Handwerk

 

Die Arbeit der selbständigen Handwerker und kleinen Bauern ist durch Folgendes gekennzeichnet:

- dass sie individuell mit nur gering entwickelter Kooperation (Arbeitsteilung)verrichtet wird;

- dass sie eine selbstbestimmte Arbeit ist, die Planung und Ausführung, also Kopf- und Handarbeit in einer Person vereint;

- dass sie mit eigenen Produktionsmitteln verrichtet wird. Das Produkt ihrer Arbeit gehört den Produzenten und wird auf ihre Rechnung als Ware verkauft.

„Jeder Handwerker musste in einem ganzen Kreise von Arbeiten bewandert sein, musste Alles machen können, was mit seinen Werkzeugen zu machen war; der beschränkte Verkehr und die geringe Verbindung der einzelnen Städte unter sich, der Mangel an Bevölkerung und die Beschränktheit der Bedürfnisse ließen keine weitere Teilung der Arbeit aufkommen ... Daher findet sich bei den mittelalterlichen Handwerkern noch ein Interesse an ihrer speziellen Arbeit und an der Geschicklichkeit darin, das sich bis zu einem bornierten Kunstsinn steigern konnte. Daher ging aber auch jeder mittelalterliche Handwerker ganz in seiner Arbeit auf, hatte ein gemütliches Knechtschaftsverhältnis zu ihr und war viel mehr als der moderne Arbeiter, dem seine Arbeit gleichgültig ist, in sie eingebunden.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 52.

„Soweit der Arbeitsprozess ein rein individueller ist, vereinigt derselbe Arbeiter alle Funktionen, die sich später trennen. In der individuellen Aneignung von Naturgegenständen zu seinen Lebenszwecken kontrolliert er sich selbst. Später wird er kontrolliert.

Der einzelne Mensch kann nicht auf die Natur wirken ohne Betätigung seiner eigenen Muskeln unter Kontrolle seines eigenen Hirns. Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.

„... Die Verrichtung der Arbeit in der Manufaktur bleibt handwerks-mäßig und daher abhängig von Kraft, Geschick, Schnelle, Sicherheit des Einzelarbeiters in Handhabung seines Instruments. Das Handwerk bleibt die Basis. Diese enge technische Basis schließt wirklich wissen-schaftliche Analyse des Produktionsprozesses aus, da jeder Teilprozess, den das Produkt durchmacht, als handwerksmäßige Teilarbeit ausführbar sein muss.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 358.

„Bei dem Handwerksbetrieb handelt es sich um die Qualität des Produkts; um das besondere Geschick des einzelnen Arbeiters, und der Meister sollte es als Meister ... zur Meisterschaft in diesem Geschick gebracht ... haben. Seine Stellung als Meister beruht nicht nur auf seinem Besitz der Produktionsbedingungen, sondern auf seinem Geschick in der besonderen Arbeit.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 481.

„Dass der selbständige Handwerker oder Bauer aber das ganze Produkt seiner eigenen Arbeit sich selbst aneignen kann und es nicht von einem Dritten ... angeeignet wird, ... verdankt er nicht seiner Arbeit – die ihn nicht von anderen Arbeitern unterscheidet –, sondern dem Besitz ihrer Produktionsmittel.

Es ist also nur durch Eigentum an den letzteren, dass er sich seiner eigenen Mehrarbeit bemächtigt ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 384.

 

1. In der Frühzeit waren Landwirtschaft und Handwerk vereint

Der Bauer war gleichzeitig Handwerker, bzw. der Handwerker besaß auch ein Feld.

„Ursprünglich sind Ackerbauarbeit und handwerkliche Arbeit nicht getrennt; die zweite schließt sich an die erste an. Die Mehrarbeit und das Mehrprodukt des ackerbauenden Stammes, der Hausgemeinde oder Familie umfasst sowohl landwirtschaftliche wie handwerkliche Arbeit. Beide gehen Hand in Hand. Jagd, Fischerei, Ackerbau sind unmöglich ohne entsprechende Instrumente. Weben, Spinnen etc. werden zuerst betrieben als landwirtschaftliche Nebenarbeiten.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 645.

 

2. Mit der arbeitsteiligen Trennung des Handwerks vom Landbau entstanden die ersten Städte

„Die Grundlage aller entwickelten und durch Warenaustausch vermittelten Tei­lung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land. Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Ge­gensat­zes resümiert, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 373.

„Bei dem städtischen Handwerk, obgleich es wesentlich auf Austausch beruht und der Schöpfung von Tauschwerten, ist der unmittelbare, der Hauptzweck dieser Produktion Subsistenz als Handwerker, als Handwerksmeister, also Gebrauchswert; nicht Bereicherung, nicht Tauschwert als Tauschwert. Die Produktion ist daher überall einer vorausgesetzten Konsumtion, die Zufuhr der Nachfrage untergeordnet und erweitert sich nur langsam.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 411f.

 

 

3. Auf handwerklicher Grundlage entwickelte sich Wohlstand mit der Entwicklung und Ausdehnung des Handwerks

Erst die kapitalistische Entwicklung ruinierte die selbständigen Handwerker durch preiswertere Manufaktur- und Fabrikwaren, schuf aber gleichzeitig die Grundlage für ein wissenschaftliches Verständnis des Produktionsprozesses. Die lebenslange Fesselung eines Arbeiters an ein Detailgeschick fällt weg. An die Stelle individueller Arbeit tritt Kooperation vieler Lohnarbeiter.

„Und der Handwerker oder Bauer, der mit seinen eigenen Produktionsmitteln produziert, wird sich entweder nach und nach in einen kleinen Kapitalisten verwandeln, der auch fremde Arbeit ausbeutet, oder er wird seiner Produktionsmittel verlustig gehen (dies mag zunächst geschehen, obgleich er ihr nomineller Eigentümer bleibt, wie beim Hypothekenwesen) und in einen Lohnarbeiter verwandelt werden.

Dies ist die Tendenz in der Gesellschaftsform, worin die kapitalistische Produktionsweise vorherrscht.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 384.

Die fortschreitende industrielle Entwicklung (hat) ... die Einzelarbeit in allen großen Industriezweigen längst vernichtet ... und (vernichtet) sie in den kleineren und kleinsten Zweigen täglich mehr ...; die industrielle Entwicklung setzt an ihre Stelle die gesellschaftliche Arbeit ..., unterstützt von Maschinen und dienstbar gemachten Naturkräften, deren fertiges, sofort austauschbares oder verbrauchbares Produkt das gemeinsame Werk vieler Einzelner ist ...“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 220.

„Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Produkt des indi­viduellen Produzenten in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Gesamtarbeiters, d. h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeits-gegenstandes näher oder ferner stehen.K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.

 

4. Wo die Kooperation vieler durch Technik ersetzt werden kann, entsteht neues, modernes Handwerk

„Sofern eine einzelne Arbeitsmaschine an die Stelle der Kooperation oder der Manufaktur tritt, kann sie selbst wieder zur Grundlage handwerksmäßigen Be­triebs werden. ... Sporadisch und ebenfalls nur vorübergehend kann kleiner Be­trieb sich verbinden mit mechanischer Triebkraft durch Miete des Dampfs, wie in einigen Manufakturen Birminghams, durch Gebrauch kleiner Wärmekraft-Ma­schinen, wie in gewissen Zweigen der Weberei usw.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 484.

„In den Vereinigten Staaten ist derartiges Wiedererstehen des Hand­werks auf Grundlage der Maschinerie häufig. Die Konzentration, bei dem unver­meidlichen Übergang in den Fabrikbetrieb, wird eben deswegen, im Vergleich zu Europa und selbst zu England dort mit Siebenmeilenstiefeln marschieren.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 484 Anm. 247.

Mit Erfindung der Elektrizität und des Elektromotors wurde diese Entwicklung einer Wiedererstehung kleiner handwerklicher Betriebe auf maschineller Grundlage um die letzte Jahrhundertwende wiederholt. Im letzten Jahrzehnt er­lebten wir eine ähnliche Wiederbelebung für die Einzelwirtschaft und für Kleinbetriebe auf der Basis der Computertechnologie.

„Wo die Natur des Prozesses nicht von vornherein Produktion auf großer Stufen­leiter erforderte, durchliefen in der Regel die in den letzten Jahrzehnten neu auf­kommenden Industrien ... erst den Handwerksbetrieb und dann den Manufakturbetrieb als kurzlebige Übergangs­phasen zum Fabrikbetrieb.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 484.

Die statistische Summe der Selbständigen von ca. 10 % aller Erwerbstätigen in Deutschland (2001) enthält rund

- 10 % Kapitalisten, die von fremder Arbeit leben (können) (= ca. 1 % aller Erwerbstätigen);

- 40 % selbständige Gewerbetreibende und Kleinkapitalisten, die teils selbst produktiv arbeiten, teils fremde Arbeitskraft ausbeuten (= ca. 3,5 % aller Erwerbstätigen);

- zu 50 % die Einzelarbeiter, die nur sich selbst ausbeuten (= 4,5 % aller Erwerbstätigen).

Siehe auch die Artikel:

Produktive und unproduktive Arbeit

Ausbeutung

Kooperation

Selbständige

Ware

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.