Anlass zu diesem kurzen Beitrag, sind 2 Artikel aus der FR vom 06.06.2013. Darin heißt es u.a.:
„Mieten, statt besitzen, ist auch das Motto vieler Unternehmen. Sie können gut auf eigene Gebäude und sogar Maschinen verzichten. Immer öfter specken sie jetzt auch ihre Rechenzentren ab, und mieten Computerleistung. Statt im eigenen Keller lassen sie bei spezialisierten Dienstleistern rechnen, auf deren Servern auch die notwendige Software installiert ist. Gesteuert werden die Prozesse über das Internet. Cloud-Computing, Rechnen in der Wolke, nennt sich das.“
(„Die Himmelsstürmer“, FR vom 06.06.2013)
Neue EU-Datenschutzregelung sieht u.a. folgendes vor:
„So soll laut der Beschlussvorlage die Pflicht für Datenschutzbeauftragte in großen Unternehmen, wie sie Deutschland bislang kennt, fallen.“
(„Der Datenschutz im Web wird löcherig“, FR vom 06.06.2013)
Der Personal Computer war eine geniale Erfindung, gerade auch weil er eine sehr individuelle Konfiguration in Hard- und Software ermöglichte; also Freiheiten eröffnete durch Nutzung eines unversell einsetzbaren Werkzeugs. In den kapitalistischen Unternehmen wurde dieser Personal-Computer sehr schnell zu einer „Arbeitsstation“ im Netzwerk. Er blieb jedoch zunächst ein Zwitter zwischen frei konfigurierbarem individuellen Werkzeug und Arbeitsstation im Netzwerk. Diese Zeiten neigen sich rapide dem Ende oder sind bereits vorbei. Vom Personal Computer bleibt nichts außer seiner Funktion als Workstation. Aus dem Universalwerkzeug PC wird – der Tendenz nach - eine Vielzahl von „Einzweckmaschinen“
Für die Kapitalisten und die Systemadministratoren in den einzelnen Betrieben vor Ort, waren die Freiheiten, die der Personalcomputer bot immer ein Ärgernis. Spielten doch die Leute damit rum, installierten eigene Software etc. Man versuchte mit allen Mitteln der „Einschränkungen von Rechten der Benutzer“ diese Freiheiten zu beschneiden.
Heute sind „wir“ einen Schritt weiter. Im letzten Betrieb, in dem ich arbeitete, konnte ich auf Grund meiner engen Zusammenarbeit mit der EDV-Abteilung „hautnah“ erleben, was da abgeht. Unsere Systemadministratoren wurden dabei selbst immer stärker von Kontrolleuren zu Kontrollierten. In dem Maße wie Rechnerleistung zu den zentralen Servern der Dienstleister verlagert wird, wird ihr Aufgabenbereich eingeschränkt. In dem Maße, wie Softwareinstallationen über eine spezielle Netzwerkanwendung von einer Zentrale aus vorgenommen wird, verstärkt sich diese Tendenz. Usw. Erfolgt der nächste Schritt - „Cloud-Computing“ - dann fallen auch diese von einer Zentralen gesteuerten lokalen Softwareinstallationen weg. Es bleibt ein zentrales Rechenzentrum, indem der größte Teil von Hard- und Software installiert ist, sozusagen ein riesiges Universal-Werkzeug und eine Vielzahl „dummer“ Workstations mit eingeschränkten, genau spezifizierten Aufgaben …. und entsprechend eingeschränkten Rechten und Aufgaben der Benutzer.
Das ist sozusagen die rein technische Seite der zentralisierenden Tendenz des Kapitals. Sie wird vorangetrieben unter „Kostengesichtspunkten“. Es gibt noch eine zweite Seite der Medaille und dabei geht es um Kontrolle durch eine Zentrale. In jedem „guten“ Qualitätshandbuch, das sich an der DIN EN ISO 9001 orientiert – für 2 Unternehmen musste ich solche Handbücher redigieren – steht geschrieben worum es vor allem geht: um „Kontrolle der Prozesse durch die oberste Leitung“.
Der Zunahme an technischer Zentralisierung entspricht die Zunahme an Kontrolle durch die oberste Leitung. Das steht nicht im Widerspruch zu flachen Hierarchien, sondern steht in direktem Zusammenhang damit. Was auf der einen Seite als Wegfall von Hierachie vor Ort erscheint, wird begleitet durch Zunahme durch Kontrolle seitens der obersten Leitung. Kurze Wege von den Entscheidungen ganz oben zu den Ausführenden ganz unten!! An die Stelle der Kontrolle durch unmittelbare Vorgesetzte tritt die Kontrolle durch Technik (Hard- und Software). Diese Kontrolle wird sozusagen durch die IT, mit Hilfe der IT, realisiert.
Fährt man morgens den Rechner hoch, dann dauert es mitunter erstaunlich lange, bis der Rechner hochgefahren ist. Alle möglichen Dienste und Anwendungen werden gestartet, bis es losgehen kann. Mit Hilfe dieser Dienste und Anwendungen kann alles Geschehen an der Workstation von einer Zentrale kontrolliert und gesteuert werden. Daran hat „die oberste Leitung“ großes Interesse, damit die Arbeitskraft auch ja „effizient“ eingesetzt wird. (Manche linke Ökonomen sind ganz begeistert davon und preisen es als Fortschritt. Vergl. meinen Blog-Beitrag zum „effizienten Arbeitskräfteeinsatz“ in privatisierten Krankenhäusern.) Diese Tendenz zur möglichen und gewollten Kontrolle jedes Tastenanschlags an der Workstation hat schon lange eine Gegenbewegung hervorgerufen: Datenschutz und Datenschutzbeauftragte. Solche Datenschutzbeauftragte, sind nicht allein dem Kapital verpflichtet, sondern eben dem Schutz „persönlicher Daten“ von „Arbeitnehmern“. Das ist ein Ärgernis und ein Hindernis für das Kapital. Daher jetzt das Bestreben der EU-Kommission, die Datenschutzbeauftragten in den größeren Unternehmen zu beseitigen! Alles, was „Big Brother“ hinderlich ist, muss beseitigt werden, „Bürokratieabbau“ ist das Schlagwort dafür.
Abschließend:
Das Wort „Cloud-Computing“ ist ein Blendwort oder eine miese Beschönigung dessen, was vorgeht. Die scheinbare Wolke besteht in Wirklichkeit aus mehr oder weniger gigantischen, zentralisierten Serverstationen. Die stehen sozusagen in der Wolke und man sieht sie nicht. Aus den Servern (Dienern) werden Herren über menschliche Arbeitskraft, die nur dem Kapital dienen.
Die technologische Entwicklung heute eröffnet viele neue Möglichkeiten für dezentralisierte Produktion und damit für mehr Autonomie und Freiheit. Im Kapitalismus können diese Möglichkeiten nur sehr begrenzt oder gar nicht wahrgenommen werden. Dort, wo sie auf Zeit dominieren, werden sie über kurz oder lang vom Kapital eingefangen, eingebunden und seinen Zwecken in wohl organisierten und zentralisierten Netzwerken untergeordnet. Überall setzt sich die Tendenz zu ökonomischem und politischem Zentralismus durch. Die Möglichkeiten von dezentraler Produktion, von mehr Autonomie und Freiheit können nur dann wahrgenommen werden, wenn die Macht des Kapitals gebrochen wird.
Was sich im Bereich der EDV und mit Hilfe der EDV heute durchsetzt, erinnert mich sehr an die Fließbandproduktion des Taylorismus. Auch hier wurde die Kontrolle über die LohnarbeiterInnen durch Technik vorangetrieben. An die Stelle von Überwachung durch Vorgesetzte trat die Überwachung und Einbindung durch das Fließband. Die Herrschaft von Menschen über Menschen wurde scheinbar ersetzt durch die Herrschaft von Technik/Maschinen über Menschen. Tatsächlich war die Technik nur Mittel zum Zweck, um die Herrschaft des Managements perfekter zu machen, im Interesse der Verwertung von Wert. Und so ist es auch heute.
Robert Schlosser