Zusammenbruch der "Volksparteien"

Bundestagswahlen stehen vor der Tür und kaum einen kümmert es. Kaum jemand glaubt noch, dass sich die Verhältnisse durch Wahlen bessern lassen.

In Wahlen sortiert die herrschende Klasse ihr staatliches Verwaltungspersonal. Wahlen werden zunehmend zur „geschlossenen Veranstaltung“.
Das trifft vor allem die großen „Volksparteien“, die für sich ein Monopol für staatliches Handeln beanspruchten. Dieses Monopol ist zerbrochen und zerbricht weiter.
Das schwindende Vertrauen in unsere politische Klasse setzt sich um in die Zersplitterung der Parteienwelt, so dass unseren Herrschenden Regierungsbildung und Regierungshandeln zunehmend schwerer gemacht wird. Das ist eine gute Entwicklung.


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In den Jahren zwischen 1972 und 1980 besaßen die zwei Großparteien CDU/CSU und SPD zusammen mit ihrem Wurmfortsatz, der FDP, ein Monopol auf staatliches Handeln. Seitdem ist dieses Monopol zunehmend zerbrochen. Und die Unterstützung für die großen Staatsparteien schwindet.
Die Dramatik dieser Entwicklung würde noch deutlicher, wenn man die Wahlunterstützung für einzelne Parteien nicht als Prozent der gültigen Stimmen (wie in der obigen Grafik), sondern als Prozent der Wahlberechtigen rechnet.

Der Bundeswahlleiter zählt als Wahlergebnis für jede Partei nur den jeweiligen Prozentsatz der abgegebenen Stimmen. Für die Verteilung von Abgeordnetensitzen und Ministersessel genügt das. Da der Bundeswahlleiter die Wahlenthaltungen und ungültigen Stimmen dabei ausblendet, zeigt das nicht die tatsächliche Unterstützung für eine Partei bei den Wählern.
Die tatsächliche Wahlunterstützung einer Partei erhält man, wenn man das offizielle Wahlergebnis jeder Partei mit dem Prozentsatz der Wahlbeteiligung multipliziert.
Ein Beispiel: Bei der Bundestagswahl 2005 hatte die SPD 34,2 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Dieses Ergebnis multipliziert mit dem Prozentsatz der Wahlbeteiligung von 77,7 Prozent ergibt eine tatsächliche Wahlunterstützung der SPD von 26,6 aller Wahlberechtigten. (34,2 x 0,777 = 26,6).
Nach diesem Prinzip habe ich die Bundestags-Wahlergebnisse der drei staatstragenden Parteien in der BRD seit 1949 ausgerechnet und grafisch dargestellt.


Folgendes fällt dabei auf:
Es wird viel von der Krise der SPD geredet, tatsächlich fand die CDU im Jahr 1961 mit 44 Prozent ihre maximale Wahlunterstützung. 2005 wurde sie nur noch von 27,3 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt. Nicht anders die FDP: Ihr Maximum mit 11,2 Prozent aller Wahlberechtigten erreichte sie ebenfalls 1961.
Die SPD fand die höchste Wählerzustimmung 1972 mit 42 Prozent aller Wahlberechtigten.
Alle drei staatstragenden Parteien zusammen fanden ihre maximale Unterstützung in der Bundestagswahl 1980. Damals kamen sie auf insgesamt 91,4 Prozent aller Wahlberechtigten. Im Jahr 2005 wählten sie nur noch 61,5 Prozent aller Wahlberechtigten.
Das Jammern im Regierungslager wird unüberhörbar werden, sobald die drei ehemaligen „Monopolparteien“ die 50-Prozent-Grenze der Wahlunterstützung erreichen.

Der Absturz der staatstragenden Parteien wird durch zwei fundamentale Entwicklungen verursacht:
Durch den zunehmenden Erfolg neuer, kleiner Parteien und durch den zunehmenden Wahlboykott. Beide Entwicklungen wirken teils gemeinsam, teils gegeneinander, aber sie werden sich fortsetzen und verstärken.
Wahrscheinlich werden auch neben der CDU am rechten Rand neue, erfolgreichere Parteien auftauchen. Das ist Teil des staatlich-politischen Fäulnisprozesses, der nicht mit Parteiverboten gestoppt werden kann.

Vergleiche dazu die Grafik zur Wahlbeteiligung.

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Die Angst der deutschen Bourgeoisie vor einem komplizierten Wahlergebnis beschrieb Andreas Theyssen, leitender Politikredakteur der Financial Times Deutschland:
"Für uns Wähler kann diese Bundestagswahl zur ganz, ganz großen Enttäuschung werden. Wer Merkel wollte, bekommt sie nicht. Wer Steinmeier wollte, bekommt ihn nicht. Stattdessen bekommen wir, was wir partout nicht wollten: Chaos, Köpfe, die keiner auf dem Zettel hatte. Es sei denn, wir entscheiden uns doch noch, so zu wählen, wie wir 50 Jahre lang gewählt haben: eine große Partei mit einem kleinen Partner. Also eine stabile Koalition."

Wal Buchenberg, 08.09.2009