalls die ältesten
erhaltenen Orakelsprüche hin. Auch wenn die Koloniegründer dieser Zeit
nicht mit dem Segen der Götter rechnen konnten, so hatten sie doch den
Segen Korinths.
Der Leiter eines Kolonisationszuges war in der
Regel ein einflussreicher Aristokrat der Mutterstadt, der nach
erfolgreicher Gründung auch nach seinem Tod in der neuen Siedlung als
Stadtgründer und Held verehrt wurde, aber nur selten eine erbliche
Monarchie errichten konnte. Nur im Fall von Kyrene ist es belegt, dass der
Stadtgründer seine Herrschaft auf seinen Sohn weitergibt. (vgl. Murray, S. 146) Dem Koloniegründer
wurde entweder per Losentscheid eine Mannschaft zugeteilt, die er nach
eigenem Einfluss und Gutdünken ergänzen konnte, oder er konnte bei einem
freiwilligen Auszug sich seine Mannschaft nach Belieben
zusammenstellen.
Es werden wohl kaum mehr als 200 - 300
kriegsfähige Männer für einen freiwilligen Auszug zusammengekommen sein.
Die Kolonisten bauten sich ein oder zwei Schiffe und nahmen Lebensmittel
für mehrere Monate mit. Sie landeten am Zielort meist auf einer, dem
Festland vorgelagerten Insel oder einer Landzunge, die sich gegen die
einheimische Bevölkerung gut verteidigen ließ. Als erstes wurde ein Altar
auf dem neuen Boden errichtet und das heilige Feuer entzündet, das man aus
der Mutterstadt mitgebracht hatte. Der Stützpunkt wurde befestigt und die
Kolonisten haben sich wohl in der Folgezeit ihre Lebensmittel
zusammengeraubt. Sie konnten sich kaum ein Jahr lang bis zur nächsten
Ernte aus ihren eigenen Vorräten ernährt haben.
Sobald die
Kolonisten ihre Vorherrschaft in dem Gebiet gesichert hatten, zogen sie
von ihrem Stützpunkt auf das gegenüberliegende Festland und verteilten das
fruchtbare Land unter sich. Auch in Fällen, wo der erste Stützpunkt eine
landwirtschaftliche Nutzfläche bot, wurde nach einiger Zeit die Landnahme
auf das gegenüberliegende Festland ausgedehnt. Die Griechen in Methyma auf
Lesbos gründeten, wahrscheinlich gegen Ende des achten Jahrhunderts, auf
diese Weise Assos. Solche „Peraia“, „gegenüberliegendes Land“, genannte
Gebiete gründeten Chias auf der erythräischen Halbinsel, Samos auf Mykale,
Ephesos besetzte Magnesia, auch Knidos besetzte den Küstenstreifen des
Festlandes (Boardman, S.
100).
Viele Kolonien erreichten in kurzer Zeit einen
größeren Wohlstand als ihre Heimatstadt. In diesen Fällen müssen die
Kolonisten von einer einheimischen Bevölkerung kultiviertes Land und kein
unbebautes Neuland unter den Pflug genommen haben. Das hätte nicht in so
kurzer Zeit so reiche Ernten gebracht.
Wird
fortgesetzt, Wal Buchenberg |