Macht

 

1. Die Macht der herrschenden Klassen ruht weniger auf Gewaltausübung als auf der stummen Macht ökonomischer Verhältnisse

Zum Tier, Boden, etc. kann im Grunde genommen kein Herrschafts-verhältnis stattfinden durch die Aneignung, obgleich das Tier dient. Die Aneignung fremden Willens ist Voraussetzung des Herrschaftsver-hältnisses. Das Willenlose also, wie Tier z. B. kann zwar dienen, aber es macht den Eigner nicht zum Herren. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 400.

 

Selbst in despotischen Staaten umfasst die Arbeit der Oberaufsicht und allseitigen Einmischung der Regierung beides ...: sowohl die Ver-richtung der gemeinsamen Geschäfte, die aus der Natur aller Gemein-wesen vergeht, wie die spezifischen Funktionen, die aus dem Gegensatz der Regierung zu der Volksmasse entspringen. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 397.

 

Dass die herrschenden Klassen im aufsteigenden Ast ihrer Entwicklung sehr bestimmte soziale Funktionen zu verrichten haben und gerade deswegen zu herrschenden werden, ist dem Herrn Professor Menger gänzlich unbekannt. ... Da kann es ihn denn nur wundern , wenn er ... findet, dass diese Klassen täglich mehr an Macht verlieren ... Dass diese Macht in der Ausübung sozialer Funktionen besteht und mit dem Untergang dieser Funktionen in der weiteren Entwicklung verschwindet, ist diesem großen Denker ein reines Rätsel. F. Engels, Juristen-Sozialismus, MEW 21, 498.

 

 

1.1. Die Macht der Feudalherren ruhte auf ihrem Grundbesitz

Die Macht des Feudalherrn, wie die jedes Souverän, beruhte nicht auf der Länge seiner Rentrolle (= persönliche Einkünfte), sondern auf der Zahl seiner Untertanen, und letztere hing von der Zahl selbst­wirt­schaftender Bauern ab. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 745.

Je größer ihr Grundbesitz, desto mehr Gefolgsleute waren ihnen dienstbar.

Der Gegensatz zwischen der auf persönlichen Knechtschafts- und Herrschaftsverhältnissen beruhenden Macht des Grundeigentums und der unpersönlichen Macht des Geldes ist klar gefasst in den zwei französischen Sprichwörtern: Kein Boden ohne Herr. Silber kennt keinen Herrn. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 161 Anm. 1.

 

 

1.2. Die Macht des Kapitalisten basiert auf der Größe seines Kapitals, das er befehligt sei es eigenes oder geliehenes

Das Kapital ist also die Regierungsgewalt über die (Lohn-)Arbeit und ihre Produkte. Der Kapitalist besitzt diese Gewalt, nicht seiner persönlichen oder menschlichen Eigenschaften wegen, sondern insofern er Eigentümer des Kapitals ist. K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 484.

 

Diese Macht asiatischer und ägyptischer Könige .... ist in der modernen Gesellschaft auf den Kapitalisten übergegangen, ob er nun als vereinzelter Kapitalist auftritt, oder, wie bei Aktiengesellschaften, als kombinierter Kapitalist. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 353.

 

Mit der Ausdehnung der Warenzirkulation wächst die Macht des Geldes, der .... absolut gesellschaftlichen Form des Reichtums. ... Das Geld ist aber selbst Ware, ein äußerlich Ding, das Privateigentum eines jeden werden kann. Die gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 145f.

 

... Die Alleinherrschaft des Fabrikregimes ... zerstört alle altertüm-lichen und Übergangsformen, wohinter sich die Herrschaft des Kapitals noch teilweise versteckt, und ersetzt sie durch seine direkte, unverhüllte Herrschaft. ...

Während sie in den individuellen Werkstätten Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und Ökonomie erzwingt, vermehrt sie durch den ungeheuren Sporn, den Schranke und Regel des Arbeitstags der Technik aufdrücken, die Anarchie und Katastrophen der kapitalistischen Produktion im großen und ganzen, die Intensität der Arbeit und die Konkurrenz der Maschinerie mit dem Arbeiter. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 526.

 

Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anfor-derungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 765.

 

Selbst wo ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fungieren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital. Es wird ihm Kredit gegeben als potenziellem Kapitalisten.

Und dieser Umstand ..., dass ein Mann ohne Vermögen, aber mit Energie, Solidität, Fähigkeit und Geschäftskenntnis sich in dieser Weise in einen Kapitalisten verwandeln kann ..., befestigt die Herrschaft des Kapitals selbst, erweitert ihre Basis und erlaubt ihr, sich mit stets neuen Kräften aus der gesellschaftlichen Unterlage zu rekrutieren. Ganz wie der Umstand, dass die katholische Kirche im Mittelalter ihre Hierarchie ohne Ansehen von Stand, Geburt, Vermögen aus den besten Köpfen im Volk bildete, ein Hauptbefestigungsmittel der Pfaffenherrschaft und der Unterdrückung der Laien war. Je mehr eine herrschende Klasse fähig ist, die bedeutendsten Männer der beherrschten Klassen in sich aufzu-nehmen, desto solider und gefährlicher ist ihre Herrschaft. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 614.

 

1.3. Wirtschaftsmacht wird durch Staatsmacht
ergänzt und gestützt

Die Feudalherren hatten die politische, juristische und militärische Gewalt persönlich ausgeübt. Die Kapitalisten benutzen zur Sicherung und Nutznießung ihrer ökonomischen Macht Freunde und Helfer - die Staatdiener.

Worin bestand die charakteristische Eigenschaft des bisherigen Staats? Die Gesellschaft hatte zur Besorgung ihrer gemeinsamen Interessen, ursprünglich durch einfache Arbeitsteilung, sich eigene Organe geschaffen. Aber diese Organe, deren Spitze die Staatsgewalt (war), hatten sich mit der Zeit, im Dienst ihrer eigenen Sonderinteressen, aus Dienern der Gesellschaft zu Herren über dieselbe verwandelt. Wie dies z. B. nicht bloß in der erblichen Monarchie, sondern ebenso gut in der demokratischen Republik zu sehen ist. F. Engels, Einleitung von 1891 zu K. Marx: Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 624.

 

Die zentralisierte Staatsmacht, mit ihren allgegenwärtigen Organen stehende Armee, Polizei, Bürokratie, Geistlichkeit, Richterstand, Organe, geschaffen nach dem Plan einer systematischen und hierarchischen Teilung der Arbeit stammt her aus den Zeiten der absoluten Monarchie. ... Während der nachfolgenden Herrschaftsformen wurde die Regierung unter parlamentarische Kontrolle gestellt, d. h. unter die direkte Kontrolle der besitzenden Klassen. Einerseits entwickelte sie sich jetzt zu einem Treibhaus für kolossale Staatsschulden und erdrückende Steuern und wurde vermöge der unwiderstehlichen Anziehungskraft ihrer Amtsgewalt, ihrer Einkünfte und ihrer Stellenvergebung der Zankapfel für die konkurrierenden Fraktionen und Abenteurer der herrschenden Klassen andererseits änderte sich ihr politischer Charakter gleichzeitig mit den ökonomischen Veränderungen der Gesellschaft. In dem Maß, wie der Fortschritt der modernen Industrie den Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit entwickelte, erweiterte, vertiefte, in demselben Maß erhielt die Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer öffentlichen Gewalt zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, einer Maschine der Klassenherrschaft. K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 336.

 

Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482.

 

 

2. Die Macht der unterdrückten Klassen besteht in ihrer Zahl und im gemeinsamen Handeln, das ihre Überzahl zur Wirkung bringt

Je besser die unterdrückten Klassen ihre Überzahl zur Wirkung bringen können, desto gewaltfreier können sie ihre Interessen zur Geltung bringen.

Es gibt in der Politik nur zwei entscheidende Mächte: die organisierte Staatsgewalt, die Armee, und die unorganisierte, elementare Gewalt der Volksmassen. F. Engels, Gewalt, MEW 21, 431.

 

Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 473.

 

Bemerkungen zur politischen Bewegung: Die politische Bewegung der Arbeiterklasse hat natürlich zum Endzweck die Eroberung der politischen Macht für sie, und dazu ist natürlich eine bis zu einem gewissen Punkt entwickelte vorherige Organisierung der Arbeiter-klasse nötig, die aus ihren ökonomischen Kämpfen selbst erwächst.

Andererseits ist aber jede Bewegung, worin die Arbeiterklasse als Klasse den herrschenden Klassen gegenübertritt und sie durch Druck von unten zu zwingen sucht, eine politische Bewegung. Z. B. der Versuch, in einer einzelnen Fabrik oder auch in einer einzelnen Branche durch Streiks usw. von den einzelnen Kapitalisten eine Beschränkung der Arbeitszeit zu erzwingen, ist eine rein ökonomische Bewegung; dagegen die Bewegung, einen Achtstundentag usw. durch Gesetz zu erzwingen, ist ein politische Bewegung.

Und in dieser Weise wächst überall aus den vereinzelten ökonomischen Bewegungen der Arbeiter eine politische Bewegung hervor, d. h. eine Bewegung der Klasse, um ihre Interessen durchzusetzen in allgemeiner Form, in einer Form, die allgemeine, gesellschaftlich zwingende Kraft besitzt.

Wenn diese Bewegungen eine gewisse vorherige Organisation unterstellen, sind sie ihrerseits ebenso sehr Mittel der Entwicklung dieser Organisation ... K. Marx, Brief an F. Bolte (1871), MEW 33, 332f.

 

Der Kommunismus unterscheidet sich von allen bisherigen Bewe-gungen dadurch, dass er die Grundlage aller bisherigen Produktions- und Verkehrsverhältnisse umwälzt und alle naturwüchsigen Voraussetzungen zum ersten Mal mit Bewusstsein als Geschöpfe der bisherigen Menschen behandelt, ihrer Naturwüchsigkeit entkleidet und der Macht der vereinigten Individuen unterwirft. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 70.

 

Überhaupt handelt es sich nicht um die Frage, ob das Proletariat, wenn es zur Macht gelangt, die Produktionsinstrumente, Rohstoffe und Lebensmittel einfach gewaltsam in Besitz nimmt, ob es sofort Entschädigung dafür zahlt oder das Eigentum daran durch langsame Ratenzahlungen ablöst. Eine solche Frage im voraus und für alle Fälle beantworten zu wollen, hieße Utopien fabrizieren und das überlasse ich anderen. F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 282.

 

Siehe auch die Artikel:

Friedlicher Übergang

Herrschaft

Kapital

Revolution

Staat

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.