Länger arbeiten – weniger verdienen.
Vor
dem Arbeitsgericht sind erschienen die Betriebsratsvorsitzende eines
großen Schulbuchverlages mit Rechtsanwalt als Klägerin und der
Personalchef des Verlages mit Rechtsanwalt als Beklagte.
Der Verlag
hatte schon im Jahr 2001 mehrere Leute mit Vertragsklauseln eingestellt,
denen der Betriebsrat nicht zustimmte. Trotz fehlender Zustimmung des
Betriebsrates wurden diese Leute von dem Verlag seither beschäftigt und
bezahlt. Das Zustimmungsrecht des Betriebsrates zu Einstellungen,
Eingruppierungen und Arbeitszeiten steht nur auf Papier.
In den
neuen Arbeitsverträgen stand: „Es gilt die 35-Stunden-Woche. Her/Frau
XY ist damit einverstanden, dass er/sie jährlich 220 Stunden Mehrarbeit
leistet.“ 220 Überstunden im Jahr machen pro Woche 5
Überstunden.
Die 35-Stunden-Woche gilt nur auf dem Papier. In der
Arbeitswelt dieses Verlages gilt für die Neueingestellten die 40
Stundenwoche. Extra bezahlt werden diese Stunden nicht. Im Gegenteil. Die
Personalleitung hatte Controller, die eigentlich nach dem
Manteltarifvertrag des Druckgewerbes in die Tarifgruppe VI eingruppiert
gehören, nur nach Tarifgruppe V eingestellt. Das macht beim
Einstiegsgehalt einen Fehlbetrag von rund 400 Euro, der mit den
Altersgruppen noch anwächst.
Nun wurde mithilfe des Arbeitsgerichts
folgende Einigung erzielt:
1) Der Betriebsrat stimmt der
Einstellung von ... (es folgen die jeweiligen Namen) ... zu.
2)
Der Betriebsrat stimmt der vertraglich geregelten Arbeitszeit zu. Es gilt
die 35-Stundenwoche mit jährlich 220 Stunden Mehrarbeit.
3) Ein
Arbeitsplatz für reine Controllertätigkeit wird in Tarifgruppe VI
eingruppiert. Da der/die Mitarbeiter/in .... (Name) ... nur zu 20%
Controllertätigkeiten und zu 80% Dokumentationsaufgaben erledigt, wird
er/sie in Tarifgruppe V eingruppiert, erhält aber rückwirkend zum
Einstellungstag eine unwiderrufliche, nicht anrechenbare Zulage von 180
Euro, die tarifdynamisch entsprechend dem Tarifgehalt erhöht
wird.
(Zum Punkt drei wäre vielleicht anzumerken, dass meines
Wissens für die Eingruppierung nicht die „reine“ Tätigkeit, sondern die
„überwiegende“ Tätigkeit zählt, und dass dabei nicht das aktuelle, sondern
das angestrebte Tätigkeitsfeld entscheidend ist.)
Die bei
diesem Verlag Neueingestellten arbeiten regelmäßig 20 Stunden mehr im
Monat, erhalten aber 220 Euro weniger als ihnen tarifvertraglich zusteht.
So werden Tarifverträge ausgehebelt. „Pacta servanda sunt“ dieser
fromme Wahlspruch gilt vielleicht zwischen Kapital und Kapital, aber nicht
zwischen Kapital und Lohnarbeit.
Wal Buchenberg,
30.01.03.
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