2.
Der sowjetische Produktionsprozess 2.1. Tschernobyl -
Störungen des Sowjetbetriebes Die sowjetischen
Produktionsmittel wurden im wesentlichen durch behördliche Direktiven von
Betrieb X an Betrieb Y zugeteilt. Im Sowjetsystem war es also nicht das
Kapital, das Arbeiter und Produktionsmittel zusammenbrachte, sondern die
Direktiven der Planerbürokratie. Nehmen wir an, sowjetische Werktätige
haben sich weisungsgemäß zu ihrem ersten Arbeitstag in einem Sowjetbetrieb
eingefunden. Wie unterschied sich nun ein sowjetischer Arbeitstag von
einem kapitalistischen? Das ist unser nächstes
Thema. Der Kapitalismus ist
eine epochemachende Produktionsweise wegen seiner planvollen
und ökonomischen Organisation des Arbeitsprozesses. „Jeder Betrieb der
Warenproduktion wird zugleich Betrieb der Ausbeutung der Arbeitskraft;
aber erst die kapitalistische Warenproduktion wird zu einer
epochemachenden Ausbeutungsweise, die in ihrer geschichtlichen
Fortentwicklung durch die Organisation des Arbeitsprozesses und die
riesenhafte Ausbildung der Technik die ganze ökonomische Struktur der
Gesellschaft umwälzt und alle früheren Epochen unvergleichbar
übergipfelt.“[1]
Planvolle Organisation
des Arbeitsprozesses spart Mühe, Ressourcen und Zeit.
„Gemeinschaftliche Produktion
vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger
Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto
mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, materieller oder geistiger.
Wie bei einem einzelnen Individuum, hängt die Allseitigkeit ihrer
Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparnis ab.
Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie
auf.“[2]
Die Väter der
Sowjetunion hatten geglaubt, sie könnten die planvolle kapitalistische
Betriebsorganisation auf die gesamte Volkswirtschaft übertragen. Lenin
hatte zum Auftakt der Oktoberrevolution in seinem Werk „Staat und
Revolution“ angekündigt: „Ein
geistreicher deutscher Sozialdemokrat der siebziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts bezeichnete die (preußisch-wilhelminische! wb) Post als Muster sozialistischer
Wirtschaft. Das ist durchaus richtig. ... Unser nächstes Ziel ist, die gesamte
Volkswirtschaft nach dem Vorbild der (preußisch-wilhelminischen? wb) Post zu organisieren...“[3] Indem die Sowjetplaner
versuchten, preußischen Untertanengeist und kapitalistische
Fabrikdisziplin auf die ganze Gesellschaft zu übertragen, haben sie der
Gesellschaft ihre Freiheit geraubt und die Individuen zu Untertanen ihres
Planerwillens erniedrigt. Gehofft hatten sie wohl, sie könnten damit das
für den Kapitalismus typische Chaos, die Krisen, die Verschwendung von
Ressourcen auf der volkswirtschaftlichen Ebene vermeiden. Tatsächlich ist
es den Bolschewiki nicht einmal gelungen, in ihren Staatsbetrieben die
planvolle Organisation des kapitalistischen Arbeitsprozesses zu
erreichen. Der sowjetische
Betriebsalltag war gekennzeichnet von Leerlauf und Stockung zur einen
Zeit, Überarbeit zur anderen Zeit, von Verschwendung von Energie,
Material, Zeit und Arbeitskraft. Warum das kein Zufall, sondern
systemnotwendig war, wird im folgenden gezeigt. Der linke Glaube an
die wirtschaftliche Überlegenheit des Sowjetsystems blieb im Westen
resistent gegenüber jeder Kritik und gegenüber allen Fakten, weil jeder
einzelne Mangel zwar zugegeben, aber gleichzeitig durch externe Faktoren
„entschuldigt“ wurde: Die ererbte Rückständigkeit sei schuld, die
Einkreisung sei schuld, der Weltkrieg sei schuld, der Rüstungswettlauf sei
schuld, die Fehler von einzelnen Parteiführern (Stalin, Chruschtschow oder
Gorbatschow) seien schuld, die westliche Medien seien schuld usw. Das
Sowjetsystem an sich sei „im Prinzip“ gut. Die Lohnabhängigen im
Westen reagierten von Beginn an sehr sensibel auf alle Systemschwächen der
Sowjetunion, weil sie wohl wussten, dass diese Mängel vor allem auf
Gesundheit, Arbeitskraft und Lebensverhältnisse der Werktätigen gehen
mussten. Was die Einschätzung der Sowjetwirtschaft anging, waren die
Lohnarbeiter im Westen den Linken im Westen weit
voraus. Erst der katastrophale Unfall im Atomkraftwerk
Tschernobyl machte das ganz normale sowjetische Betriebschaos auch für
linke Augen im Westen unübersehbar. Dass erst jetzt der sowjetische Alltag
von den Westlinken wahrgenommen wurde, bewies die rapide schwindende Moral
und Zahl der DKP-Mitglieder. Georg Fülberth, ehemaliges Vorstandsmitglied
der DKP, schrieb:[4] „Der offene Ausbruch der Partei-Krise kann auf den
Tag genau datiert werden: am 26. April 1986 ereignete sich im
Kernkraftwerk Tschernobyl in der UdSSR ein schwerer Unfall, bei dem große
Mengen Radioaktivität freigesetzt wurden. ... Der Unfall von Tschernobyl
lenkte ... die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass in der UdSSR weithin
noch nicht einmal westliche Sicherheitsstandards erreicht wurden, und hier
sogar mit besonderen Gefahren aufgrund schlechter Bauausführung sowie von
verantwortungslosem Verhalten im Arbeitsalltag gerechnet werden
musste.“ Als dann unter
dem frischen Eindruck dieser Atomkatastrophe wenige Tage später am 2. - 4.
Mai der 8. Parteitag der DKP tagte, kam es erstmals (!) zu kritischen
Stellungnahmen gegen die Parteiführung auf einem DKP-Parteitag, ohne dass
das mit dem Parteiausschluss für die Kritiker endete. Trotzdem begann
„mit Tschernobyl
... eine Austrittswelle, die nicht mehr gestoppt werden
konnte.“[5]
Warum war
betriebliches Chaos in der Sowjetwirtschaft systembedingt? Dieses Chaos
entsprang notwendig aus dem Widerspruch von behördlich vorgeschriebenem
Output und unsicherer Zulieferung sowie aus der fehlenden Selbständigkeit
der Unternehmen. Was
auf der Ebene der Volkswirtschaft der Vorteil der Sowjetwirtschaft ist,
dass knappe Ressourcen gebündelt werden können, und dass die Ressourcen
nicht wie im Kapitalismus nach Profitgesichtspunkten eingesetzt werden,
diese Vorteile gelten im Sowjetsystem nicht auf betrieblicher Ebene. F.
Engels hatte von der kapitalistischen Produktionsweise gesagt, sie sei
gekennzeichnet durch
den „Gegensatz zwischen
der Organisation der Produktion in der einzelnen Fabrik und der Anarchie
der Produktion in der ganzen Gesellschaft“[6]. Über die sowjetische
Produktionsweise kann man mit gleichem Recht sagen, dass sie durch den
Gegensatz zwischen der Organisation der Produktion in der ganzen
Gesellschaft und der Anarchie der Produktion in der einzelnen Fabrik
gekennzeichnet ist. 2.1.1. Störungen aus
der Zulieferung In der
Sowjetwirtschaft bestimmten die Direktivplaner über langfristig bindende
Lieferverträge zwischen den Betrieben, wer an wen was liefert. Bei
Nichterfüllung von Lieferverträgen hatte ein Vertragspartner kaum
Möglichkeiten zu reagieren. Doch Nichterfüllung der eigenen
Produktionsziffern hatte Sanktionen durch die Planungsbehören zur Folge.
Die Zirkulation der Produkte, das heißt ob die Produkte in der richtigen
Zeit und in der richtigen Menge am richtigen Platz waren, kümmerte den
Lieferbetrieb nicht. Fehllieferungen,
Lieferverzögerungen, Unterlieferungen wie Überlieferungen waren die
häufige Folge, was den Produktionsprozess im Empfängerbetrieb unterbrechen
und verzögern musste und somit dessen Planerfüllung gefährdete. So standen
die sowjetischen Betriebe immer in der Zwickmühle zwischen dem Zwang zur
Planerfüllung auf der einen Seite und der mangelhaften und unregelmäßigen
Material- und Energieversorgung auf der anderen
Seite. Alle Produkte gegen Ende einer Planperiode (Woche,
Monat, Jahr) wurden hastig produziert und waren von schlechterer Qualität,
weil trotz verspäteter Anlieferung die Planziffern noch erreicht werden
mussten.[7] Schon im Jahr 1927
klagte ein Delegierter auf dem 4. Sowjetkongress, dass die Fabriken ihre
zugeteilten Materialien und Anlagen nicht rechtzeitig und nicht in der
festgesetzten Menge erhielten. „Dieses Problem
zieht sich durch unsere gesamte Wirtschaft.“[8]
Der Widerspruch
zwischen bindenden Planziffern und unsicherer Versorgung mit
Produktionsmittel zwang die sowjetische Betriebe dann dazu, extrem hohe
Lagerbestände an Rohstoffen und Materialien und eine innere Reservearmee an
Arbeitskräften zu halten. Jeder Betrieb bestellte grundsätzlich mehr als
er brauchte, um wenigstens das zu erhalten, was er brauchte. Jeder Betrieb
hortete möglichst viel knappe Versorgungsgüter, was deren Knappheit
insgesamt nur verschärfte. Andererseits versuchte
jeder Betrieb bei der eigenen Planungshierarchie möglichst geringe
Planziffern durchzusetzen, die die Kapazitäten nicht auslasten, um trotz
häufiger Materialstockungen den Plan in der verbleibenden Zeit erfüllen zu
können. Der systembedingte
Widerspruch, dass der Output jedem Betrieb bürokratisch vorgeschrieben
war, er aber auf seinen Input keinen Einfluss hatte, personifizierte sich
in der Gestalt des zwielichtigen betrieblichen „Tolkach“
(„Schieber“). Der Tolkach war ein improvisierender Materialbeschaffer im
Auftrag eines Produktionsbetriebes, der mit legalen und illegalen Mitteln
rechtzeitige oder zusätzliche Zulieferungen ermöglichen sollte. Er
versuchte also, die notwendigen Störungen der sowjetischen Zirkulation
auszutricksen. Sein Repertoire reichte von politischen Drohungen bis zur
materiellen Bestechung. Und da die Tolkachs verschiedener Betriebe
miteinander um prompte Belieferung konkurrierten, bildeten sie eine
Hierarchie von wirtschaftlichem Einfluss und politischer Macht, in der
einflussreiche Betriebe bevorzugt beliefert wurden und die anderen das
Nachsehen hatten. Die ständigen
Stockungen und Reibungen in der die Produktion vermittelnden Zirkulation
wurden daher sowohl eine Quelle des Schwarzmarktes für Produktionsmittel,
als auch ständiger Anlass für Bestechungen, Schmiergeldzahlungen, echten
Drohungen und falschen Versprechungen. Alle Kampagnen gegen Korruption
konnten da nichts ausrichten. Die illegale Schattenwirtschaft war und
blieb die ökonomische Basis und systemnotwendige Ergänzung der
bürokratischen Planwirtschaft. 2.1.2. Störungen durch
bürokratische Eingriffe ins Management Am 7. August 1974
stand in der Prawda folgender Bericht: „Das berühmte Leningrader Werk „Elektrosila“ erhält vom Ministerium einen
Jahresplan, der aufschlüsselt, in welchem Monat welche Maschinen oder
Anlagen hergestellt werden müssen... Die Manager des Werkes fanden heraus,
dass bei dieser Arbeitsanordnung Monate vorkamen, in denen die Arbeit
nicht fertig wurde, während zu anderen Zeiten nichts zu tun war. Dieses
Problem hätte durch eine einfache Änderungen in der Reihenfolge der
Maschinenherstellung gelöst werden können. Aber die Fabrik
hatte nicht die Macht so eine Entscheidung zu treffen und der Vorschlag
wurde von oben abgelehnt...“[9] Nach einer
Untersuchung aus dem Jahr 1973 in 95 Unternehmen des Gebiets von
Novosibirsk stellte sich
heraus, dass sie in einem normalen Jahr 1.554 Änderungen ihrer
Jahrespläne verordnet bekamen.[10] Das macht pro
Arbeitstag durchschnittlich 5 behördliche Eingriffe in den ursprünglich
geplanten Produktionsablauf – wenn das nicht Chaos
macht! Im Jahr 1984
berichtete die Prawda: „Jahrespläne
werden zu spät an die Betriebe gegeben und werden dann noch x-mal
geändert. Statt die Zahl der verpflichtenden Planziffern zu verringern,
wurden sie vermehrt, Materialzuteilungen entsprachen nicht den
Produktionsplanziffern, der Plan selber stimmte nicht mit den
langfristigen Lieferverträgen überein, Beträge, die in dezentrale Projekte
investiert werden sollten, wurden willkürlich von oben
abgeschöpft...“[11] Auch im modernen
Kapitalismus, wo Kapitalbesitz und Management längst getrennt sind, mag es
vorkommen, dass ein Kapitaleigner sich in eine Detailfrage seines
Unternehmens einmischt. In der Sowjetwirtschaft dagegen herrschte
ständiger Anlass zur Einmischung von oben durch ständig veränderte
Prioritäten der Planer, die sich sofort auf eine Vielzahl von
Entscheidungen und Wirtschaftsebenen bis hinunter in jede einzelne Fabrik
auswirkten. Es
heißt, dass Ordzhonikidze, der 1930 bis 1937 für die sowjetische
Schwerindustrie verantwortlich war, mit jeder einzelnen Fabrik der
Schwerindustrie in der gesamten Sowjetunion eine direkte Telefonverbindung
hatte, und dass er diese Leitungen ständig nutzte, um Leute, Material und
Anlagen von einem Betrieb in den anderen zu schaffen.[12] 2.1.3. Störfaktor
Schlüsselindustrie Produktionschaos
entstand nicht nur notwendig dadurch, dass die Planerbürokratie ständig
ihre Meinung und damit die Planvorgaben änderte, sondern auch durch den
strukturellen Gegensatz von privilegierten „Schlüsselbetrieben“ und
„Schlüsselprodukten“ - darunter der gesamten Rüstungs- und
Weltraumindustrie - auf der einen Seite und den „Normalbetrieben“ und
„Normalprodukten“ auf der anderen Seite. Die Belieferung der
Schlüsselbetriebe und ihre Produktion hatten absoluten Vorrang, und ihr
einigermaßen reibungsloser und kontinuierlicher Produktionsprozess wurde
gerade dadurch erkauft, dass bei allen anderen Produkten, Betrieben und
Sektoren die Störungen und das Chaos vergrößert wurden, bis die
privilegierte Produktion und der privilegierte Sektor versorgt
war. Ein sowjetischer
Ökonom schrieb 1971: „Der
Produktionsplan eines Unternehmens enthält normalerweise Ziffern für die
Planerfüllung bei den wichtigsten Produktionssorten. Die Produktion und
Lieferung von allen 'weniger wichtigen' Produkten fällt also aus dem
System.“[13]. In der sowjetischen
Textilindustrie waren Hosen z.B. 'wichtige' Produkte, Reißverschlüsse für
Hosen aber nicht. Das führte dazu, dass Reißverschlüsse chronisch knapp
waren, und falls überhaupt, dann erst spät geliefert
wurden. Die Privilegien der
Schlüsselindustrien brachten es dazu, dass es innerhalb des ständig
gestörten sowjetischen Produktionsprozesses Betriebe gab, die
kapitalistische Effektivität erreichten oder übertrafen, ohne dass deshalb
der gesamte Produktionsprozess nach ihrem Modell organisiert werden
konnte. Die Effektivität der Schlüsselbetriebe wurde erkauft durch
Unterbrechung des gesamten übrigen Produktionsprozesses und damit durch
die erhöhte Ineffektivität aller anderen Betriebe. In welch enormem
Ausmaß der sowjetische Produktionsprozesses durch systembedingte Störungen
stockend und diskontinuierlich verlief, bewies eine sowjetische
Untersuchung von 1975, die feststellte, dass in den letzten 9 Arbeitstagen eines jeden Monats rund
doppelt soviel produziert wird wie in den ersten 14 Arbeitstagen jeden
Monats.[14] Bei einer
gleichmäßigen Produktionsleistung während der gesamten 23 Arbeitstage
eines Monats auf dem Niveau der letzten 9 Tage hätte das eine
Produktionssteigerungen von 44 Prozent ergeben. Oder umgekehrt:
Weil es so häufige Produktionsstockungen in sowjetischen Betrieben gab,
wurde nur knapp 70 Prozent von dem geschafft, was bei gleichmäßiger
Produktionsauslastung möglich gewesen wäre. Natürlich gibt es auch
Stockungen im Kapitalismus. Aber innerbetriebliche Stockungen der
Produktion sind für den Kapitalismus eher untypisch. Typische
kapitalistische Störungen sind vor allem Stockungen in der
Zirkulationsphase, also während des Einkaufs und Verkaufs der Waren: „Kontinuität ist aber das charakteristische Merkmal der
kapitalistischen Produktion und durch ihre technische Grundlage bedingt,
wenn auch nicht immer unbedingt erreichbar.“[15]
„Just-in-Time-Production“
mag in kapitalistischen Betrieben nie vollständig umzusetzen sein, in
sowjetischen Betrieben jedoch war ein solches Produktionsideal prinzipiell
undenkbar und undurchführbar. Die Produktion in der
Sowjetwirtschaft war vor allem durch Störungen während der
Produktionsphase gekennzeichnet, die teils über die chaotische
Zirkulation, teils durch ständige Intervention der Direktivplaner in den
Produktionsprozess wie durch die Privilegierung von Schlüsselbetrieben
entstanden. Diese systembedingten Störungen bewirkten einen ständigen
Wechsel zwischen erzwungener Beschäftigungslosigkeit und Überarbeit zu
„Stoßzeiten“ innerhalb des Arbeitsprozesses. Während für den
Kapitalismus die Überarbeit für die Beschäftigten bei erzwungener
Untätigkeit der Arbeitslosen außerhalb der Betriebe typisch ist, war
Untätigkeit in der Sowjetwirtschaft nicht notwendig mit Verlust des
Arbeitsplatzes verbunden, sondern es gab weitverbreitete innerbetriebliche
Untätigkeit als Warten auf die nächste Phase der Überarbeit. Dieser
innerbetriebliche Vorrat an Arbeitskraft erfüllte für das Sowjetsystem
ganz die gleichen Aufgaben, die die industrielle Reservearmee der
Arbeitslosen im Kapitalismus erfüllt. Wir hatten gesehen,
dass Arbeiter und Produktionsmittel im Kapitalismus durch Kaufakte und im
Sowjetsystem durch Direktiven zusammen kommen. Karl Marx hat die kapitalistische
Verknüpfung von Arbeitskraft und Produktionsmitteln auf die Formel
gebracht: Der Kapitalist kauft spezielle Waren und verwandelt dadurch Geld
in produktives Kapital (Arbeiter + Produktionsmittel) im kapitalistischen
Produktionsprozesse wird eine neue Ware von höherem Wert produziert. Also
Kurzformel: G
– W(A+Pm) ... P ... neue Ware mit höherem Wert[16], wobei P für den
Produktionsprozess steht. In der
Sowjetwirtschaft läuft der Vorgang anders ab: Eine Direktive weist dem
Betrieb X Arbeiter und Produktionsmittel (von Y) zu und die Produktion
beginnt. Als Formel: Direktive – (A + Pm)
... P ... Produkt
[1] Karl Marx, Das Kapital II. MEW 24, S. 42. [2] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie,
S. 89. [3] W. I. Lenin, Staat und Revolution, III. Kap., 3.
Abschn., Ausgewählte Werke Bd. II, S. 359. [4] Georg Fülberth: KPD und DKP 1945 – 1990, zweite Aufl.
1992: S. 168f. [5] Georg Fülberth, KPD und DKP 1945 – 1990, zweite Aufl.
1992, S. 169. [6] F. Engels, MEW 20, S. 255. [7] vgl.
Nove, Alec: An Economic History of the U.S.S.R., Harmondsworth 1972, 1986. S.
97. [8] zitiert nach Carr, E.H. and Davies, R.W.: A History
of Soviet Russia. Vol. 9 + 10: Foundations of a Planned Economy
(1926-1929) London 1. Ed. 1969, S. 833. [9]
zitiert nach Nove, Alec: The Soviet Economic System. Boston, Third
Edition, 1986 S. 102. [10]
Nove, Alec: The Soviet Economic System. Boston, Third Edition, 1986. S.
99. [11] zitiert nach Nove, Alec: The Soviet Economic System.
Boston, Third Edition, 1986., S. 85f . [12] Nove, Alec: An Economic History of the U.S.S.R.,
Harmondsworth 1972, S. 266. [13]
zitiert nach Nove, Alec: The Soviet Economic System. Boston, Third
Edition, 1986., S. 104. [14]
vgl., Nove, Alec: The Soviet Economic System. Boston, Third Edition,
1986., S. 228. [15]
Karl Marx, Das Kapital II. MEW 24, S. 106. [16] „Durch G – W <APm, die Verwandlung von Geldkapital in produktives Kapital, bewirkt der Kapitalist die Verbindung der gegenständlichen und persönlichen Faktoren der Produktion...“ Karl Marx, Kapital II. MEW 24, 36. „Der Gebrauch der Arbeitskraft, die Arbeit, kann nur im Arbeitsprozess realisiert werden... Der Kapitalist ... kann andererseits die Arbeitskraft nur vernutzen, indem er durch sie die Produktionsmittel als Warenbildner vernutzen lässt. Das Resultat des ersten Stadiums ist also der Eintritt in das zweite, das produktive Stadium des Kapitals. Die Bewegung stellt sich dar als G – W <APm ... P, ...“ Karl Marx, Kapital II. MEW 24, S. 40. |