Arbeitslosigkeit

 

1. Ursachen der Arbeitslosigkeit

Unterbeschäftigung oder Arbeitslosigkeit kann entspringen „aus Konkurrenz der Maschinerie, Wechsel in der Qualität der angewandten Arbeiter, partiellen und allgemeinen Krisen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 568.

 

 

1.1. Warum schaffen Kapitalisten Arbeitsplätze?

Da Kapitalisten aus der aktiv wirkenden, lebendigen Arbeitskraft Mehrwert (Profit) schöpfen, suchen sie ständig mit dem Wachstum ihres Kapitals die Zahl ihrer Lohnarbeiter zu vermehren. Vermehrung des Kapitals bringt dort vermehrte Arbeitsplätze, wo das Kapital noch unentwickelt ist. Vermehrung des Kapitals bringt immer dann vermehrte Arbeitsplätze, wenn Kapitalisten expandierende Märkte und boomende Gewinne vor sich sehen.

 

„Um zu akkumulieren, muss man einen Teil des Mehrprodukts in Kapital verwandeln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 606.

„Um nun diese Bestandteile tatsächlich als Kapital fungieren zu lassen, bedarf die Kapitalistenklasse eines Zuschusses von Arbeit. Soll nicht die Ausbeutung der schon beschäftigten Arbeiter extensiv oder intensiv wachsen, so müssen zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 607.

 

„Obwohl die Maschinerie notwendig Arbeiter verdrängt in den Arbeitszweigen, wo sie eingeführt wird, so kann sie dennoch eine Zunahme von Beschäftigung in anderen Arbeitszweigen hervorrufen. ... Die etwa zur Produktion der Arbeitsmittel selbst, der Maschinerie, Kohle usw., erforderliche Arbeitszunahme muss kleiner sein als die durch Anwendung der Maschinerie bewirkte Arbeitsabnahme. Das Maschinenprodukt wäre sonst ebenso teuer oder teurer als das Handprodukt. Statt aber gleich zu bleiben, wächst tatsächlich die Gesamtmasse des von einer verminderten Arbeiteranzahl produzierten Maschinenartikels weit über die Gesamtmasse des verdrängten Hand-werksartikels. Gesetzt, 4 Millionen Ballen Maschinengewebe würden von weniger Arbeitern produziert als 1 Million Ballen Handgewebe. In dem vervierfachten Produkt steckt viermal mehr Rohmaterial. Die Produktion des Rohmaterials muss also vervierfacht werden. ... Mit der Ausdehnung des Maschinenbetriebs in einem Industriezweig steigert sich also zunächst die Produktion in anderen Zweigen, die ihm seine Produktionsmittel liefern. Wieweit dadurch die beschäftigte Arbeitermasse wächst, hängt ... von der Zusammensetzung der verwand-ten Kapitale ab, d. h. vom Verhältnis ihrer konstanten und variablen Bestandteile. ... Die Anzahl zu Kohlen- und Metallbergwerken verur-teilter Menschen schwoll ungeheuer mit dem Fortschritt des englischen Maschinenwesens, obgleich ihr Anwachs in den letzten Jahrzehnten durch Gebrauch neuer Maschinerie für den Bergbau verlangsamt wird.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 466f.

 

„Das nächste Resultat der Maschinerie ist, den Mehrwert und zugleich die Produktenmasse, worin er sich darstellt, also mit der Substanz, wovon die Kapitalistenklasse samt Anhang zehrt, diese Gesell-schaftsschichten selbst zu vergrößern. Ihr wachsender Reichtum ... erzeugt mit neuem Luxusbedürfnis zugleich neue Mittel seiner Be-friedigung. Ein größerer Teil des gesellschaftlichen Produkts verwandelt sich in Mehrprodukt und ein größerer Teil des Mehrprodukts wird in verfeinerten und vervielfältigten Formen reproduziert und verzehrt. In anderen Worten: Die Luxusproduktion wächst. Die Verfeinerung und Vervielfältigung der Produkte entspringt ebenso aus den neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die große Industrie schafft. Es werden nicht nur mehr ausländische Genussmittel gegen das heimische Produkt ausgetauscht, sondern es geht auch eine größere Masse fremder Rohstoffe, Ingredienzien, Halbfabrikate usw. als Produktionsmittel in die heimische Industrie ein. Mit diesen weltmarktlichen Beziehungen steigt die Arbeitsnachfrage in der Transportindustrie und spaltet sich letztere in zahlreiche neue Unterarten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 468f.

 

„Die Vermehrung von Produktions- und Lebensmitteln bei relativ abnehmender Arbeiterzahl treibt zur Ausdehnung der Arbeit in Industriezweigen, deren Produkte, wie Kanäle, Warendocks, Tunnels, Brücken usw., nur in fernerer Zukunft Früchte tragen. Es bilden sich, entweder direkt auf der Grundlage der Maschinerie, oder doch der ihr entsprechenden allgemeinen industriellen Umwälzung, ganz neue Produktionszweige und daher neue Arbeitsfelder.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 469.

 

„Man begreift jedoch, trotz der vom Maschinenbetrieb faktisch verdrängten und virtuell ersetzten Arbeitermasse, wie mit seinem eigenen Wachstum, ausgedrückt in vermehrter Anzahl von Fabriken derselben Art oder den erweiterten Dimensionen vorhandener Fabriken, die Fabrikarbeiter schließlich zahlreicher sein können als die von ihnen verdrängten Manufakturarbeiter oder Handwerker.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 473.

 

1.2. Wo Kapitalisten die Produktivität steigern,
produzieren sie Arbeitslosigkeit

Durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität, d. h. vor allem durch Anwendung verbesserter Technik, versucht jedes Kapital möglichst viel von seiner angewandten Arbeitskraft überflüssig zu machen. Vermehrung des Kapitals vernichtet also immer dort Arbeitsplätze (relativ oder absolut), wo mittels technischer Neuerungen die Produktivität der Arbeitskraft gesteigert wird. Längerfristig werden dann auch dort Arbeitsplätze vernichtet, wo das Kapital nicht so profitabel arbeitet. Denn über kurz oder lang zwingt der besonders profitable Kapitalist auch die anderen Kapitalisten ihre angewandte Arbeitskraft relativ zu reduzieren, oder Pleite zu gehen.

 

„Es ist eines der großen Verdienste Ricardos, die Maschinerie nicht nur als Produktionsmittel von Waren, sondern auch von ‚überschüssiger Bevölkerung‘ begriffen zu haben.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 430, Anm. 154.

 

„... Was heißt wachsende Produktivkraft der Arbeit anderes, als dass weniger unmittelbare Arbeit nötig ist, um ein größeres Produkt zu schaffen ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 715.

 

„Die größere Produktivität der Arbeit drückt sich darin aus, dass das Kapital weniger notwendige Arbeit zu kaufen hat, um denselben Wert und größere Mengen von Gebrauchswerten zu schaffen, oder dass geringere notwendige Arbeit denselben Tauschwert schafft, mehr Material verwertet, und eine größere Masse Gebrauchswerte. ... Es erscheint dies zugleich so, dass eine geringere Menge Arbeit eine größere Menge Kapital in Bewegung setzt.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 292f.

 

„Der Kapitalist verwandelt vielleicht ... das Zusatzkapital in eine Maschine, die den Produzenten des Zusatzkapitals aufs Pflaster wirft ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 608.

„Die im Lauf der normalen Akkumulation gebildeten Zusatzkapitale dienen vorzugsweise als Vehikel zur Ausbeutung neuer Erfindungen und Entdeckungen, überhaupt industrieller Vervollkommnungen. Aber auch das alte Kapital erreicht mit der Zeit den Moment, wo es sich eine technisch modernisierte Form gibt, worin eine geringere Masse Arbeit genügte, eine größere Masse Maschinerie und Rohstoffe in Bewegung zu setzen. Die hieraus notwendig folgende absolute Abnahme der Nachfrage nach Arbeit wird selbstredend umso größer, je mehr die diesen Erneuerungsprozess durchmachenden Kapitale bereits zu Massen angehäuft sind ... Einerseits zieht also das im Fortgang der Akkumulation gebildete Zuschusskapital, verhältnismäßig zu seiner Größe, weniger und weniger Arbeiter an. Andererseits stößt das periodisch in neuer Zusammensetzung reproduzierte alte Kapital mehr und mehr früher von ihm beschäftigte Arbeiter aus.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 657.

 

„Es ist, wie wir gesehen, Gesetz des Kapitals Mehrarbeit ... zu schaffen; es kann dies nur, indem es notwendige Arbeit in Bewegung setzt – d. h. Tausch mit dem Arbeiter eingeht. Es ist daher ... Tendenz des Kapitals möglichst viel Arbeit zu schaffen; wie es ebenso sehr seine Tendenz ist, die notwendige Arbeit auf ein Minimum zu reduzieren. Es ist daher ebenso sehr Tendenz des Kapitals die arbeitende Bevölkerung zu vermehren, wie einen Teil derselben beständig als Überschuss-bevölkerung – Bevölkerung, die zunächst nutzlos ist, bis das Kapital sie verwerten kann – zu setzen. ... Es ist ebenso sehr Tendenz des Kapitals, menschliche Arbeit überflüssig zu machen (relativ), als menschliche Arbeit ins Maßlose zu treiben.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 302f.

 

„... Das Kapital (hat) ... ebenso sehr die Tendenz diese Armuts-bevölkerung zu schaffen als aufzuheben. Es wirkt in entgegengesetzter Richtung, wo in der Zeit bald das eine, bald das andere das Übergewicht hat.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 503.

 

„Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch sein variabler Bestandteil, oder die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmender Proportion. Die Zwischenpausen, worin die Akkumulation als bloße Erweiterung der Produktion auf gegebener technischer Grundlage wirkt, verkürzen sich.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 658.

 

„Die kapitalistische Akkumulation produziert ..., und zwar im Verhältnis zu ihrer
Energie und ihrem Umfang, beständig eine relative, d. h. für die mitt-leren Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige, daher über-flüssige oder Zuschuss-Arbeiterbevölkerung.“
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 658.

 

„Die steigende Produktivkraft der Arbeit erzeugt also, auf kapita-listischer Grundlage, mit Notwendigkeit eine permanente scheinbare Arbeiterübervölkerung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 233.

Die überall einsetzbare (weil beschäftigungslose) Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Arbeitslosenarmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 673.

 

„Im selben Verhältnis daher, wie sich die kapitalistische Produktion entwickelt, entwickelt sich die Möglichkeit einer relativ überzähligen Arbeiterbevölkerung, nicht weil die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit abnimmt, sondern weil sie zunimmt, also nicht aus einem absoluten Missverhältnis zwischen Arbeit und Existenzmitteln oder Mitteln zur Produktion dieser Existenzmittel, sondern aus einem Missverhältnis, entspringend aus der kapitalistischen Ausbeutung der Arbeit, dem Missverhältnis zwischen dem steigenden Wachstum des Kapitals und seinem relativ abnehmenden Bedürfnis nach wachsender Bevölkerung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 232.

 

2. Formen der Arbeitslosigkeit

„Die relative Arbeiter-Übervölkerung existiert in allen möglichen Schattierungen. Jeder Arbeiter gehört ihr an während der Zeit, wo er halb oder gar nicht beschäftigt ist. Abgesehen von den großen, periodisch wiederkehrenden Formen, welche der Phasenwechsel des industriellen Zyklus ihr aufprägt, so dass sie bald akut in den Krisen erscheint, bald chronisch in den Zeiten flauen Geschäfts, besitzt sie fortwährend drei Formen: flüssige, latente und stockende.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 670.

 

2.1. Fließende Form der Arbeitslosigkeit

Das Ausstoßen von Arbeitskraft in schrumpfenden Branchen und Betrieben sowie von Großbetrieben, die Arbeitskraft abbauen, wie auch das Einsaugen von Arbeitskraft in den expandierenden Branchen und Betrieben ruft einen ständigen Wechsel der Arbeit hervor, der durch längere oder kürzere Arbeitslosigkeit unter-brochen ist. Fließende Arbeitslosigkeit ist nur ein Übergangsstadium zu neuer Beschäftigung.

„In den Zentren der modernen Industrie ... werden Arbeiter bald ausgestoßen, bald in größerem Umfang wieder eingesaugt, so dass im Großen und Ganzen die Zahl der Beschäftigten zunimmt, wenn auch in stets abnehmendem Verhältnis zur Produktionsleiter. Die Arbeiter-Übervölkerung existiert hier in fließender Form.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 670.

 

2.2. Latente (= versteckte) Arbeitslosigkeit

Das betrifft solche Arbeitsverhältnisse, die direkt in Arbeitslosigkeit münden oder nur Scheinalternativen zu Arbeitslosigkeit bieten, z. B. ältere Lohnarbeiter, die Teilzeitverträge abschließen, damit sie nicht sofort entlassen werden, oder Lohnarbeiter in schrumpfenden Branchen und Betrieben, Kurzarbeiter usw.

 

„Der Konsum der Arbeitskraft durch das Kapital ist zudem so rasch, dass der Arbeiter von mittlerem Alter sich meist schon mehr oder minder überlebt hat. Er fällt in die Reihen der Überzähligen oder wird von einer höheren auf eine niedrigere Staffel hinabgedrängt. Gerade bei den Arbeitern der großen Industrie stoßen wir auf die kürzeste Lebensdauer.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 671.

 

„Sobald sich die kapitalistische Produktion der Agrikultur ... bemächtigt hat, nimmt mit der Akkumulation des hier funktionierenden Kapitals die Nachfrage für die ländliche Arbeiterbevölkerung ab, ohne dass ihr Ausstoßen, wie in der nicht agrarischen Industrie, durch größere Einsaugung ergänzt wäre. ... Der Landarbeiter wird daher auf das Minimum des Lohns herabgedrückt und steht mit einem Fuß stets im Sumpf der Verarmung.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 671f.

Heute gibt es viel versteckte Arbeitslosigkeit bei Zeitverträgen, in vielen staatlichen „Fortbildungs-maßnahmen“, in Gelegenheitsjobs, in Teilzeitarbeit, bei „neuer“ Selbständigkeit, in Ehrenämtern usw.

 

2.3. Stockende Arbeitslosigkeit mit unregelmäßiger Beschäftigung

„Die dritte Kategorie der relativen Arbeiter-Übervölkerung, die stockende, bildet einen Teil der aktiven Arbeiterarmee, aber mit durchaus unregelmäßiger Beschäftigung. Sie bietet so dem Kapital einen unerschöpflichen Behälter verfügbarer Arbeitskraft. Ihre Lebenslage sinkt unter das durchschnittliche Normalniveau der arbeitenden Klasse ... Maximum der Arbeitszeit und Minimum des Lohns charakterisieren sie. Wir haben unter der Rubrik der Heimarbeit ihre Hauptgestalt bereits kennen gelernt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 672. Heute sind es vor allem Arbeitsverhältnisse in Teilzeit und in Zeitverträgen, die in diese Kategorie gehören.

 

2.4. Aussortierte Arme

„Der tiefste Niederschlag der relativen Arbeiter-Übervölkerung endlich behaust die Sphäre der Armut. Abgesehen von Vagabunden, Verbrechern, Prostituierten, kurz dem eigentlichen Lumpenproletariat, besteht diese Gesellschaftsschicht aus drei Kategorien. Erstens Arbeitsfähige. ... Zweitens: Waisen- und Armenkinder. ... Drittens: Verkommene, Verlumpte, Arbeitsunfähige. Es sind namentlich Individuen, die an ihrer durch die Teilung der Arbeit verursachten Unbeweglichkeit untergehen, solche, die über das Normalalter eines Arbeiters hinaus leben, endlich die Opfer der Industrie, ..., Verstümmelte, chronisch Kranke, Witwen etc. Die Armutsbevölkerung bildet das Invalidenhaus der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht der industriellen Reservearmee. ... Sie gehört zu den toten Kosten der kapitalistischen Produktion, die das Kapital jedoch großenteils von sich selbst ab auf die Schultern der Arbeiterklasse und der kleinen Mittelklasse zu wälzen weiß.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 673.

Es gehören nur geringe Kenntnisse über den Zustand unserer heutigen Gesellschaft dazu, um die hier von Marx gegebene Beschreibung der sozialen Zustände Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem speziellen Elend zu ergänzen, das für unsere moderne Zeit typisch ist: Junkies, Frührentner, chronisch Kranke, Behinderte, allein erziehende junge Mütter, Jugendliche ohne Schulabschluss, Langzeit-arbeitslose usw.

 

3. Resümee

„Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die Arbeitslosenarmee. Die überall einsetzbare Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Arbeitslosenarmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die chronische Arbeiter-Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Armen-schicht in der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer die offizielle Zahl der Armen. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 673f.

 

„Wir sahen im vierten Abschnitt bei der Analyse der Produktion des relativen Mehrwerts: innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehen sich alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Beherrschungs- und Ausbeutungsmittel des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses im selben Maße, worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Potenz einverleibt wird; sie verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie, verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit, schleudern Frau und Kind in die Mühle des Kapitals. Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, dass im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss. Das Gesetz endlich, welches die relative Arbeiter-Übervölkerung oder Arbeitslosenarmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation im Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephaistos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Verkommen-heit auf dem Gegenpol, d. h. auf Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 674f.

 

„Von Tag zu Tag wird es somit klarer, dass die Produktionsverhältnisse, in denen sich die Bourgeoisie bewegt, nicht einen einheitlichen, einfachen Charakter haben, sondern einen widersprüchlichen; dass in denselben Verhältnissen, in denen der Reichtum produziert wird, auch das Elend produziert wird ...; dass diese Verhältnisse den bürgerlichen Reichtum ... nur erzeugen unter fortgesetzter Vernichtung des Reichtums einzelner Glieder dieser Klasse und unter Schaffung eines stets wachsenden Proletariats.“ K. Marx, Das Elend der Philosophie, zit. n. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 675, Anm. 88.

 

Siehe die Artikel:

Armut

Verelendung

 

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maß-einheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeits-zeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit ver-wendet. Dass es Karl Marx in Beispiel-rechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungs-einheiten ankam, darauf hatte er selbst einmal hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.

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