Erfindungen

 

1. Erfindungen sind vergegenständlichtes Wissen, das Gesellschaft und Natur verändert

Die Natur baut keine Maschinen, keine Lokomotiven, Eisenbahnen, Telegraphen, Spinnautomaten. Sie sind Produkte der menschlichen Industrie; natürliches Material, verwandelt in Organe des menschlichen Willens über die Natur oder seiner Betätigung in der Natur. Sie sind von der menschlichen Hand geschaffene Organe des menschlichen Hirns; vergegen-ständliche Wissenskraft. Die Entwicklung des fixen Kapitals (der Produktionstechnik) zeigt an, bis zu welchem Grad das allgemeine gesellschaftliche Wissen, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des allgemeinen Intellekts gekommen, und ihm gemäß umgeschaffen sind.

Die Entwicklung der Produktionstechnik zeigt an, bis zu welchem Grad die gesellschaftlichen Produktivkräfte produziert sind, nicht nur in der Form des Wissens, sondern als unmittelbare Organe der gesellschaftlichen Praxis; des realen Lebens-prozesses. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 594.

Als Maschinerie erhält das Arbeitsmittel eine materielle Exis-tenzweise, welche Ersetzung der Menschenkraft durch Naturkräfte und erfahrungsmäßiger Routine durch bewusste Anwendung der Naturwissenschaft bedingt. ... Die Maschinerie, mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen, funktioniert nur in der Hand unmittelbar vergesellschafteter oder gemeinsamer Arbeit. Der koope­rative Charakter des Arbeitsprozesses wird jetzt also durch die Natur des Arbeits­mittels selbst diktierte technische Not-wendigkeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 407.

 

1.1. Erfindungen sind ein Ergebnis direkter und indirekter Kooperation

Eine kritische Geschichte der Technologie würde überhaupt nachweisen, wie wenig irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum gehört. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 392, Anm. 89.

Es hängt lediglich von der Ausdehnung des Verkehrs ab, ob die an einem Ort gewonnenen Produktivkräfte namentlich Er-findungen, für die spätere Entwicklung verloren gehen oder nicht.

Solange noch kein über die unmittelbare Nachbarschaft hinausgehender Verkehr existiert, muss jede Erfindung an jedem Ort besonders gemacht werden, und bloße Zufälle, wie Einfälle barbarischer Völker, selbst gewöhnliche Kriege, reichen hin, ein Land mit entwickelten Produktivkräften und Bedürfnissen dahin zu bringen, dass es wieder von vorne anfangen muss. In der anfänglichen Geschichte musste jede Erfindung täglich neu und an jedem Ort unabhängig gemacht werden ...

Erst wenn der Verkehr zum Weltverkehr geworden ist und die große Industrie zur Basis hat, ist die Dauer der gewonnenen Produktivkräfte gesichert. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 54.

Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 114.

 

1.2. Erfunden wird, wonach ein Bedürfnis besteht

Als der Fuhrmann und Frachtkarren den entwickelten Bedürfnissen des Verkehrs nicht mehr genügt, als u. a. die Zentralisation der Produktion durch die große Industrie neue Mittel zum rascheren und massenweisen Transport ihrer Massen von Produkten nötig machte, erfand man die Lokomotive und damit den Anwendung der Eisenbahn auf den großen Verkehr. Dem Erfinder und den Aktionären war es um ihren Profit, dem Handel überhaupt um die Verminderung der Produktionskosten zu tun; die Möglichkeit, ja die absolute Notwendigkeit der Erfindung lag in den empirischen Verhältnissen. K. Marx, Deutsche. Ideologie, MEW 3, 284.

Man kann sagen, dass bis 1825 ... die Bedürfnisse der Kon-sumtion im Allgemeinen schneller zunahmen, als die Produktion und die Entwicklung der Maschinen notgedrungen den Bedürf-nissen des Marktes folgten.

Seit 1825 ist die Erfindung und Anwendung der Maschinen nur das Resultat des Krieges zwischen Unternehmern und Arbeitern. Und auch das gilt nur für England. Die europäischen Nationen sind zur Anwendung der Maschinen durch die Konkurrenz gezwungen worden, die die Engländer ihnen sowohl auf dem inneren Markt als auch auf dem Weltmarkt machten. In Nordamerika schließlich war die Einführung der Maschinen die Folge sowohl der Konkurrenz mit den anderen Völkern als auch des Mangels an Arbeitskräften ... K. Marx, Brief an Annenkow (1848), MEW 4, 551.

 

2. Erfindungen sind ein praktischer Beweis für die Richtigkeit unseres Denkens

Naturwissenschaft wie Philosophie haben den Einfluss der Tätigkeit des Menschen auf sein Denken bisher ganz vernachlässigt, sie kennen nur Natur einerseits, Gedanken ander-erseits. Aber gerade die Veränderung der Natur durch den Menschen, nicht die Natur als solche allein, ist die wesentlichste und nächste Grundlage des menschlichen Denkens, und im Verhältnis, wie der Mensch die Natur verändern lernte, in dem Verhältnis wuchs seine Intelligenz. F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 498.

Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahr-heit zukomme ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht, ... beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit (= Wahrheit) oder Nichtwirklichkeit (= Unwahrheit) des Denkens das von der Praxis isoliert ist ist eine rein scholastische Frage. K. Marx, Thesen über Feuerbach, MEW 3, 5.

 

3. Wirkung von Erfindungen für Kapital und Lohnarbeit

Jede neue Erfindung, welche es ermöglicht, in einer Stunde zu produzieren, was bisher in zwei Stunden produziert wurde, entwertet alle gleichartigen Produkte, die sich auf dem Markt befinden. Die Konkurrenz zwingt den Produzenten, das Produkt von zwei Stunden ebenso billig zu verkaufen wie das Produkt einer Stunde. K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 94.

Ganz wie der Fabrikant, der eine neue Erfindung vor ihrer Verallgemeinerung benutzt, billiger verkauft als seine Kon-kurrenten und dennoch über dem individuellen Wert seiner Ware verkauft, d. h., die spezifisch höhere Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit als Mehrarbeit verwertet. Er realisiert so einen Extraprofit. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 248.

Dass Erfindungen und Entdeckungen in manchen Fällen die Produktivkraft der Arbeit steigern (in sehr vielen Fällen aber auch nicht, wie die massenhafte Archivmakulatur aller Patentämter der Welt beweist), das haben wir längst gewusst. F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 205.

Alle Fortschritte der Zivilisation daher, oder in anderen Worten alle Vermehrung der gesellschaftlichen Produktivkräfte, meinet-wegen auch der Produktivkräfte der Arbeit selbst, wie sie resultieren von Wissenschaft, Erfindungen, Teilung und Kombination der Arbeit, verbesserten Kommunikationsmitteln, Schaffen des Weltmarkts, Maschinerie etc. bereichern nicht den Arbeiter, sondern das Kapital; vergrößern also nur wieder die die Arbeit beherrschende Macht. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 215.

Bei dem heutigen Stand der Produktion produziert die menschliche Arbeitskraft nicht nur in einem Tag einen größeren Wert, als sie selbst besitzt und kostet; mit jeder neuen wissen-schaftlichen Entdeckung, mit jeder neuen technischen Erfindung steigert sich dieser Überschuss ihres Tagesprodukts über ihre Tageskosten, verkürzt sich also derjenige Teil des Arbeitstags, worin der Arbeiter den Ersatz seines Tageslohns herausarbeitet, und verlängert sich also andererseits derjenige Teil des Arbeitstags, worin er dem Kapitalisten seine Arbeit schenken muss, ohne dafür bezahlt zu werden. F. Engels, Zu Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, 598.

 

Siehe auch die Artikel:

Arbeitsproduktivität

Denken

Extraprofit

Naturwissenschaft

 

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Zur Zitierweise:
Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßein-heiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberech-nungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Wäh-rungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen:

Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschrei-bung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff