Kolonialismus
Eine Kolonie ist ein politisch und wirtschaftlich abhängiges
Gebiet, von dem wirtschaftliche Konkurrenten möglichst ausgeschlossen
werden. Ökonomisch gesehen ist eine Kolonie ein regionales
Wirtschaftsmonopol. 1. Antike Kolonien
waren relativ autonome Pflanzstädte Die ausgesandten
Kolonien der Alten z. B. waren Resultate der Überbevölkerung der
Muttergemeinde; d. h. sie konnten auf der materiellen Eigentumsbasis,
i. e. den Produktionsbedingungen nicht fortfahren in demselben Raum zu
leben. ... Die Kolonisten waren indes weit entfernt davon
Arme zu sein. ... Die Bedingungen des
Gemeinwesens waren nur vereinbar mit bestimmter
Bevölkerungszahl. ... Überbevölkerung und Bevölkerung zusammen-genommen sind die Bevölkerung, die eine bestimmte Produktionsbasis erzeugen kann. Wie weit sie über ihre Schranke hinaussetzt, ist durch die Schranke selbst gegeben oder vielmehr durch denselben Grund, der die Schranke setzt. K. Marx, Grundrisse
der Kritik der politischen Ökonomie, 498f.
2. Die Errichtung von
Kolonien, war ein gewaltsames Mittel, um die Welt einem noch schwachen
Kapitalismus zu unterwerfen Solche Monopole waren nicht Ausdruck wirtschaftlicher
Stärke, sondern Ausdruck eines unentwickelten, frühen Kapitalismus.
Kolonien waren bedeutungsvoll vor allem für die Kinderperiode der großen
Industrie. Durch das Kolonialsystem (gleichzeitig mit dem Schutzzollsystem) sucht das industrielle Kapital in seinen ersten Entwicklungsperioden, sich gewaltsam einen Markt und Märkte zu sichern. K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 462. Den aufschießenden
Manufakturen sicherte die Kolonie Absatzmarkt und eine durch das
Marktmonopol potenzierte Akkumulation. Der außerhalb Europa
direkt durch Plünderung, Versklavung und Raubmord erbeutete Schatz floss
ins Mutterland zurück und verwandelte sich hier in Kapital. Holland,
welches das Kolonialsystem zuerst völlig entwickelte, stand schon 1648 im
Brennpunkt seiner Handelsgröße. Es war in fast ausschließlichem Besitz
des ostindischen Handels und des Verkehrs zwischen dem europäischen
Südwesten und Nordosten. Seine Fischereien, Seewesen, Manufakturen
übertrafen die eines jeden anderen Landes. Die Kapitalien der Republik
waren vielleicht bedeu-tender als die des übrigen Europa
insgesamt.... Heutzutage führt
industrielle Vorherrschaft die Vorherrschaft über den Handel
mit sich. In der eigentlichen Manufakturperiode dagegen ist es die
Handelsvormacht, die die industrielle Vorherrschaft gibt. Daher die
vorwiegende Rolle, die das Kolonialsystem damals spielte.
... Das System der öffentlichen Kredits, d. h. der Staatsschulden, dessen Ursprünge wir in Genua und Venedig schon im Mittelalter entdecken, nahm Besitz von ganz Europa während der Manufakturperiode. Das Kolonialsystem mit seinem Seehandel und seinen Handelskriegen diente ihm als Treibhaus. So setzte es sich zuerst in Holland fest. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 781f. Die
Entdeckung der Gold- und Silberländer in (Süd- und Mittel-)Amerika,
die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen
Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Aus-plünderung
von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd
auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen
Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der
ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuß folgt der Handelskrieg der
europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er wird eröffnet
durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt Riesenumfang an in
Englands Antijakobinerkrieg, spielt noch fort in den Opiumkriegen
gegen China usw. Die verschiedenen Momente der ursprünglichen Akkumulation
verteilen sich nun, mehr oder minder in zeitlicher Reihenfolge, namentlich
auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und England.
... Alle aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozess der feudalen in die kapitalistische Produk-tionsweise treibhausmäßig zu fördern und die Übergänge abzukürzen. Die Staats-Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine ökonomische Potenz. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 779. Das
Schutzzollsystem war ein Kunstmittel, Fabrikanten zu fabrizieren,
unabhängige Produzenten zu enteignen, die nationalen Produktions-
und Lebensmittel zu kapitalisieren, den Übergang aus der altertümlichen in
die moderne Produktionsweise gewaltsam abzukürzen. Die europäischen
Staaten rissen sich um das Patent dieser Erfindung, und einmal in den
Dienst der Plusmacher eingetreten, brandschatzten sie zu jenem Zweck nicht
nur das eigene Volk, indirekt durch Schutzzölle, direkt durch
Exportprämien usw. In den abhängigen Kolonien wurde alle Industrie
gewaltsam ausgerodet, wie z. B. die irische Wollmanufaktur durch England.
... Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Schutzzoll, Handels-kriege usw., diese Sprösslinge der eigentlichen Manufakturperiode, schwellen riesenhaft während der Kinderperiode der großen Industrie. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 784f. Die Bourgeoisie hat durch die Ausbeutung des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder globalisiert. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimazonen zu ihrer Befriedigung nötig machen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein all-seitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen von-einander. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 466. Es
unterliegt keinem Zweifel ..., dass im 16. und 17. Jahrhundert die großen
Revolutionen, die mit den geographischen Entdeckungen im Handel vorgingen
und die Entwicklung des Kaufmannskapitals rasch steigerten, ein
Hauptmoment bilden in der Förderung des Übergangs der feudalen
Produktionsweise in die kapitalistische. Die
plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die Vervielfältigung der
umlaufenden Waren, der Wetteifer unter den europäischen Nationen,
sich der asiatischen Produkte und der amerikanischen Schätze zu
bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen wesentlich bei zur Sprengung der
feudalen Schranken der Produktion. Indes
entwickelte sich die moderne Produktionsweise, in ihrer ersten Periode,
der Manufakturperiode, nur da, wo die Bedingungen dafür sich innerhalb des
Mittelalters erzeugt hatten. Man vergleiche z. B. Holland mit
Portugal. Und wenn im 16. und zum Teil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten und den Aufschwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffenen kapitalistischen Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Produktionsweise. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 345. Andererseits,
die ... innere Notwendigkeit
der kapitalistischen
Produktionsweise, auf stets größerer Stufenleiter zu produzieren,
treibt zur beständigen Ausdehnung des Weltmarkts, so dass der Handel hier
nicht die Industrie, sondern die Industrie beständig den Handel
revolutioniert. Auch die Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das
größere oder geringere Vorwiegen der Bedingungen der großen
Industrie. Man vergleiche z. B. England und
Holland. Die
Geschichte des Untergangs Hollands als herrschender Handels-nation ist die
Geschichte der Unterordnung des Handelskapitals unter das industrielle
Kapital. K. Marx, Kapital III,
MEW 25, 345f. 3. Die
Kolonialgrenzen standen als künstliche Monopole Die Kolonien als Monopole einzelner Länder mussten der mehr
oder minder ungehinderten Konkurrenz auf dem Weltmarkt
weichen. Die Herrschaft des
Kapitals ist die Voraussetzung der freien
Konkurrenz... Solange das Kapital schwach ist, sucht es selbst noch nach den Krücken vergangener oder mit seinem Erscheinen vergehender Produktions-weisen. Sobald es sich stark fühlt, wirft es die Krücken weg und bewegt sich seinen eigenen Gesetzen gemäß. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 544. Wenn ein
industrielles, auf der Grundlage des Kapitals produzierendes Volk, wie
England z. B. mit Chinesen austauscht, und den Wert in der Form von Geld
und Ware aus ihrem Produktionsprozess absorbiert ... so sieht man gleich,
dass deswegen die Chinesen selbst nicht als Kapitalisten zu produzieren
brauchen. ... In Bezug auf auswärtige Märkte erzwingt das Kapital diese Propaganda seiner Produktionsweise durch die internationale Konkurrenz. Die Konkurrenz ist überhaupt die Weise, worin das Kapital seine Produktionsweise durchsetzt. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 617. Die Tendenz den Weltmarkt zu schaffen ist unmittelbar im Begriff des Kapitals selbst gegeben. Jede Grenze erscheint als zu überwindende Schranke. Zunächst jedes Moment der Produktion selbst dem Austausch zu unterwerfen und das Produzieren von unmittelbaren, nicht in den Austausch eingehenden Gebrauchswerten aufzuheben, d. h. eben auf dem Kapital basierte Produktion an die Stelle früherer, von seinem Standpunkt aus naturwüchsiger Produktionsweisen zu setzen. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 311. Die Konkurrenz ... (erscheint) historisch als Auflösung von Zunftzwang, Regierungsmaßregelung, inneren Zöllen und dergleichen innerhalb eines Landes ..., auf dem Weltmarkt als Aufhebung von Absperrung, Schutz-zoll, oder Protektion kurz sie (erscheint) historisch ... als Negation der dem Kapital vorhergehenden Produktionsstufen eigentümlichen Grenzen und Schranken; ... K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 542. Die Phänomene, die wir in diesem Kapitel untersuchen, setzen zu ihrer vollen Entwicklung das Kreditwesen und die Konkurrenz auf dem Weltmarkt voraus, der überhaupt die Basis und die Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise bildet. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 120. Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommuni-kationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die billigen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d. h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 466.
Über die Rolle der Briten in ihrer indischen Kolonie schrieb Karl Marx:
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |