Logik1. Dialektik steckt in jedem sinnvollen Satz, 1.1. Hegels Dialektik
steckt in jedem einfachen Aussagesatz Hegel:
„Jeder Satz besteht
aus einem Subjekt und Prädikat, sie sind verschieden, in der Vorstellung
meinen wir ihre Einheit.“ Beispielsatz:
Der Baum (Subjekt) ist
kahl (Prädikat). Logische Erklärung: Subjekt und Prädikat sind verschieden und bilden als Satz eine Einheit. Hegel: „Aber in der Tat der
einfache, sich selbst gleiche Satz ist Tautologie, gar nichts gesagt; und
wo etwas gesagt sein soll, sind es Verschiedene ...“ Beispielsätze: Der Baum ist der
Baum. Kahl ist kahl. Logische Erklärung: Wo Subjekt und Prädikat gleich sind, wird nichts gesagt. (Das Subjekt ist gleich dem Subjekt (S = S). Das Prädikat ist gleich dem Prädikat (P = P). Oder: A = A, B = B) Hegel: „... und, indem ihre
Verschiedenheit zum Bewusstsein kommt,
Widersprechende.“ Logische Erklärung: Das Subjekt A ist das Prädikat B. Also: A ist B. Also: A ist nicht A. Oder: Nicht B ist B. Hegel: „... Das gemeine
Bewusstsein ist aber dann am Ende; ... Es hat den Begriff nicht, dass nur
die Einheit Entgegengesetzter das Wahre ist ...“ G. W. F. Hegel,
Geschichte der Philosophie, Bd. I, Frankfurt 1986,
528. Logische
Erklärung: Die „Einheit des
Entgegengesetzten ist das Wahre“: Das ist die Grundformel der Hegel’schen
Dialektik, die „Identität des Widerspruchs“. Wie man sieht, steckt darin
nicht mehr Weisheit, als in jedem Aussagesatz steckt. Die Dialektik Hegels
ist aus der Alltagssprache gewonnen. 1.2. Hegels Dialektik
steckt in jedem Aussagesatz und Urteil Hegel: „Das Urteil ist eine
identische Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat; es wird dabei davon
abstrahiert, dass das Subjekt noch mehrere Bestimmungen hat als die des
Prädikats, sowie davon, dass das Prädikat weiter ist als das Subjekt.“
G. W. F.
Hegel, Wissenschaft von der Logik II, Frankfurt 1986,
37. Hegel: „Subjekt und Prädikat
im unmittelbaren Urteil berühren sich einander gleichsam nur an einem
Punkt, aber sie decken einander nicht.“ G. W. F. Hegel,
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, Frankfurt 1986,
324. Beispielsatz:
Der Baum ist
kahl. Logische
Erklärung: „Baum“ ist z. B. eine
Kiefer/jung/krank/steht einzeln etc. „kahl“ ist eine
Bestimmung für fehlende menschliche Kopfbehaarung, Tierbehaarung und für
Pflanzen-, Blätter- bzw. Nadelwuchs. „kahl“ ist nur eine von vielen
Eigenschaften dieses Baumes. Die hier gebrauchte Bedeutung von „kahl“ ist
nur eine von mehreren Verwendungsmöglichkeiten. Resümee: Das Subjekt ist verschieden vom Prädikat. A ist nicht gleich B. Hegel: „Im Urteil setzt die
Logik einen Begriff A als ein Wirkliches (Subjekt, Substrat) und verbindet
ein Anderes als Begriff B damit; ...“ G. W. F. Hegel,
Geschichte der Philosophie, Bd. II, Frankfurt 1986,
231. Beispielsatz: Der Baum ist
kahl. Logische Erklärung: „Der Baum“ ist ein bekanntes Subjekt (A) und wird mit einem neuen Prädikat (B) „kahl“ verbunden: A = B. Hegel: „Gewöhnlich denkt man
beim Urteil zuerst an die Selb-ständigkeit ... des Subjekts und Prädikats,
dass jenes ein Ding oder eine Bestimmung für sich und ebenso das Prädikat
eine allgemeine Bestimmung außer jenem Subjekt, etwa in meinem Kopfe sei,
– die dann von mir mit jener zusammengebracht, und hiermit geurteilt werde
...“ Logische Erklärung: Ein bekanntes Subjekt A („Baum“) wird mit einer vom Sprecher gedachten (neuen) Bestimmung, dem Prädikat B („kahl“), im Satz verbunden. Der Satz ist also ein subjektives Urteil von jemandem. Hegel: „... Indem jedoch die
Kopula ,ist‘ das Prädikat vom Subjekt aussagt, wird jenes äußerliche,
subjektive Subsumieren wieder aufgehoben und das Urteil als eine
Bestimmung des Gegenstandes selbst genommen.“ G. W. F. Hegel,
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, Frankfurt 1986,
316. Erklärung: Es wird ebenso auch etwas von dem Subjekt ausgesagt. Derselbe Satz ist also gleichzeitig auch ein (objektives) Urteil von/über etwas. So
wie ein gewöhnlicher Mensch spricht, und der Germanist feststellt, dass
dabei Prosa produziert wird, so bilden wir Aussagesätze oder Urteilssätze,
in denen der Philosoph dann die „Einheit des Entgegengesetzten“
entdeckt – oder dass ein subjektives Urteil von jemandem gleichzeitig ein
ganz anderes Ding sei, nämlich ein objektives Urteil über eine
Sache. Worüber sollen wir uns also wundern? Über das ganz
gewöhnliche Sprechen und Denken oder über die fremdartige Ausdrucksweise
der Philosophen? 2. Logik ist „das Geld
des Geistes“ 2.1. Logische Regeln
wurden aus der empirischen Beobachtung des allgemeinen Denkens gewonnen –
wie grammatische Regeln aus der empirischen Beobachtung der
Sprachbenutzung Ich gehe hier nur auf die beiden Logiken von Aristoteles und
Hegel ein, weil es vor Hegel außer der Logik des Aristoteles
„sonst keine gegeben
hat ...; seit Aristoteles’ Zeiten hat die Logik keine Fortschritte
gemacht.“ G. W .F. Hegel,
Geschichte der Philosophie, Bd. II, Frankfurt 1986,
229. Über die Logik des
Aristoteles sagte Hegel: „Das Denken in seiner
... Anwendung hat Aristoteles aufgefasst und ... dargestellt. Er hat sich
wie ein Naturbeschreiber verhalten ... es ist Naturgeschichte des ...
Denkens.“ G. W. F. Hegel,
Geschichte der Philosophie, Bd. II, Frankfurt 1986, 229. Und
weiter: „Es ist ein
unsterbliches Verdienst des Aristoteles, ... diese Formen erkannt und
bestimmt zu haben, die das Denken in uns (Hervorhebung vom
Bearbeitet) nimmt ..: jene Formen sind darin
versenkt; ... (sie) zu fixieren,
zum Bewusstsein zu bringen, ist ein Meisterstück von Empirie ...“
G. W. F.
Hegel, Geschichte der Philosophie, Bd. II, Frankfurt 1986,
237. Was Hegel von der Logik des Aristoteles feststellte,
nämlich, dass sie aus der Beobachtung des Alltagsdenkens gewonnen wurde,
sagte Karl Marx auch über Hegels Logik: Hegel „glaubt, die Welt
mittelst der Bewegung des Gedankens konstruieren zu können, während er nur
die Gedanken, die in jedermanns Kopf sind, systematisch rekonstruiert und
... klassifiziert“. K. Marx, Elend der
Philosophie, MEW 4, 130. 2.2. Richtiges Denken
wie richtiges Sprechen kommt aus Beobachtung
und Übung Wie wir nicht Grammatik studieren müssen, um richtiges
Deutsch zu sprechen, so brauchen wir nicht Logik studieren, um richtig
denken zu können. Hegel nannte die
Logik, die in unserem Denken ist, „natürliche
Logik“: „Die ... Tätigkeit des Denkens ist ... bewusstlos geschäftig
(die natürliche Logik); ...“ G. W. F. Hegel,
Wissenschaft der Logik I, Frankfurt 1969, 26. Jeder „gemeine Verstand“
ist in seinem Denken besser als die Philosophen und andere Schlauköpfe von
ihm denken. Jeder Alltagskopf hat Logik und Dialektik längst in sich,
bevor sie von einem Philosophenkopf entdeckt und zu einer Logiklehre
kristallisiert werden können. Nicht nur hat jeder von uns Logik und Dialektik längst in
sich, wir denken (und handeln) dort am besten, wo wir uns um logische
Regeln nicht scheren. Der Logikentdecker
Aristoteles hat sich dort, wo er am besten denkt – wie Hegel feststellt –
überhaupt nicht an die Regeln seiner eigenen Logik gehalten:
„Aristoteles ist ...
der Urheber der verständigen, gewöhnlichen Logik ...; Aber zu bemerken
ist, dass ... es nicht diese Formen des Schlusses sind, nach denen
Aristoteles verfährt. Wenn Aristoteles so verführe, so würde er nicht
dieser ... Philosoph sein, als den wir ihn erkannt haben; keiner seiner
Sätze, seiner Ideen könnte aufgestellt, behauptet werden, könnte gelten,
wenn er sich an die Formen der gewöhnlichen Logik hielte. Man muss ja
nicht glauben, dass Aristoteles ... nach dieser seiner Logik ... gedacht,
fortgeschritten, bewiesen hätte ...“ G. W. F. Hegel,
Geschichte der Philosophie, Bd. II,
Frankfurt
1986, 241. Hegel stellte nicht
nur bei Aristoteles fest, dass der zu seinem Vorteil die (traditionellen)
logischen Regeln missachtete, sondern bemerkte auch, dass das der
Normalfall ist bei allen Menschen:
„Der gemeine Verstand
lässt ein andermal auch ... das Gegenteil gelten und behauptet es selbst;
oder weiß auch nicht, dass er unmittelbar das Gegenteil von dem sagt, was
er meint, sein Ausdruck nur ein Ausdruck des Widerspruchs ist. In seinen
Handlungen überhaupt ... bricht er diese seine Maximen, seine Grundsätze;
und wenn er ein vernünftiges Leben führt, so ist es eigentlich nur eine
beständige Inkonsequenz ... Wer, wo es sei, nach einer Maxime handelt,
heißt ein Pedant und verdirbt sich und anderen die Sache ... Der gemeine
Verstand ist in seinem Handeln also besser, als er denkt .... im Handeln
widerlegt er selbst die Borniertheit seines Verstandes.“ G. W. F. Hegel,
Geschichte der Philosophie, Bd. I, Frankfurt 1986,
407f. „Was aber die
souveräne Geltung der Erkenntnisse jedes Einzeldenkers angeht, so wissen
wir alle, dass davon gar keine Rede sein kann, und dass nach aller
bisherigen Erfahrung sie ohne Ausnahme stets viel mehr
Verbesserungsfähiges als ... Richtiges enthalten. Mit anderen Worten: die Souveränität des Denkens verwirklicht sich in einer Reihe höchst unsouverän denkender Menschen; die Erkenntnis, welche unbedingten Anspruch auf Wahrheit hat, in einer Reihe von relativen Irrtümern; ...“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 80. Wozu dann aber überhaupt Logik? Hegel selbst gibt darauf die
Antwort: „Dass man durch die
Logik denken lerne, was sonst für ihren Nutzen und damit für den Zweck
derselben galt – gleichsam als ob man durch das Studium der Anatomie und
Physiologie erst verdauen und sich bewegen lernen soll – dies Vorurteil
hat sich längst verloren ...“ G. W. F. Hegel,
Wissenschaft der Logik I, Frankfurt 1969, 14. 3. Wirkliche
Kenntnisse stammen nicht aus einer dialektischen Logik, sondern aus der
Erfahrung (Praxis) und ihrer wissenschaftlichen
Verarbeitung Die philosophischen
Kategorien „sind daher die
allgemeinen, abstrakten, jedem Inhalt angehörigen, darum auch sowohl gegen
allen Inhalt gleichgültigen ... Abstraktionsformen, die Denkformen, die
logischen Kategorien, losgerissen vom wirklichen Geist und von der
wirklichen Natur“. K. Marx, Kritik der
Hegelschen Dialektik, MEW 40, 585. „Die Logik
ist das Geld des Geistes, ist der ...
Gedankenwert des Menschen und der Natur, ist ihr gegen alle
wirkliche Bestimmtheit vollständig gleichgültig gewordenes und darum
unwirkliches Wesen, ist das ... von der Natur und dem wirklichen
Menschen abstrahierende Denken; ...“ K. Marx, Kritik der
Hegelschen Dialektik, MEW 40, 571. „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht, ... beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit (= Wahrheit) oder Nichtwirklichkeit (= Unwahrheit) des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine rein scholastische Frage.“ K. Marx, Thesen über Feuerbach, MEW 3, 5. Siehe auch die Artikel:
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Zur Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |