Weltmeister im Export und im Jammern
Karstadt/Quelle kämpft
weiter ums Überleben und muss sich um weitere 400 Millionen Euro
verschulden – zu Bedingungen, die sonst nur Sozialhilfeempfängern
zugemutet werden (man munkelt von 20 Prozent Jahreszinsen). Der
Betriebsrat von Opel verkündet stolz, dass er für die Kapitalisten die
geforderte Anzahl von „freiwilligen“ Kündigungen erreicht hat. 5 Millionen
Arbeitslose sind gemeldet – bei drei oder vier Millionen versteckten
Arbeitslosen. Das sind die
Wirtschaftsmeldungen, die durch unseren Blätterwald
rauschen. Dass die deutschen
Kapitalisten in den letzten Jahren ihre Gewinne steigern konnten wie
selten zuvor, dass die deutschen Unternehmen wieder einmal
Exportweltmeister sind, dass die hohe Arbeitslosigkeit nur zum geringsten
Teil von Unternehmen verursacht wird, die in der internationalen
Konkurrenz nicht mithalten können, das wird gezielt
verschwiegen. Gerne wird von
deutschen Ökonomen auf das geringe Wirtschaftswachstum der letzten Jahre
hingewiesen. Die Berechnung des Wirtschaftswachstums liefert aber nur eine
Gesamtsumme, die Gewinner und Verlierer verdeckt. Nehmen wir an, die
Gesamteinkommen der Lohnarbeiter in Deutsch-land, die rund 90 Prozent der
Erwerbspersonen stellen und rund 60 Prozentpunkte des Nationaleinkommens
stellen, sinken insgesamt um 100 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen
aber die kapitalistischen Einkommen, die rund 10 Prozent der
Erwerbspersonen stellen und 40 Prozent des Nationaleinkommens
einstreichen, um ebenfalls 100 Milliarden Euro. In diesem Fall wäre
das Nationaleinkommen nicht gestiegen. Gesamtwirtschaftlich hätten wir
Stagnation, trotz üppig sprudelnder Gewinne. Unsere Medien verbreiten dann
großes Jammergeschrei über die schlechte Wirtschaftslage, und die
Kapitalisten lachen sich ins Fäustchen. Genau das war die
wirtschaftliche Lage der letzten Jahre. Nachweisen lässt sich das
gesamtwirtschaftlich am Sinken der Lohnquote. Ablesen lässt sich das auch
an der Steigerung der Arbeitsproduktivität, deren Vorteil allein die
Kapitalisten einstreichen: Die Lohnstückkosten sanken, weniger
Lohnarbeiter schufen gleich viel oder mehr Waren und Dienstleistungen. Die
kapitalistischen Gewinne stiegen, die Löhne stagnierten oder
sanken. Die obige Grafik zeigt
die Entwicklung der deutschen Wettbewerbs-fähigkeit innerhalb der
Europäischen Union. Die Lohnstückkosten der deutschen Kapitalisten sanken
absolut um rund 10 Prozent seit 1999. Gegenüber den französischen und
italienischen Konkurrenten sanken die deutschen Lohnstückkosten relativ
fast um 40 Prozent. Das ist der Grund, warum der deutsche Export weiter
boomt, obwohl der Eurokurs gegenüber dem Dollar rund 20 Prozent zugelegt
hat. Der britische
„Economist“ schreibt: „Ökonomen von ABN Amro schätzen, dass die
Arbeitskosten in Deutschland inzwischen niedriger sind als in
Italien.“ (The Economist, 19.02.05). Deutschland war in den
letzten fünf Jahren das einzige G7-Land, das seinen Exportanteil auf dem
Weltmarkt ausweiten konnte. Der „Economist“ kommt zu dem Schluss: „Die landläufige Vorstellung, dass Deutschland wegen höher Löhne nicht konkurrenzfähig sei, scheint nicht zu stimmen.“ (The Economist, 19.02.05).
Nachtrag: „Das vergangene Jahr war ein bombiges Jahr für die deutschen Unternehmen. Die Gewinne explodierten. Während in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Zuwachs der Arbeitsentgelte exakt null Komma null beträgt, sind die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um 10,7 Prozent gestiegen. Das ist, bei einem Wachstum der gesamten Wirtschaft von 1,7 Prozent, ein schöner Erfolg für die deutschen Unternehmen.“ aus: FTD, 4.2.05
Wal Buchenberg,
26.02.05 |