Friedlicher Übergang zum Kommunismus1. Ein friedlicher
Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus ist möglich und
wünschenswert Wie wahrscheinlich ein
friedlicher Übergang ist, hängt vor allem von der demokratischen
Verfasstheit eines Landes ab. Je mehr Rechte das (lohnabhängige) Volk in
einem Land hat, desto eher ist ein friedlicher Übergang
möglich. Das Ziel ... ist die
Emanzipation der Arbeiterklasse und die darin enthaltene Umwälzung
(Umwandlung) der Gesellschaft. Friedlich kann eine
historische Entwicklung nur so lange bleiben, als ihr keine gewaltsamen
Hindernisse seitens der jedesmaligen gesellschaftlichen Machthaber in den
Weg treten. Gewinnt z. B. in England oder in den Vereinigten Staaten die
Arbeiterklasse die Majorität im Parlament oder Kongress, so könnte sie auf
gesetzlichem Weg die ihrer Entwicklung im Weg stehenden Gesetze und
Einrichtungen beseitigen, und zwar auch nur, soweit die gesellschaftliche
Entwicklung dies erfordere. Dennoch könnte die
friedliche Bewegung in eine gewaltsame umschlagen durch Auflehnung der
am alten Zustand Interessierten; werden sie (wie im Amerikanischen
Bürgerkrieg und in der Französischen Revolution) durch
Gewalt niedergeschlagen, so als Rebellen gegen die gesetzliche
Gewalt. K. Marx,
Reichstagsdebatte zum Sozialistengesetz, MEW 34,
498f. Man kann sich
vorstellen, die alte Gesellschaft könne friedlich in die neue
hineinwachsen in Ländern, wo die Volksvertretung alle Macht in sich
konzentriert, wo man verfassungsmäßig tun kann, was man will, sobald man
die Majorität des Volkes hinter sich hat: in demokratischen Republiken wie
Frankreich und Amerika, in Monarchien wie in England, ... wo diese
Dynastie gegen den Volkswillen ohnmächtig ist. F. Engels, Kritik des
SPD-Programms von 1891, MEW 22, 234. 2. Da Umstände und
Zeiten wechseln, kann nicht ein
einziger Übergangsweg überall und jederzeit richtig
sein Der Arbeiter muss
eines Tages die politische Gewalt ergreifen, um die neue Organisation der
Arbeit aufzubauen; er muss die alte Politik, die die alten Institutionen
aufrechterhält, umstürzen ... Aber wir haben nicht
behauptet, dass die Wege, um zu diesem Ziel zu gelangen, überall dieselben
seien. Wir wissen, dass man
die Institutionen, die Sitten und die Traditionen der verschiedenen Länder
berücksichtigen muss, und wir leugnen nicht, dass es Länder gibt,
wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutionen besser bekannt
wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf
friedlichem Weg zu ihrem Ziel gelangen können. Wenn das wahr ist, müssen
wir auch anerkennen, dass in den meisten Ländern des Kontinents der Hebel
unserer Revolutionen die Gewalt sein muss; die Gewalt ist es, an die man
eines Tages appellieren muss, um die Herrschaft der Arbeit zu errichten.
K. Marx,
Haager Kongress, MEW 18, 160. 2.1. Im England von
1870 stand das Parlament über der gesamten
Staatsmacht In England zum
Beispiel steht der Arbeiterklasse der Weg offen, wie sie ihre politische
Macht entwickeln will. Ein Aufstand wäre dort eine Dummheit, wo man durch
friedliche Agitation rascher und sicherer den Zweck erreicht.
K. Marx,
Interview vom 3. Juli 1871, MEW 17, 641. 2.2. Frankreich nach
der blutigen Niederschlagung der Pariser Kommune In Frankreich scheint
die Vielzahl der Unterdrückungsgesetze und der tödliche Antagonismus
zwischen den Klassen eine gewaltsame Lösung der sozialen
Auseinandersetzungen notwendig zu machen. K. Marx, Interview vom
3. Juli 1871, MEW 17, 641. Später zählte
Friedrich Engels jedoch Frankreich wieder zu den demokratisch verfassten
Ländern, in den ein friedlicher Übergang möglich sei: in demokratischen
Republiken wie Frankreich und Amerika ... F. Engels, Kritik des
SPD-Programms von 1891, MEW 22, 234. 2.3. Russische
Revolution ein Ausnahmefall, kein Modell Flerowskis Buch über
Die Lage der Arbeiterklasse in Russland ist ein außergewöhnliches Buch.
Ich bin wirklich froh, dass ich es jetzt einigermaßen fließend mit Hilfe
des Wörterbuches lesen kann. Dies ist das erste Mal, dass die gesamte
ökonomische Lage Russlands dargelegt wird. Eine gewissenhafte Arbeit. ...
Nach dem Studium seines Werkes ist man fest davon überzeugt, dass eine
äußerst schreckliche soziale Revolution natürlich in den niederen
Formen, wie sie dem gegenwärtigen Moskauer Entwicklungsstand
entsprechen in Russland unvermeidlich sind und nahe bevorsteht. Das sind
gute Nachrichten. K. Marx, Brief an Lafargue (1870), MEW 32,
656659. Das, was ich über die
Lage in Russland weiß oder zu wissen glaube, veranlasst mich anzunehmen,
dass man sich dort seinem 1789 (dem Ausbruch der Französischen
Revolution) nähert. Die Revolution muss zu gegebener Zeit
ausbrechen; sie kann jeden Tag ausbrechen. Unter diesen Umständen
ist das Land wie eine geladene Mine, an die man nur noch die Lunte
zu legen braucht. ... Dies ist einer der Ausnahmefälle, in denen es einer
Handvoll Leute möglich ist, eine Revolution zu machen, d. h. durch
einen kleinen Anstoß ein ganzes System zu stürzen, dessen Gleichgewicht
mehr als labil ist ..., und durch einen an sich unbedeu-tenden Akt
Explosivkräfte freizusetzen, die dann nicht mehr zu zähmen sind. Nun, wenn
jemals der Blanquismus die Phantasie, eine ganze Gesellschaft durch die
Aktion einer kleinen Verschwörergruppe umzuwälzen eine gewisse
Daseinsberechtigung gehabt hat, dann sicherlich in Petersburg.
F.
Engels, Brief an V. I. Sassulitsch (1885), MEW 36,
304. 2.4. In
Preußen-Deutschland gab es kaum Rechte für das Volk und damit kaum Chancen
auf einen friedlichen Übergang In Deutschland war es
der Arbeiterklasse vom Beginn der Bewegung an völlig klar, dass man sich
vom Militärdespotismus nur durch eine Revolution befreien kann. Zugleich
begriffen die Arbeiter aber auch, dass eine solche Revolution ... sich
ohne vorherige Organisation, ohne Aneignung von Kenntnissen, Propaganda
... schließlich gegen sie selbst kehren würde. Deshalb hielten sie sich in
streng legalen Grenzen. Die Ungesetzlichkeit war allein auf Seiten
der Regierung, die sie außerhalb des Gesetzes
erklärte. Ihre (der
Arbeiterbewegung) Verbrechen waren nicht Taten, sondern
Meinungen, die ihren Herrschern nicht gefielen. K. Marx, Brief an
Hyndman (1880), MEW 34, 482. Man kann sich
vorstellen, die alte Gesellschaft könne friedlich in die neue
hineinwachsen in Ländern, wo die Volksvertretung alle Macht in sich
konzentriert, wo man verfassungsmäßig tun kann, was man will, sobald man
die Majorität des Volkes hinter sich hat ... Aber in Deutschland,
wo die Regierung fast allmächtig ist und der Reichstag und alle anderen
Vertretungskörper ohne wirkliche Macht, in Deutschland so etwas
proklamieren, und noch dazu ohne Not, heißt das Feigenblatt dem
Absolutismus abnehmen und sich selbst vor die Blöße binden. Eine solche
Politik kann nur die eigene Partei auf die Dauer irreführen. F. Engels, Kritik des
SPD-Programms von 1891, MEW 22, 234. 3. Die Friedlichkeit
oder Unfriedlichkeit des Übergangs zum Kommunismus hängt von Umständen ab,
die progressive Kräfte nicht in der Hand haben Daher kann und soll
sich niemand auf friedliche Mittel in jedem Fall und um jeden Preis
verpflichten lassen. Wir müssen den
Regierungen erklären: Wir wissen, dass ihr die bewaffnete Macht seid, die
gegen die Proletarier gerichtet ist; wir werden auf friedlichem Wege gegen
euch vorgehen, wo uns das möglich sein wird, und mit den Waffen, wenn es
notwendig werden sollte. K. Marx,
Sitzungsprotokoll der IAA, MEW 17, 652. Versucht muss werden,
vorderhand mit den gesetzlichen Kampfmitteln auszukommen. Das tun nicht
nur wir, das tun alle Arbeiterparteien aller Länder, wo die Arbeiter ein
gewisses Maß gesetzlicher Bewegungs-freiheit haben, und zwar aus dem
einfachen Grund, weil dabei am meisten für sie herauskommt. Das hat aber
zur Voraussetzung, dass die Gegenpartei ebenfalls gesetzlich verfährt.
Versucht man, sei es durch neue Ausnahmegesetze, durch rechtswidrige
Urteile und Reichsgerichts-praxis, durch Polizeiwillkür oder durch sonst
ungesetzliche Übergriffe der Exekutive, unsere Partei wieder tatsächlich
außerhalb des gemeinen Rechts zu stellen, so treibt man die deutsche
Sozialdemokratie abermals auf den ungesetzlichen Weg als den einzigen, der
ihr noch offen steht. Selbst bei der
gesetzliebendsten Nation, den Engländern, ist die erste Bedingung der
Gesetzlichkeit von Seiten des Volks die, dass die anderen Machtfaktoren
ebenfalls in den Schranken des Gesetzes bleiben; geschieht das nicht, so
ist nach englischer Rechtsanschauung Rebellion erste Bürgerpflicht.
F.
Engels, Abschied vom Sozialdemokrat, MEW 22, 78. Wie oft haben die
Bourgeois uns nicht zugemutet, wir sollten unter allen Umständen auf den
Gebrauch revolutionärer Mittel verzichten und innerhalb der gesetzlichen
Grenzen bleiben ... Leider sind wir nicht in der Lage, den Herren
Bourgeois diesen Gefallen zu tun. Was aber nicht verhindert, dass in
diesem Augenblick nicht wir diejenigen sind, die die Gesetzlichkeit
kaputtmacht. ... Viel näher liegt die Frage, ob es nicht gerade die
Bourgeois und ihre Regierung sind, die Gesetz und Recht verletzen werden,
um uns durch die Gewalt zu zermalmen? Wir werden das abwarten. Inzwischen:
,Schießen Sie gefälligst zuerst, meine Herren Bourgeois! Kein Zweifel,
sie werden zuerst schießen. F. Engels, Sozialismus
in Deutschland, MEW 22, 251. Wenn die Regierung
des Tages die bestehenden Gesetze anwendet, um sich ihrer Gegner zu
entledigen, so tut sie, was jede Regierung tut. ... Nur in Deutschland
kann es noch vorkommen, dass man von einer Partei verlangt, sie solle sich
durch den bestehenden so genannten Rechtszustand nicht nur tatsächlich,
sondern auch moralisch gebunden halten; sie solle im Voraus versprechen:
Was auch kommen möge, sie wolle diesen von ihr bekämpften Rechtszustand
nicht umwerfen, selbst wenn sie es könne. Mit anderen Worten, sie solle
sich verpflichten, die bestehende Ordnung am Leben zu erhalten in alle
Ewigkeit. F. Engels, Vorwort zu
Marx vor den Kölner Geschworenen, MEW 21, 202. Ich bin der Ansicht,
dass Ihr nichts dadurch gewinnt, wenn Ihr den absoluten Verzicht aufs
Dreinschlagen predigt. Glauben tuts kein Mensch, und keine Partei
irgendeines Landes geht so weit, auf das Recht zu verzichten, der
Ungesetzlichkeit mit den Waffen in der Hand zu widerstehen. F. Engels, Brief an R.
Fischer, (1995), MEW 39, 424. Es ist mir als
Revolutionär jedes Mittel recht, das zum Ziel führt, das gewaltsamste,
aber auch das scheinbar zahmste. Eine solche Politik erfordert Einsicht
und Charakter ... F. Engels, Brief an G.
Trier (1889), MEW 37, 327. Überhaupt handelt es
sich nicht um die Frage, ob das Proletariat, wenn es zur Macht gelangt,
die Produktionsinstrumente, Rohstoffe und Lebensmittel einfach gewaltsam
in Besitz nimmt, ob es sofort Entschädigung dafür zahlt oder das Eigentum
daran durch langsame Ratenzahlungen ablöst. Eine solche Frage im Voraus
und für alle Fälle beantworten zu wollen, hieße Utopien fabrizieren und
das überlasse ich anderen. F. Engels,
Wohnungsfrage, MEW 18, 282. Sobald unsere Partei
im Besitz der Staatsmacht ist, hat sie die Großgrundbesitzer einfach zu
enteignen, ganz wie die industriellen Fabrikanten. Ob diese
Enteignung mit oder ohne Entschädigung erfolgt, wird großenteils
nicht von uns abhängen, sondern von den Umständen, unter denen wir in den
Besitz der Macht kommen ... Eine Entschädigung sehen wir keineswegs unter allen Umständen als unzulässig an; Marx hat mir wie oft! als seine Ansicht ausgesprochen, wir kämen am billigsten weg, wenn wir die ganze Bande auskaufen könnten. F. Engels, Bauernfrage, MEW 22, 503f. Siehe auch die Artikel: Antireaktion und Demokratischer Kampf
|
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |