Volksbewaffnung und Wehrpflicht

 

1. Allgemeine Volksbewaffnung

als notwendiges Element direkter Demokratie

Die Armeen:

a) Der verderbliche Einfluss von großen stehenden Heeren auf die Produktion ist auf bürgerlichen Kongressen aller Arten, auf Friedenskongressen usw. ...zur Genüge dargelegt worden. Wir halten es daher für überflüssig, uns über diesen Punkt zu verbreiten.

b) Wir schlagen allgemeine Volksbewaffnung und allgemeine Ausbildung im Waffengebrauch vor.

c) Wir stimmen, als einer vorübergehenden Notwendigkeit, kleinen stehenden Heeren zu, die als Schulen für Offiziere der Miliz dienen; jeder männliche Bürger soll auf kurze Zeit in diesen Armeen dienen.“ K. Marx, Instruktionen an die Delegierten der IAA, MEW 16, 199.

Es ist „durchaus nicht gleichgültig, ob die allgemeine Wehrpflicht vollständig durchgeführt wird oder nicht. Je mehr Arbeiter in den Waffen geübt werden, desto besser. Die allgemeine Wehrpflicht ist die notwendige und natürliche Ergänzung des allgemeinen Stimmrechts; sie setzt die Stimmenden in Stand, ihre Beschlüsse gegen alle Staatsstreichversuche mit den Waffen in der Hand durchzusetzen.“ F. Engels, Preußische Militärfrage, MEW 16, 66.

 

„Die hier wiederabgedruckten Artikel wurden veröffentlicht im Berliner ‚Vorwärts‘, März 1893, während der Reichstagsdebatte über die Militärvorlage.

Ich gehe darin von der Voraussetzung aus, die sich mehr und mehr allgemeine Anerkennung erobert: Dass das System der stehenden Heere in ganz Europa auf die Spitze getrieben ist in einem Grad, wo es entweder die Völker durch die Militärlast ökonomisch ruinieren oder in einen allgemeinen Vernichtungskrieg ausarten muss, es sei denn, die stehenden Heere werden rechtzeitig umgewandelt in eine auf allgemeiner Volksbewaffnung beruhenden Miliz.

Ich versuche, den Beweis zu führen, dass diese Umwandlung schon jetzt möglich ist, auch für die heutigen Regierungen und unter der heutigen politischen Lage. Ich gehe also von dieser Lage aus und schlage einstweilen nur solche Mittel vor, die jede heutige Regierung ohne Gefahr der Landessicherheit annehmen kann. Ich suche nur festzustellen, dass vom rein militärischen Standpunkt der allmählichen Abschaffung der stehenden Heere absolut nichts im Wege steht; und dass, wenn trotzdem diese Heere aufrechterhalten werden, dies nicht aus militärischen, sondern aus politischen Gründen geschieht, dass also mit einem Wort die Armeen schützen sollen nicht so sehr gegen den äußeren wie gegen den inneren Feind.“ F. Engels, Kann Europa abrüsten? MEW 22, 371.

 

„Was ist das Heilmittel gegen Wettrüsten und Kriegsgefahr?

Die Abschaffung des stehenden Heeres und die Ersetzung desselben durch ein wirkliches Volksheer, das eine einfache Schule ist, in die jeder Bürger, sobald er fähig ist, die Waffen zu tragen, für die Dauer der zur Erlernung des Soldatenhandwerks absolut notwendigen Zeit eingereiht wird; Einstellung der so herangebildeten Leute in stark örtliche Reserveeinheiten, so dass jede Stadt, jeder Kreis sein Bataillon hat, zusammengesetzt aus Leuten, die sich kennen und die, wenn es sein muss, in 24 Stunden vollständig ausgerüstet und marschbereit zusammentreten können.

Das bedeutet, dass jeder Wehrfähige sein Gewehr und seine Ausrüstung bei sich zu Hause hat, wie es in der Schweiz der Fall ist.

Das Volk, welches dieses System zuerst einführt, wird seine wirkliche militärische Kraft verdoppeln und dabei gleichzeitig sein Kriegsbudget um die Hälfte vermindern. Es wird schon durch die Tatsache, dass es alle seine Bürger bewaffnet, seine Friedensliebe beweisen.

Denn diese Armee ... ist ebenso wenig zur Eroberung nach außen geeignet, als sie in der Verteidigung ihres heimischen Bodens unbesiegbar ist.

Und dann, welche Regierung würde es wagen, die politische Freiheit anzutasten, wenn jeder Bürger ein Gewehr und fünfzig scharfe Patronen zu Hause liegen hat?F. Engels, Sozialdemokrat, MEW 21, 345.

 

2. Milizsystem und allgemeine Volksbewaffnung müssen einem Angriff durch ausgebildete Heere gewachsen sein

„Die Deutschen Sozialisten haben seit Jahren die Umwandlung des stehenden Heeres in eine Miliz gefordert; das haben sie in all ihren Reichstagsreden über den Militarismus, über den Kriegshaushalt usw. immer wieder bis zum Überdruss wiederholt. Ich sehe nicht, was die Einbringung des Gesetzentwurfs dem formal noch hinzufügen könnte. Dennoch wollen sie es tun. ...

Die Forderung nach Ersetzung des stehenden Heeres durch eine Volksmiliz wird von den Militärs unter dem Vorwand bekämpft ..., dass Milizen nach dem Schweizer Vorbild vielleicht für ein gebirgiges Land geeignet, für ein großes Heer aber, das auf jedem Gelände aktionsfähig sein muss, nicht zuverlässig genug sind. Und darin hätten Sie recht. Um ein gutes Milizheer zu haben, muss man bei der sportlichen und militärischen Ausbildung der Jugend anfangen; das würde also 5 bis 8 Jahre in Anspruch nehmen; ...

Um den vorhandenen Vorurteilen soweit wie möglich Rechnung zu tragen, schlage ich vor, dass man eine Dienstzeit bei der Fahne von zwei Jahren zum Ausgangspunkt nimmt, die so bald wie möglich auf 18 Monate ... und dann auf ein Jahr herabzusetzen ist ...

Dann hätte man eine Miliz, die nur einmal alle 2 oder 3 Jahre große Manöver durchführen müsste, um sich zusammenzufinden und zu lernen als große Masse zu operieren.“ F. Engels an P. Lafargue (1894), MEW 39, 190f.

 

„Wir sind ... der Meinung, dass ein Staat wie Preußen den größten Fehler begehen würde – sei an der Regierung welche Partei da wolle –, wenn er die normale Dienstzeit augenblicklich noch mehr verkürzte.

Solange man die französische Armee auf der einen, die russische auf der anderen Seite hat und die Möglichkeit eines kombinierten Angriffs beider zu gleicher Zeit, braucht man Truppen, die die ersten Elemente der Kriegsschule nicht erst vor dem Feind zu lernen haben.

Wir nehmen daher keinerlei Rücksicht auf die Phantasien von einem Milizheer mit sozusagen keiner Dienstzeit; wie man sich die Sache vorstellt, ist sie heute für ein Land von 18 Millionen Einwohnern und sehr exponierten Grenzen unmöglich und selbst für andere Verhältnisse nicht in dieser Weise möglich.“ F. Engels, Preußische Militärfrage, MEW 16, 54.

Siehe auch die Artikel:

Friedlicher Übergang

Gewalt

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.