Robert Blum

„Als der Aufstand in Wien (am 6. Oktober 1848) ausbrach, gab es darüber einen Haufen Interpellationen, Debatten, Motionen und Amendements, die natürlich zu nichts führten. (...)
Auch die Linke der Nationalversammlung hatte zwei Kommissare nach Wien geschickt, um dort ihre Autorität zur Geltung zu bringen, die Herren Fröbel und Robert Blum. Als die Lage bedrohlich wurde, gelangte Blum zu der richtigen Erkenntnis, daß hier die Entscheidungsschlacht der deutschen Revolution zum Austrag kommen werde, und entschloß sich ohne Zögern, sein Leben für die Sache einzusetzen. Fröbel dagegen war der Meinung, es sei seine Pflicht, sich für die wichtigen Aufgaben seines Frankfurter Postens zu erhalten. Blum galt als einer der besten Redner der Frankfurter Versammlung; sicher war er der populärste. Den Anforderungen einer erfahrenen parlamentarischen Versammlung hätte seine Beredsamkeit nicht standgehalten; er liebte zu sehr den seichten Pathos eines deutschen Oppositionspredigers, und seinen Argumenten fehlte es an philosophischer Schärfe wie an Kenntnis der praktischen Wirklichkeit. Politisch gehörte er zur "gemäßigten Demokratie", einer ziemlich unbestimmten Richtung, die sich aber gerade wegen dieses Mangels an Bestimmtheit ihrer Prinzipen großer Beliebtheit erfreute. Bei alledem war Blum jedoch seinem ganzen Wesen nach durch und durch ein Plebejer, wenn auch mit einem gewissen Schliff, und in entscheidenden Augenblicken gewannen sein plebejischer Instinkt und seine plebejische Energie die Oberhand über die Unbestimmtheit und daher Unentschiedenheit seiner politischen Meinung und Einsicht. In solchen Augenblicken erhob er sich weit über das gewöhnliche Maß seiner Fähigkeiten.
So sah er in Wien auf den ersten Blick, daß hier und nicht in den Debatten in Frankfurt mit ihrem vergeblichen Streben nach Eleganz die Entscheidung über das Schicksal seines Landes fallen müsse. Sofort faßte er seinen Entschluß, gab jeden Gedanken an Rückzug auf, übernahm ein Kommando in der revolutionären Armee und legte außerordentliche Kaltblütigkeit und Festigkeit an den Tag. Im war es zu danken, daß die Einnahme der Stadt geraume Zeit verzögert wurde, er war es, der eine ihrer Seiten gegen den Angreifer sicherte, indem er die Taborbrücke über die Donau in Brand steckte. Allgemein bekannt ist, wie er nach der Erstürmung verhaftet, vor ein Kriegsgericht gestellt und erschossen wurde. Er starb wie ein Held. Die Frankfurter Nationalversammlung aber, obwohl starr vor Entsetzen, machte doch nach außen gute Miene zu dem blutigen Schimpf. Eine Resolution wurde gefaßt, die durch den sanften Ton und die diplomatische Zurückhaltung ihrer Sprache eher eine Verunglimpfung des Grabes des gemordeten Märtyrers war als ein Verdammungsurteil über Österreich. Aber man durfte ja nicht erwarten, diese verächtliche Versammlung werde über die Ermordung eines ihrer Mitglieder empört sein, zumal es sich um einen Führer der Linken handelte.“


Karl Marx / Friedrich Engels: Revolution und Konterrevolution in Deutschland XII, MEW 8, S. 73f.

Robert Blum

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