Gerechtigkeit 1.
Was gerecht ist und was ungerecht ist, wird durch die ökonomischen und
gesellschaftlichen Verhältnisse definiert „Behaupten die Bourgeois nicht, dass die heutige Verteilung des Eigentums ,gerecht‘ ist? Und ist sie in der Tat nicht die einzige ,gerechte‘ Verteilung auf Grundlage der heutigen Produktions-weise? Werden die ökonomischen Verhältnisse durch Rechtsbe-griffe geregelt, oder entspringen nicht umgekehrt die Rechtsverhältnisse aus den ökonomischen?“ K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 19. „Der französische Sozialist Proudhon schöpft erst sein Ideal der ewigen Gerechtigkeit aus den der Warenproduktion entsprechenden Rechts-verhältnissen, wodurch, nebenbei bemerkt, auch der für alle Spießbürger so tröstliche Beweis geliefert wird, dass die Form der Warenproduktion ebenso notwendig ist wie die Gerechtigkeit. Dann umgekehrt will er die wirkliche Warenproduktion und das ihr entsprechende wirkliche Recht diesem Ideal gemäß ummodeln. Was würde man von einem Chemiker denken, der, statt die wirklichen Gesetze des Stoffwechsels zu studieren und auf Grundlage derselben bestimmte Aufgaben zu lösen. den Stoffwechsel durch die ,ewigen Ideen‘ der ,Natürlichkeit und der Verwandtschaft‘ ummodeln wollte? Weiß man etwa mehr über den Wucher, wenn man sagt, er widerspreche der ,ewigen Gerechtigkeit‘ und der ,ewigen Billigkeit‘ und der ,ewigen Gegenseitigkeit‘ und andern ,ewigen Wahrheiten‘, als die Kirchenväter wussten, wenn sie sagten, er widerspräche der ,ewigen Gnade‘, dem ,ewigen Glauben‘ und dem ,ewigen Willen Gottes‘?“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 99 Anm. 38. „Die Existenz des Produktenwertteils, den wir jetzt Mehrwert nennen, war festgestellt lange vor Marx; ebenso war mit größerer oder geringerer Klarheit ausgesprochen, wo-raus er besteht, nämlich aus dem Produkt der Arbeit, für welche der Aneigner keinen Gegenwert gezahlt hat. Weiter aber kam man nicht. Die einen – die klassischen bürgerlichen Ökonomen – untersuchten höchstens das Größenverhältnis, worin das Arbeits-produkt verteilt wird zwischen dem Arbeiter und dem Besitzer der Produktionsmittel. Die anderen – die Sozialisten – fanden diese Verteilung ungerecht und suchten nach utopistischen Mitteln, die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Beide blieben befangen in den ökonomischen Kategorien, wie sie sie vorgefunden hatten.“ F. Engels, Vorwort zum Kapital I, MEW 23, 22. „Die
Waren können nicht selbst zu Markte gehen und sich nicht selbst
austauschen. Wir müssen uns also nach ihren Hütern umsehn, den
Warenbesitzern. Die Waren sind Dinge und daher widerstandslos gegen den
Menschen. Wenn sie nicht willig, kann er Gewalt brauchen, in anderen
Worten, sie nehmen. Um diese Dinge als Waren aufeinander zu beziehen,
müssen die Warenhüter sich zueinander als Personen verhalten, deren Willen
in jenen Dingen haust, so dass der eine nur mit dem Willen des anderen,
also jeder nur vermittelst eines, beiden gemeinsamen Willensakts sich die
fremde Ware aneignet, indem er die eigene veräußert. Sie müssen sich daher
wechselseitig als Privateigentümer anerkennen. Dies Rechtsverhältnis,
dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist ein
Willensverhältnis, worin sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt.
Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das
ökonomische Verhältnis selbst gegeben. Die Personen existieren hier nur
füreinander als Repräsentanten von Ware und daher als Warenbesitzer. Wir
werden überhaupt im Fortgang der Entwicklung finden, dass die ökonomischen
Charaktermasken der Personen nur die Personifikationen der ökono-mischen
Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten.“
K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 99. 2.
Sobald sich Ausgebeutete und Unterdrückte zur Wehr
setzen, werden
„Recht und Gerechtigkeit“ zur Phrase „Die
Zivilisation und Gerechtigkeit der Bourgeoisordnung tritt hervor in ihrem
wahren, gewitterschwangern Licht, sobald die Sklaven in dieser Ordnung
sich gegen ihre Herren empören. Dann stellt sich diese Zivilisation und
Gerechtigkeit dar als unverhüllte Wildheit und gesetzlose Rache. Jede neue
Krisis im Klassenkampf zwischen dem An-eigner und dem Hervorbringer
des Reichtums bringt diese Tatsache greller zum Vorschein. Selbst die
Scheußlichkeiten der Bourgeois vom Juni 1848 verschwinden vor der
unsagbaren Niedertracht von 1871.“ K.
Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 356. 3.
Recht und Gesetz verschwinden mit den
Verhältnissen, auf
denen sie beruhen „,Aber‘,
wird man sagen, ‚religiöse, moralische, philosophische, politische,
rechtliche Ideen usw. modifizieren sich allerdings im Lauf der
geschichtlichen Entwicklung. Die Religion, die Moral, die Philosophie, die
Politik, das Recht erhielten sich stets in diesem Wechsel. Es gibt zudem
ewige Wahrheiten, wie Freiheit, Gerechtigkeit usw., die allen
gesellschaftlichen Zuständen gemeinsam sind. Der Kommunismus aber schafft
die ewigen Wahrheiten ab, er schafft die Religion ab, die Moral, statt sie
neu zu gestalten, er widerspricht also allen bisherigen geschichtlichen
Entwicklungen.‘ Worauf reduziert sich diese Anklage? Die Geschichte der ganzen bisherigen Gesellschaft bewegte sich in Klassengegensätzen, die in den verschiedensten Epochen verschieden gestaltet waren. Welche Form sie aber auch immer angenommen, die Aus-beutung des einen Teils der Gesellschaft durch den anderen ist eine allen vergangenen Jahrhunderten gemeinsame Tatsache. Kein Wunder daher, dass das gesellschaftliche Bewusstsein aller Jahrhunderte, aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit zum Trotz, in gewissen gemeinsamen Formen sich bewegt, in Bewusstseinsformen, die nur mit dem gänzlichen Verschwin-den des Klassengegensatzes sich vollständig auflösen.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 481. |
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |