Mittelklasse
Klassen sind „durch die Teilung der Arbeit bereits bedingt ...“. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 33.
1. Traditionelle Mittelklasse - die selbst arbeitenden
Eigentümer Wer von seiner eigenen Arbeit lebt und dabei eigene
Produk-tionsmittel benutzt, gehört zum so genannten Kleinbürgertum, der
traditionellen Mittelschicht. Hierzu zählen auf dem Land der kleine Bauer,
in Stadt und Land der kleine Handwerker oder Krämer, der Arzt mit eigener
Praxis, der Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei und sonstige Freiberufler,
die ihr Arbeitsergebnis als ihre Ware in Form eines greifbaren Produkts
oder als Dienstleistung verkaufen. „Für
den Produzenten dieser Dienste sind diese Dienstleistungen Waren. Sie
haben einen bestimmten Gebrauchswert (eingebildeten oder wirklichen) und
einen bestimmten Tauschwert.“ K.
Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 128. Zu
dieser Klasse der selbst arbeitenden Produktionsmittelbesitzer gehören in
Deutschland noch rund 7 % der Erwerbsbevölkerung. Vor 1900 stellten sie
die Mehrheit. Selbst arbeitende Eigentümer sind keine Kapitalisten, weil
sie als kleine Produktionsmittelbesitzer selbst arbeiten müssen und nicht
von den Früchten fremder Arbeit leben können.
„Zersplitterte
Produktionsmittel, die den Produzenten selbst als Beschäftigungs- und
Subsistenzmittel dienen, ohne sich durch Einverleibung fremder Arbeit zu
verwerten, sind kein
Kapital ...“
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 731. Selbst wenn dieser
selbst arbeitende Eigentümer außer der eigenen Arbeit noch in geringem
Umfang fremde Arbeit nutzt, wird er dadurch noch kein Kapitalist, sondern
„nur ein Mittelding zwischen Kapitalist und Arbeiter“ (K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 326). Die geschilderte Arbeitssituation mit eigenen
Produktionsmitteln schafft einerseits Gemeinsamkeiten mit den
Lohnarbeitern bis hin zur Scheinselbständigkeit, andererseits ergibt
sie fließende Übergänge vom Kleinbürger bis zum Kapitalisten. Ein
Kleinbürger mit wenigen Lohnarbeitern kann vielleicht ein
„Viertelkapitalist“ oder ein „Dreiviertelkapitalist“ sein, je nachdem wie
viel Früchte fremder Arbeit er sich neben seiner eigenen Tätigkeit noch
aneignet. Durch neue
Technologien und in neuen Branchen, wie z. B. der Computerbranche, können
solche selbst arbeitenden Produktions-mittelbesitzer durch die
„Reproduktion des Handwerks auf Grundlage der Maschinerie“ (K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 484, Anm. 247)
immer wieder neu entstehen. „Sofern eine einzelne
Arbeitsmaschine an die Stelle der Kooperation oder der Manufaktur tritt,
kann sie selbst wieder zur Grundlage handwerksmäßigen Betriebs
werden.“
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 484.
Solche Arbeitsmaschinen, die die Kooperation vieler Arbeiter
ersetzten, waren historisch die Nähmaschine, der Elektromotor und jüngst
der Computer. Einige dieser „modernen Handwerker auf maschineller
Grundlage“ schaffen es, zum erfolgreichen Kapitalisten aufzusteigen wie
beispielsweise ein Bill Gates, andere werden proletarisiert. Sie verlieren
ihr Betriebseigentum und werden in Lohnarbeiter
verwandelt. Die traditionelle Mittelklasse umfasst in Deutschland nur noch rund 7 % der Erwerbsbevölkerung.
2. Neue
Mittelklasse - 2.1. Öffentliche
Dienerklasse, Staatsdiener Im ersten Band des
„Kapitals“ rechnete Karl Marx „Regierung, Pfaffen, Juristen, Militär usw.“
ausdrücklich aus der produktiven Lohnarbeiterklasse heraus.
(Vgl.
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 469.) Zu Marx’ Zeiten wurden
die Staatsdiener noch hauptsächlich durch Besteuerung der Reichen bezahlt.
Dass heute die Lohnarbeiter die Staatsmacht durch Lohn- und
Verbrauchssteuern weitgehend mit-finanzieren, ist nur ein doppeltes
Ärgernis und bewirkt keineswegs, dass Legislative und Exekutive, dass
Parlamentarier, Richter, Polizisten, Militärs oder Professoren auf Seiten
der Lohnarbeiter stehen. Die Erhaltung und der Ausbau des Staatsapparates
fügt der „direkten ökonomischen Ausbeutung eine zweite Ausbeutung des
Volkes hinzu“. (K. Marx,
Bürgerkrieg in Frankreich. MEW 17, 540.)
Dabei werden die
„Gebildeten der Massen“ gerne „in die unteren Stellen der Hierarchie“
aufgenommen. (K.
Marx, Bürgerkrieg in Frankreich. MEW 17, 544.)
„Je
mehr eine herrschende Klasse fähig ist, die bedeutendsten Männer der
beherrschten Klassen in sich aufzunehmen, desto solider und gefährlicher
ist ihre Herrschaft.“ K.
Marx, Kapital III, MEW 25, 614. Willy Brandt kam daher zu dem Schluss, dass der
Berufsverboterlass, mit dem alle Anhänger des Kommunismus aus dem
öffentlichen Dienst entfernt werden sollten, sein größter politischer
Fehler war. Die höheren
Stellen des Staates sind in der Regel den Bourgeoiskindern und
Kapitalistenklientel vorbehalten.
„Hier
bringt die Bourgeoisie
ihre
überschüssige Bevölkerung unter und ergänzt in der Form von
Staatsgehalten, was sie nicht in der Form von Profiten, Zinsen, Renten und
Honoraren einstecken kann.“ K.
Marx, 18. Brumaire,
MEW
8, 151.
So bezahlte ein sächsischer Ministerpräsident seine privaten Bediensteten aus dem Steuersäckel. Auch die Flugbereitschaft, persönliche Wachdienste, kostenlose Bahntickets, großzügige Renten, Übergangsgelder etc. für Staatsbeamte und Politiker gehören in diese Kategorie.
2.2. Private
Dienerklasse Hauspersonal, Chauffeure, Gärtner, Geliebte, Masseure, kurz
alle Angestellten, die durch ihre bezahlten Dienste den Reichen das Leben
verschönern, sind die private „Bedientenklasse, die direkten Lohnarbeiter
der müßigen Kapitalisten“. (K.
Marx, Kapital II, MEW 24, 481.) Diese Privatdiener
sind der von dem Mehrprodukt lebende „Teil der dienenden Klasse, der nicht von
Kapital, sondern von Revenue (= Mittel zum Privatkonsum) lebt“.
(K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 305 Anm.)
Es besteht ein
„wesentlicher Unter-schied“ zwischen „dieser dienenden und der arbeitenden Klasse.“ (K.
Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 305
Anm.) Unproduktive Arbeit ist Arbeit, die vom geschaffenen
Reichtum zehrt. „... Unproduktive Arbeit
... ist Arbeit, die sich nicht gegen Kapital, sondern unmittelbar gegen
Revenue (= Mittel zum
Privatkonsum)
austauscht, also gegen Lohn oder Profit (natürlich auch gegen die
verschiedenen Rubriken, die als Teilhaber am Profit des Kapitalisten
partizipieren, wie Zins und Renten).“ K. Marx,
Theorien über produktive und unproduktive Arbeit I, MEW 26.1,
127. Gemeinsam mit allen
Lohnarbeitern haben diese unproduktiven und lohnabhängigen Dienstleister,
dass sie keine Produktions- und Existenzmittel besitzen und daher ihre
Arbeitskraft verkaufen müssen. Aber ihren Lohn zahlen die Kapitalisten
nicht als Vorschuss aus ihrem Kapital, um von ihnen ein vergrößertes
Produkt und daraus ein vermehrtes Kapital zu erhalten. Die Kapitalisten
und Grundbesitzer (und teilweise auch gutbezahlte Lohnarbeiter) bezahlen
diese Dienstleister aus ihrem privaten Konsumtionsfonds für private
Bedienung. Daher haben diese Bediensteten gemeinsame Interessen mit ihren
Herren: Je reicher der Herr, desto mehr fällt auch für den Bedienten ab.
Sie empfangen „für ihre Dienste einen Teil der Luxusausgabe der
Kapitalisten ... (diese Arbeiter selbst sind insgesamt Luxusartikel)“.
(K.
Marx, Kapital II, MEW 24, 409.) Karl Marx nahm an, dass die lohnabhängige private und
öffentliche Dienerklasse im Kapitalismus anwächst: „Endlich erlaubt die
außerordentlich erhöhte Produktivkraft in den Sphären der großen
Industrie, begleitet, wie sie ist, von intensiv und extensiv gesteigerter
Ausbeutung der Arbeitskraft in allen übrigen Produktionssphären, einen
stets größeren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv zu verwenden ...“ K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 469. Im
England von 1861 war die lohnabhängige Privatdienerklasse zahlenmäßig
größer als die produktive Arbeiterklasse. Heute macht ihr Anteil an der
Erwerbsbevölkerung in Deutschland nur noch rund 5 % aus, da der private
Luxus der Reichen nicht mehr wie früher in jedem Haushalt in Form von
Bediensteten vorrätig gehalten wird, sondern zunehmend als Ware bzw.
Dienstleistung gekauft wird: beim Schönheitschirurgen, im Luxusrestaurant,
beim privaten Flugdienst, im Luxushotel
usw. Die lohnabhängigen Staatsdiener (Beamten) machen im heutigen
Deutschland rund 7 % der Erwerbsbevölkerung
aus. Insgesamt umfassen die öffentlichen und privaten Bediensteten rund 12 % der Erwerbsbevölkerung.
Siehe auch die Artikel: |
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |