Dieser Krieg lohnt
sich nicht (oder doch?)
Von Lucas Zeise, Financial Times
Deutschland „Lohnt sich ein Krieg gegen Irak? Zum
Ausgang des Sommers hat die Bush-Regierung die Propagandamaschine für den
Feldzug gegen Bagdad angeworfen. Seitdem häufen sich Meldungen über die
Lieferung von Aluminiumröhrchen und anderer verdächtiger Gegenstände ins
Zweistromland.
Die Bedrohung für die Welt, die von dem seit
1979 herrschenden Diktator Saddam Hussein ausgeht, wird angeblich immer
größer. Der Propagandafeldzug, der dem militärischen vorangeht, will uns
glauben machen, die Welt werde ein sicherer Ort sein, sobald der Diktator
in Bagdad abgesetzt ist. Zu diesem Zweck wird das Schreckensgemälde seiner
Waffenarsenale und seines Hitler-gleichen Charakters gemalt. Auch
Kriegsgegner haben keinen Grund, den mesopotamischen Herrscher zu
verteidigen: Saddam Hussein hat gegen Iran einen Krieg vom Zaun gebrochen,
der in acht Jahren eine halbe Million Menschen das Leben gekostet hat.
Anschließend hat er den Hauptfinanzier dieses Krieges überfallen, das
Scheichtum Kuwait.
Unterstützung für Saddam Hussein
Es ist allgemein bekannt, dass Saddam Hussein beim ersten
dieser Unternehmen die materielle und nur zum Teil verdeckte Unterstützung
der US-Regierung erhalten hat. Und vor dem Überfall auf Kuwait im Jahre
1990 hat Washington zumindest Toleranz angedeutet - bis Saddam als Gegner
identifiziert und Kuwait schließlich im "Wüstensturm" befreit wurde.
Der kurze Schlenker in die Geschichte zeigt, dass die Ursache für den
Krieg nicht in Bagdad, sondern in Washington gesucht werden muss. Die
Frage ist nicht: Warum Saddam seit dem Amtsantritt von Bush junior
gefährlicher geworden sein könnte als vordem? Die richtige Frage lautet:
Welche Kriegsziele verfolgen Präsident Bush und seine Regierung? Die
nüchterne Frage: Lohnt sich der Krieg? kann dann auch besser beantwortet
werden. Über die wahren Kriegsziele jedoch schweigt sich Washington
aus. Zwar hat Vizepräsident Richard Cheney bei der Eröffnung der
Propagandaoffensive für den Krieg in Nashville den dort versammelten
Kriegsveteranen anvertraut, Saddam müsse nicht wegen seiner Verbindungen
zu Terrororganisationen oder zu den Attentätern vor einem Jahr vernichtet
werden - sondern "weil er die Kontrolle über einen großen Teil der
Welt-Energiereserven erlangen" könnte.
Aber was heißt hier
erlangen? Nach Saudi-Arabien verfügt Irak über die zweitgrößten Ölreserven
der Welt. Die Verfügungsgewalt über diese Reserven hat sich die Regierung
in Bagdad im Jahre 1971 erstritten, als Hussein Vizepräsident war. Irak
war damals nicht das einzige Land im Nahen Osten, das die
Ölförderindustrie verstaatlichte. Die Nationalisierungen haben erst die
Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das schon zuvor bestehende
Ölexportkartell Opec handlungsfähig wurde und bis heute neben De Beers
Diamantenverkaufsorganisation das einzige, halbwegs funktionierende
Rohstoffkartell der Welt ist.
Nach den Vorstellungen Washingtons
könnte nach einem Sieg in Bagdad ein amerikafreundliches Regime eingesetzt
werden. Die Konzessionen zur Ausbeutung der Ölquellen würden rasch und zu
günstigen Konditionen an international operierende Ölkonzerne vergeben,
die die Förderkapazität des Landes binnen kurzem auf sechs Millionen
Barrel pro Tag verdreifachen würden.
Das Ölexportkartell wäre am
Ende, selbst wenn das neue Regime in Irak in der Opec bliebe. Mit
sinkenden Ölpreisen würde Bagdad für Washington zum Hebelpunkt, an dem der
Nahe Osten aus den Angeln gehoben werden könnte. Die früheren Gegner
Saddams - Iran, Saudi-Arabien und die kleinen Öl produzierenden
Golfstaaten - rechnen schon jetzt damit, dass auch sie enteignet werden
sollen, und wenden sich deshalb gegen diesen Krieg. Auch sie sind nicht
willens, dem Interesse der Ölfirmen an ihren billigen Ölquellen
nachzugeben. Erst vergangene Woche ging bei Exxon Mobil und bei Royal
Dutch/Shell je ein Brief des saudischen Außenministers Prinz Saud
Al-Faisal ein, der ihnen den erhofften Einstieg in den Ölsektor mit Hilfe
eines 25 Mrd. $ starken Investitionsprogramms versagte. Solch
unerfreuliche Post werden die Ölkonzerne nicht mehr erhalten, wenn erst
ein anderes Regime in Bagdad installiert ist.
Hohe Kosten
des Feldzugs Lohnt sich der Krieg also wirklich? Als Ertrag
winkt das Ende der Herrschaft nahöstlicher Staaten über die Ölquellen und
ein mittelfristig niedrigerer Ölpreis. Dagegen sind die Kosten des
Feldzuges in Rechnung zu stellen. Sie betreffen nicht nur die irakische
Bevölkerung. Kurzfristig würde der Ölpreis explodieren und so lange hoch
bleiben, wie der Erfolg des Krieges nicht gesichert scheint. Das würde die
Weltwirtschaft in eine schwere Krise stürzen. Kalkuliert werden muss auch,
dass das Vorhaben nur halb oder gar nicht gelingt. Der Ölpreis würde dann
nicht nur wegen einer Risikoprämie, sondern wegen einer realen Lücke im
Angebot hochgehalten.
Am Ende ist der geplante Krieg aber auch
deshalb falsch kalkuliert, weil auch nach gewonnener Schlacht Öl nicht
dauerhaft billig bleiben kann. Auch ohne Opec wird der Ölpreis sich
langfristig an den Kosten orientieren, die bei den teureren
Grenzproduzenten entstehen. Die hohen Gewinne fallen dann wie bei den
Billigproduzenten im Nahen Osten an. Nur sind dort die Eigentümer dann
andere.“
Ungekürzt aus: Financial Times
Deutschland
Anmerkung: Das Risiko, das die USA mit dem
Irak-Krieg eingehen, ist hoch, aber der lockende Gewinn nicht
minder. Die Angst, dass die USA „unilateral“ agieren, ist nichts
anderes als die Angst, dass sie auch „unilateral“ den Kriegsgewinn
einstreichen werden. Wer für „Multilateralismus“ eintritt, wenn es um
Eroberung der reichsten Ölvorkommen der Erde geht, der will halt an der
imperialistischen Macht und der Kriegsbeute teilhaben.
Wal Buchenberg, 11.9.2002.
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